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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 08.08.2006
Aktenzeichen: 2 Sa 76/06
Rechtsgebiete: EFZG, ArbGG


Vorschriften:

EFZG § 5
ArbGG § 64 Abs. 2 lit. c)
ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 Sa 76/06

Entscheidung vom 08.08.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 24.11.2005, Az: 9 Ca 1715/05, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten zuletzt noch im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der Kläger ist seit dem 21.06.2004 bei der Beklagten als Ofenbaumeister beschäftigt.

Der Kläger erschien am Montag, den 18.07.2005 nicht zur Arbeit. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat der Kläger die Bescheinigung eines Arztes für Allgemein-Medizin vorgelegt, wonach der Kläger in der Zeit vom 18.07. bis zum 01.08.2005 arbeitsunfähig erkrankt war. Ob der Kläger der Beklagten eine Arbeitsunfähigkeit zu Beginn seiner Fehlzeit angezeigt hatte oder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zugesandt hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 22.07.2005 eine Abmahnung erteilt mit der Begründung, er fehle seit dem 18.07.2005 unentschuldigt. Nachrichten auf dem Anrufbeantworter des Handys des Klägers sowie seines Privatanschlusses blieben unbeantwortet. Die Beklagte forderte den Kläger auf, sich umgehend mit ihr in Verbindung zu setzen. Sollte sie bis zum 24. Juli von ihm nichts gehört haben, müsse sie die fristlose Kündigung aussprechen. Dieses Schreiben wurde der Nachbarin des Klägers am Samstag, den 23.07. ausgehändigt. Sie hat es dem Kläger am darauf folgenden Montag übergeben, der darauf nicht mehr reagiert hat, weil die ihm gesetzte Frist schon abgelaufen war. An diesem Wochenende befand sich der Kläger auf einer Hochzeitsfeier außerhalb seines Wohnortes.

Nach Auffassung des Klägers sei die außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt. Er habe noch am 18. Juli die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Beklagten mit der Post übersendet und die Folgebescheinigung am 25. Juli per Einwurf-Einschreiben. Am 19. Juli habe er der Beklagten eine SMS auf das Handy seines Vorgesetzten mit dem Hinweis auf seine Arbeitsunfähigkeit zugeleitet.

Der Kläger hat u. a. beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25.07.2005 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

und hat hierzu vorgetragen:

Der Kläger habe ab dem 18.07. unentschuldigt gefehlt. Er sei weder über sein Handy noch auf seinem Festnetzanschluss telefonisch erreichbar gewesen. Sie bestreite, dass der Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am Montag, den 18.07. zur Post gegeben habe, auf dem Handy des Direktors der Beklagten sei keine SMS vom Kläger eingegangen. Nachdem der Kläger auch auf das Abmahnschreiben nicht reagiert habe, sei die fristlose Kündigung vom 25.07.2005 gerechtfertigt. Der Kläger habe beharrlich gegen seine Anzeige- und Nachweispflicht verstoßen, was sie, die Beklagte, besonders hart treffe, weil sie bei Privatleuten terminlich vereinbarte Ofenbauarbeiten zu verrichten habe. Sie könne nur dann richtig disponieren, wenn sie auch umgehend Bescheid erhalte von dem krankheitsbedingten Fehlen eines Mitarbeiters.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 24.11.2005, auf dessen Tatbestand zur näheren Sachverhaltsdarstellung hiermit Bezug genommen wird, die außerordentliche Kündigung für unwirksam gehalten, aber festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung beendet worden ist. In den Entscheidungsgründen hat es angegeben, der von der Beklagten geschilderte Sachverhalt rechtfertige eine fristlose Kündigung nicht. Zwar könne die Verletzung gesetzlicher Anzeige- und Nachweispflichten aus § 5 EFZG je nach Lage des Falles eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Angesichts des geringen Gewichts dieser Pflichtverletzung aus § 5 EFZG bedürfe es zur Rechtfertigung einer fristlosen Kündigung der Feststellung erschwerender Umstände. Solche seien vorliegend nicht gegeben. Zur näheren Darstellung dieser Entscheidungsgründe wird hiermit auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I. seines Urteils (Bl. 8 - 13 ) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat nur die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese im Hinblick auf den zuletzt noch verfolgten Streitgegenstand auch in gleicher Weise begründet.

Nach Auffassung der Beklagten habe das Arbeitsgericht zu Unrecht die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung angenommen. Sie habe nach dem 18.07.2005 mehrfach vergeblich versucht, den Kläger telefonisch zu erreichen. In der Vergangenheit sei er immer über sein Handy erreichbar gewesen. Die zu erledigenden Ofenbauarbeiten hätten nur unter Inkaufnahme von Überstunden verrichtet werden können. Auch am Montag, den 25.07. habe der Kläger nicht reagiert, obwohl er nach seiner eigenen Einlassung das Abmahnschreiben dann erhalten habe. Der Kläger habe zuvor für die Zeit vom 12. - 16.07. Urlaub beantragt gehabt, der ihm aus terminlichen Gründen nicht habe gewährt werden können. Aus Verärgerung darüber habe der Kläger sich dann Urlaub durch Krankfeiern genommen.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Feststellungsklage des Klägers insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Sachvortrages verteidigt er das erstinstanzliche Urteil. Auch wenn er ab dem 18. Juli arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, wäre eine ständige telefonische Erreichbarkeit nicht erforderlich gewesen.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 64 Abs. 2 lit. c) ArbGG statthafte Berufung der Beklagten wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet und erweist sich auch sonst als zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 25.07.2005 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht fristlos beendet hat. Das Berufungsgericht folgt den Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil, stellt dies hiermit ausdrücklich fest und sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung eines doppelten Schreibwerkes von der erneuten Darstellung dieser Entscheidungsgründe ab. Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren führt nicht zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Der Kläger hat angegeben, der Beklagten eine SMS über seine Arbeitsunfähigkeit am 19. Juli übersandt zu haben und noch am 18. Juli eine ärztliche Arbeitsunfähigkeit der Beklagten per Post übermittelt zu haben. Diesen Sachvortrag hat die Beklagte bestritten. Sie hat bestritten, eine SMS des Klägers auf dem Handy ihres Direktors erhalten zu haben und eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung über die Erkrankung des Klägers. Beruft sich ein Arbeitnehmer bei einer verhaltensbedingten Kündigung auf das Vorliegen von Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen mit der Folge, dass eine Vertragsverletzung nicht vorliegt, dann trifft auch hier den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für seine Behauptung, es liege ein Pflichtverstoß vor. Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Arbeitnehmer solche Gründe ins Einzelne gehend vorträgt und nicht nur pauschal gehaltene Einwendungen macht. Der Arbeitgeber muss dann beweisen, dass die Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungsgründe nicht vorliegen (BAG AP Nr. 76 zu § 626 BGB; AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1979). Diese Grundsätze gelten erst recht, wenn es um die Frage der Verletzung der Anzeige- und Nachweispflicht aus § 5 EFZG geht und der Arbeitnehmer dabei - wie im Streitfalle - konkret vorträgt, wann er die ihn treffenden Verpflichtungen auf welche Weise erfüllt hat. Dass der Kläger die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht zur Post gegeben hat, konnte die Beklagte nicht beweisen.

Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren darauf hinweist, es sei ihr durch das Fehlen des Klägers nur deshalb kein größerer Schaden entstanden, weil Überstunden geleistet worden seien, rechtfertigt auch diese Einlassung die fristlose Kündigung nicht. Sie belegt gerade, dass die Beklagte im Stande war, trotz der von ihr geschilderten Pflichtverletzungen des Klägers aus § 5 EFZG den Ausfall des Klägers durch organisatorische Maßnahmen zu kompensieren.

Das von der Beklagten behauptete Krankfeiern des Klägers in der Zeit ab dem 18.07.2005 wird durch die vom Kläger im Berufungsverfahren zur Akte gereichte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung widerlegt. Nach dem Inhalt dieser Bescheinigung war der Kläger in der Zeit vom 18.07. bis zum 01.08.2005 vom Arzt krankgeschrieben worden. Dass der Kläger dem Arzt lediglich eine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht haben soll, ist dem Sachvortrag der Beklagten in keiner Weise zu entnehmen.

Das Berufungsgericht will ausdrücklich darauf hinweisen, dass bei Zugrundelegung des Sachvortrages der Beklagten zwar erhebliche Pflichtverletzungen des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis vorliegen. Allerdings rechtfertigt nicht jede Pflichtverletzung automatisch den Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Nur diese hat das Berufungsgericht im Streitfalle noch zu überprüfen, nachdem das Arbeitsgericht durch insoweit Rechtskraft erlangendes Urteil entschieden hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25.07.2005 unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist als ordentliche Kündigung beendet worden ist. Die von der Beklagten vorgetragenen Kündigungsgründe rechtfertigen eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 25.07.2005 nicht.

Nach alledem war die unbegründete Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision konnte angesichts der gesetzlichen Kriterien von § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zugelassen werden.

Ende der Entscheidung

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