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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 06.09.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 478/05
Rechtsgebiete: TV UmBw, ArbGG


Vorschriften:

TV UmBw § 11
ArbGG § 64 Abs. 2 lit. b)
ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 Sa 478/05

Entscheidung vom 06.09.2005

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.05.2005 - 1 Ca 648/05 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um eine Einmalzahlung, die der Kläger zuletzt noch aus dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Gleichbehandlung herleitet.

Der Kläger war seit dem 03.05.1976 im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung als Arbeiter beschäftigt. Am 17.03.2003 schlossen die Parteien eine Vereinbarung - gestützt auf § 11 des Tarifvertrages über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr vom 28.07.2001 (im Folgenden: TV UmBw) -, wonach der am 12.09.1945 geborene Kläger ab dem 01.05.2003 von seiner Arbeitsleistung freigestellt wurde und die Beklagte ihm 72 Prozent des letzten Bruttogehaltes bis zum Rentenbezug gewährt.

Der C. erließ am 01.10.2003 eine "Weisung für die Weiterentwicklung der Bundeswehr". Aus Ziffer 16 dieser Anordnung ergibt sich, dass bis zum Jahre 2010 der Umfang des zivilen Personals der Bundeswehr auf 75.000 Dienstposten reduziert werden soll. Ein Kabinettsbeschluss vom 14.06.2000 hatte bis dato die Reduzierung auf einen Umfang von 80.000 bis 90.000 Mitarbeiter beziffert gehabt.

Am 05.11.2004 folgte ein Erlass des Bundesministers der Verteidigung, der im Interesse der Umsetzung der politisch vorgegebenen Ziele im Zeitraum bis 2010 über die im TV UmBw zur Verfügung stehenden Instrumente hinausgehend weitere Anreize zur Stellenreduzierung schaffen sollte. Dieser Erlass sieht vor, dass an solche Arbeitnehmer eine zusätzliche Einmalzahlung zu leisten ist, die nach dem 30.09.2003 unter Inanspruchnahme der Härtefallregelung von § 11 TV UmBw aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden.

Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe ebenfalls eine solche Einmalzahlung, deren Höhe zwischen den Parteien vorliegend unstreitig ist, zu.

Er hat die Auffassung vertreten, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Zusatzvertrag vom 16.03.2003 als Anspruchsgrundlage in Betracht komme. Des Weiteren stützt er seinen Anspruch auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil nach seiner Auffassung der in dem Erlass vom 05.11.2004 gewählte Stichtag - rückwirkend ab dem 01.10.2003 - willkürlich sei und es hierfür keinen sachlichen Grund gebe. Sinnvoll wäre ein Stichtag des Kabinettsbeschlusses vom 14.06.2000 gewesen oder der Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.167,44 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Auffassung der Beklagten könne der Kläger seinen Anspruch weder auf die Zusatzvereinbarung vom 17.03.2003 noch auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen. Der gewählte Stichtag im Erlass vom 05.11.2004 sei sachlich begründet, weil der C. zum 01.10.2003 erstmals eine verbindliche Richtgröße für die Reduzierung des Zivilpersonals der Bundeswehr auf 75.000 Personen festgeschrieben habe. Um diese Mitarbeiterzahl zu erlangen, habe es eines zusätzlichen Anreizes bedurft, weil nicht davon ausgegangen werden konnte, dass aufgrund der bisherigen Instrumente des TV UmBw die vorgegebene Personalreduzierung bewerkstelligt werden konnte.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 11.05.2003, auf dessen Tatbestand zur näheren Sachverhaltsdarstellung hiermit Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es angegeben, es gebe für das Rechtsbegehren des Klägers keine Anspruchsgrundlage. Die von der Beklagten vorgenommene Gruppenbildung im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei nicht von sachfremden oder gar willkürlichen Motiven geleitet gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seien Stichtagsregelungen als Ausdruck einer gebotenen pauschalierten Betrachtung und im Interesse der Praktikabilität grundsätzlich zulässig. Die durch Stichtagsregelungen verursachten Härten seien zum Teil unvermeidlich und müssten akzeptiert werden, sofern sich die Wahl des Zeitpunktes am gegebenen Sachverhalt orientiere und demnach sachlich vertretbar sei. Diese Voraussetzungen seien vorliegend gegeben, weil ab dem 01.10.2003 erstmals eine verbindliche Richtgröße für das Zivilpersonal der Bundeswehr geschaffen worden sei. Zur näheren Darstellung der Entscheidungsgründe wird hiermit auf die Seiten 6 - 8 dieses Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese in gleicher Weise begründet.

Nach seiner Auffassung habe das Arbeitsgericht den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegend verkannt. Ein Abstellen auf den Stichtag 01.10.2003 sei verfehlt. Nach der eigenen Einlassung der Beklagten sollten mit der Einmalzahlung ein zusätzlicher Anreiz geschaffen werden, dass Arbeitnehmer ihren Dienstposten aufgeben. Da dieser Erlass aber erst am 05.11.2004 verkündet worden sei, hätte er keine Arbeitnehmer mehr motivieren könne, die bereits im Zeitraum 01.10.2003 bis zum 05.11.2004 ihren Dienstposten aufgegeben hatten. Sinnvoll wäre daher gewesen, auf den Kabinettsbeschluss vom Jahre 2000 abzustellen oder auf den 05.11.2004. Eine Stichtagsregelung zum 01.10.2003 sei willkürlich.

Der Kläger wiederholt im Berufungsverfahren seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung habe das Arbeitsgericht die Sach- und Rechtslage zutreffend beurteilt.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statthafte Berufung des Klägers wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, in gleicher Weise begründet und erweist sich auch sonst als zulässig.

In der Sache ist das Rechtsmittel jedoch unbegründet, da der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Zusatzleistung dem Kläger nicht zusteht, weil es hierfür an einer Anspruchsgrundlage fehlt. Dies hat das Arbeitsgericht im angefochtenen Urteil sowohl im Ergebnis als auch in seinen Entscheidungsgründen zutreffend festgestellt. Das Berufungsgericht folgt der sorgfältigen Begründung des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil, stellt dies hiermit ausdrücklich fest und sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung eines doppelten Schreibwerkes von der erneuten Darstellung dieser Entscheidungsgründe ab.

Im Berufungsverfahren stützt der Kläger seinen Anspruch nur noch auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil nach seiner Meinung die gewählte Stichtagsregelung unsachlich und willkürlich gewesen sei. Diese Auffassung des Klägers ist jedoch rechtsirrig.

Das Gebot der Gleichbehandlung greift im Arbeitsverhältnis immer dann, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt; dabei ist nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung unzulässig. Eine Gruppenbildung ist danach sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung der Personenkreise keine billigenswerten Gründe gibt (ständige Rechtsprechung des BAG: vgl. etwa Urt. v. 28.07.1992 - 3 AZR 173/92, Urt. v. 25.10.2001 - 6 AZR 560/00). Die Grenze zur Willkür wird jedoch durch eine Regelung nicht schon dann überschritten, wenn die getroffene Lösung nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste ist, sondern erst dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für die Regelung nicht finden lässt (BAG Urt. v. 18.04.2002 - 8 AZR 615/01).

Die Beklagte gewährt Einmalzahlungen unter Anwendung einer Stichtagsregelung. Zutreffend hat das Arbeitsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entschieden, dass Stichtagsregelungen typisierend wirken und daher in einem gewissen zeitlichen Rahmen Ungleichbehandlungen generieren.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren darauf hinweist, dass der Erlass des Bundesministers der Verteidigung vom 05.11.2004, bei dem es sich arbeitsrechtlich um ein einseitiges Vertragsangebot im Sinne einer Gesamtzusage handelt, solche Arbeitnehmer nicht mehr zum Abschluss einer Härtefallregelung zusätzlich motivieren konnte, die bereits vor dem 05.11.2004 auf diese Weise ausgeschieden waren, ist dies richtig. Wenn der Sinn und Zweck dieser Gesamtzusage darin bestand, Arbeitnehmer der Bundeswehr zur vorzeitigen Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zu motivieren, könnte man mit dem Kläger durchaus davon ausgehen, dass der Erlass nicht rückwirkend bereits abgeschlossene Sachverhalte auch noch erfasst. Hätte der Erlass erst solche Arbeitsverhältnisse erfasst, die nach dem 05.11.2004 unter Inanspruchnahme der Härtefallregelung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hätten, dann wäre im Übrigen der Kläger auch nicht in den Anwendungsbereich dieser Vergünstigung gelangt. Wenn die gewählte Stichtagsregelung auf einen Zeitpunkt abstellt, in dem erstmals verbindlich eine Richtgröße für das verbleibende Zivilpersonal bei der Bundeswehr festgeschrieben hat, so ist die Wahl dieses Stichtages nicht willkürlich gewesen, sondern von sachlich anerkennenswerten Motiven geleitet. Damit liegt auch ein sachgerechter Grund im Sinne der aufgezeigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor. Eine - wie der Kläger meint - noch weitere Rückwirkung wäre zwar durchaus rechtlich auch vorstellbar gewesen. Angesichts des Umstandes, dass es sich bei der Einmalzahlung um eine zusätzliche freiwillige Leistung des Arbeitgebers handelt, konnte dies von der Beklagten jedoch nicht verlangt werden, da es grundsätzlich im Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers liegt, die Kriterien für eine übertarifliche freiwillige Leistung selbst festzulegen.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf den Kabinettsbeschluss vom 14.06.2000 abstellt, wonach das Zivilpersonal der Bundeswehr auf ca. 80.000 bis 90.000 Personen reduziert werden sollte, hat es sich hierbei erkennbar um eine ungenaue Personenzahl und um eine Absichtsbekundung gehandelt. Diesen Stichtag musste die Beklagte ihrer Regelung nicht zu Grunde legen, weil dies zu einer völligen Rückwirkung geführt hätte, da der TV UmBw erst unter dem 18.07.2001, also rund ein Jahr später abgeschlossen und auch erst mit Wirkung vom 01.06.2001 in Kraft getreten ist.

Nach alledem war die unbegründete Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision konnte angesichts der gesetzlichen Kriterien von § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zugelassen werden.

Ende der Entscheidung

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