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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 20.01.2006
Aktenzeichen: 2 Ta 16/06
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, RVG


Vorschriften:

ArbGG § 11 a Abs. 3
ArbGG § 78
ZPO § 121 Abs. 3
ZPO § 121 Abs. 4
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO §§ 567 ff.
RVG § 45
RVG § 56 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 Ta 16/06

Entscheidung vom 20.01.2006

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 20.12.2005 wird auf Kosten des Beschwerdeführers bei einem Beschwerdewert von 100,-- Euro zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger, der seinen Wohnsitz in A-Stadt hat, hat sich im vorliegenden Verfahren gegen eine betriebsbedingte Kündigung gewendet, die die beklagte Leiharbeitgeberin ihm gegenüber ausgesprochen hat. Der Kläger war von ihr als Reiniger in einem Automobilwerk in Wörth auf Dauer eingesetzt gewesen. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers, die ihren Kanzleisitz in Germersheim haben, haben für das Kündigungsschutzverfahren Prozesskostenhilfe unter ihrer Beiordnung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben jedoch unter Ausschluss der Erstattungsfähigkeit von Tage- und Abwesenheitsgeldern sowie etwaiger Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Gerichtsort.

Gegen diesen Beschluss haben seine Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 23.12.2005 sofortige Beschwerde eingelegt und unter Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Beiordnung ohne Einschränkung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und hat es dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 78 ArbGG i.V.m. §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und darüber hinaus auch noch begründet.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers sind vorliegend beschwerdebefugt. Lehnt das Arbeitsgericht in der Beiordnungsentscheidung, also in der eigentlichen Prozesskostenhilfegrundentscheidung, dem beigeordneten Rechtsanwalt die Erstattung von Reisekosten durch die Staatskasse ab, dann steht dem beigeordneten Rechtsanwalt insoweit ein eigenes Beschwerderecht zu (BAG, Beschluss v. 18.07.2005 - 3 AZB 65/03). Dies ergibt sich daraus, dass der beigeordnete Rechtsanwalt gemäß § 45 RVG einen eigenen Anspruch gegenüber der Staatskasse erwirbt. Greift eine gerichtliche Entscheidung in dieses Rechtsverhältnis ein, kann der Rechtsanwalt nach § 56 Abs. 1 RVG selbst dagegen vorgehen.

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist es zulässig, einen Rechtsanwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfe nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beizuordnen. Nach § 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Da es im arbeitsgerichtlichen Verfahren keine Rechtsanwalts-"Zulassung" gibt, sind die nach § 11 a Abs. 3 ArbGG "entsprechend" anwendbaren Vorschriften der ZPO im arbeitsgerichtlichen Verfahren dahingehend auszulegen, dass in § 121 Abs. 3 ZPO nicht auf die Zulassung eines Rechtsanwalts bei einem bestimmten Gericht, sondern auf dessen Ansässigkeit am Ort des Gerichts abzustellen ist (BAG v. 18.07.2005 - 3 AZB 65/03). Die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts kann deshalb lediglich erfolgen, wenn dadurch keine zusätzlichen Kosten entstehen. Dieser Grundsatz ist Rechtsmäßigkeitsvoraussetzung für die Beiordnung und daher von Amts wegen in dem Beiordnungsbeschluss aufzunehmen. Das folgt aus der Verknüpfung des Erstattungsanspruchs mit dem Beiordnungsbeschluss nach dem Gebührenrecht, weil sich die Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist, bestimmt (§ 48 Abs. 3 RVG).

Ein nicht beim Prozessgericht ortsansässiger Rechtsanwalt kann der Partei auf Antrag beigeordnet werden, wenn dadurch keine höheren Kosten für die Staatskasse entstehen. Dies ist etwa der Fall, wenn der Rechtsanwalt gegenüber dem Gericht erklärt, zu den Bedingungen eines beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts tätig zu werden. Stellt der beizuordnende Anwalt - wie vorliegend - den Antrag auf eigene Beiordnung im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens, so bedarf es keiner Nachfrage durch das Gericht oder der Herbeiführung eines ausdrücklichen Einverständnisses zu einer solchermaßen eingeschränkten Beiordnung (OLG A-Stadt NJW 2005, 2718). Der Rechtsanwalt gibt bereits mit seinem vorbehaltlos gestellten Beiordnungsantrag zu erkennen, dass er mit einer Beiordnung nur zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen einverstanden ist. Will er das nicht, dann muss er ausdrücklich darauf hinweisen, dass er im Falle der Einschränkung nicht bereit ist, für die vertretene Partei weiter tätig zu werden. Dann ist der Beiordnungsantrag abzulehnen. Eine derartige Einschränkung hat der Beschwerdeführer in seiner Antragstellung nicht vorgenommen.

Im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe ist bei der Beiordnung eines nicht bei dem Prozessgericht niedergelassenen bzw. kanzleiansässigen Rechtsanwalts stets zu prüfen, ob besondere Umstände für die Beiordnung eines zusätzlichen Verkehrsanwalts im Sinne von § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen. Nur wenn dies nicht der Fall ist, darf der auswärtige Rechtsanwalt "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" beigeordnet werden (BGH NJW 2004, 2749; BAG v. 18.07.2005 - 3 AZB 65/03; Beschluss des erkennenden Gerichts v. 11.11.2005 - 2 Ta 259/05). Erfolgt - wie vorliegend - keine Beiordnung eines Verkehrsanwalts, dann sind die Reisekosten des Prozessbevollmächtigten jedoch insoweit aus der Staatskasse erstattbar, als die Kosten eines Verkehrsanwalts erspart wurden. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "besondere Umstände" i.S.d. § 121 Abs. 4 ZPO ist zu berücksichtigen, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen eine weitgehende Angleichung der Situation der mittellosen mit der nicht bedürftigen Partei bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten ist. Die Hinzuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässigen Verkehrsanwalts ist in der Regel zweckdienlich und jedenfalls dann erforderlich, wenn die Kosten des Verkehrsanwalts die Reisekosten des nicht am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts nicht wesentlich übersteigen (BGH NJW 2004, 2749; LAG Thüringen v. 31.01.2005 - 1 Ta 137/03).

Bei Anwendung dieser Grundsätze waren vorliegend die Beschwerdeführer dem Kläger nicht unter Erstattung von Reisekosten beizuordnen. Der Kläger wohnt in Karlsruhe, die Beschwerdeführer haben ihre Kanzlei im ca. 25 Kilometer davon entfernten Germersheim. Die Verhandlung findet vor den Auswärtigen Kammern in Landau statt. Die Entfernung zwischen Karlsruhe und Landau bzw. Germersheim und Landau ist in etwa genauso groß wie die Entfernung zwischen Karlsruhe und Germersheim, so dass die drei Orte grob gesehen ein gleichschenkliches Dreieck bilden. Bei dieser Sachlage war es dem Beschwerdeführer zumutbar, einen in Landau ansässigen Rechtsanwalt mit seiner Prozessführung zu beauftragen. Tat er dies - aus welchen Gründen auch immer - nicht, dann ist die Staatskasse jedenfalls nicht verpflichtet, dem Kläger die Reisekosten für seinen beigeordneten in Germersheim kanzleiansässigen Rechtsanwalt zu erstatten. Die Voraussetzungen für eine Beiordnung eines Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO liegen vorliegend erkennbar nicht vor. Hierfür hätte es billigenswerte besondere Umstände bedurft.

Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

Einer Zulassung der Rechtsbeschwerde hat es vorliegend nicht bedurft, nachdem das BAG mit Beschluss vom 18.07.2005 - 3 AZB 65/03 die vorliegende Problematik grundsätzlich entschieden hat.

Ende der Entscheidung

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