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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 24.04.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 757/07
Rechtsgebiete: MTV, BetrVG, BGB


Vorschriften:

MTV § 9 Ziff. 1
BetrVG § 77 Abs. 3
BGB § 288
BGB § 291
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 06.11.2007 - 3 Ca 2021/06 - teilweise abgeändert: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 2.183,33 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit 05.01.2007 zu zahlen. Die weitere Berufung wird zurückgewiesen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger 1/12, der Beklagten 11/12, von den Kosten erster Instanz dem Kläger 5/100, der Beklagten 95/100 auferlegt. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren um eine tariflich geregelte Jahresleistung sowie um Altersfreizeit. Seit 06.06.1990 ist der Kläger bei der Beklagten aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Im Wege eines Unternehmenskaufvertrages hat die Beklagte ihren operativen Betrieb zum 30.09.2007 auf die Firma V. in U-Stadt übertragen. Im Arbeitsvertrag heißt es auszugsweise, dass die Vergütung "nach dem derzeitigen Tarifvertrag für die Druckindustrie DM 17,62 pro Stunde" beträgt, sich der Urlaubsanspruch nach den gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen richtet und außer den im Arbeitsvertrag schriftlich niedergelegten Vereinbarungen sonstige Abreden nicht getroffen sind und Änderungen und Ergänzungen der Schriftform bedürfen. Der Kläger ist im Jahre 2006 in die Gewerkschaft U. eingetreten. Die Beklagte war bis zum 31.12.2004 Mitglied des Verbandes Druck-Medien T.-Stadt und U-Stadt e. V., ist mit Wirkung zum 31.12.2004 aus diesem Verband ausgetreten. Mit Klageschrift vom 30.12.2005 hatte der Kläger Urlaubsgeld und Jahresleistung für die Jahre 2003, 2004 und 2005 geltend gemacht und hierzu vorgetragen, zwischen den Parteien sei die Geltung des Tarifvertrages für die Druckindustrie vereinbart gewesen. In diesem Verfahren unter dem Aktenzeichen 1 Ca 2064/05 vor dem Arbeitsgericht Trier, später 4 Sa 709/06 vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat die Beklagte durch Anwaltsschriftsatz vom 06.04.2006 wörtlich vorgetragen: " Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag wurde dem Arbeitsverhältnis des Klägers ursprünglich der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie zugrunde gelegt, und hat hierzu auf die Vorlage des schriftlichen Arbeitsvertrages, welchen sie beigefügt hat Bezug genommen. Sie führte aus, dass sie die Jahresleistung 2003 aufgrund einer Berechnung des § 9 Ziff. 1 MTV vorgenommen habe und führt weiter aus, dass die Beklagte in Betriebsversammlungen mit ihren Beschäftigten Einigkeit erzielt habe, dass die Jahresleistungen und das Urlaubsgeld in den Jahren 2002 bis 2004 gekürzt würden. Die jeweiligen Leistungen seien bis zu diesem Zeitpunkt seit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses an den Kläger ausgekehrt worden. Dementsprechend findet sich im Tatbestand des Urteils der 4. Kammer vom 23.11.2006 - 4 Sa 709/06 - wörtlich: "Er (der Kläger) ist gemäß schriftlichen Arbeitsvertrag vom 06.10.1990 bei der Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag wird bezüglich der Vergütung und des Urlaubsanspruchs auf die tariflichen Bestimmungen verwiesen. Zwischen den Parteien ist weiter unstreitig, dass die Geltung der Tarifverträge für die Druckindustrie vereinbart ist. Entsprechende Leistungen sind an sämtliche Mitarbeiter gewährt worden. Die Beklagte fühlte sich an die Tarifverträge jedenfalls bis zum Ende ihrer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband gebunden." Mit Klageschrift, eingegangen am 29.12.2006, macht der Kläger aufgrund des Manteltarifvertrags die tarifliche Leistungen und das tarifliche zusätzliche Urlaubsgeld für das Jahr 2006 geltend. Die Jahresleistung berechnet er ausgehend von einem Bruttostundenlohn von 15,12 € bei 152 Stunden mit 2.298,24 €, das Urlaubsgeld mit 1.587,60 €. Der Kläger macht weiter geltend, dass ihm aufgrund seines Alters nach dem Tarifvertrag zwei zusätzliche freie Tage zustünden. Der Kläger hat sodann noch Bezug genommen auf den Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie gültig am 15.07.2005. Genau wie beim Vorgänger dieses Tarifvertrages beträgt die Jahresleistung 95 % des jeweiligen zum Fälligkeitszeitpunkt gültigen monatlichen Tariflohns. In der Klageerwiderung vom 26.03.2007 schrieb die Beklagte wörtlich: "Dem Arbeitsverhältnis des Beklagten wurde der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie aufgrund individualvertraglicher Vereinbarung zugrunde gelegt." Wiederum bezugnehmend auf die Betriebsversammlungen hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass eine stillschweigende Regelung zur Stundung bzw. Erlass der Forderungen zum Erhalt der Arbeitsplätze getroffen worden sein soll. Im Termin zur Kammerverhandlung am 08.05.2007 gab das Arbeitsgericht Bedenken hinsichtlich der Anwendbarkeit tariflicher Vorschriften bekannt und er teilte dem Kläger die Auflage, die Anwendung des Manteltarifvertrages durch Tatsachenvortrag zu untermauern. Der Kläger schrieb, die Anwendung sei zu keinem Zeitpunkt zwischen den Parteien streitig gewesen, wies auf die Erklärung des Beklagten im vorangegangenen Verfahren 1 Ca 2064/05 in der Kammerverhandlung vom 26.04.2006 hin die wörtlich lautete: "Auf Frage des Gerichts erklären die Beklagtenvertreter, jedenfalls kraft betrieblicher Übung seien die Leistungen entsprechend den Tarifverträgen in der Druckindustrie und sämtliche Mitarbeiter gewährt worden, jedenfalls solange wie die Beklagte Mitglied im Arbeitgeberverband gewesen sei, jedenfalls fühlte sich die Beklagte bis zum Ende der Mitgliedschaft an diese Tarifverträge gebunden. Ergänzend erklärt der Beklagtenvertreter, er stelle den Vortrag des Klägers unstreitig, dass die Geltung der Tarifverträge für die Druckindustrie zwischen den Parteien vereinbart waren." Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.770,93 € brutto nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger im Jahre 2006 zwei Tage Altersfreizeit zu gewähren, 3. die Beklagte wird verurteilt, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen. Sie hat auf die Belegschaftsversammlungen hingewiesen, dass sie wegen der Geschäftslage und der wirtschaftlichen Situation bis auf weiteres Urlaubsgeld und Jahresleistung allenfalls anteilig zahlen könne. Alle Beschäftigten, auch der Kläger, hätten sich stillschweigend mit dieser Regelung einverstanden erklärt. Hilfsweise hat sie sich auf Verfall der Ansprüche berufen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 06.11.2007 verwiesen. Das Arbeitsgericht hat der Klage nur zum Teil wegen des Urlaubsgeldes in Höhe von 1.587,60 € brutto nebst Zinsen entsprochen. Ansprüche auf tarifliche Jahresleistungen und Altersfreizeit bestünden dahingehend nicht. Der Manteltarifvertrag finde keine Anwendung, weil einzelvertraglich im Arbeitsvertrag neben dem Urlaub nur noch geregelt sei, dass die Vergütung nach dem derzeitigen Tarif für die Druckindustrie 17,62 DM pro Stunde betrage. Der Arbeitsvertrag enthalte weder eine Regelung oder Bezugnahme hinsichtlich der tariflichen Jahresleistung, noch hinsichtlich der Altersfreizeit. Der Tarifvertrag finde auch kraft Organisationszugehörigkeit der Parteien keine Anwendung. Zwar sei der Kläger Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft, die Beklagte sei jedoch mit Wirkung zum 31.12.2004 aus dem tarifschließenden Arbeitgeberverband ausgetreten. Der Tarifvertrag wirkte für das Jahr 2006, für das der Kläger die tariflichen Leistungen geltend mache, nicht mehr nach, weil die verlängerte Tarifgebundenheit ende, sobald die Tarifnorm geändert werde. Dies sei mit Wirkung zum 15.07.2005 durch Abschluss eines neuen Manteltarifvertrages erfolgt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen. Das Urteil wurde dem Kläger am 20.11.2007 zugestellt. Er hat hiergegen am 07.12.2007 Berufung eingelegt und seine Berufung am 18.01.2008 begründet. Die Geltung der Tarifverträge für die Druckindustrie sei bislang unstreitig geblieben. Dies habe die Beklagte im hiesigen Rechtsstreit auch erster Instanz so vorgetragen. Der Kläger habe Anspruch auf Jahresleistung in der geltend gemachten Höhe. Diese errechne sich nach dem Bruttostundenentgelt, welches im Jahr 2006 bei 15,12 € gelegen habe. Reduziert um die 5 % (95 %) ergebe sich ein Betrag von 2.183,33 €. Der Kläger habe auch für das Jahr 2006 Anspruch auf Altersfreizeit entsprechend den tarifvertraglichen Bestimmungen. Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten werden unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier verurteilt, an den Kläger 3.770,93 € brutto nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, 2. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger im Jahre 2006 zwei Tage Altersfreizeit zu gewähren. Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil, legt unter wörtlicher Darlegung ihre Zitate dar, dass sie sich immer nur auf den Inhalt des Arbeitsvertrages bezogen habe, dieser jedoch keinen Verweis auf sämtliche Bestimmungen der manteltariflichen Regelungen enthalte. Die Beklagte nimmt weiter Bezug auf eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat anlässlich der Betriebsveräußerung, wonach an jeden Mitarbeiter zum Ausgleich der Lohn- und Gehaltsforderungen (Urlaubsansprüche, Weihnachtsgeld) ein Betrag von 1.000,-- € netto ausgezahlt werde. Der Kläger hat diesen Betrag allerdings unstreitig nicht erhalten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 24.04.2008. Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO). II. Die Berufung hat zum Teil Erfolg. Der Kläger kann nicht die Feststellung begehren, die Beklagte sei verpflichtet, ihm im Jahr 2006 Altersfreizeit von zwei Tagen zu verschaffen. Das Jahr 2006 ist abgelaufen. Es ist der Beklagten im Nachhinein tatsächlich unmöglich, dem Kläger für das Jahr 2006 zwei freie Tage egal aus welchem Rechtsgrund zu gewähren. Damit scheitert der klägerische Anspruch schon daran, dass er auf die Feststellung einer unmöglichen Leistung gerichtet ist. Zum zweiten ist das Feststellungsinteresse nicht ersichtlich. Der Kläger könnte, sofern ihm ein Anspruch überhaupt zustünde, diesen im Wege einer Leistungsklage geltend machen. III. Im Übrigen ist die Berufung begründet. Dem Kläger stehen weitere 2.183,33 € für das Jahr 2006 zu, nämlich die tarifliche Jahresleistung. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ergibt sich dieser Anspruch aus den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien und zwar aus betrieblicher Übung. Die Beklagte hat die Manteltarifverträge für die Druckindustrie ausweislich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung, sowie er sich auch aus den Verfahrensakten 1 Ca 2064/05 ergab, seit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern angewendet. Damit ist eine betriebliche Übung entstanden, weil eine mindestens dreijährige Wiederholung eines Sachverhaltes vorlag, nämlich sämtliche manteltariflichen Leistungen allen Arbeitnehmern zukommen zu lassen. So hat die Beklagte auch in diesem Verfahren erklärt, ohne dass im hiesigen Verfahren eine entgegenstehende Erklärung abgegeben wurde, dass jedenfalls kraft betrieblicher Übung die Leistungen entsprechend den Tarifverträgen in der Druckindustrie an sämtliche Mitarbeiter gewährt worden sind, dies allerdings nur solange, als die Beklagte sich aufgrund Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband an die Tarifverträge gebunden fühlte. Damit steht tatsächlich fest, dass jedenfalls im Verhältnis zum Kläger der Inhalt der Tarifverträge kraft betrieblicher Übung Eingang in das Arbeitsverhältnis gefunden hat. Dem Kläger stehen daher die Leistungen auch für den Zeitraum zu, als eine Tarifbindung der Beklagten nicht mehr vorlag, nachdem sie aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten ist. Dass die vertragliche Abrede nicht durch eine anderweitige vertragliche Abrede zwischen den Parteien geändert wurde, hat die Kammer im Urteil zwischen den Parteien vom 23.11.2006 festgestellt. Angriffe gegen die tragenden Grundsätze dieser Entscheidung sind im hiesigen Verfahren von der Beklagten nicht mehr erhoben worden. Der Beklagten hilft auch nicht weiter, dass sie im hiesigen Verfahren auf ihre schriftsätzliche Stellungnahmen verweist, die jeweils die Anwendbarkeit des Manteltarifvertrages für die Druckindustrie auf den abgeschlossenen Arbeitsvertrag bezogen. In der Tat ist es zutreffend, dass aus dem Arbeitsvertrag selbst eine direkte Inbezugnahme sämtlicher Bestimmungen der manteltariflichen Leistungen nicht enthalten ist. Aus dem unstreitigen Umstand, dass sämtliche Leistungen an den Kläger jedenfalls seit Beginn seiner Beschäftigung gewährt worden sind, folgt aber eine betriebliche Übung. Diese ist weder durch einzelvertragliche Abmachung abgeändert worden noch durch eine gegenläufige betriebliche Übung. Dem steht schon bereits entgegen, dass sich der Kläger im Vorverfahren gegen eine Vertragsänderung durch gegenläufige betriebliche Übung gewendet hat. Der Forderung des Klägers schließlich stehen nicht entgegen etwaige Vereinbarungen mit dem Betriebsrat. Abgesehen davon, dass die Wirksamkeit angesichts des § 77 Abs. 3 BetrVG äußerst zweifelhaft ist, sind jedenfalls an den Kläger Leistungen aus der Betriebsvereinbarung nicht geflossen, die der Klageforderung in Anrechnung gebracht werden könnten. IV. Das klageabweisende arbeitsgerichtliche Urteil musste demgemäß, soweit die Forderung auf Jahresleistung 2006 nicht zugesprochen wurde, abgeändert werden. Die Nebenforderungen folgen §§ 288, 291 BGB. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 AbGG nicht.

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