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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 15.08.2003
Aktenzeichen: 2 Ta 995/03
Rechtsgebiete: GVG, ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

GVG § 17 a Abs. 4 Satz 3
GVG § 17 a Abs. 3
GVG § 17 a
ArbGG § 78
ZPO § 567 ff.
BGB § 611 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 2 Ta 995/03

Entscheidungsdatum: 15.08.2003

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 16.06.2003 - 8 Ca 477/03 - wird auf Kosten der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 500,00 EUR festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten im vorliegenden Klageverfahren darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern und im vorliegenden Beschwerdeverfahren um den Rechtsweg.

Die Klägerin war bei der Beklagten in der Zeit vom 01.04.2002 bis zum 31.01.2003 aufgrund eines schriftlichen Vertrages vom 04.03.2003, in dem die Klägerin als Handelsvertreterin bezeichnet worden ist, beschäftigt. Das Vertragsverhältnis haben die Parteien durch Aufhebungsvertrag beendet.

Mit vorliegender Klage macht die Klägerin geltend, entgegen der vertraglichen Bezeichnung sei sie als weisungsabhängige Arbeitnehmerin bei der Beklagten während des Vertragsverhältnisses tätig gewesen. Die gesamte Ausgestaltung ihrer Tätigkeit spreche für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte sei daher zu verurteilen, sie, die Klägerin, für die Zeit vom 01.04.2002 bis 31.01.2003 in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern.

Nach Auffassung der Beklagten, die Klageabweisung begehrt, sei die Klage unzulässig und in der Sache auch unbegründet, weil das Vertragsverhältnis als freies Mitarbeiterverhältnis auf der Basis eines Handelsvertretervertrages auch praktiziert worden sei.

Das Arbeitsgericht hat nach entsprechendem Hinweis mit Beschluss vom 16.06.2003 entschieden, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für das vorliegende Klageverfahren nicht eröffnet sei und hat das Verfahren an das Sozialgericht Speyer verwiesen. In den Entscheidungsgründen hat es angegeben, es handele sich bei der Streitigkeit um die Nachversicherung in der Rentenversicherung um eine sozialrechtliche Angelegenheit, so dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht gegeben sei.

Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin form- und fristgerecht sofortige Beschwerde erhoben, weil nach ihrer Auffassung der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben sei. Dem Arbeitgeber obliege im Verhältnis zum Arbeitnehmer die Pflicht, Sozialversicherungsbeiträge abzuführen, eine entsprechende Streitigkeit sei vor den Gerichten für Arbeitssachen auszutragen.

Die Kammer des Arbeitsgerichts hat durch Beschluss vom 22.07.2003 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. In der Nichtabhilfeentscheidung hat das Arbeitsgericht - was die Sache anbetrifft - angegeben, es gehe im vorliegenden Streitverfahren nicht nur um eine sozialrechtliche Vorfrage, sondern um die eigentliche Verpflichtung aus sozialrechtlichen Vorschriften.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, auf den angefochtenen Beschluss und auf die Nichtabhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts - soweit sie Ausführungen in der Sache enthält - Bezug genommen.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG in Verbindung mit § 78 ArbGG, §§ 567 ff. ZPO statthaft. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und darüber hinaus auch noch begründet.

Trotz fehlender Rechtswegrüge durch eine der Parteien konnte das Arbeitsgericht ein entsprechendes Vorabverfahren durchführen, weil es die Rechtswegfrage gemäß § 17 a Abs. 3 GVG auch von Amts wegen klären kann.

2. In der Sache ist das Rechtsmittel allerdings nicht begründet.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht im angefochtenen Beschluss entschieden, dass es sich bei der vorliegenden Streitigkeit nicht um eine arbeitsrechtliche, sondern um eine sozialversicherungsrechtliche Angelegenheit handelt, für die der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet ist.

Im Streitfalle liegt keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen einer Arbeitnehmerin und dem Arbeitgeber über Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis im rechtlichen und unmittelbar wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, vor (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 a ArbGG). Rechtsgrundlage des Klagebegehrens der Klägerin ist nicht etwa eine in § 611 Abs. 1 BGB wurzelnde oder eine sonstige arbeitsrechtliche Anspruchsnorm.

Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (GmS-OGB vom 04.06.1974, AP Nr. 3 zu § 405 RVO; BGH, vom 23.02.1988, NZA 1989, 322; BAG, v. 11.06.2003, NZA 2003, 878). Maßgebend ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Arbeitsrechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird (BAG a.a.O).

Vorliegend streiten die Parteien um die Frage, ob zwischen ihnen ein freies Mitarbeiterverhältnis auf der Basis eines Handelsvertretervertrages oder ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Daraus resultierende Streitigkeiten können entsprechend dem jeweils verfolgten Streitgegenstand sowohl vor den Gerichten für Arbeitssachen aber auch vor Gerichten, die einem anderen Rechtsweg zugeordnet sind, ausgetragen werden. Sozialversicherungsrechtliche Streitfragen lassen die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen unberührt, solange sie nicht den eigentlichen Streitgegenstand bilden, sondern Vorfragen darstellen, die vom zuständigen Gericht Kraft seiner Vorfragenkompetenz beschieden werden müssen. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist dagegen zu beschreiten, wenn es unmittelbar um die Berechtigung oder Verpflichtung zum Einbehalt von Sozialversicherungsbeiträgen vom Arbeitslohn geht (BSG, v. 07.06.1979, AP Nr. 4 zu §§ 394, 395 RVO; Hessisches LAG, v. 14.07.1995, LAGE § 2 ArbGG, 1979 Nr. 19; GK-Wenzel, § 2 Rz 63; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl., § 2 Rz. 79).

Im Streitfalle fordert die Klägerin nicht etwa einen Anspruch, den sie auf eine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage stützt, sondern sie begehrt unmittelbar die Verpflichtung der Beklagten, sie "in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern". Ob eine solche Verpflichtung zur Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht, entscheiden originär die Sozialgerichte, weil ihnen die Entscheidungskompetenz über die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung zugewiesen ist. Damit ist auch Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens eine unmittelbare sozialversicherungsrechtliche Frage. Ob die Beklagte die Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern hat, ist nicht bloß eine reine Vorfrage einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit, sondern der unmittelbare Streitgegenstand selbst.

Damit ist auch der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht gegeben. Zutreffend hat daher das Arbeitsgericht gemäß § 17 a GVG den Rechtsstreit an das im Rechtsweg zuständige Sozialgericht Speyer verwiesen.

Das unbegründete Rechtsmittel der Beschwerdeführerin war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Der Streitwert war gemäß § 3 ZPO festzusetzen.

Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand angesichts der gesetzlichen Kriterien von § 78 Satz 2, §§ 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.



Ende der Entscheidung

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