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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 06.12.2007
Aktenzeichen: 11 Sa 414/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, ZBSTV, BetrVG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2 b
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
ZBSTV § 2 Abs. 3
ZBSTV § 4
ZBSTV § 5
ZBSTV § 5 Abs. 1
ZBSTV § 6
ZBSTV § 6 Abs. 1 Satz 2
ZBSTV § 6 Abs. 2
BetrVG § 77 Abs. 3
BGB § 812
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 26.04.2007, AZ: 1 Ca 2695/06, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten zuletzt nur noch über einen Anspruch der Klägerin auf Auskunftserteilung wegen geleisteter Mehrarbeit sowie über die Abrechnung und Bezahlung dieser Mehrarbeit.

Die Klägerin, 49 Jahre alt, verheiratet und 2 erwachsenen Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet, war seit 03.03.1986 im Unternehmen der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Vorarbeiterin in Vollzeit.

Die Beklagte fertigt hauptsächlich Schraubverschlüsse für die Getränkeindustrie und hatte etwa 180 Mitarbeiter beschäftigt.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund der betriebsbedingten Kündigung vom 19.12.2006 mit Ablauf des 31.07.2007. Über die Wirksamkeit dieser Kündigung haben sich die Parteien im Rahmen des erstinstanzlichen Kündigungsschutzbegehrens mit Teil-Vergleich vom 26.04.2007 geeinigt (vgl. Bl. 93 d. A.).

Auf das ehemalige Arbeitsverhältnis der Parteien fand kraft Arbeitsvertrag der zwischen der Beklagten und IG-Metall abgeschlossene Zukunfts-, Beschäftigungssicherungs- und Standortsicherungstarifvertrag vom 11.04.2005 (ZBSTV) Anwendung, der am 01.01.2005 in Kraft getreten ist. Auf diesen Tarifvertrag wird verwiesen (vgl. Bl. 12 d. A.). Weiter trat am 01.01.2005 die Betriebsvereinbarung 08/2004 über die neue Arbeitszeitregelung für die Alu-Produktion und Druckerei in Kraft; auch auf diese Betriebsvereinbarung wird verwiesen (vgl. Bl. 87 bis 90 d. A.).

Am 30.11.2006 unterzeichnete die Beklagte dann zusammen mit der IG-Metall einen weiteren Sanierungstarifvertrag. Mit diesem wurde in § 10 Abs. 1 die Beendigung des Tarifvertrages vom 11.04.2005 mit Wirkung zum 28.11.2006 vereinbart. Weiter wurde in § 10 Abs. 2 dieses Tarifvertrages vereinbart, dass erst wieder ab dem 01.01.2007 eine Beschäftigungssicherung in Kraft treten sollte. Auch auf diesen Tarifvertrag wird im Weiteren verwiesen (vgl. Bl. 25 bis 28 d. A.).

Die Klägerin hat zur Begründung ihres Klagebegehrens vorgetragen:

Sie sei aufgrund des Beschäftigungssicherungstarifvertrages zur Erbringung unbezahlter Mehrarbeit verpflichtet gewesen.

Wie sich aus den §§ 5 und 6 des Beschäftigungssicherungstarifvertrages ergebe, sei ihre Vergütung in der Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2006 auf der Basis einer festen Stundenzahl erfolgt. Die geleistete Mehrarbeit sei seitens der Beklagten statistisch erfasst worden, ohne dass sie einen Anspruch auf Ausgleich gehabt habe. Hierauf basierend habe sie in den Jahren 2005 und 2006 deutlich mehr als 200 Stunden Mehrarbeit geleistet, ohne hierfür einen Ausgleich, insbesondere eine Vergütung, erhalten zu haben.

Wenn die Beklagte argumentiere, der Sanierungstarifvertrag vom 30.11.2006 sei möglich geworden und wirksam, weil sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen erheblich geändert hätten und damit die Geschäftsgrundlage für den Beschäftigungssicherungstarifvertrag vom 11.04.2005 weggefallen sei, gelte dies naturgemäß auch in umgekehrter Richtung.

In diesem Falle bestehe naturgemäß für sie - die Klägerin - keinerlei Veranlassung (mehr) auf die Vergütung der von ihr geleisteten Arbeit zu verzichten, weil die "Gegenleistung" für diesen Verzicht, nämlich der Erhalt ihres Arbeitsplatzes bis mindestens 31.12.2007 ebenfalls entfallen sei. Da sie sich auf die Wirksamkeit und den Bestand des Beschäftigungssicherungstarifvertrages vom 11.04.2005 verlassen gehabt habe, verfüge sie nicht über eigene Aufzeichnungen der von ihr geleisteten Mehrarbeit. Ausweislich § 6 des Beschäftigungssicherungstarifvertrages habe sich die Beklagte jedoch verpflichtet, die insoweit geleistete Mehrarbeit statistisch zu erfassen, so dass es der Beklagten anhand ihrer Zeiterfassung unschwer möglich sei, die von der Klägerin geleistete und bislang nicht vergütete Mehrarbeit bekannt zu geben und hierüber Abrechnung zu erteilen.

Im Ergebnis könne es nicht sein, dass sich die Beklagte aus der vorliegenden tarifvertraglichen Situation die "Rosinen" herauspicke, d. h. auf der Basis des ursprünglichen Beschäftigungssicherungstarifvertrages von der Klägerin für die Dauer von 2 Jahren Arbeitsleistung entgegennehme und diese nicht vergüte, dann aber gleichwohl von der ursprünglich zugesagten "Gegenleistung", namentlich den Erhalt des Arbeitsplatzes, einen Rückzieher mache und die Klägerin doch auf die Straße setze.

Die Klägerin hat (zuletzt) noch beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft zu erteilen über die von ihr in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2006 geleistete und bislang entsprechend dem Beschäftigungssicherungstarifvertrag vom 11. April 2005 § 6 statistisch erfasste und nicht vergütete Mehrarbeit,

2. die Beklagte zu verurteilen, über ihre Mehrarbeit gemäß vorstehender Ziffer abzurechnen und den sich ergebenden Nettobetrag an sie auszuzahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat insoweit vorgetragen:

Der von der Klägerin verfolgte Auskunftsanspruch sei abzuweisen, da sie keine "Mehrarbeit" erbracht habe. Gemäß § 4 Ziffer 1 des Zukunfts-, und Beschäftigungssicherungstarifvertrages vom 11.04.2005 sei den Betriebsparteien die Möglichkeit eingeräumt worden, durch Betriebsvereinbarung eine wöchentliche Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden zu vereinbaren. Von dieser Möglichkeit sei zwischen den Geschäftsführern der Beklagten und dem Betriebsrat - unstreitig - durch die Betriebsvereinbarung 08/2004 Gebrauch gemacht worden. Entsprechend dieser Regelung sei auch im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin verfahren worden, so dass es zu keiner Mehrarbeit im Sinne des klägerischen Antrages gekommen sei. Ein Auskunftsanspruch bestehe zudem nach gefestigter Rechtssprechung nur dann, wenn die begehrte Auskunft zur Durchsetzung eines zugrundeliegenden Hauptsanspruchs erforderlich sei. Der Hauptanspruch, welcher von Seiten der Klägerin geltend gemacht werde, bestehe in der Abgeltung der - aufgrund des Beschäftigungs- und Zukunftssicherungstarifvertrages vom 11.04.2005 - vorgearbeiteten Arbeitsstunden. Insoweit sehe jedoch § 6 Abs. 1 dieses Tarifvertrages ausdrücklich vor, dass hinsichtlich der vorgeleisteten Stunden kein Anspruch auf Ausgleich oder Abgeltung bestehe.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein hat mit Urteil vom 26.04.2007 die Klage abgewiesen.

Es hat dabei im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der im Wege der Stufenklage geltend gemachte Auskunftsanspruch der Klägerin nicht bestehe, weil feststehe, dass sich für sie aus der begehrten Auskunft keine Leistungsansprüche ergeben könnten. Dieser Auskunftsanspruch beziehe sich auf die nach § 6 des Beschäftigungstarifvertrages vom 11. April 2005 statistisch erfasste "Mehrarbeit". In § 6 Abs. 1 Satz 2 dieses Tarifvertrages sei ausdrücklich geregelt, dass ein Anspruch auf Ausgleich oder Abgeltung der nach Satz 1 statistisch erfassten Arbeitsstunden nicht entstehe.

In § 10 des Sanierungstarifvertrages vom 30.11.2006 hätten die Tarifvertragsparteien die Beendigung des Beschäftigungssicherungstarifvertrages vom 11. April 2005 mit Wirkung zum 28. November 2006 und eine neue Beschäftigungssicherung erst ab dem 01. Januar 2007 vereinbart. Dabei hätten sie im Sanierungstarifvertrag vom 30. November 2006 keine Abgeltung der nach § 6 des Beschäftigungssicherungstarifvertrages vom 11. April 2005 statistisch erfassten Arbeitsstunden vereinbart. Nichts spreche dafür, dass die Tarifvertragsparteien diese Frage nicht bedacht haben könnten. Mangels unbewusster Regelungslücke komme eine richterliche Korrektur des in § 6 Abs. 1 Satz 2 des Beschäftigungssicherungstarifvertrages vorgesehenen Anspruchsausschlusses nicht in Betracht.

Die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze vom Wegfall bzw. der Änderung der Geschäftsgrundlage fänden auf den normativen Teil eines Tarifvertrages keine Anwendung.

Auch aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ergebe sich nichts anderes. Die in § 6 Abs. 2 des Beschäftigungssicherungstarifvertrages vom 11. April 2005 vorgesehene Prüfung der Tarifvertragsparteien, ob die Geschäftslage des Unternehmens es ermögliche, den individuellen Beitrag der beteiligten Arbeitnehmer vollständig oder teilweise abzugelten, begründe keine rechtlich abgesicherte Anwartschaft, sondern eine bloße Erwerbsaussicht, die keinen Vertrauensschutz genieße.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen (vgl. Bl. 106 - 109 d. A.).

Das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 26.04.2007 ist der Klägerin am 25.05.2007 zugestellt worden. Gegen dieses Urteil richtet sich die am 25.06.2007 zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegte und am 23.07.2007 begründete Berufung.

Zu deren Begründung trägt die Klägerin vor:

Im Beschäftigungssicherungstarifvertrag vom 11.04.2005 sei der Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses bis mindestens 31.12.2007 geregelt. Der Inhalt dieses Beschäftigungssicherungstarifvertrages löse somit das schützenswerte Vertrauen der Arbeitnehmer darauf aus, dass der Arbeitsplatz mindestens bis 31.12.2007 nicht gefährdet sei. Insofern sei die - ebenfalls tarifvertraglich vereinbarte - Leistung von unvergüteter Mehrarbeit als eine Art Gegenleistung der Arbeitnehmer für den Bestandsschutz ihres Arbeitsverhältnisses zu sehen. In dem nun die Tarifvertragsparteien den Beschäftigungssicherungstarifvertrag vom 11.04.2005 aufgelöst und den Sanierungstarifvertrag vom 30.11.2006 abgeschlossen hätten, seien die betriebsbedingten Kündigungen vor dem 31.12.2007 ermöglicht worden. Allein hierdurch sei rückwirkend in geschützter Rechtspositionen der Arbeitnehmer eingegriffen worden.

Im Hinblick auf die geleistete Mehrarbeit bestehe keine Veranlassung, an deren Vergütungsfreiheit festzuhalten, wenn und soweit die "Gegenleistung" hierfür, nämlich der Erhalt der Arbeitsplätze, seitens des Arbeitgebers nicht erbracht wurde.

Aus Sicht der Klägerin sei es offensichtlich, dass es den Tarifvertragsparteien bei den Verhandlungen wie beim Abschluss des Sanierungstarifvertrages ausschließlich darauf angekommen sei, betriebsbedingte Kündigungen zu ermöglichen und dass hierbei alle anderen damit zusammenhängende Aspekte, vor allem in Hinblick auf die Arbeitnehmer, übersehen worden seien. Hätten die Tarifvertragsparteien diese Auswirkungen bedacht, wäre der Punkt der in der Vergangenheit geleisteten und nicht vergüteten Arbeit mitgeregelt worden.

Da somit eine unbewusste Regelungslücke im Sanierungstarifvertrag vorliege, sei diese richterlich zu korrigieren.

Die Klägerin beantragt,

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 26.04.2007, AZ 1 Ca 2695/06 wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die von ihr in der Zeit vom 01.01.05 bis 31.12.06 geleistete und bislang entsprechend dem Sicherungstarifvertrag vom 11.04.05, § 6 statistisch erfasste und nicht vergütete Mehrarbeit.

3. Die Beklagte wird verurteilt, über die Mehrarbeit gem. vorstehender Ziffer abzurechnen und den sich ergebenden Nettobetrag an die Klägerin auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 26.04.2007 kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt hierzu vor:

Ein Auskunftsanspruch bestehe nach gefestigter Rechtsprechung nur dann, wenn die begehrte Auskunft zur Durchsetzung eines zugrunde liegenden Hauptanspruchs erforderlich sei. Wegen der Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 des Tarifvertrages vom 11.04.2005, der ausdrücklich einen Ausgleich oder eine Abgeltung von Mehrarbeit ausschließe, könne kein Anspruch auf Auskunft bestehen.

Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereichung scheitere schon daran, dass ein Rechtsgrund vorliege.

Darüber hinaus könne die Klägerin auch keine Ansprüche aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage geltend machen. Diese allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze fänden auf den normativen Teil eines Tarifvertrages keine Anwendung.

Des Weiteren könne sich ein Anspruch auch nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten ergeben. Die Beschäftigungsgarantie und der faktische Verzicht auf Abgeltung der Mehrarbeit stünden nicht in einem synallagmatischen Verhältnis. Hinzu komme, dass die Klägerin auch überhaupt keine Mehrarbeit in diesem Sinne erbracht habe.

Schließlich spreche auch nichts dafür, dass die Tarifvertragsparteien eine bewusste Regelungslücke zugelassen hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien sowie die Sitzungsniederschrift vom 06.12.2007 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gemäß der §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung erweist sich damit insgesamt als zulässig.

II.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.

1. Allerdings sind das im Berufungsverfahren noch verfolgte Auskunfts-, sowie das im Form der Stufenklage geltend gemachte Abrechnungs- und Zahlungsbegehren der Klägerin zulässig. Insbesondere sind die beiden Klageanträge hinreichend bestimmt (vgl. § 253 ZPO).

Beide Anträge bedürfen jedoch der Auslegung soweit die Klägerin mit diesen Auskunft über die "geleistete Mehrarbeit" bzw. die Abrechnung der "Mehrarbeit" verlangt.

Dieser Begriff der Mehrarbeit taucht arbeitsrechtlich in unterschiedlichem Zusammenhang auf (vgl. § 21 Abs. 2 JArbSchG, § 8 Abs. 1 MuSchG, § 124 SGB IX sowie § 15 AZO a. F.). Im allgemeinen wird dieser Begriff entsprechend des Begriffs der Überstunden auf die Überschreitung der regelmäßigen betrieblichen oder tariflichen Arbeitszeit angewandt (vgl. Küttner/Reinecke, Personalhandbuch 2007, Überstunden, Rnr. 2 unter Hinweis auf § 3 Abs. 5 BRTV sowie § 4 MTV Groß- und Außenhandel NRW).

In diesem Sinn ist das Klagebegehren der Klägerin aber nicht zu verstehen, nachdem diese - insoweit unstreitig - keine solche Mehrarbeit geleistet hat. Mit dem Zusatz "entsprechend des Beschäftigungssicherungstarifvertrages vom 11.04.2005" bringt die Klägerin vielmehr zum Ausdruck, dass das Klagebegehren allein die gemäß § 6 des Zukunfts-, Beschäftigungssicherungs- und Standortsicherungs-Tarifvertrages (ZBSTV) vom 11.04.2005 "vorgeleisteten Stunden" betrifft. Hinsichtlich dieser Stunden verlangt die Klägerin Auskunft, Abrechnung und Bezahlung. Dies hat die Klägerin auf Nachfragen des Gerichts im Kammertermin vom 06.12.2007 bestätigt.

In dieser Auslegung erweist sich das Klagebegehren dann als zulässig.

2. Das Klagebegehren ist allerdings insgesamt unbegründet.

Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Auskunft wegen der gemäß § 6 des ZBSTV erfassten Stunden noch einen Anspruch auf Abrechnung und Abgeltung dieser Stunden.

a. Ein entsprechender Anspruch folgt nicht bereits aus dem Arbeitsvertrag der Parteien. Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber aufgrund seines Arbeitsvertrage keinen allgemeinen Auskunftsanspruch zu den Details der Arbeitsleistung in der Vergangenheit. Als vertragliche Nebenpflicht besteht lediglich dann eine Pflicht zur Auskunftserteilung, wenn der aus dem Vertrag Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechts keine Gewissheit hat und deshalb auf die Auskunft des anderen Teils angewiesen ist, soweit dieser sie unschwer geben kann (vgl. BAG 07.09.1995, 8 AZR 828/93, AP Nr. 24 zu § 242 BGB Auskunftspflicht; LAG Niedersachsen, 10.05.2005, 13 Sa 842/04, NZA-RR 2005, S. 461 ff.).

Ein solcher - allgemeiner - Auskunfts- und Abrechnungsanspruch der Klägerin scheitert schon daran, dass sie nicht in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechtes keine Gewissheit hat..

In der BV 08/2004 ist festgelegt worden, dass die "vorgeleisteten Stunden" drei Stunden in der Woche (von 35 Stunden auf 38 Stunden) betragen sollten. Die Klägerin hätte daher die entsprechende Anzahl der Stunden im streitgegenständlichen Zeitraum unschwer selbst feststellen können.

b. Ein Auskunfts- und erst recht ein Abrechnungs- und Abgeltungsanspruch ergeben sich aber auch nicht aus § 6 des ZBSTV. Diese Vorschrift lautet wie folgt:

§ 6 Besserungsschein

Die Geschäftsleitung der Firma C. B. erklärt, dass die von den Beschäftigten vorgeleisteten Stunden (siehe Wochenarbeitszeit) statistisch erfasst und den Beschäftigten gut geschrieben werden. Ein Anspruch auf Ausgleich oder Abgeltung entsteht nicht.

Jeweils nach Vorlage des durch den Wirtschaftsprüfer testierten Jahresergebnisses prüfen die Tarifvertragsparteien, ob die Geschäftslage des Unternehmens es ermöglicht, den individuellen Beitrag der beteiligten Arbeitnehmer vollständig oder teilweise abzugelten. Hierbei werden das Geschäftsergebnis und die statistisch erfassten Stunden des jeweiligen Jahres abschließend behandelt.

Als Bemessungsgrundlage der Geschäftslage wird das "Ergebnis nach Steuern" (ermittelt nach USGAAP - Net Income) herangezogen.

Die Geschäftsleitung stellt rechtzeitig die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung.

Obwohl diese Vorschrift vorsieht, dass die vorgeleisteten Stunden "den Beschäftigten gut geschrieben werden", lässt sich hieraus weder ein Auskunftsanspruch noch ein Abrechnungs- und Vergütungsanspruch ableiten. Dies ergibt die Auslegung dieser Bestimmung.

aa. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (vgl. BAG, 12.09.1984, EzA, § 1 TVG Auslegung Nr. 14).

Zunächst ist vom Wortlaut auszugehen. Dabei ist der maßgebliche Sinne der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Tarifwortlaut nicht eindeutig ist, ist der in den tariflichen Normen zum Ausdruck kommende wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung, ergänzend herangezogen werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.

bb. Die Anwendung dieser Grundsätze auf § 6 ZBSTV zeigt, dass bereits ein Auskunftsanspruch des Klägers über diese Vorschrift nicht zu begründen ist.

Nach dieser Vorschrift sind die Stunden, über die die Klägerin Auskunft verlangt, statistisch zu erfassen und den Beschäftigten gut zu schreiben. Ein Anspruch auf Ausgleich oder Abgeltung dieser Stunden entsteht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 ZBSTV nicht. Lediglich soweit nach dem Wortlaut die Stunden "den Beschäftigten gut geschrieben werden" könnte gefolgert werden, dass damit den Beschäftigten hinsichtlich dieser Stunden ein entsprechender Auskunftsanspruch zusteht.

Allerdings zeigt der Wortlaut weiter, dass die Erfassung lediglich "statistische" Bedeutung haben sollte. Soweit diese dann nach dem Zusatz den Beschäftigten gut geschrieben werden sollten, wird zum Ausdruck gebracht, dass auch nach der statistischen Erfassung noch eine individuelle Zuordnung dieser Stunden zu den jeweiligen Beschäftigten möglich sein sollte. Dabei wird hinreichend deutlich, dass dies nicht im individuellen Interesse der jeweiligen Beschäftigten erfolgen sollte (was gegebenenfalls einen individuellen Auskunftsanspruch begründen könnte), sondern allein im Hinblick auf die in § 6 Abs 2 ZBSTV vereinbarte weitere Vorgehensweise. Dass ein individueller Auskunftsanspruch nicht entstehen sollte, zeigt sich schon darin, dass gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 ZBSTV ein Anspruch auf Ausgleich oder Abgeltung der erfassten Stunden gerade nicht entstehen sollte. Es kann nicht angenommen werden, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten einen (isolierten) Auskunftsanspruch zubilligen wollten, obwohl ausdrücklich ein Anspruch auf Ausgleich oder Abgeltung der Stunden ausgeschlossen war.

Die statistische Erfassung der vorgeleisteten Stunden und die individuelle Zuordnung zu den Beschäftigten waren allein im Hinblick auf die gemäß § 6 Abs. 2 ZBSTV verabredete Vorgehensweise vorgesehen. Dies zeigt bereits die einheitliche Überschrift der Vorschrift "Besserungsschein". Nach § 6 Abs. 2 ZBSTV war verabredet, dass die Tarifvertragsparteien nach Vorlage des Jahresergebnisses prüfen wollten, ob die Geschäftslage der Beklagten es ermöglichte, den individuellen Beitrag der beteiligten Arbeitnehmer vollständig oder teilweise abzugelten. Die Erfassung der Arbeitsstunden diente ausschließlich der Vorbereitung dieser Verfahrensweise zur möglichen Nachbesserung. Aber weder ist festgelegt, ob überhaupt noch in welcher Höhe ein Nachbesserungsanspruch entstehen sollte. Dieser war in seinem Entstehen abhängig von einer entsprechenden Vereinbarung der Tarifvertragsparteien. Ohne eine solche "Nachbesserungsvereinbarung" hatte sich die Bedeutung der statistisch erfassten Stunden erledigt. Dies zeigt sich auch darin, dass nach der Vereinbarung in § 6 Abs. 2 ZBSTV das Geschäftsergebnis und die statisch erfassten Stunden des jeweiligen Jahres jeweils abschließend behandelt werden sollten.

Ein Auskunfts-, Abrechnungs- und Abgeltungsanspruch lässt sich damit aus § 6 ZBSTV nicht ableiten. Vielmehr steht diese Vorschrift dem Begehren der Klägerin geradezu entgegen.

c. Ein Auskunfts-, Abrechnungs- und Zahlungsanspruch der Klägerin besteht auch unter keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt. Dies scheitert schon daran, dass die Klägerin hinsichtlich der "vorgeleisteten" Stunden gar keinen Vergütungsanspruch erworben hat.

aa. Die Tarifvertragsparteien haben in dem ZBSTV vom 11.04.2005 in § 5 (Vergütungsgrundlage bei Schichtbetrieb) festgelegt, dass die Vergütung der Arbeitnehmer auf der Basis eines verstetigten Monatsentgeltes von (zur Zeit) 152,25 Stunden erfolgen sollte. Die Vergütung im Contibetrieb sollte auf der Basis eines verstetigten Monatsentgelts von (zur Zeit) 167,5 Stunden erfolgen.

Weiter haben die Tarifvertragsparteien in § 4 (Wochenarbeitszeit) des Tarifvertrages festgelegt, dass von der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit für die Laufzeit dieses Vertrages abgewichen werden konnte. Hier war vorgesehen, dass durch Betriebsvereinbarung eine wöchentliche Arbeitszeit zwischen 30 Stunden und 40 Stunden vereinbart werden konnte.

Entsprechende Arbeitszeitregelungen haben der Betriebsrat der Beklagten und die Geschäftsleitung der Beklagten in der Betriebsvereinbarung 08/2004 vom 17.12.2004 vorweg genommen. Auch wenn der Wirksamkeit dieser Betriebsvereinbarung möglicherweise zunächst die Sperrwirkung aus § 77 Abs. 3 BetrVG entgegenstand, haben die Tarifvertragsparteien mit Abschluss des ZBSTV diese Sperrwirkung zum 01.01.2005 beseitigt.

Nach der Betriebsvereinbarung 08/2004 betrug ab dem 01.01.2005 die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt 38 Stunden. Gemäß Ziffer 4 der Betriebsvereinbarung 08/2004 errechnete sich die Vergütung auf der Basis einer 35 Stundenwoche, das heißt eines Monatslohnes von 152,25 Stunden und dem persönlichen tatsächlichen Stundenlohn. Diese Regelung entspricht § 5 Abs. 1 ZBSTV der Vergütungsgrundlagen.

bb. Über diese Betriebsvereinbarung 08/2004 und die §§ 4. 5 ZBSTV wurde damit im Betrieb der Beklagten ein Vergütungssystem eingeführt, nachdem im Jahresdurchschnitt 38 Wochenstunden zu leisten waren, die Vergütung allerdings auf Basis der 35 Stundenwoche erfolgen sollte.

Das neue Vergütungssystem ab dem 01.01.2005 sah damit vor, dass der Arbeitsverpflichtung in Höhe von 38 Wochenstunden eine Vergütungsverpflichtung auf der Berechnungsgrundlage von 35 Stunden gegenüber stand. Mit der entsprechenden Bezahlung sind daher die von der Klägerin geleisteten Arbeitsstunden vollständig abgegolten worden.

Dem Vergütungssystem im Betrieb der Beklagten basierend auf der Betriebsvereinbarung 08/2004 in Verbindung mit §§ 4, 5 ZBSTV ist somit gerade nicht zu entnehmen, dass ein auf die "vorgeleisteten Stunden" entfallender Vergütungsteil gesondert erfasst und der Beklagten gestundet werden sollte.

d. Ein Vergütungsanspruch der Klägerin ( und dem vorgeschaltet ein Abrechnungsanspruch) lässt sich auch nicht über eine Anpassung des Tarifvertrages (ggfls. i. V. m. § 612 BGB) herleiten. Es ist allerdings richtig, dass die entsprechende Reduzierung der Vergütung der Beschäftigten nach dem Gesamtzusammenhang des ZBSTV als deren Sanierungsbeitrag angesehen worden ist.

Allerdings kann gleichwohl der ZBSTV - etwa über das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, worauf die Argumentation der Klägerin hindeutet - nicht dahingehend angepasst werden, dass wegen des Ausbleibens des Erfolges der mit diesem verfolgten Sanierungsmaßnahme (rückwirkend) eine Vergütungspflicht wegen der "vorgeleisteten" Stunden entstünde.

aa. Die Beklagte verweist zutreffend darauf, dass dem ZBSTV nicht zu entnehmen ist, dass die in diesem gegebene Beschäftigungsgarantie in einem synallagmatischen Gegenleistungsverhältnis zu dem Sanierungsbeitrag der Beschäftigten stehen sollte. Vielmehr handelte es sich bei dem Vertragswerk um ein Gesamtkonzept, bei dem die Tarifvertragsparteien durchaus davon ausgegangen sind, dass dieses auch scheitern könnte. Entsprechend ist in § 2 Abs. 3 ZBSTV vereinbart, dass sich die Vertragsparteien verpflichten, bei außergewöhnlichen Veränderungen der Geschäftsgrundlage des Unternehmens unverzüglich neue Verhandlungen über die Beschäftigungssicherung aufzunehmen. Der Erfolg der Sanierungsmaßnahme war damit gerade nicht Geschäftsgrundlage dieser Vereinbarung. Eine Vergütungspflicht war auch für den Fall des Ausbleibens des Erfolges gerade nicht vorgesehen.

bb. Eine Anpassung dieser Vereinbarung über das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage scheitert im weiteren aber auch daran, dass eine Anpassung an die veränderten Verhältnisse des Tarifvertrages mit Rücksicht auf die Tarifautonomie nicht durch die Arbeitsgerichte hergestellt werden kann. Diese Anpassung ist stets Aufgabe der Tarifvertragsparteien selbst. Von den Gerichten für Arbeitssachen kann daher regelmäßig nur festgestellt werden, dass gegebenenfalls ein wichtiger Grund gegeben oder die Geschäftsgrundlage weggefallen ist und deswegen ein Anspruch auf Neuverhandlungen besteht (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 20.09.2007, 11 Sa 354/07 unter Hinweis auf Wiedemann, Tarifvertragsgesetz, 7. Auflage, § 4, Rnr. 65 ff.; vgl. auch BAG, 18.06.1997, 4 AZR 710/95, DB 1997, 1418 zur außerordentlichen Kündigungsmöglichkeit; BAG, 12.09.1984, NZA 1985, S. 160). Ein solcher wichtiger Grund ist aber schon deswegen nicht anzunehmen, weil die Beklagte jedenfalls für die Dauer des Bestandes des ZBSTV ihrer Beschäftigungsgarantie nachgekommen ist. Den veränderten Umständen haben dann die Tarifvertragsparteien Rechnung getragen, in dem sie nachfolgend den Sanierungstarifvertrag vom 30.11.2006 abgeschlossen haben.

e. Ein Anspruch der Klägerin folgt damit auch nicht aus ergänzender Vertragsauslegung.

Die Tarifvertragsparteien haben bewusst mit dem Sanierungstarifvertrag vom 30.11.2006 ein Zeitfenster geöffnet, innerhalb dessen zwischen dem 28.11 2006 und dem 31.12.2006 betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden durften. Dabei haben die Tarifvertragsparteien in Kenntnis der Regelung des § 6 ZBSTV vom 11.04.2005 weiterhin einen Ausgleich oder die Abgeltung von "vorgeleisteten" Stunden auch für den Fall nicht vorgesehen, in dem es zum Ausspruch einer solchen betriebsbedingten Kündigung kommen sollte.

Es kann daher auch nicht - weder im Zusammenhang mit dem ZBSTV vom 11.04.2005 noch im Zusammenhang mit dem Sanierungstarifvertrag vom 30.11.2006 - von einer unbewussten Regelungslücke zu der Frage der Vergütung ausgegangen werden (LAG Rheinland-Pfalz, 20.09.2007, a.a.O).

f. Das Vergütungssystem, nachdem die Arbeitsleistung des Klägers vergütet worden ist, ist damit auch nicht nachträglich entfallen. Die Erbringung der Arbeitsstunden der Klägerin erfolgte im Einklang mit diesem Vergütungssystem und damit nicht ohne Rechtsgrund im Sinne des § 812 BGB. Auch ein Bereicherungsausgleich scheidet daher aus.

Die Ansprüche der Klägerin sind daher vom Arbeitsgericht zutreffend zurückgewiesen worden.

III.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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