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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 12.06.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 136/08
Rechtsgebiete: AU-Richtlinien, EFZG, KSchG


Vorschriften:

AU-Richtlinien § 6
AU-Richtlinien § 6 Abs. 1
AU-Richtlinien § 7 Abs. 2
EFZG § 5
KSchG § 4 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 09.01.2008 - 4 Ca 939/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer aus verhaltensbedingten Gründen ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung. Weiter verlangt der Kläger Weiterbeschäftigung. Seit 26.02.1986 ist der Kläger, geboren am 31.01.1965, als Lagerist beschäftigt. Die Beklagte, die in ihrem metallverarbeitenden Unternehmen mehrere 100 Mitarbeiter beschäftigt, kündigte das Anstellungsverhältnis mit Schreiben vom 09.07.2007.

Der Kläger hat im Dezember 2006 zwei Bandscheibenvorwölbungen erlitten. Vom 14.03. bis 14.04.2007 befand er sich in stationärer Rehabilitationsbehandlung, aus der er wegen anhaltender Schmerzsymptomatik als weiterhin arbeitsunfähig entlassen wurde. Der Kläger hatte gegenüber seiner Krankenkasse, der V. nachgefragt, ob Einwände gegen eine Wahrnehmung einer schon im September/Oktober 2006 gebuchten einwöchigen Mallorca-Reise bestünden. Daraufhin erhielt er die Antwort, dass für diese Zeit zwar keine Einwände bestünden, allerdings auch kein Krankengeld gezahlt würde. Unter dem 07.05.2007 rief der Kläger sodann die Beklagte an und fragte nach, ob ihm für die Reisezeit Urlaub gewährt werden könne. Die Beklagte lehnte ab mit der Begründung, entweder sei der Kläger arbeitsunfähig, dann könne er keinen Urlaub erhalten oder er sei arbeitsfähig, dann müsse er zur Arbeit erscheinen. Etwa im gleichen Zeitraum beauftragte die V. den medizinischen Dienst der Krankenkasse und bat um Feststellung, ob über die zuletzt attestierte Krankheitszeit bis 24.05.2007 hinaus noch von einer andauernden Krankheit des Klägers auszugehen sei. Mit Entscheid nach Aktenlage vom 21.05.2007 verneinte der medizinische Dienst die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit und teilte dies der V. am gleichen Tage mit. Diese informierte wiederum den Kläger. Unter dem 25.05.2007 trat der Kläger sodann seine gebuchte Mallorca-Reise für eine Woche an. Nach Rückkehr fand am 12.06.2007 eine Untersuchung des Klägers beim medizinischen Dienst statt, diese bestätigte die aktenmäßig bewertete Arbeitsfähigkeit vom 25.05.2007 an. Den Bescheid der V. , mit welcher dieser Krankengeld für die Zeit vom 25.05. bis 12.06.2007 ablehnte, hat der Kläger angefochten. Am 13.06.2007 stellte sich der Kläger bei der Beklagten zur Arbeit vor und nahm, nachdem er am 13.06.2007 zur Begutachtung durch seinen Hausarzt freigestellt worden war, ab dem 14.06.2007 seine Arbeit ohne weitere Einschränkungen wieder auf. Ein Gespräch mit dem Kläger vom 07.08.2007 hatte das Ergebnis, dass er eigenen Bekunden nach vollständig genesen ist. Die Beklagte unterrichtete den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit Schreiben vom 14.06.2007 zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende. Unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des medizinischen Dienstes, dass die Arbeitsunfähigkeit zum 24.05.2007 endete, hätte der Kläger seine Arbeit am 25.05.2007 aufnehmen müssen, stattdessen jedoch einen Auslandsurlaub, der vom Arbeitgeber nicht genehmigt war, angetreten. Auch nach einer körperlichen Begutachtung durch den V. hätten sich keine neuen Gesichtspunkte, welche die Arbeitsunfähigkeit über den 24.05.2007 hinaus begründeten, ergeben. Somit habe er seit 25.05.2007 unentschuldigt gefehlt. Der Betriebsrat hat mit Schreiben vom 15.06.2007 Bedenken gegen die Kündigung geäußert, weil der Kläger noch am 24.05.2007 seinen Hausarzt aufgesucht und von diesem erfahren habe, dass er weiterhin arbeitsunfähig krank sei. Die fehlerhafte Einschätzung der V. werde der Arzt angreifen. In diesem Sinne habe sich der Arzt auch nochmals in einem privaten Attest vom 15.06.2007 geäußert. Der Kläger habe auf die Richtigkeit der hausärztlichen Begutachtung vertrauen dürfen, auch die 21-jährige Betriebszugehörigkeit sei zu beachten. Gegen die mit Schreiben vom 09.07.2007 erklärte ordentliche Kündigung zum 31.03.2008 hat der Kläger mit seiner am 16.07.2007 bei Gericht eingegangenen Klage Kündigungsschutz begehrt. Er hat vorgetragen,

Kündigungsgründe lägen nicht vor. Die medizinische Einschätzung der Krankenkasse sei nicht zutreffend, er habe sich auch nicht pflichtwidrig und schuldhaft seiner Arbeitspflicht entzogen. Dass er tatsächlich noch vom 25.05. bis 12.06.2007 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, habe ihm der am 24.05.2007 aufgesuchte Hausarzt eigens bestätigt und sogar ein entsprechendes Attest mit der Erwägung erteilt, dass ein Ende der Erkrankung nicht abzusehen sei. Hierzu nimmt der Kläger Bezug auf den Auszahlschein vom 24.05.2007. Desgleichen habe der behandelnde Arzt für die Beklagte im Privatattest unter dem 15.06.2007 wiederholt, an welchen Erkrankungen der Kläger leide. Ergänzend habe er auch noch erläutert, dass der Aufenthalt am Meer für den Kläger genesungsfördernd und deshalb ratsam sei. Dass er daraufhin seine Reise angetreten habe, könne man ihm nicht zum Vorwurf machen, zumal der Hausarzt noch ausdrücklich hervorgehoben habe, er werde gegen die Einschätzung der V. Widerspruch einlegen. Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung vom 09.07.2007 am 31.03.208 sein Ende finden wird, 2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.03.2008 hinaus tatsächlich fortbesteht, 3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrages als Lagerist tatsächlich weiter zu beschäftigen. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen,

der Kläger habe unentschuldigt gefehlt und während dieser Zeit noch eine ungenehmigte Urlaubsreise angetreten. Dies alles sei in Kenntnis der medizinisch zutreffenden und nicht anfechtbaren Einschätzung des medizinischen Dienstes geschehen. Die anschließende Untersuchung vom 12.06.2007 habe dies bestätigt. Sogar der Kläger selbst sei am 07.08.2007 zur Einschätzung gelangt, beschwerdefrei und gesund zu sein. Er erfülle schon seit dem 13.06.2007 seine Arbeitspflicht uneingeschränkt. Wenn er gleichwohl aufgrund vermeintlich unklarer oder widersprüchlicher Befundlage zum 25.05.2007 hätte sicher gehen wollen, so hätte er sich an diesem Tag zur Arbeitsaufnahme im Betrieb vorstellen sollen, statt eigenmächtig seine Urlaubsreise anzutreten. Der Einwand, er habe am 24.05.2007 den Hausarzt aufgesucht, werde bestritten ebenso sämtliche in dessen Verantwortung gestellten Äußerungen in dem Zusammenhang, insbesondere handele es sich bei der Bewertung des medizinischen Dienstes nur um eine interne Empfehlung der Krankenkasse oder der Aufenthalt am Meer sei gesundheitsförderlich bzw. der Kläger tue gut daran, dorthin zu fahren. Richtig sei allein, dass der Hausarzt am 25.04.2007 bestätigt habe, einem Flug stünden ärztlicherseits keine Bedenken entgegen. Alles in allem könne man nur deshalb davon ausgehen, dass der Kläger tatsächlich schon am 25.05.2007 genesen gewesen sei und dass er, da er dies wusste, seinen ungenehmigten Urlaub auch gezielt vertragswidrig angetreten habe. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 09.01.2008 Bezug genommen. In diesem Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage im wesentlichen entsprochen, den Antrag zu 2. allerdings abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Kündigung sei nicht sozial gerechtfertigt. Weder unentschuldigtes Fehlen noch ungenehmigte Urlaubsnahme könne festgestellt werden. Zwar werde bei eigenmächtiger Urlaubsnahme im Regelfall eine beharrliche Arbeitsverweigerung ohne weiteres angenommen. Sowohl Pflichtwidrigkeit wie auch Schuld seien Umstände der Kündigungsrechtfertigung, die der kündigende Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen habe, da es Sache des Arbeitgebers sei, die tatsächlich bestehende Arbeitsfähigkeit wie auch die nicht erfolgte oder zumindest nicht ernst zu nehmende ärztliche Empfehlung unter Beweis zu stellen. Aus einer vorgelegten ordnungsgemäß den Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung folge auch im Kündigungsschutzrechtsstreit eine Vermutung der Vollständigkeit und sachlichen Richtigkeit des bescheinigten Ergebnisses. Es sei mithin Sache des Arbeitgebers, den sich ergebenden Beweiswert zu erschüttern und seinerseits den Gegenbeweis anzutreten. Zur Erschütterung konnte dabei auch die gegenteilige Einschätzung des medizinischen Dienstes der Krankenkassen dienen. Von einer abschließenden Beweiserhebung zur Frage einer tatsächlich bestehenden, d. h. positiven Arbeitsfähigkeit, sei abzusehen, unabhängig davon, wie die sozialrechtliche Bewertung infolge der wohl unterbliebenen Einholung eines Zweitgutachtens nach § 7 Abs. 2 AU-Richtlinien ausfalle, handele der Kläger bei seinem reisebedingten Fernbleiben von der Arbeit zumindest nicht nachweislich schuldhaft arbeitsvertragswidrig. Die Beklagte hätte widerlegen müssen, dass der Kläger auf den objektiven Wert der attestierten Arbeitsunfähigkeit und auf die erfolgte hausärztliche Empfehlung vom 24.05.2007 vertraut hat, und seine Arbeit nicht gleich wieder aufgenommen, sondern aus Genesungszwecken ans Mittelmeer geflogen ist. Der Kläger habe seine Behauptung unter Zeugenbenennung des behandelnden Hausarztes sowie durch Vorlage seines Privatattestes hinreichend substantiiert, welches die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbewertung aber bestätigte. Mit dem pauschalen Bestreiten des klägerischen Arztbesuches und dessen vermeintlichen Inhalten und Ratschlägen vermochte die Beklagte nicht durchzudringen, zumal sie selbst ergänzte, der Arzt habe lediglich Flug- oder Reisetauglichkeit des Klägers positiv bewertet. Offensichtlich lägen der Beklagten hier weitere Erkenntnisse vor. Es wäre notwendig gewesen, dass die Beklagte hinreichend konkrete Anknüpfungspunkte und ggf. Beweise dafür hätte anbieten müssen, dass der Kläger am 25.05.2007 nicht nur tatsächlich vollends genesen war, sondern dies auch zweifelsfrei erkennen konnte. Es sei dem Kläger auch nicht zuzumuten gewesen, nach hausärztlicher Attestierung fortbestehender Arbeitsunfähigkeit, einen eigenständigen Arztbesuch zu starten. Schon aus Gründen arbeitgeberseitiger Fürsorgepflicht sowie aus wechselseitig bestehender Rücksichtnahmepflicht kämen derart risikobehaftete Verbindlichkeiten im Arbeitsverhältnis nicht in Betracht. Die Arbeitgeberin habe insofern lediglich die Möglichkeit, ihrerseits den medizinischen Dienst der Krankenkasse um Begutachtung zu ersuchen. Der Kläger habe somit nicht schuldhaft gehandelt. Die dem Kläger noch anzulastende Pflichtwidrigkeit habe lediglich darin gelegen, sich ab 25.05.2007 nicht mehr bei der Beklagten krank gemeldet zu haben. Mangels einschlägiger Abmahnung sei eine diesbezügliche Pflichtverletzung kein hinreichender Kündigungsgrund. Schließlich sei auch aufgrund der bereits 21jährigen und soweit ersichtlich unbelasteten Betriebszugehörigkeit des Klägers der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung wegen Fernbleibens und eigenmächtigen Urlaubsantritts bei dem eröffneten Vertrauen in die Richtigkeit aus ärztlicher Attestierung nicht interessengerecht.

Die Klage sei auch im Weiterbeschäftigungsverlangen begründet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen. Das Urteil wurde der Beklagten am 14. Februar 2008 zugestellt. Sie hat hiergegen am 13. März 2008 Berufung eingelegt und die Berufung mit am 11. April 2008 eingegangenem Schriftsatz begründet. Die Beklagte bringt vor, das Arbeitsgericht habe die Darlegungs- und Beweislast verkannt, sich in tatsächlicher Hinsicht auch in Spekulationen ergangen. Das Arbeitsgericht habe offensichtlich den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit des Klägers über den 24.05.2007 hinaus durch Vorlage der Kopie des Auszahlungsscheines als erbracht angesehen, den der Kläger erstmals als Anlage zu seinem Schriftsatz vom 09.11.2007 in den Prozess eingeführt habe. Diesen Beweiswert habe das Arbeitsgericht zwar als erschüttert angesehen, von einer Zeugeneinvernahme des behandelnden Arztes des Klägers jedoch gleichwohl abgesehen, weil die Beklagte mit ihrem offensichtlich vorliegenden weiteren Erkenntnissen über die Äußerungen des behandelnden Arztes zurückerhalten habe und das Gericht von ihr wohl einen substantiierten Vortrag erwartet habe, was der behandelnde Hausarzt dem Kläger nun erläutert und geraten hatte und was nicht. Der Kläger habe seine Arbeitsunfähigkeit über den 24.05.2007 hinaus nicht nachgewiesen. Weder der Krankenkasse noch der Beklagten liege eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit nach diesem Datum vor. Die Kopie des Auszahlungsscheins erfülle die Voraussetzungen des § 5 EFZG deshalb nicht, weil darin die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit nicht attestiert sei. Eine Zeugeneinvernahme wäre daher schon deshalb angezeigt gewesen, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, den Nachweis seiner Arbeitsunfähigkeit zu führen. Völlig unverständlich seien die Unterstellungen des Gerichts in Richtung der Beklagten, bei ihr lägen offenbar weitere Erkenntnisse über die Äußerung des behandelnden Arztes vor, die sie im Verfahren zurückgehalten habe. Woher solle ausgerechnet sie wissen, ob der Kläger tatsächlich bei seinem Arzt gewesen ist und was er dabei mit ihm besprochen habe. Offensichtlich habe das Arbeitsgericht das Datum einiger Bescheinigungen verwechselt. Weiter unterstelle das Arbeitsgericht fehlerhaft, Dr. U. habe dem Kläger geraten, die Arbeit auf keinen Fall schon anzutreten, was in dieser Form noch nicht einmal vom Kläger vorgetragen sei. Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung der Entscheidung des Arbeitsgerichts die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht habe die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht verkannt. Die Beklagte sei beweisfällig geblieben. Ihr sei der Nachweis nicht gelungen, dass der Kläger während seiner Mallorca-Reise seine Arbeitspflicht schuldhaft pflichtwidrig verletzt habe. Das Arbeitsgericht habe ausgeführt, dass unabhängig von der Frage des Vorliegens der objektiven Arbeitsfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit der Kläger jedenfalls nicht nachweislich schuldhaft arbeitsvertragswidrig gehandelt habe. Das Arbeitsgericht habe zu Recht ausgeführt, dass es vorliegend um die Widerlegung der klägerischen Einlassung ging, auf den objektiven Wert der attestierten Arbeitsunfähigkeit und auf die erfolgte hausärztliche Empfehlung vom 24.05.2007 vertraut zu haben, seine Arbeit nicht gleich wieder aufzunehmen, sondern auch aus Genesungszwecken ans Mittelmeer zu fliegen. Der Auszahlungsschein vom 24.05.2007 sei nach § 6 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien nach Ablauf der Entgeltfortzahlung bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit vom Vertragsarzt auf der Bescheinigung für die Krankengeldzahlung zu attestieren. Er sei daher bzgl. der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gleichwertig. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung werde nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums nicht ausgestellt. Dies sei auch nicht notwendig. Darüber gehe aus dem Auszahlungsschein eindeutig hervor, dass sich der Kläger zuletzt am 24.05.2007 bei Dr. U. vorgestellt habe. Entsprechend reiche es nicht aus, wenn die Beklagte bestreite, der Kläger sei an diesem Tag bei Dr. U. vorstellig geworden, insbesondere reiche es nicht aus, wenn die Beklagte pauschal einwende, der Kläger könne zwischen dem 21.05. und seinem Reiseantritt nicht mehr beim Arzt gewesen sein. Auch aus der ärztlichen Bescheinigung vom 15.06.2007 gehe die Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis zum 12.06.2007 hervor. Mit Attest vom 25.04.2007 habe der Hausarzt bescheinigt, dass der Kläger medizinisch gesehen, problemlos in der fraglichen Zeit seinen Urlaub antreten könne. Zu Recht führe das Arbeitsgericht aus, es sei notwendig gewesen eigenständig und hinreichend konkrete Anknüpfungspunkte und gegebenenfalls Beweise dafür anzubieten, dass der Kläger am 25.05.2007 nicht nur faktisch vollends genesen sei, sondern dies auch zweifelsfrei erkennen konnte. Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiterhin wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 12.06.2008. Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO). II. Die Berufung von der Beklagten ist in der Sache jedoch nicht begründet. Jedenfalls im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam ist. Der Kläger hat gegen die Beklagte innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben, aufgrund seiner länger als sechs Monate andauernden Betriebszugehörigkeit und der Betriebsgröße hat der Kläger den allgemeinen Kündigungsschutz (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Diese Kündigung war nicht sozial gerechtfertigt, insbesondere nicht durch Gründe, die im Verhalten des Klägers liegen. Das Arbeitsgericht hat zutreffend herausgearbeitet, dass ein an sich erheblicher Grund zur sozialen Rechtfertigung, die sich aus der Arbeitsverweigerung ergeben könnte; also hier eigenmächtiger Urlaubsnahme, trotz einer entsprechenden Ablehnung eines Urlaubsgesuchs, nicht besteht. Unstreitig hat der Kläger vor seiner Reise bei der Beklagten um bezahlten Urlaub nachgesucht, welcher ihm mit der Begründung verwehrt wurde, entweder sei er arbeitsunfähig erkrankt, dann könne er keinen Urlaub erteilt erhalten oder er sei arbeitsfähig, dann müsse er seine Arbeit tatsächlich aufnehmen. Das Arbeitsgericht hat aber auch zutreffend herausgearbeitet, dass die Beklagte nicht den Nachweis führen konnte, der Kläger habe trotz bestehender Arbeitsfähigkeit und in Kenntnis des Umstandes, dass er wieder arbeitsfähig sei, seine Arbeit vorsätzlich nicht aufgenommen und seine Urlaubsreise angetreten. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Arbeitsgericht hervorgehoben, dass sowohl die Pflichtwidrigkeit als auch Schuld Umstände sind, welche eine Kündigung rechtfertigen und daher vom kündigenden Arbeitgeber darzulegen und im Bestreitensfall auch zu bestreiten sind. Der Kläger hat sich im vorliegenden Rechtsstreit auf eine ärztliche Diagnose berufen und einen ärztlichen Hinweis, die Arbeit auf keinen Fall anzutreten. Dann ist es, hierin folgt die Kammer dem Arbeitsgericht, Sache des beklagten Arbeitgebers, die tatsächlich bestehende Arbeitsfähigkeit nachzuweisen. Legt der Arbeitnehmer ein ärztliches Attest vor, begründet dieses in der Regel den Beweis für die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit. Bezweifelt der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, beruft er sich insbesondere darauf, der Arbeitnehmer habe den die Bescheinigung ausstellenden Arzt getäuscht oder der Arzt habe den Begriff der Arbeitsunfähigkeit verkannt, dann muss der Arbeitgeber die Umstände, die gegen die Arbeitsunfähigkeit sprechen, näher darlegen, notfalls beweisen um dadurch die Beweiskraft des Attestes zu erschüttern bzw. zu entkräften. Gelingt dem Arbeitgeber dies, so tritt hinsichtlich der Behauptungs- und Beweislast wieder derselbe Zustand ein, wie er vor Vorlage des Attestes bestand. Es ist nunmehr Sache des Arbeitnehmers, angesichts der Umstände, die gegen eine Arbeitsunfähigkeit sprechen, weiter zu substantiieren, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben, welche Verhaltensmaßregeln der Arzt gegeben hat, welche Medikamente z. B. bewirkt haben, dass er zwar immer noch nicht die geschuldete Arbeit bei seinem Arbeitgeber verrichten konnte, aber zu anderweitigen leichten Tätigkeiten oder zu einer Reise nach Mallorca in der Lage war. Erst wenn der Arbeitnehmer insoweit seiner Substantiierungspflicht nachgekommen ist, gegebenenfalls die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbunden hat, muss der Arbeitgeber aufgrund der ihm obliegenden Beweislast den konkreten Sachvortrag des Arbeitnehmers widerlegen. Hierbei kommen mit der Vernehmung des behandelnden Arztes regelmäßig Beweismittel in Betracht, die eine weitere Sachaufklärung versprechen. Beweise werden allerdings erst erhoben, wenn sie von einer beweisbelasteten Partei angeboten werden. Der Kläger hat seinen behandelnden Arzt von der Schweigepflicht dadurch entbunden, dass er ihn selbst als Zeugen benannt hat. Dieser Zeuge hätte daher auch für ein Beweisangebot durch die Beklagte zur Verfügung gestanden. Dieses Beweisangebot hat die Beklagte nicht gemacht, sich vielmehr lediglich auf ein Sachverständigengutachten beschränkt. Die Situation einer Beweislastverteilung bzw. Umkehr trat, wie vom Arbeitsgericht auch zutreffend festgestellt, möglicherweise dadurch hervor, dass die Einschätzung des medizinischen Dienstes den Beweiswert ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsfeststellungen ernsthaft erfüllen konnte. Das Arbeitsgericht hat diese Erschütterung dadurch festgestellt, dass die Einschätzung des medizinischen Dienstes vom 12.06.2007, über den 25.05.2007 läge keine Arbeitunfähigkeit vor, bestätigt wurde durch eine körperliche Untersuchung und durch die anschließende positive Arbeitsfähigkeit ohne weitere Beschwerden des Klägers nach dessen Arbeitsaufnahme. Das arbeitsgerichtliche Urteil beruht letztlich auf der zutreffenden Erwägung, dem Kläger könne mangelndes Verschulden nicht vorgehalten werden. Hier ist es wiederum Sache des beklagten Arbeitgebers, Umstände auszuräumen, die der Kläger für mangelndes Verschulden substantiiert vorgetragen hat, also hier den vollen Gegenbeweis zu führen. Der Kläger hat sich hierauf berufen auf Bekundungen und Bewertungen seines ihn behandelnden Hausarztes, ohne dass dies von der Beklagten nachhaltig durch substantiierten Sachvortrag und Beweisantritte in Zweifel gezogen werden konnte. Der Kläger hat vorgetragen, er sei am 24.05.2007 bei seinem Hausarzt vorstellig geworden. Dieser habe weitere Arbeitsunfähigkeit diagnostiziert und Behandlungsbedürftigkeit. Hierzu habe er Bezug genommen auf den Auszahlungsschein zur Erlangung des Krankengeldes gegenüber der V. , welcher nach § 6 Abs. 1 der Richtlinien des gemeinsamen Beratungsausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit in der Fassung vom 01.12.2003 nach Ablauf der Entgeltfortzahlung mit entsprechenden Diagnosen auszustellen ist. Dass dabei das voraussichtliche Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht bezeichnet wurde, ist unschwer dahin zu verstehen, dass der Arzt eine Beendigung des Arbeitsunfähigkeitszeitraums nicht bestätigen konnte. Hierzu hat der Kläger ausgeführt, dass sein Arzt ihn an diesem Tag eine weitere Arbeitsunfähigkeit attestiert hat. Ob er daneben auch noch erklärt haben soll, die Reise nach Mallorca wäre heilungsförderlich, kann dahingestellt bleiben, jedenfalls war sie nach dem ebenfalls vorliegenden Attest aus April 2007 nicht genesungswidrig. Der behandelnde Hausarzt hat durch fundiertes Attest zur Vorlage bei der Krankenkasse, welches der Kläger der Beklagten zugänglich gemacht hat, unter dem 15.06.2007 wiederholt, dass er ihn über den 24.05.2007 hinaus bis auf weiteres arbeitsunfähig eingestuft hat. Damit lagen zu diesem Zeitpunkt, also dem Urlaubsantritt, zwei widersprüchliche Feststellungen vor, einmal die Einschätzung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 21.05.2007 über eine bestehende Arbeitsfähigkeit, und zum Anderen die Einschätzung des Hausarztes, die dieser gegenüber dem Kläger auf dessen Vortrag geäußert haben soll vom 24.05.2007 über weiter fortbestehende Arbeitsunfähigkeit. Angesichts dieses Umstandes wäre es für die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte notwendig gewesen, zu widerlegen, dass der Kläger am 24.05.2007 bei seinem Hausarzt vorstellig gewesen ist, dieser eine weitere Arbeitsunfähigkeit attestiert hat oder weitere Umstände vorzutragen, dass der Kläger gegenüber dem Hausarzt eine bestehende Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht hat. Zusammengefasst kann daher festgehalten werden, dass es der Beklagten nicht gelungen ist, durch Tatsachenvortrag bzw. geeignete Beweisantritte zu widerlegen, dass der Kläger auf eine ihm gegenüber vom Hausarzt bestätigte Diagnose der Arbeitsunfähigkeit vertraut hat und deswegen seine Arbeit bei der Beklagten nicht wieder aufgenommen hat. Damit fehlt, selbst wenn feststünde, dass der Kläger tatsächlich arbeitsfähig gewesen war, es an einem Verschulden des Klägers und damit an einer Beharrlichkeit einer evtl. Arbeitsverweigerung. Dass der Umstand, dass der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit gegenüber der Beklagten nicht weiter angezeigt hat, nicht für eine verhaltensbedingte Kündigung ohne vorherige einschlägige Abmahnung ausreichend ist, hat das Arbeitsgericht zutreffend herausgearbeitet. III. Wegen der vorgenannten Begründung kam es entscheidungserheblich nicht darauf an, dass das Arbeitsgericht fälschlich wohl davon ausgegangen ist, der Beklagten lägen nähere Erkenntnisse über Bescheinigungen und Attestierungen des Hausarztes vor, die diese nicht in den Rechtsstreit eingebracht hat und dass das Arbeitsgericht auch fälschlicherweise wohl davon ausgegangen ist, der behandelnde Arzt habe dem Kläger geradezu geraten, die Urlaubsreise aus Genesungszwecken anzutreten. Diese Fragen sind für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erheblich, weil die Beklagte den Nachweis führen muss, dass der Kläger schuldhaft gegen all seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen hat. IV. Erweist sich die ausgesprochene Kündigung als rechtsunwirksam, besteht das Arbeitsverhältnis fort. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen tatsächlichen Weiterbeschäftigungsanspruch. Hierbei ist für die Entscheidung des Rechtsstreits wiederum nicht erheblich, ob die Beklagte, gleich aus welchem Rechtsgrund, den Kläger nach Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich weiterbeschäftigt hat und ob hiermit zumindest stillschweigend eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wurde. Die Berufung war mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 zurückzuweisen. Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

Ende der Entscheidung

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