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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 05.06.2008
Aktenzeichen: 3 Ta 77/08
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 5
KSchG § 5 Abs. 1 S. 1
KSchG § 5 Abs. 2 S. 2
KSchG § 5 Abs. 4 S. 2 a.F.
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 286
ZPO § 294
ZPO § 294 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 20.02.2008 - 4 Ca 688/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. 3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 1600,00 festgesetzt. Gründe:

I. Der Kläger ist seit dem 15.05.2007 bei der Beklagten als Verkäufer beschäftigt gewesen. Am 23.08. wurde dem Kläger das Kündigungsschreiben vom 23.08.2007 (Bl. 18 d.A.) übergeben. In dem Kündigungsschreiben heißt es u.a.:

"Fristlose Kündigung hilfsweise ordentliche Kündigung

... hiermit kündigen wir das Arbeitsverhältnis fristlos hilfsweise außerordentlich zum nächstmöglichen Termin...". Das dem Kläger seinerzeit überlassene Firmenfahrzeug hat der Kläger der Beklagten am 23.08.2007 zurückgegeben. Mit der Klageschrift vom 16.10.2007 beantragt der Kläger, die Kündigungsschutzklage (gegen die Kündigung vom 23.08.2007) nachträglich zuzulassen.

Die Klageschrift vom 16.10.2007 ist am 17.10.2007 (per Telefax) bei dem Arbeitsgericht eingegangen. Seinen Antrag, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, stützt der Kläger auf die eidesstattliche Versicherung vom 16.10.2007 (Bl. 5 d.A.) sowie u.a. auf folgendes Vorbringen: Bei Übergabe der Kündigung sei ihm mitgeteilt worden, dass es sich bei der Kündigung nicht um eine fristlose Kündigung handeln sollte. Dies sei lediglich formal so geschrieben worden. Er solle sich tatsächlich ab 01.10.2007 arbeitsuchend melden. Den Lohn für August und September (2007) werde er noch erhalten. Er, der Kläger, habe dann im Anschluss an die Kündigung in dem Zeitraum vom 01.09. bis zum 20.09.2007 Urlaub erhalten. Nach Rückkehr aus dem Urlaub habe der Kläger mit "dem Beklagten" in dem Zeitraum vom 20.09.2007 bis zum 10.10.2007 an jedem Werktag telefonischen Kontakt gehabt, - in dem ihm nochmals versichert worden sei, dass die Angelegenheit abgerechnet werde und die Unterlagen persönlich zu dem Kläger nach C. gebracht würden. Erst am 10.10.2007 sei dem Kläger mitgeteilt worden, dass der Septemberlohn nicht mehr gezahlt werde. Der Kläger macht geltend, dass die Frist für die Kündigungsschutzklage ausschließlich wegen der Zusage "des Beklagten", dass es sich nicht um eine fristlose Kündigung handele, sondern um eine ordentliche Kündigung, nicht eingehalten worden sei. Die Fristversäumung sei unverschuldet. Er, der Kläger, hätte Kündigungsschutzklage erhoben, wenn nicht konkret mitgeteilt worden wäre, dass er dies nicht brauche. Die Beklagte hat dem Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nach näherer Maßgabe ihrer Ausführungen in der Klageerwiderung vom 06.12.2007 (dort insbesondere S. 4 unter Ziffer V. = Bl. 27 d.A.) widersprochen. Die Beklagte legt dort u.a. dar, dass zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Kläger mitgeteilt worden sei, dass es sich bei der Kündigung nicht um eine fristlose Kündigung handeln sollte. Es hätten keinerlei Gründe vorgelegen, dem Kläger irgendetwas vorzumachen. Dem Kläger sei (auch) nicht mitgeteilt worden, dass er sich erst ab dem 01.10.2007 arbeitsuchend melden sollte. Vielmehr sei dem Kläger direkt mitgeteilt worden, dass er sich sofort beim Arbeitsamt melden sollte. Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den tatbestandlichen Teil des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 20.02.2008 - 4 Ca 688/07 - (dort S. 2 = Bl. 45 d.A.) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage in dem vorbezeichneten Beschluss zurückgewiesen. Gegen den, dem Kläger am 17.03.2008 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts vom 20.02.2008 - 4 Ca 688/07 - hat der Kläger am 31.03.2008 mit dem Schriftsatz vom 31.03.2008 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 31.03.2008 (Bl. 54 f. d.A.) verwiesen. Dort wirft der Kläger dem Arbeitsgericht vor zu verkennen, dass bereits aufgrund des unmittelbar nach Erhalt der Kündigung angetretenen längeren Urlaubes des Klägers von vier Wochen dieser nicht in der Lage gewesen sei, die "Kündigungsfrist" (- gemeint erkennbar: die Klagefrist) einzuhalten. Dem Geschäftsführer der Beklagten sei bekannt gewesen, dass der Kläger unmittelbar nach der Kündigung für einen längeren Zeitraum nach Spanien fahren würde. Dies habe der Geschäftsführer insoweit ausgenutzt, als zunächst die Kündigung unmittelbar vor Urlaubsantritt ausgehändigt worden sei und darüber hinaus noch erklärt worden sei, dass die Kündigung seitens der Beklagten nicht als fristlose Kündigung gewertet werde, sondern der Kläger noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterbeschäftigt werde. Erst nach Rückkehr aus dem Urlaub sei dem Kläger dann erklärt worden, dass die Beklagte an der fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses festhalte. Er, der Kläger, sei demnach trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt daran gehindert gewesen, die Kündigungsschutzklage innerhalb der Klagefrist von drei Wochen zu erheben. Die Beklagte beantragt,

der Beschwerde nicht abzuhelfen. Wegen der Beschwerdebeantwortung im einzelnen wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 29.05.2008 (Bl. 66 f. d.A.) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht vorgelegt. Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt verwiesen. II. 1. Die verfahrensrechtliche Behandlung des Rechtsmittelbegehrens bestimmt sich noch nach dem Recht, das bis zum 31.03.2008 gegolten hat. Dies ergibt sich daraus, dass der verfahrensgegenständliche Beschluss des Arbeitsgerichts vom 20.02.2008 - 4 Ca 688/07 - noch vor dem 01.04.2008 - nämlich am 17.03.2008, zugestellt wurde (Empfangsbekenntnis Bl. 49 d.A.). Außerdem ist (auch) das Rechtsmittel selbst noch am 31.03.2008, - also ebenfalls vor dem 01.04.2008, eingelegt worden. Anhaltspunkte dafür, es entspreche dem Willen des Gesetzgebers, dass auch auf einen derartigen Fall (= sogenannter "Altfall") die erst mit Wirkung ab dem 01.04.2008 in Kraft getretenen neuen Vorschriften anwendbar sein sollen, sind nicht ersichtlich. Demgemäß ist die Beschwerde als sofortige Beschwerde gemäß § 5 Abs. 4 S. 2 KSchG a.F. und § 567 Abs. 1 ZPO an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Die hiernach zulässige Beschwerde erweist sich als unbegründet. 2. Der Kläger hat Umstände, die die nachträgliche Zulassung der verspätet erhobenen Kündigungsschutzklage rechtfertigen könnten, nicht hinreichend dargetan und glaubhaft gemacht. a) Nur wenn ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage fristgerecht innerhalb von drei Wochen zu erheben, ist die Klage nachträglich zuzulassen. In diesem Zusammenhang ist es nach näherer Maßgabe von Rechtsprechung und Literatur anerkanntes Recht, dass einem Arbeitnehmer bei der Verfolgung einer für ihn so wichtigen Angelegenheit (- "Wird das Arbeitsverhältnis durch eine Arbeitgeberkündigung beendet oder nicht?" -) eine gesteigerte Sorgfalt abverlangt werden kann. Grundsätzlich muss von dem Arbeitnehmer erwartet werden, dass er alle Vorkehrungen trifft, die in seiner Lage nach Empfang der Kündigung getroffen werden können. Freilich ist - je nach den Umständen des Einzelfalles - eine nachträgliche Zulassung auch bei geringem Verschulden möglich (vgl. zu all dem: KR-Etzel/Friedrich 8. Auflage KSchG § 5 Rz 10 ff.; Hergenröder in Münchener Kommentar zum BGB 4. Auflage bei §§ 611 bis 704 BGB/KSchG § 5 Rz 4 f.). b) Vorliegend ist dem Kläger vorzuwerfen, die Klagefrist mit jedenfalls mittlerem Verschulden versäumt zu haben. aa) Davon dass ihm jedenfalls ordentlich gekündigt werden sollte, ist (auch) der Kläger nach seiner eigenen Einlassung ausgegangen. Insoweit sind aber keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, der Kläger sei ohne Verschulden im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG verhindert gewesen, gegen die ordentliche Kündigung Kündigungsschutzklage innerhalb der Klagefrist zu erheben. Entsprechendes gilt im Ergebnis aber auch in Bezug auf die Klagefrist, die der Kläger hinsichtlich der außerordentlich-fristlosen Kündigung zu wahren hatte. Insoweit lässt der Wortlaut des Kündigungsschreibens vom 23.08.2007 keinen Zweifel daran, dass dem Kläger mit Übergabe der Kündigung außerordentlich-fristlos gekündigt werden sollte. Das Wort "fristlos(e)" wird im Kündigungsschreiben sogar zweimal verwandt. Dass das Arbeitsverhältnis fristlos enden sollte, wird am Ende des Kündigungsschreibens dadurch unterstrichen, dass der Kläger dort aufgefordert wird, den Firmenwagen und weitere ihm zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel unverzüglich herauszugeben. In diesem Zusammenhang ist es gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig, dass der Kläger das Firmenfahrzeug bereits am 23.08.2007 der Beklagten zurückgegeben hat. In diesem Sinne ist das Vorbringen der Beklagten auf Seite 4 - oben - der Klageerwiderung vom 06.12.2007 (dort unter Ziffer V. = Bl. 27 d.A.) zu verstehen. Der Kläger hat das Vorbringen der Beklagten, dem Kläger sei umgehend "das Fahrzeug entzogen" worden, im Anschluss an den Schriftsatz der Beklagten vom 06.12.2007 nicht bestritten. Mit der - folglich unstreitigen - Rückgabe des Firmenfahrzeuges fehlte dem Kläger ein wesentliches - für die Fortsetzung der Arbeitstätigkeit - notwendiges Arbeitsmittel. Demgemäß lässt das Parteivorbringen (auch) nicht erkennen, dass der Kläger nach Übergabe der Kündigung vom 23.08.2007 seine Arbeit noch für die Beklagte fortgesetzt hätte. Dass der Kläger jedenfalls ab dem 01.09.2007 nicht mehr gearbeitet hat, ergibt sich aus seinem eigenen Vorbringen. Zwar bringt er vor "in dem Zeitraum vom 01.09. bis 20.09.2007 Urlaub erhalten" zu haben (- was belegt, dass er damals gerade nicht gearbeitet hat). Wann genau und wie im einzelnen ihm die Beklagte für diesen Zeitraum Urlaub bewilligt haben könnte, lässt sein Vorbringen jedoch nicht erkennen. Nicht erkennbar ist des weiteren, welche konkreten Arbeiten der Kläger im Zeitraum vom 23.08.2007 bis zum 01.09.2007 noch ausgeführt haben könnte. Soweit der Kläger seine Rechtsverfolgung auf ein Gespräch bzw. auf Mitteilungen "bei Übergabe der Kündigung" stützt, ist sein Vorbringen unsubstantiiert. Der genaue Gesprächsverlauf - in Rede und Gegenrede - lässt sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen. Mit Rücksicht darauf, dass es sich bei der beklagten Arbeitgeberin um eine juristische Person (GmbH) handelt, ist bereits nicht eindeutig, wer denn überhaupt Gesprächspartner des Klägers gewesen ist. bb) Unabhängig davon besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit i.S.d. § 294 ZPO dafür, dass die insoweit vom Kläger aufgestellten Behauptungen zutreffen. Allerdings hat der Kläger seine eigene eidesstattliche Versicherung vom 16.10.2007 vorgelegt (Bl. 10 d.A.), in der er (sinngemäß) an Eidesstatt versichert, dass die Angaben seines Prozessbevollmächtigten in der Klage- und Antragsschrift vom 16.10.2007 der Wahrheit entsprechen. Wer - wie der Kläger hier im Rahmen des § 5 Abs. 2 S. 2 KSchG - eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann gemäß § 294 Abs. 1 ZPO auch zur Versicherung an Eidesstatt zugelassen werden. Eine derartige eidesstattliche Versicherung hat das Gericht (jedoch) frei zu würdigen, - und zwar im Hinblick darauf, dass Glaubhaftmachung im Vergleich zu § 286 ZPO ein geringerer Grad der Beweisführung ist. In diesem Zusammenhang ist es anerkanntes Recht, dass die eidesstattliche Versicherung einer Partei selbst, die sich auf die Bezugnahme auf einen anwaltlichen Schriftsatz beschränkt, nur einen relativ geringen Glaubhaftmachungswert hat (vgl. Musielak/Huber 5. Auflage ZPO § 294 Rz 4; Baumbach/Hartmann 64. Auflage ZPO § 294 Rz 7 f.; Zöller/Greger 25. Auflage ZPO § 294 Rz 4). Vorliegend erschöpft sich die eidesstattliche Versicherung des Klägers darin, an Eidesstatt zu versichern, dass die Angaben seines Prozessbevollmächtigten in der Klageschrift der Wahrheit entsprechen. Eine eigene konkrete Sachdarstellung enthält die eidesstattliche Versicherung nicht. Unter den gegebenen Umständen reicht die eidesstattliche Versicherung nicht aus, um dem Gericht den im Rahmen der §§ 294 ZPO und 5 KSchG notwendigen (geringeren bzw. gewissen) Grad von Wahrscheinlichkeit zu vermitteln. 3. Damit erweist sich der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage als unbegründet. Die Kosten seiner erfolglosen Beschwerde fallen gemäß § 97 Abs. 1 ZPO dem Kläger zu Last. Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt, - wobei der Höchstbetrag (- nicht: Regelbetrag) des hier entsprechend anzuwendenden § 42 Abs. 4 S. 1 Halbsatz 1 GKG im Hinblick auf die nur kurze Dauer des Arbeitsverhältnisses ganz deutlich unterschritten werden musste. Angemessen ist hier ein Betrag, der einem monatlichen Grundgehalt des Klägers entspricht (= 1.600,-- EUR; vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz vom 03.11.2005 - 7 Ta 190/05 -). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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