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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 20.05.2005
Aktenzeichen: 12 Ta 22/05
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 149
ZPO § 252
ZPO § 567 Abs. 1 Ziffer 1
ZPO § 569 Abs. 1
ZPO § 569 Abs. 2
ArbGG § 69
ArbGG § 72 Abs. 2
ArbGG § 78 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 12 Ta 22/05

Verkündet am: 20.05.2005

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - 1 Ca 1254/03 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Zahlung einer vereinbarten Abfindung in Höhe von 92.000,00 €. Die Beklagte hat zunächst gegenüber dieser Forderung die Aufrechnung mit Schadenseratzforderungen erklärt, mit Schriftsatz vom 21.09.2004 Widerklage erhoben und mit Schriftsatz vom 30.12.2004 die Widerklage auf sämtliche im Verlauf des Verfahrens geltend gemachten Schadensersatzansprüche erstreckt.

Der Kläger war bei der Beklagten vom 15.11.1974 bis zum 31.03.2003 beschäftigt, seit 1997 als Kreditmanager mit dem Schwerpunkt Osteuropa. Er ist für die Kontenbewegungen im Zusammenhang mit den Firmen YY/XX sowie den Kunden der Beklagten in der Türkei verantwortlich. Handelsvertreter der Beklagten in PP ist die Firma YY (Geschäftsführer Herr WW). Mit Herrn WW wurden von dem Kläger die Gespräche für die Kredit und Finanzierungsrahmen geführt. Die Beklagte unterhält Geschäftsbeziehungen mit der Firma VV (Geschäftsführer Herr UU). Waren wurden über die Firma YY an die Firma VV weitergeleitet. Geschäfte mit den Kunden TT und RR wurden über den Handelsvertreter, die Firma YY (Herrn WW), abgewickelt.

Die Beklagte wirft dem Kläger vor, einen ihr zustehenden Betrag in Höhe von 2.224.000,00 DM unterschlagen zu haben. Sie hat Quittungskopien (Bl. 389 ff. d.A.) des Kunden RR über die Zahlung eines Betrages in Höhe von insgesamt 2.184.000,00 DM in der Zeit von 1998 bis 1999 an den Handelsvertreter der Beklagten in Instanbul, die Firma YY (Geschäftsführer Herr WW), vorgelegt, die ihr im Rahmen eines Klageverfahrens gegen die Firma RR vorgelegt worden seien.

Die Beklagte trägt vor, Herr WW habe ihr gegenüber angegeben, diese Quittungen seien korrekt, er habe die Gelder dann genau 2.224.000,00 DM, in Teilzahlungen dem Kläger in PPin bar ausgehändigt. Herr WW habe einem Mitarbeiter der Beklagten und einem diese beratenden Rechtsanwalt eine Quittung unter dem Datum einer behaupteten Zahlung an den Kläger auf einem türkischen Formular vorgelegt, auf dem gestanden habe: "Von YY für RR erhalten". Die Quittung sei nach Auskunft des Mitarbeiters und des Rechtsanwaltes mit der Handschrift und Unterschrift des Klägers und einem Tarkett-Stempel versehen gewesen. Herr WW habe sich bislang geweigert, die Quittungen heraus zu geben, werde sie aber gegebenenfalls in einem zwischen der Beklagten und der Firma RR in der Türkei geführten Prozess, in dem der Firma YY der Streit verkündet sei, herausgeben. Für die Übergabe der Barzahlungen des Herrn WW an den Kläger wurden von der Beklagten drei weitere in der Türkei wohnende Zeugen benannt.

Die Beklagte macht weiter Schadensersatz in Höhe von 490.840,21 € geltend. Sie wirft dem Kläger insoweit vor, am 18.05.2001 einen avalierten Wechsel ohne die erforderliche Zustimmung der Beklagten heimlich und ohne erkennbaren Anlass an den Inhaber der Firma VV, Herrn UU, herausgegeben zu haben, wodurch dieser aus der persönlichen Haftung über 960.000,00 DM entlassen worden sei. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, es würden gute persönliche Beziehungen des Klägers zu Herrn WW dem Geschäftsführer der Firmen YY und XX bestehen und wiederum engste persönliche und geschäftliche Beziehungen des Herrn WW zu Herrn UU im Übrigen früherer Mitinhaber und Geschäftsführer der Firma TT.

Die Beklagte macht außerdem Schadensersatz in Höhe von 702.533,83 € gegenüber dem Kläger geltend. Der Kläger habe insoweit durch diverse Umbuchungen und Verrechnungen mit Guthaben von Kunden bzw. Belastungen anderer Kunden Forderungen gegenüber der Firma YY in vorgenannter Höhe verschleiert, sodass diese nicht mehr hätten geltend gemacht werden können. Schließlich macht die Beklagte Schadenspositionen in Höhe von 242.863,64 € und 170.004,52 € geltend. Insofern wirft sie dem Kläger vor, vorsorglich auf den QQ-Versicherungsschutz im Falle der Kunden TT und RR verzichtet zu haben. Sie trägt in diesem Zusammenhang vor, der Kläger habe von ihm gefälschte Zahlungsvereinbarungen und Kontenabstimmungen zu den Akten der Beklagten genommen bzw. im Falle der Firmen RR und TT solche, die von Herrn WW gefälscht worden seien. Daher sei es dem Kläger in der Folge nicht möglich gewesen, diese Zahlungsvereinbarung und Kontenabstimmungen bei QQ als Beleg für Forderungen der Beklagten vorzulegen. Durch die Abgabe der Enthaftungserklärung habe der Kläger die Durchführung von Recherchen und damit die Aufdeckung von Urkundenfälschungen bzw. eines umfassenden Betruges in Millionenhöhe zu Lasten der Beklagten verhindern können. Die Beklagte wirft dem Kläger vor, im kollusiven Zusammenwirken mit dem Handelsvertreter Herrn WW Pflichtwidrigkeiten vorsätzlich zu ihren Lasten begangen zu haben.

Mit Schreiben vom 16.04.2004 hat das Arbeitsgericht die Verfahrensakten der Staatsanwalt A-Stadt übermittelt, die unter dem 30.11.2004 mitgeteilt hat, dass unter dem Aktenzeichen 5204 Js 036758/04 in der Sache ermittelt werde.

Am 08.12.2004 hat sodann das Arbeitsgericht beschlossen, dass vorliegende Verfahren bis zum Abschluss des soeben genannten Ermittlungsverfahren auszusetzen. Gegen diesen ihr am 20.12.2004 zugestellten Beschluss wendet sich die Beklagte mit ihrer am 29.12.2004 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.

Sie trägt zu deren Begründung vor, im Hinblick darauf, dass Herrn WW bestätigen könne, dass Zahlungen in Höhe von 2.224.000,00 € an den Kläger in PPerfolgt seien und drei weitere Zeugen diesbezüglich zum Beweis angeboten worden seien, seien die entsprechenden Zeugenvernehmungen durchzuführen, zumal sich die Zeugen bereit erklärt hätten, für eine Beweisaufnahme zur Verfügung zu stehen. Es sei zu berücksichtigen, dass Herr WW vermutlich nicht mehr bereit sein werde, freiwillig deutschen Boden zu betreten, wenn im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger die Staatsanwaltschaft A-Stadt dieses Ermittlungsverfahren auf Herrn WW erstrecken sollte. Damit bestehe die Gefahr, dass ein derzeitig noch verfügbarer Zeuge für eine freiwillige Zeugenaussage nicht mehr zur Verfügung stehe. Es sei daher zu befürchten, dass durch die Aussetzung die Beweismöglichkeit der Beklagten vereitelt werde. Jedenfalls derzeit sei die Aussetzung nicht angemessen, da bezüglich des Sachverhalts "Übergabe von 2.224.000,00 DM in PP in bar" die Beweislage gerade nicht schwierig sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 19.01.2004 der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Ziffer 1, 252 ZPO statthafte und gemäß § 569 Abs. 1, 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat, ohne dass Verfahrens oder Ermessenfehler ersichtlich wären, beschlossen, das arbeitsgerichtliche Verfahren bis zur Erledigung des gegen den Kläger eingeleiteten Ermittlungs- und Strafverfahrens auszusetzen.

1.

§ 149 ZPO stellt die Aussetzung des Verfahrens in das Ermessen des im Verfahren zur Entscheidung berufenen Gerichts. Vom Beschwerdegericht kann diese Entscheidung nur auf Verfahrens oder Ermessenfehler überprüft werden. Die getroffene Ermessensentscheidung muss sich am Gesetzestext orientieren. Dieser geht dahin, überflüssige Mehrarbeit in parallel geführten Prozessen und sich widersprechende Entscheidungen zu vermeiden und die unter Umständen besseren Erkenntnismöglichkeiten im Strafverfahren nutzbar zu machen (Thomas/Putzo/Reichold ZPO § 149 Rz. 4, § 148 Rz 2; Zöller-Greger ZPO 23. Auflage § 149 Rz 1). Wenn nicht beide Parteien der Aussetzung zustimmen, muss anhand der Begründung des Beschlusses nachprüfbar sein, dass das aussetzende Gericht den Vorteil einer gründlicheren Klärung im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz im Strafprozess gegen den Nachteil der Verzögerung einer Entscheidung im Zivilprozess abgewogen hat (Zöller-Greger aaO Rz 2; Thomas/Putzo/Reichold ZPO § 149 Rz 4).

2.

Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Entscheidung des Arbeitsgerichts als nicht zu beanstanden. Das Arbeitsgericht hat sein Ermessen nach § 149 ZPO nachprüfbar und fehlerfrei ausgeübt.

Die Beklagte macht gegenüber der insbesondere auch im Nichtabhilfebeschluss eingehend und ausführlich begründeten Entscheidung, auf die in entsprechender Anwendung von § 69 ArbGG Bezug genommen wird, insbesondere geltend, im Hinblick auf den Komplex "Übergabe von 2 224 000,00 DM in PP" sei die Beweislage nicht schwierig, wobei insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Fortsetzung des Verfahrens zu berücksichtigen sei, dass der Zeuge später nicht mehr ohne weiteres zur Verfügung stehen werde. Insoweit hat aber das Arbeitsgericht auf Seite 6 seines Nichtabhilfebeschlusses oben zutreffend darauf hingewiesen hat, dass gerade der von der Beklagten auch angesprochene Gesichtspunkt der Glaubwürdigkeit bei den Überlegungen zur Aussetzung nicht außer Betracht bleiben kann. Hinzu kommt, dass schon jetzt sich die Situation so darstellt, dass eine Herausgabe der Quittungen derzeit nicht zu erwarten ist, weil diese wiederum erst in einem zwischen der Beklagten und der Firma RR in der Türkei geführten Prozess, in dem der Firma YY der Streit verkündet ist, herausgegeben werden sollen.

Es erscheint nicht mit der Prozessökonomie vereinbar, nur aufgrund der derzeitigen Verfügbarkeit einzelne Beweismittel herauszugreifen, die aber wie schon jetzt absehbar erscheint auch den von der Beklagten angeführten Komplex nicht erschöpfend erledigen können. Insoweit kann auch der Gesichtspunkt des Interesses der Beklagten am Fortgang des Verfahrens nicht entgegen gehalten werden, da durch die von der Beklagten selbst angeführten auch persönlichen Verbindungen zwischen Zeugen und dem Kläger mit einem wirklichen Fortgang des Verfahrens gar nicht gerechnet werden kann. Das Gericht hat im Rahmen der Entscheidung über die Aussetzung das Interesse an einer gründlichen und umfassenden Aufklärung mit dem Interesse an einem zügigen Fortgang des Verfahrens abzuwägen. Es geht nicht um das Interesse einer Partei, vermeintliche Beweissicherung zu betreiben.

Es erscheint auch nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Arbeitsgericht die Erweiterung der Widerklage nicht als einen gegen die Aussetzung sprechenden Gesichtspunkt angesehen hat. Auch das Interesse einer Partei, die Verjährung zu unterbrechen, ist kein im Rahmen von § 149 ZPO entscheidendes. Der Verfahrensökonomie und der Vermeidung überflüssiger Doppelarbeit widerspricht eine weitere Klageerhebung anders als die Beklagte meint im Übrigen nicht. Auch insoweit besteht die Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens. Da die Widerklage die zur Aufrechnung gestellten Forderungen betrifft, handelt es sich nicht um neue Schadenspositionen. Eine doppelte Bearbeitung wird nicht erforderlich.

Schließlich scheint es angesichts der Komplexität des Verfahrens und der Erheblichkeit der erhobenen Vorwürfe auch nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Arbeitsgericht auf Seite 7 des Nichtabhilfebeschlusses der voraussichtlich langen Verfahrensdauer keine Bedeutung beimisst, die ausschlaggebend für die Fortsetzung des Verfahrens sein könnte.

Nach alledem ergibt sich, dass die Beschwerde zurückzuweisen war.

Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da die durch das Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten Teil der Prozesskosten und gegebenenfalls bei der Hauptsacheentscheidung zu berücksichtigen sind (Zöller-Greger aaO § 252 Rz 3).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da Gründe im Sinne der §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorlagen.

Ende der Entscheidung

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