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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 26.10.2001
Aktenzeichen: 3 Sa 916/01
Rechtsgebiete: SGB VI, ZPO, BetrVG, ArbGG


Vorschriften:

SGB VI § 36
SGB VI § 37
SGB VI § 38
SGB VI § 39
ZPO § 97
ZPO § 543 I
BetrVG § 75
BetrVG § 75 I
ArbGG § 72
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 3 Sa 916/01

Verkündet am: 26.10.2001

In dem Rechtsstreit

PP.

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 26.10.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schäfer als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter R und T für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 17.08.01 - Az.: 1 Ca 338/01 - wird kostenfällig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Höhe einer Sozialplanabfindung. Der am 03.07.1941 geborene Kläger war seit 01.09.1974, zuletzt als Fachberater gegen ein Monatsgehalt von 7.800,00 DM bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung der Beklagten vom 26.06.2000 mit dem 31.01.2001. Im Zusammenhang mit der Kündigung erhielt der Kläger eine Sozialplanabfindung in Höhe von 70.000,00 DM. Mit der Klage macht er einen Anspruch auf eine weitere Abfindung in Höhe von 69.860,00 DM geltend.

Der Sozialplan vom 24. Februar 2000 sieht keine Abfindung vor für Mitarbeiter, die bei Ausscheiden eine abschlagsfreie Rente beanspruchen können. Im Übrigen begrenzt er die Abfindung auf 18 Bruttomonatsgehälter in den Fällen, in denen das achtzehnfache des Monatsgehaltes DM 70.000,00 übersteigt. Ansonsten beträgt die Abfindung danach höchstens 70.000,00 DM.

Für den Kläger findet eine Regelung für ältere, rentennahe Arbeitnehmer Anwendung, die die Abfindung in jedem Fall auf den Höchstbetrag von 70.000,00 DM begrenzt. Sie gilt für Arbeitnehmer, die nach Ablauf der Kündigungsfrist und anschließender Ausschöpfung der Fristen für den Bezug von Arbeitslosengeld Anspruch auf vorgezogenes Altersruhegeld gem. §§ 36 bis 39 SGB VI haben. Der Kläger hätte eine Abfindung in Höhe von 139.860,00 DM beanspruchen können, wenn er nicht zu den rentennahen Jahrgängen in diesem Sinne gehörte.

Mit der Klage macht er die Unwirksamkeit dieser Beschränkung geltend und erhebt Anspruch auf die Abfindung in der vollen Höhe von 18 Monatsgehältern.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine weitere Sozialplanabfindung in Höhe von 69.860,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.02.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Mainz hat durch Urteil vom 17.05.2001 die Klage abgewiesen und den Streitwert auf 69.860,00 DM festgesetzt.

Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543, I ZPO abgesehen; insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger hat seine nach der Höhe der Beschwer an sich statthafte Berufung innerhalb der gesetzlichen Fristen formgerecht eingelegt und begründet. Das damit zwar zulässige Rechtsmittel zeitigt in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Das erkennende Gericht bezieht sich gem. § 543, I ZPO auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts und beschränkt sich auf die nachfolgenden, ergänzenden Anmerkungen:

1.

Der Kläger hat die ihm nach dem Sozialplan zustehende Abfindung erhalten; weitergehende Ansprüche stehen ihm nicht zu.

Der Sozialplan begegnet, was seine den Kläger betreffende Höchstbetragsklausel angeht, keinen rechtlichen Bedenken.

Diese Höchstbetragsklausel verstößt zunächst nicht gegen § 75, I BetrVG. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verbietet diese Vorschrift nicht jede unterschiedliche Behandlung von älteren und jüngeren Arbeitnehmern. Eine Differenzierung aufgrund tatsächlicher und für die jeweilige Regelung erheblicher Gesichtspunkte ist zulässig (BAG 19.10.99 - 1 AZR 838/98 -). Bei Sozialplanleistungen, die den von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmern eine Überbrückungshilfe bieten sollen, kann deshalb auch danach differenziert werden, welcher Zeitraum durch die Abfindung zu überbrücken ist. Eine derartige Differenzierung knüpft nicht an das Alter an, sondern an die aus der Entlassung drohenden Nachteile. Da diese Nachteile nicht in jedem Fall bei der Vereinbarung des Sozialplanes exakt voraussehbar sind, ist auch eine pauschalierte Regelung zulässig, die auf die im Allgemeinen zu erwartenden Nachteile abstellt.

Es ist deshalb zulässig, die Sozialplanabfindung davon abhängig zumachen, ob dem Arbeitnehmer eine längere Zeit der Arbeitslosigkeit droht, oder ob er durch die Möglichkeiten der Arbeitslosenunterstützung und des Altersruhegeldes hinreichend abgesichert ist (vgl. BAG 26.07.1988 - 1 AZR 156/87 - EZA Nr. 43 zu § 112 BetrVG 1972). Die Betriebspartner können deshalb im Sozialplan berücksichtigen, dass zu entlassende Arbeitnehmer sofort oder bald das vorgezogene Altersruhegeld in Anspruch nehmen können (BAG 28.10.1992 - 10 AZR 489/91 - EZA Nr. 66 zu § 112 BetrVG).

2.

Der hier zwischen den Betriebspartnern vereinbarte Sozialplan entspricht diesen Grundsätzen. Er schließt Arbeitnehmer von Sozialplanleistungen aus, wenn sie nach ihrer Entlassung ohne Abschlag rentenberechtigt sind. Auch die Regelung für rentennahe Arbeitnehmer entspricht den aufgezeigten Grundsätzen; diese Arbeitnehmer sind, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hinweist, sozial abgesichert; die Nachteile, die ihnen durch die vorzeitige Entlassung entstehen, wären ihnen kurzfristig ohnehin entstanden. Werden sie - wie hier - durch eine immerhin beträchtliche Abfindung gemildert, lässt dies Zweifel an der Wirksamkeit der Sozialplanregelung nicht zu.

Dass die Beendigung des Berufslebens finanzielle Nachteile mit sich bringt, ist nicht außergewöhnlich. Diese wirken jedoch weniger schwer, wenn die Beendigung ohnehin bevor gestanden hätte, und die Zwischenzeit durch Arbeitslosengeld und Abfindung überbrückt wird. Dabei ist zu beachten, dass die Sozialplanpartner in ihrer Entscheidung, welche Nachteile in welcher Form sie ausgleichen oder abmildern wollen, weitgehend frei sind. Sie sind keineswegs verpflichtet, die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses von jeglichen Nachteilen freizuhalten.

3.

Die Notwendigkeit, die durch die vorzeitige Entlassung entstehenden Nachteile pauschaliert abzugelten bzw. zu mildern, macht Regelungen erforderlich, die nicht in jedem Fall den Umständen des Einzelfalles gerecht werden können. Die Sozialpartner sind deshalb - anders als die Einigungsstelle - bei der Vereinbarung eines Sozialplanes nicht gehalten, den Gegebenheiten des konkreten Einzelfalles Rechnung zu tragen (BAG 14.09.1994 - 10 ABR 7/94 - EZA Nr. 77 zu § 112 BetrVG 1972). Es genügt, dass sie die Leistungen aus dem Sozialplan verteilungsgerecht nach den im Allgemeinen zu erwartenden Nachteilen verteilen. Dabei mussten die Betriebspartner hier nicht berücksichtigen, dass der Kläger nach dem Bezug des Arbeitslosengeldes und der Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes nur eine geminderte Rente beanspruchen kann. Diese Nachteile waren bei Abschluss des Sozialplanes nicht mit hinreichender Sicherheit vorhersehbar. Es bestand durchaus die Möglichkeit, dass der Kläger diese durch Eingehen eines neuen Arbeitsverhältnisses hätte vermeiden können. Vorhersehbar war nur, dass der Kläger durch Arbeitslosengeld und Rentenberechtigung wirtschaftlich abgesichert war; die Nachteile im Einzelnen, die ihm aus der vorzeitigen Entlassung entstehen konnten, waren hingegen nicht sicher abschätzbar. Ihnen mussten die Betriebspartner deshalb auch bei der Gestaltung des Sozialplanes keine Rechnung tragen.

Soweit der Kläger darauf verweist, dass ein zwei Jahre jüngerer Kollege die ungeschmälerte Abfindung in Höhe von 18 Monatsgehältern in Anspruch nehmen konnte, und daraus eine Ungleichbehandlung ableitet, verkennt er, dass diesem Kollegen durch die Entlassung auch größere finanzielle Einbußen drohen. Die Chancen dieses zwei Jahre jüngeren Kollegen auf dem Arbeitsmarkt sind kaum größer als die des Klägers; er hat jedoch nicht die Möglichkeit, nach dem Ende des Bezugszeitraums für das Arbeitslosengeld unmittelbar in den Ruhestand zu treten, sondern muss die Zwischenzeit mit Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe oder dem Einsatz eigener Mittel überbrücken.

4.

Die Höchstbetragsbegrenzung widerspricht schließlich auch deshalb nicht der Billigkeit, weil sie der auch für die wohl überwiegende Anzahl der anderen Arbeitnehmer geltenden Begrenzung entspricht. Die Begrenzung auf 70.000,00 DM gilt in allen Fällen, in denen das Gehalt der Arbeitnehmer unter ca. 3.900,00 DM liegt. Dass bei höheren Gehältern die summenmäßige Begrenzung auf 70.000,00 DM durch das achtzehnfache Monatsgehalt ersetzt wird, trägt dem Umstand Rechnung, dass für die höher verdienenden Arbeitnehmer auch der auszugleichende Nachteil größer ist. Dies gilt jedoch nicht für die rentennahen Jahrgänge, die durch den Anspruch auf Arbeitslosengeld und anschließendes Ruhegeld sozial weitgehend abgesichert sind. Es verstößt deshalb weder gegen § 75 BetrVG noch gegen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn für diese rentennahe Arbeitnehmergruppe der Nachteilsausgleich durch die Sozialplanabfindung gegenüber den jüngeren Arbeitnehmern in der Höhe begrenzt ist.

Das Arbeitsgericht hat nach allem zu Recht für den vom Kläger erhobenen Anspruch die Anspruchsgrundlage verneint.

Die Kosten seiner deshalb erfolglosen Berufung hat gem. § 97 ZPO der Kläger zu tragen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar; zur Zulassung der Revision bestand nach den Kriterien des § 72 ArbGG kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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