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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 23.01.2004
Aktenzeichen: 3 Sa 941/03
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 72
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 1
ZPO § 91
ZPO § 313 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 3 Sa 941/03

Verkündet am: 23.01.2004

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13.01.2003 - 7 Ca 2886/02 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 13.09.02 und 14.01.03 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Der Kläger ist seit 15.07.1999 als Kraftfahrer bei der Beklagten gegen eine Monatsvergütung von ca. 2.100,-- € beschäftigt. Er ist 31 Jahre alt, verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet.

Mit der Klage wendet er sich gegen eine ordentliche Kündigung vom 13.09.02 sowie eine weitere Kündigung vom 24.01.03.

Die Beklagte begründet die Kündigung vom 13.09.02 damit, dass sich der Kläger geweigert habe, seine Arbeit fortan am Betriebssitz in C-Stadt anzutreten; bisher war ihm wie einem Kollegen gestattet worden, die Arbeit am Wohnsitz in Koblenz aufzunehmen.

Die Kündigung vom 24.01.03, die die Beklagte vorsorglich ausgesprochen hat, begründet sie mit betrieblichen Erfordernissen. Sie habe den Auftrag, für den der Kläger zuletzt ausschließlich eingesetzt worden sei, verloren und verfüge über keine Ersatzbeschäftigungsmöglichkeiten.

Der Kläger hatte bisher im Wechsel mit einem Kollegen um 6.30 Uhr von seinem Wohnsitz in Koblenz die Fahrt nach Köln angetreten und kehrte um 19.30 Uhr wieder nach Koblenz zurück. Dort übernahm sein Kollege das Fahrzeug für eine Fahrt nach Erlangen, von der er gegen 4.00 Uhr wieder in Koblenz ankam. Auf Wunsch des Kunden sollte die Ankunftszeit in Köln von 7.30 Uhr auf 6.00 Uhr vorverlegt werden. Dies hätte eine frühere Arbeitsaufnahme des Klägers und seines Kollegen erforderlich gemacht, die eine Einhaltung der vorgeschriebenen Ruhezeit von 11 Stunden unmöglich gemacht hätte. Die Beklagte sah sich deshalb veranlasst, den Ort der Arbeitsaufnahme auf C-Stadt, den Betriebssitz, festzulegen in der Erwartung, dadurch die vorgeschriebene Ruhezeit gewährleisten zu können.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass auch bei einem Arbeitsantritt in C-Stadt die Ruhezeit nicht hätte eingehalten werden können.

Die Beklagte begründet die Kündigung vom 13.09.02 damit, dass der Kläger sich in einer Besprechung vom 06.09.02 geweigert habe, seine Arbeit in C-Stadt anzutreten und dort auch wieder zu beenden.

Die Kündigung vom 14.01.03 begründet sie damit, dass sie den Kunden x, für den der Kläger zuletzt ausschließlich eingesetzt worden sei, verloren habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 13.09.2002 nicht aufgelöst wird;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mit Schreiben vom 24.01.2003 ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat durch Urteil vom 30.01.2003 die Klage abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine Klageanträge weiterverfolgt.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestands wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen; insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger hat seine nach § 64 Abs. 2 ArbGG an sich statthafte Berufung innerhalb der gesetzlichen Fristen formgerecht eingelegt und begründet. Das damit zulässige Rechtsmittel zeitigt auch in der Sache Erfolg. Die von der Beklagten am 13.09.02 und 14.01.03 ausgesprochenen Kündigungen genügen nicht den Anforderungen des § 1 KSchG und erweisen sich deshalb als unwirksam. Der auf entsprechende Feststellung gerichteten Klage war deshalb unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung zum Erfolg zu verhelfen.

Dies folgt aus den in folgenden gem. § 313 Abs. 3 ZPO in kurzer Zusammenfassung wiedergegebenen Erwägungen:

1.

Auf das Arbeitsverhältnis finden unstreitig die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung. Nach dessen § 1 Abs. 1 beendet nur die sozial gerechtfertigte Kündigung das Arbeitsverhältnis, sozial gerechtfertigt ist die Kündigung unter anderem dann, wenn sie durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt ist oder durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt wird (§ 2 Abs. 2 S. 1 KSchG). Die Beklagte stützt ihre Kündigung vom 13.09.02 auf verhaltensbedingte Gründe. Das Verhalten des Arbeitnehmers kann die Kündigung rechtfertigen, wenn es eine schuldhafte Verletzung arbeitsvertraglicher Haupt- oder Nebenpflichten darstellt (vgl. Busemann-Schäfer Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Auflage 2002, RZ 499 ff.). Generell genügen für eine verhaltensbedingte Kündigung alle im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragspartner und des Betriebs die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen (BAG 21.05.1992 EZA Nr. 43 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung).

Regelmäßig ist für die verhaltensbedingte Kündigung die schuldhafte Verletzung von Vertragspflichten erforderlich. Daran fehlt es schon hier. Der Kläger hat zwar seine Auffassung geäußert, nicht zur Arbeitsaufnahme in C-Stadt verpflichtet zu sein. Er mag auch mehr oder minder deutlich seine fehlende Bereitschaft dazu zu erkennen gegeben haben. Allerdings hat er sich in keinem Fall einer etwaigen Pflicht zur Arbeitsaufnahme in C-Stadt widersetzt. Seine bloßen Bekundungen gegenüber der Zeugin C. und seiner Erklärungen im Kollegenkreis können noch nicht als Pflichtverletzung gewertet werden, so lange der Kläger sie nicht in die Tat umgesetzt hatte.

Die Rückschlüsse, die das Arbeitsgericht aus der Erkrankung des Klägers nach dem 06.09.02 zieht, werden durch den Vortrag der Parteien nicht gedeckt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Arbeitsunfähigkeit des Klägers in irgendeinem Zusammenhang mit der Änderung der Arbeitszeit gestanden hätte. Die Beklagte hat nicht einmal vorgetragen, dass in der fraglichen Zeit die Änderung bereits hätte vollzogen werden sollen.

Im Übrigen ist aus dem protokollierten Inhalt der Beweisaufnahme auch nicht zu entnehmen, dass sich der Kläger ernsthaft und endgültig geweigert hätte, die Arbeit, wie von der Beklagten gewünscht, in C-Stadt aufzunehmen.

Unter diesen Umständen hätte es jedoch vor Ausspruch der Kündigung einer Abmahnung bedurft. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung ist grundsätzlich eine vorherige vergebliche Abmahnung erforderlich (herrschende Meinung; vgl. statt aller Busemann-Schäfer a.a.O. Rz. 506). Es gibt nach dem Vortrag der Parteien keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich durch die Androhung einer Kündigung nicht zu vertragsgemäßen Verhalten hätte bewegen lassen.

Es ist nach allem keine schuldhafte Vertragsverletzung des Klägers ersichtlich, die der Beklagten das Recht zu einer verhaltensbedingten Kündigung hätte geben können. Soweit man die Äußerung des Klägers in der Besprechung vom 06.09.02 bereits als Pflichtverletzung werten wollte, scheiterte die Kündigung jedenfalls daran, dass ihr keine Abmahnung vorausgegangen ist.

2.

Auch die betriebsbedingte Kündigung vom 14.01.03 hat die Beklagte nicht ausreichend begründet. Mit dem Wegfall des Kunden, den der Kläger und sein Kollegen bisher bedient hatten, hat die Beklagte lediglich den Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit dargelegt. Es finden sich jedoch keine Darlegungen dazu, dass damit die Weiterbeschäftigung des Klägers in ihrem Betrieb unmöglich geworden sei. Dringende betriebliche Erfordernisse bedingen eine Kündigung jedoch nur dann, wenn sie einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen. Dazu finden sich im Vortrag der Beklagten keinerlei Anhaltspunkte.

Auch die Kündigung vom 14.01.2003 genügt deshalb nicht den Anforderungen des § 1 KSchG und erweist sich als unwirksam.

II.

Der Kläger macht nach allem zu Recht die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen geltend. Die Kosten des Rechtsstreits hat gem. § 91 ZPO die unterlegene Beklagte zu tragen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar; zur Zulassung der Revision bestand nach den Kriterien des § 72 ArbGG kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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