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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 24.08.2006
Aktenzeichen: 4 Sa 283/06
Rechtsgebiete: HGB, ArbGG, BGB


Vorschriften:

HGB § 74 c
ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 242
BGB § 615
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Sa 283/06

Entscheidung vom 24.08.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 15.02.2006 - 1 Ca 1783/05 - wird einschließlich der Widerklage auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagte Lohnansprüche aus beendetem Arbeitsverhältnis geltend.

Die Parteien schlossen in einem vorangegangenen Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Trier 1 Ca 215/05 am 25.02.2005 einen Vergleich. Dabei erkannten sie wechselseitig an, dass das Arbeitsverhältnis durch fristgerechte ordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 30.10.2004, zugegangen am 31.01.2005 am 30.06.2005 endete. Weiter findet sich wörtlich:

...2. Bis zum 30.06.2005 wird der Kläger unwiderruflich und unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung von monatlich ca. 2.300,-- € brutto und unter Anrechnung auf die Urlaubsansprüche von der Arbeit freigestellt.

3. Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06.2005 ordnungsgemäß abzurechnen.

4. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis mit der Gesamtbeurteilung "stets zur vollen Zufriedenheit".

5. Mit der Erfüllung des Vergleichs sind alle gegenseitigen finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt.

Die Zahlungen Januar und Februar 2005 klagte der Kläger im Verfahren des Arbeitsgerichts Trier 1 Ca 706/05 ein.

Mit am 15.11.2005 eingegangener Klageschrift macht der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch in Höhe von 9.200,-- € brutto geltend für die Monate März, April, Mai und Juni 2005.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.200,-- € brutto für die Monate März, April, Mai und Juni 2005 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 11.10.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die Ansprüche seien nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Rahmentarifvertrag für das Baugewerbe teilweise verfallen. Der Kläger habe die Ansprüche zwar rechtzeitig schriftlich geltend gemacht, da die Beklagte hierauf jedoch nicht reagiert habe sei nach einer weiteren Frist von zwei Wochen und weiteren zwei Monaten die gerichtliche Geltendmachung erforderlich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes I. Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 15.02.2006 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage voll entsprochen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die Lohnansprüche für die Monate März, April und Mai 2005 seien nicht verfallen. Die Beklagte habe die Lohnansprüche vorbehaltlos anerkannt. Sie habe mit dem Kläger vereinbart, dass dieser unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung freigestellt werde und sich gleichzeitig verpflichtet, das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06.2005 abzurechnen. Damit habe sie anerkannt, dass sie dem Kläger einen monatlichen Lohn in Höhe von ca. 2.300,-- € brutto schulde. Erkenne der Arbeitgeber den Anspruch vorbehaltlos an, bedarf es keiner Abrechnung. Wolle man in diesem Fall nochmals verlangen, die Forderung müsse in den tarifvertraglichen Vorschriften nochmals geltend gemacht werden, würde dies eine überflüssige Förmlichkeit darstellen. Die Beklagte kannte die Forderungen des Klägers. Ihr sei bewusst, dass sie den Lohn bis 30.06.2005 abrechnen müsse. Sie habe sich hierzu vertraglich verpflichtet. Vor diesem Hintergrund wären Einwendungen allenfalls bezüglich der ungefähren Höhe monatlich möglich gewesen, diese seien jedoch nicht geltend gemacht worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.

Das Urteil wurde der Beklagten am 06.03.2006 zugestellt. Sie hat hiergegen am 03.04.2006 Berufung eingelegt. Nachdem die Frist zur Begründung bis 22.05.2006 verlängert worden war, hat sie mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz ihre Berufung begründet. Sie hat Widerklage erhoben über Auskunft über die Gesamtvergütung in der Zeit vom 01.03.2005 bis 30.06.2005 im Rahmen der Beschäftigung des Klägers als Mitarbeiter der K.

Sie greift die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts an, es habe sich vorliegend nicht um eine Lohnabrechnung gehandelt. Der Vergleich führe keinesfalls zu einer Stellung des Arbeitnehmers als Gläubiger der Lohnforderung wie bei einer erteilten Lohnabrechnung. Der Kläger habe zwar die Ansprüche rechtzeitig schriftlich geltend gemacht, da die Beklagte hierauf jedoch nicht reagiert habe, sei er gehalten gewesen, nach einer weiteren Frist von zwei Wochen und weiteren zwei Monaten die gerichtliche Geltendmachung in die Wege zu leiten.

Die Widerklage ergebe sich in entsprechender Anwendung des § 74 c HGB. Der Kläger sei seit 01.03.2005 bei dem Stuckgeschäft K aus T beschäftigt gewesen. Er müsse sich auf seine Forderung das anrechnen lassen, was er dort verdient habe. Im Hinblick auf die Klageforderung der Widerklage stehe ein Zurückbehaltungsrecht zu.

Der Kläger handele treuwidrig, wenn er aus zwei Arbeitsverhältnissen Vergütung verlange.

Die Beklagte beantragt,

1. die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

2. Der Kläger und Berufungsbeklagte trägt die gesamten Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Kläger und Berufungsbeklagte wird verurteilt, der Beklagten Auskunft über die Höhe der Gesamtvergütung zu erteilen, die er in der Zeit vom 01.03.2005 bis zum 30.06.2005 im Rahmen seiner Beschäftigung als Mitarbeiter der Firma K, K-Straße, K-Stadt erhalten hat.

4. Der Kläger und Berufungsbeklagte trägt auch die Kosten der Widerklage.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen und auch die Widerklage abzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Zu einer Erklärung über anderweitige Bezüge sei er nicht verpflichtet, da diese ersichtlich nicht angerechnet werden könnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 27.08.2006.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat das Rechtsmittel ebenso wenig wie die Widerklage jedoch Erfolg.

II.

Das Urteil des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Zahlungsklage ist im Ergebnis und in der Begründung zutreffend. Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen könnten. Die Berufungskammer nimmt daher gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug auf den begründenden Teil des angefochtenen Urteils.

Lediglich wegen der Angriffe im Berufungsverfahren sei kurz auf Folgendes hinzuweisen:

Die Berufungskammer teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass eine nochmalige formgerechte Geltendmachung der unstreitig durch Vergleich anerkannten Forderung des Klägers, monatlich ca. 2.300,-- € im genau bezeichneten Zeitraum eine bloße Förmelei darstellte und damit nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes es nochmals einer gesonderten schriftlichen Geltendmachung und einer weiteren klageweisen Durchsetzung nicht bedurfte, um den Verfall der Ansprüche anzuerkennen. Die Interessenlagen sind vom Arbeitsgericht deutlich herausgearbeitet, die Auffassung der Beklagten, die Fallkonstellation seien nicht vergleichbar, wird von der Berufungskammer nicht geteilt.

Die Ausschlussfristen könnten ohnehin nicht für die Lohnansprüche des Monat Juli 2006 greifen. Hier ist die Berufung der Beklagten auf die verstrichene Ausschlussfrist ohnehin nicht begründet.

Die Berufung der Beklagten, die sich auch gegen die Verurteilung für den Betrag von 2.300,-- € für den Monat Juli 2005 richtete, ist aber zulässig begründet, weil die Beklagte gegen diesen Anspruch einen wenngleich rechtlich nicht durchschlagenden, allerdings immerhin erheblichen Einwand geltend gemacht hat, sie sei aus Gründen des Zurückbehaltungsrechts nicht verpflichtet, die Summe zu zahlen.

Eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes auf die Klageforderung führt jedoch nicht zum Erlöschen der Klageforderung. Der Kläger war in dem vereinbarten Vergleich unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Die Lohnfortzahlungspflicht des Beklagten begründet sich daher nicht aus § 615 BGB (Annahmeverzug), weil eine Arbeitsverpflichtung des Klägers nicht bestand und sich die Beklagte unabhängig von anderweitiger Arbeit und Verdiensten des Klägers verpflichtet hat, an den Kläger die im Vergleich festgelegte Vergütung zu zahlen. Ohne eine Vereinbarung der Anrechnungsmöglichkeit bewirkt somit die erfolgte Freistellung, dass die Regelungen des Annahmeverzugs keine Anwendung finden mit der Folge, dass sich der Kläger nicht dasjenige anrechnen lassen muss, was er durch anderweitige Arbeit verdient hat.

Kann die Beklagte somit nicht der Forderung den anderweitigen Verdienst entgegensetzen, hat sie auch kein rechtlich geschütztes Interesse daran, die Höhe dieser Forderung in Erfahrung zu bringen, weil diese für ihre Zahlungsverpflichtung irrelevant ist.

In der vergleichsweisen Vereinbarung ist keine Abrede dahin gehend erfolgt, dass der Kläger anderweitig keine Tätigkeit aufnehmen darf und die Aufnahme anderweitiger Tätigkeit zu einer Verminderung seines Anspruchs gegen die Beklagte führt, obwohl dies durchaus nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung lag und auch entsprechend zum Gegenstand von Vereinbarungen hätte gemacht werden können.

Unter diesem Gesichtspunkt scheidet es auch aus, dass sich die Beklagte erfolgreich auf § 242 BGB (Treu und Glauben) beruft. Er begründet gegenüber dem Kläger, der angesichts der vertraglichen Vereinbarung, die eine unwiderrufliche Freistellung im Arbeitsverhältnis beinhaltete, eine anderweitige Tätigkeit aufnahm, nicht den Vorwurf der unzulässigen Rechtsausübung, weil es ihm vertraglich nicht untersagt war, entsprechend zu verfahren.

Er hat damit nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, in dem er seine Rechte missbräuchlich ausübt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt §§ 97, 91 ZPO.

Die Zulassung der Revision war angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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