Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 22.09.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 466/05
Rechtsgebiete: TGTV, ZPO


Vorschriften:

TGTV § 5
ZPO § 288
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Sa 466/05

Entscheidung vom 22.09.2005

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 26.04.2005 - 3 Ca 2092/04 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 210,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2004 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zahlung von Spesen und Reisekosten, die dem Kläger anlässlich der Teilnahme der Sitzungen der Tarifkommission entstanden sind.

Der Kläger ist bei der Beklagten in T. als Croupier beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers finden die Tarifverträge Anwendung, die zwischen der Gewerkschaft ver.di. und der Beklagten abgeschlossen worden sind. Hierbei handelt es sich u. a. um den Tronc- -und Gehaltstarifvertrag für die Arbeitnehmer der Spielbank. Für die Teilnahme an zwei Sitzungen der Tarifkommission in M. am 20.07.2004 und am 10.08.2004 macht der Kläger insgesamt 210,60 € Reisekosten und Spesen geltend, die Höhe der Forderung ist zwischen den Parteien nicht streitig.

Spielbankbetreiber zahlen nach dem Spielbankgesetz von Rheinland-Pfalz eine Spielbankabgabe, diese errechnet sich aus dem Einsatz der Spieler abzüglich der ausgezahlten Gewinne. Die Grundidee bei den Spielbanken ist, dass der Betreiber seine Spielbankabgabe zahlt und alle Personalkosten aus dem so genannten Tronc (Trinkgeldtopf) bezahlt werden. Spieltechnische Mitarbeiter unterliegen einem vollständigen Zuwendungsverbot. Das spieltechnische Personal muss alle Zuwendungen, die ihm mit Rücksicht auf seine berufliche Tätigkeit zugemutet werden unverzüglich und unmittelbar den dafür aufgestellten Behältern zufügen. Der Tronc ist ausschließlich zu Gunsten der unmittelbar im Betrieb der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer zu verwenden. § 5 TGTV regelt die Troncverteilung. Das System funktionierte bis Anfang der 90er Jahre gut bei einer relativ geringen Anzahl von Spielbanken, mittlerweile hat sich die Zahl vervielfältigt und es gibt kaum noch Spielbanken, bei denen der Tronc ausreicht, die tariflich vorgesehenen Leistungen allesamt zu erfüllen. Welche Leistungen aus dem Tronc entnommen werden dürfen und letztendlich dazu führen, dass ein etwaiger überschießender Betrag an die Punktberechtigten ausgekehrt wird, ergibt sich aus § 5 des Tarifvertrages, der vom Arbeitsgericht hinsichtlich der Arbeitnehmer der Tätigkeitshauptgruppen B, C, D, F und G wiedergegeben wurde. Bei den Arbeitnehmern der Tätigkeitshauptgruppe A ist der Troncanteil I zunächst zu verwenden für die Garantiegehälter für die jeweiligen Punktanteile, weitere im Einzelnen bezeichnete Zulagen und in Ziffer NN für Spesen und Reisekosten für die Tätigkeiten der Tarifkommissionsmitglieder der Gewerkschaften. Bezüglich der Arbeitnehmer der Tätigkeitshauptgruppe A findet sich wörtlich: "Sollten die monatlichen Tronceinnahmen nicht zur Zahlung der Garantiegehälter ausreichen, so schießt die Gesellschaft den fehlenden Betrag zu".

Nachdem die Beklagte auch in den Zeiten, in denen der Tronc nicht ausreichte, die dort bezeichneten Personalkosten zu decken, Reisekosten von Tarifkommissionsmitgliedern bezahlt hat, verweigert sie nunmehr hinsichtlich der geltend gemachten Kosten mit der Begründung, eine tarifliche Verpflichtung bestehe nicht, die Zahlung.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte die Kosten der Sitzungen der Tarifkommission zu zahlen habe. Er stützt den Anspruch auf betriebliche Übung und Tarifvertrag.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 210,60 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat darauf hingewiesen, dass er Troncanteil kreditiert werde, sie schieße also in den Tronc ein um die Garantiergehälter abzudecken. Bei den Spesen und Reisekosten für die Tätigkeit der Tarifkommissionsmitglieder handele es sich jedoch nicht um Garantieleistungen im Sinne des Tarifvertrages. Im Übrigen gebe § 5 TGTV keinen Anspruch gegenüber der Beklagten, sondern nur einen auf Zahlung aus dem Tronc.

Eine betriebliche Übung sei nicht entstanden, da der Kläger nicht im Rahmen ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen tätig geworden sei. Es handele sich um rein private Tätigkeit der Klägerin.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 30.03.2005 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen im Wesentlichen mit der Begründung, der Wortlaut "Garantieleistung" beschränke die Zuschusspflicht auf die Garantiegehälter. Hierfür spreche auch Sinn und Zweck der Regelungen. Eine betriebliche Übung ergebe sich nicht, weil ein Verpflichtungswille des Arbeitgebers nicht erforderlich sei.

Gegen das dem Kläger am 23.05.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 09.06.2005 eingelegte Berufung, welche der Kläger am 13.07.2005 begründet hat.

Der Kläger rügt die Auslegung der tariflichen Bestimmungen durch das Arbeitsgericht. Garantieleistungen seien alle dort bezeichneten Leistungen. Dies sei auch Wille der Tarifpartner gewesen.

Bei der Auslegung des Tarifrechts sei auch seine Umsetzung anhand der geübten Praxis zu berücksichtigen. Über Jahre hinweg seien Spesen und Reisekosten für Tätigkeiten der Tarifkommissionsmitglieder der Gewerkschaften gezahlt worden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 26.04.2005, 3 Ca 2092/04, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 210,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über den Basiszinssatz seit dem 30.11.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Auch die Tatsache, dass die Beklagte unstreitig in der Vergangenheit Reisekosten und Spesen der Tarifkommissionsmitglieder erstattet habe, führe, da der Tronc unstreitig nicht kostendeckend sei, nicht zu einer Forderung des Klägers.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 22.09.2005.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 519 ZPO).

II.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung der streitgegenständlichen Fahrtkostenzuschüsse und Spesen aufgrund betrieblicher Übung.

Die von den Parteien in den Vordergrund gestellte Frage der Auslegung des Tarifvertrages hat für das Ergebnis des Rechtsstreits keine unmittelbare Bedeutung.

Hierbei ist der Zweck der tariflichen Bestimmung zu verstehen. § 5 TGTV gewährt einzelnen Mitarbeitern keinen originären Anspruch. Die Regelung des Tarifvertrages ist vielmehr eine andere. Wie dargestellt kann der Arbeitgeber angesichts der hohen Spielbankabgaben die Personalkosten durch den Tronc abdecken. § 5 TGTV regelt in diesem Zusammenhang nur, für welche Kosten, die der Arbeitgeber für Deckung der Personalausgaben aufwendet, er berechtigt ist, aus dem Tronc zu entnehmen, ehe etwaige Überschüsse an die spieltechnischen Angestellten über den Troncschlüssel zu verteilen sind. Der Tarifvertrag gibt keine eigene Anspruchsgrundlage, insbesondere müssen die Anspruchsgrundlagen aus anderen Bestimmungen hergeleitet werden. So ergeben sich die Garantiegehälter aus dem Gehaltstarifvertrag, die Zulagen, Zuschläge für Mehrarbeiten, Zuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit, Ausgleichszahlungen, Mankogelder, besondere Leistungen aus tariflichen Bestimmungen. Wenn der Arbeitgeber vertraglich verpflichtet ist, externe Aushilfen zu beschäftigen, ergibt sich die Verpflichtung zur Zahlung aus den Vereinbarungen mit den externen Aushilfen, Aufwandsentschädigungen an Arbeitnehmer ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag, Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung aus Gesetz ebenso Beiträge zur Berufsgenossenschaft und Leistungen im Rahmen der Lohnfortzahlung. In der tariflichen Tabelle sind auch Leistungen enthalten, die durch Vereinbarungen des Arbeitgebers mit dritter Seite entstehen, so z. B. Schulungsgebühren für Kursleiter die Anfänger- und Fortbildungskurse abhalten. Spesen und Reisekosten für die Tätigkeiten der Tarifkommissionsmitglieder der Gewerkschaften sind nicht durch die Tarifbestimmungen des § 5 begründet, sondern setzen andere Anspruchsgrundlagen voraus. Die Regelung hat wie dargestellt einzig den Zweck, zu bestimmen, welche Leistungen an Personalkosten der Arbeitgeber berechtigter Weise dem Tronc entnehmen darf.

Somit ist die Frage, ob die Beklagte berechtigt ist, wegen der tarifvertraglichen Bestimmungen Zahlungen an Spesen und Reisekosten dann nicht mehr zu leisten, wenn der Tronc nicht ausreicht, die Garantiegehälter abzudecken, nicht zur Beantwortung der Frage geeignet, ob die Klägerin von der Beklagten die Zahlung der Spesen und Reisekosten verlangen kann. Die Beklagte wird auch wohl nicht behaupten, dass sie Schulungsgebühren für externe Kursleiter oder Aufwendungen für Fremdfirmen im Reinigungsdienst mit der Begründung nicht zahlen möchte, sie sei nur verpflichtet, Minderleistungen zur Deckung der Garantiegehälter zuzuschießen.

Die Anspruchsberechtigung für die Forderung ist also aus anderen Rechtsinstituten herzuleiten, sei es aufgrund tarifvertraglicher Bestimmungen, auf Einzelvertrag oder aus betrieblicher Übung.

Aufgrund tarifvertraglicher Bestimmungen haben Mitglieder der Tarifkommission einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Die Beklagte hat aber seit 1988 durchgängig an alle Mitglieder der Tarifkommission Spesen und Reisekosten gezahlt.

Damit ist, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts eine betriebliche Übung entstanden. Das Institut der betrieblichen Übung ist gewohnheitsrechtlich anerkannt. Die regelmäßige gleichförmige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen der Arbeitnehmer einen konkreten Verpflichtungswillen des Arbeitgebers ableiten kann, ihm soll eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden, begründet diese Übung. Eine betriebliche Übung ist grundsätzlich bei jedem Verhalten, bezogen auf alle Arbeitsvertragsinhalte denkbar. Eine Beschränkung darauf, dass lediglich unmittelbar mit dem Arbeitsvertrag zusammenhängende Leistungen Gegenstand einer Anspruchsbegründung durch betriebliche Übung darstellen können, gibt es nicht. Der Anwendungsbereich der betrieblichen Übung ist weit gesteckt. Jede Arbeitsvertragsbedingung kann durch betriebliche Übung Bestandteil des Arbeitsverhältnisses werden, so z. B. Fahrtkostenzuschüsse, Fortbildungskosten oder Trennungsentschädigungen.

Dass die Tätigkeit in der Tarifkommission im Zusammenhang mit dem Umstand, dass im Unternehmen der Beklagten Haustarife abgeschlossen werden, keinen arbeitsvertraglichen Bezug habe, lässt sich nicht feststellen. Ein arbeitsvertraglicher Bezug ist gegeben, auch wenn im Rahmen der Tarifkommission die Mitarbeiter primär von der Zielsetzung her Gewerkschaftsarbeit leisten. Aus dem Umstand, dass die Tarifpartner in der Verpflichtung zur Weiterzahlung des Entgelts bei Teilnahme an Tarifkommissionen festgeschrieben haben, lässt sich der Schluss ziehen, dass auch bei dieser Tätigkeit ein arbeitsvertraglicher Bezug enthalten ist. Wenn in einem Tarifvertrag eine Entgeltfortzahlung für die Teilnahme an Tarifkommissionssitzungen festgeschrieben ist, sind die für die Teilnahme notwendigen entstandenen Auslagen ebenso mit einem arbeitsvertraglichen Bezug versehen.

Da die Beklagte seit 1988 regelmäßig für alle Tarifkommissionsmitglieder Fahrtkosten und Spesen gezahlt hat, hat sie hiermit gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass sie mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen handelt, die Zahlungen erfolgten vorbehaltlos auch in den Zeiten, in denen der Tronc nicht ausreichte um alle Zahlungen, die die Beklage aus dem Tronc entnehmen darf, zu erfüllen.

Steht somit der Anspruch des Klägers aus betrieblicher Übung fest, war die gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts gerichtete Berufung erfolgreich.

Die Nebenforderung folgt § 288 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt § 91 Abs. 1 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

Ende der Entscheidung

Zurück