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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 16.06.2009
Aktenzeichen: 3 Ta 131/09
Rechtsgebiete: ZPO, Barbeträge-VO


Vorschriften:

ZPO § 120 Abs. 4 S. 1 Halbsatz 1
Barbeträge-VO § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Barbeträge-VO § 2 Abs. 1 S. 1
Barbeträge-VO § 2 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 20.04.2009 - 5 Ca 991/07 - aufgehoben. 2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Gründe:

I. Mit Beschluss vom 10.07.2007 - 5 Ca 991/07 - hatte das Arbeitsgericht der Klägerin ohne Anordnung von Ratenzahlungen die Prozesskostenhilfe (unter Beiordnung ihres damaligen Prozessbevollmächtigten) für das erstinstanzliche Erkenntnisverfahren bewilligt. Das Erkenntnisverfahren endete aufgrund Klagerücknahme. Zur Zeit der Prozesskostenhilfebewilligung verfügte die Klägerin über eine von ihr genutzte Eigentumswohnung in N. (vgl. dazu die Angaben in der PKH-Erklärung vom 04.06.2007, Rubrik G Bl. 1 R des PKH-Beiheftes). Im Jahre 2008 hat die Klägerin diese Eigentumswohnung verkauft. Aus dem Verkauf erhielt die Klägerin den Betrag von 33.233,73 EUR (- vor Abzug von Belastungen und ähnlichen Kosten; vgl. dazu das gerichtliche Schreiben vom 26.01.2009 Bl. 67 f. des PKH-Beiheftes). Die Klägerin hat sich einen Wohnwagen gekauft und nach näherer Maßgabe der beiden Verträge vom 23.08.2008 (Bl. 17 f. des PKH-Beiheftes) einen Wohnwagen-Dauerstellplatz auf dem C-Straße in L. übernommen. Mit dem Schreiben vom 22.08.2008 (nebst Anlage, Bl. 32 f. des PKH-Beiheftes) wandte sich die Schuldnerberatung des Diakonischen Werkes N. für die Klägerin u.a. wie folgt an die Citibank Privatkunden AG & Co. KGaA, D.: "...

Wir haben Ihre Forderungsaufstellung erhalten und möchten Ihnen und den übrigen Gläubigern hiermit im Auftrag von Frau C. einen Regulierungsvorschlag unterbreiten. Frau C. ist 51 Jahre und lebt allein. Sie verfügt seit geraumer Zeit lediglich über ein monatliches Krankengeld von rd. 740,00 EUR. Eine Besserung ist nicht zu erwarten, da die psychische Grunderkrankung demnächst eine Teil- bzw. stationäre Behandlung erforderlich macht. Gleichzeitig wird demnächst die Antragstellung auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente geprüft. Eine Erwerbstätigkeit und damit ausreichendes Einkommen zur Schuldenbegleichung steht nicht in Aussicht ebenso wenig ein Erzielen von pfändbarem Einkommen. Frau C. möchte sich dennoch mit ihren Gläubigern einvernehmlich einigen und wäre in der Lage, einen einmaligen abschließenden Vergleichsbetrag von insgesamt 6.500,00 EUR quotal auf die Gläubiger verteilt anzubieten. Bitte entnehmen Sie den auf ihre Forderung entfallenden Betrag der beigefügten Tabelle ...". In der Anlage zum Schreiben vom 22.08.2008 werden insgesamt 6 Forderungen von 5 Gläubigern aufgeführt (Gesamtforderung: 31.438,23 EUR). Die Deutsche Rentenversicherung - Bund - bewilligte der Klägerin mit Rentenbescheid vom 10.11.2008 (Bl. 30 des PKH-Beiheftes) Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Rente ist befristet und endet mit dem 31.07.2010. Für die Zeit ab dem 01.01.2009 werden laufend monatlich 616,25 EUR gezahlt. Im Rahmen des PKH-Nachprüfungsverfahrens hat das Arbeitsgericht die Klägerin u.a. wie aus Bl. 67 f. des PKH-Beiheftes ersichtlich angeschrieben (= Schreiben vom 26.01.2009). Mit dem Beschluss vom 20.04.2009 - 5 Ca 991/07 - änderte das Arbeitsgericht die im Beschluss vom 01.07.2007 - 5 Ca 991/07 - getroffene Zahlungsbestimmung ("die Anordnung von Ratenzahlung entfällt") dahingehend ab, dass die Klägerin am 15.05.2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von 1.149,33 EUR zu zahlen hat. Zur Begründung stellte das Arbeitsgericht insbesondere darauf ab, dass die Klägerin nicht ausreichend dargelegt und nachgewiesen habe, dass der Verkaufserlös für die Eigentumswohnung vollständig verbraucht worden sei. Es habe nur die Begleichung von Schulden berücksichtigt werden können, die vor Beantragung der Prozesskostenhilfe oder aus lebensnotwendigem Anlass eingegangen worden seien. Die Klägerin sei so zu behandeln, als hätte sie das Vermögen noch. Gegen den ihr am 22.04.2009 zugestellten Beschluss vom 20.04.2009 - 5 Ca 991/07 - hat die Klägerin am 13.05.2009 mit dem Schriftsatz vom 12.05.2009 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 12.05.2009 (Bl. 75 f. des PKH-Beiheftes) verwiesen. Die Klägerin widerspricht der Auffassung des Arbeitsgerichts, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin hätten sich gebessert. Sie, die Klägerin, bekomme "nur 600,00 EUR Rente", - habe "annähernd 50.000,00 EUR Schulden", - "anderes Vermögen" besitze sie nicht. Nach näherer Maßgabe des Beschlusses vom 18.05.2009 - 5 Ca 991/07 - (Bl. 77 f. des PKH-Beiheftes) hat das Arbeitsgericht der Beschwerde der Klägerin nicht abgeholfen und die Beschwerde dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt verwiesen. II. 1. Die Beschwerde ist als sofortige Beschwerde an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Die hiernach zulässige Beschwerde erweist sich als begründet. 2. Allerdings kann das Arbeitsgericht die Entscheidung über (nicht) zu leistende Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Vorliegend sind jedoch die sich aus § 120 Abs. 4 S. 1 Halbsatz 1 ZPO ergebenden Voraussetzungen für eine nachträgliche Zahlungsfestsetzung nicht erfüllt. Dies ergibt die notwendige Gesamtbetrachtung der derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin im Vergleich zu den Verhältnissen, wie sie sich seinerzeit bei der Beantragung der Prozesskostenhilfe bzw. bei deren Bewilligung darstellten.

Unter Zugrundelegung dieser Gesamtbetrachtung ist festzustellen, dass sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden Verhältnisse nicht bzw. jedenfalls nicht wesentlich gebessert haben. Es ist anerkanntes Recht, dass an die - in § 120 Abs. 4 S. 1 Halbsatz 1 ZPO geforderte - "wesentliche" Änderung (Verbesserung) der Verhältnisse strenge Maßstäbe anzulegen sind, - der Lebensstandard der Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, muss sich im Sinne einer wesentlichen Besserung verändert haben. Wesentlich ist nur eine solche Verbesserung, die den wirtschaftlichen und sozialen Lebensstandard prägt und fühlbar verändert (vgl. Thomas/Putzo 27. Auflage ZPO § 120 Rz 9; Musielak/Fischer 6. Auflage ZPO § 120 Rz 17). Der Umstand, dass der Klägerin aufgrund des Verkaufs der Eigentumswohnung der Veräußerungserlös bzw. ein Teil davon zugeflossen ist, führt unter Berücksichtigung der besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht zu der Annahme der wirtschaftliche und soziale Lebensstandard der Klägerin habe sich fühlbar verändert. Die Aufgabe einer Eigentumswohnung führt - ohne gleichzeitigen Erwerb einer adäquaten neuen Wohnung oder Wohnmöglichkeit - zunächst dazu, dass sich der soziale Lebensstandard verschlechtert. Davon ist auch vorliegend auszugehen. Nach den glaubhaften Bekundungen der Klägerin, die auch vom Arbeitsgericht nicht angezweifelt worden sind, fristet die Klägerin ihr Dasein seit Sommer/Herbst 2008 in einem Wohnwagen auf einem C-Straße. Gegen die vom Arbeitsgericht angenommene Verbesserung des Lebensstandards der Klägerin spricht weiter der Umstand, dass die Klägerin derzeit weder Arbeitseinkommen, noch Krankengeld bezieht, sondern - wegen voller Erwerbsminderung (!) - eine Rente in Höhe von 616,25 EUR monatlich. Berücksichtigt man - wie geboten - die besonderen persönlichen Umstände, wie sie (auch) im Schreiben der Schuldnerberatung des Diakonischen Werkes vom 22.08.2008 dargelegt werden, führt dies zu der Feststellung, dass vorliegend eine besondere Notlage der Klägerin im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 der Barbeträge-Verordnung gegeben ist (= Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII). Dies führt unter Berücksichtigung der in § 2 Abs. 1 S. 2 der Barbeträge-Verordnung genannten Kriterien zu einer angemessenen Erhöhung des in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Barbeträge-Verordnung genannten Betrages von 2.600,00 EUR. Angemessen ist hier ein Betrag in Höhe von ca. 12.750,00 EUR. Nach den Berechnungen des Arbeitsgerichts im Schreiben vom 26.01.2009, auf das im Beschluss vom 20.04.2009 - 5 Ca 991/07 - Bezug genommen wird, soll die Klägerin so zu stellen sein, als hätte sie noch (12.739,93 EUR - 2.600,00 EUR =) 10.139,93 EUR. Bei der diesbezüglichen Argumentation übersieht das Arbeitsgericht, dass es sich bei dem Betrag von 12.739,93 EUR lediglich um ein Surrogat handelt, das an die Stelle der früher von der Klägerin genutzten Eigentumswohnung getreten ist. Von der Verwertung der Eigentumswohnung durfte die Bewilligung der Prozesskostenhilfe seinerzeit aber nicht abhängig gemacht werden (vgl. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII; § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO). Wegen des Surrogat-Charakters des Veräußerungserlöses gilt für den hier noch in Rede stehenden Betrag von 12.739,93 EUR letztlich nichts anderes. Der Klägerin ist also nicht lediglich ein Schonbetrag in Höhe von 2.600,00 EUR ("Vermögensfreibetrag") gut zu bringen, sondern der gesamte Betrag von 12.739,93 EUR, - der sich dann ergibt, wenn man von dem Betrag von 33.233,73 EUR die Beträge abzieht, die auf Seite 1 - unten - des gerichtlichen Schreibens vom 26.01.2009 genannt werden. Ist hiernach die in § 120 Abs. 4 S. 1 Halbsatz 1 ZPO geforderte wesentliche Besserung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nicht festzustellen, kann die im Beschluss vom 20.04.2009 - 5 Ca 991/07 - getroffene Zahlungsbestimmung keinen rechtlichen Bestand haben. Der Beschluss ist vielmehr - wie geschehen - aufzuheben. 3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da die Beschwerde Erfolg hatte. Ein Grund, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht.

Dieser Beschluss ist deswegen mit der Rechtsbeschwerde nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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