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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 01.06.2006
Aktenzeichen: 4 Sa 260/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Sa 260/06

Entscheidung vom 01.06.2006

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 21.02.2006 - 2 Ca 250/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Frage, mit welcher Frist das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche Arbeitgeberkündigung beendet wurde sowie über Weiterbeschäftigung.

Der Kläger ist am 17.08.1971 geboren. Er war bei dem Beklagten aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages ab 01.03.2005 als Schornsteinfeger zu einem monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt 2.501,-- Euro beschäftigt. Der Beklagte ist Bezirksschornsteinfegermeister des Kehrbezirks T.-S. XIII und wurde als solcher durch die zuständige Verwaltungsbehörde bestellt. Mit Schreiben vom 30.01.2006, an diesem Tage zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der 3-Wochenfrist des anwendbaren Bundesmanteltarifvertrages für das Schornsteinfegerhandwerk ordentlich zum 22.02.2006.

Der Kläger hat hiergegen Kündigungsschutzklage erhoben und vorgetragen, Beschäftigungszeiten bei dem Vorgänger des Beklagten, des Herrn A. A., seien anzurechnen. Dort habe er vom 01.08.1987 bis 31.07.1990 seine Ausbildung absolviert und sei anschließend bis zum 28.02.2005 als Schornsteinfeger beschäftigt gewesen. Nach dem Tod von A. A. und der kurzfristigen Fortführung durch dessen Frau habe der Beklagte den Betrieb übernommen.

Die Betriebsnachfolge ergebe sich daraus, dass der Beklagte offizieller Nachfolger sei und sämtliche Kunden weiter betreue.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 30.01.2006 nicht zum 22.02.2006 aufgelöst wird.

2. Den Beklagten zu verurteilen, ihn über den 22.02.2006 hinaus zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen,

ein Betriebsübergang liege mangels Vorliegen eines Rechtsgeschäftes nicht vor. Ein Bezirksschornsteinfegermeister werde durch öffentlich rechtlichen Verwaltungsakt bestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 21.02.2006 verwiesen.

Das Gericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Zeit einer etwaigen Beschäftigung des Klägers im Betrieb A. A. sei nicht auf die Betriebszugehörigkeit anzurechnen. Es läge kein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB vor, weil eine rechtsgeschäftliche Übertragung fehle. Hierzu führt das Arbeitsgericht im Einzelnen aus, nimmt Bezug auf die vom Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 30.11.1961 (5 AZR 497/60 in AP nr. 1 zu § 611 BGB "Schornsteinfeger") angestellten Erwägungen sowie die neueren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zu Betriebsnachfolgen bei einem so genannten Nur-Notar.

Gegen das am 28.04.2006 zugestellte Urteil hatte der Kläger bereits am 27.03.2006 Berufung eingelegt und gleichzeitig begründet, dies unter Bezug auf mündliche Urteilsbegründung der Kammer. Er wiederholt seine erstinstanzliche Rechtsauffassung, dass eine Betriebsnachfolge vorläge, vertritt die Auffassung, die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1961 sei nicht auf den vorliegenden Fall anzuwenden, da zum Entscheidungszeitpunkt weder die Vorschrift des § 613 a BGB noch eine entsprechende EWG-Richtlinie existiert habe. Der Begriff des Rechtsgeschäfts sei umfassend und diene lediglich als Abgrenzungskriterien zur Betriebsübernahme durch Gesamtrechtsnachfolge, welche von dieser Vorschrift nicht erfasst sein soll.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 21.02.2006, Aktenzeichen 2 Ca 250/06, wird abgeändert und es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 30.01.2006 nicht zum 22.02.2006 aufgelöst wird.

2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 22.02.2006 hinaus zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung wird zurückgewiesen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil auch unter Hinweis auf den Tarifvertrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 01.06.2006.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO).

Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil sind allesamt zutreffend, die Berufungskammer stimmt den Entscheidungsgründen uneingeschränkt zu und sieht von weiteren umfangreichen Darstellungen ab.

Lediglich wegen der Angriffe im Berufungsverfahren sei der Kläger kurz auf folgendes hinzuweisen.

An der Beurteilung der Rechtslage hat sich seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.11.1961 nichts geändert. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass zu diesem Zeitpunkt die von ihm zitierten Vorschriften noch nicht in Kraft waren, die Anwendung der Bestimmung des § 613 a BGB und der EWG-Richtlinien 77/187 führt jedoch zu keinem anderen Ergebnis. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung.

So ist im vorliegenden Fall schon nicht ersichtlich, worin ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang bestehen soll. Ein Betriebsübergang setzt die Wahrung der Identität der betroffenen Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Aus-übung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Eine organisatorische Einheit "Bezirksschornsteinfeger" ist mit dem Tod des Herrn A. A. erloschen. Wesentliches Substrat des Kehrbezirks ist die höchstpersönliche Befugnis zur Ausübung der Funktion eines Bezirksschornsteinfegermeisters. Mit dem Erlöschen ist die bisherige Befugnis aufgelöst. Aus der Übernahme etwa eines Mitarbeiters kann daher das Vorliegen eines Betriebsüberganges nicht hergeleitet werden.

Eine Betriebsnachfolge im Sinne des § 613 a BGB scheitert aber auch schon daran, dass eine rechtsgeschäftliche Übertragung nicht vorliegt. Der Rechtsbegriff des Rechtsgeschäfts ist weit zu verstehen und erfasst auch Fälle, in denen die für den Betrieb verantwortlichen natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtung gegenüber den Beschäftigten eingeht, im Rahmen vertraglicher oder sonst rechtsgeschäftlicher Beziehungen wechselt, ohne dass dabei unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber bestehen müssen (vgl. BAG, Urt. v. 26.08.1999, 8 AZR 827/98 in AP Nr. 197 zu § 613 a BGB Rd-Nr. 27). Das Bundesarbeitsgericht führt in dieser Entscheidung ausdrücklich aus, der Zweck der Beschränkung des § 613 a BGB auf rechtsgeschäftliche Betriebsübergänge geht dahin, die Fälle der Universalsukzession kraft Gesetzes oder sonstigen Hoheitsaktes von der Anwendung der Vorschrift auszuschließen. Durch sonstigen Hoheitsakt wurde der Beklagte in die Funktion des Bezirksschornsteinfegermeisters eingesetzt.

Die Entscheidung korrespondiert auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Im Urteil vom 07.03.1996 (Rechtssache C 171/94, Merckx u.A.) hat der EuGH ausdrücklich ausgeführt, dass der Begriff der vertraglichen Übertragung im Recht der Mitgliedsstaaten unterschiedliche Bedeutung hat und dahin auszulegen ist, dass er dem Zweck der Richtlinie, nämlich dem Schutz der Arbeitnehmer bei einer Übertragung ihres Unternehmens, gerecht wird. Die Richtlinie ist in allen Fällen anwendbar, in denen die für den Betrieb des Unternehmens verantwortlichen natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten des Unternehmens eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt (EuGH, a.a.O., Rd Nr. 28, m.w.N.).

Ein Wechsel der Arbeitgeberverpflichtungen von verantwortlichen natürlichen oder juristischen Personen untereinander im Rahmen vertraglicher Beziehungen liegt gerade nicht vor. Damit fehlt es auch unter dem Geltungsbereich der Arbeitnehmerschutzbestimmung des § 613 a BGB an einer rechtsgeschäftlichen Übertragung in Fällen vorliegender Art.

Die Berufung des Klägers musste nach allem mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO erfolglos bleiben.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

Ende der Entscheidung

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