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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 03.11.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 709/05
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 69
ArbGG § 72 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Sa 709/05

Entscheidung vom 03.11.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 13.07.2005 - 1 Ca 563/05 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 15.07.2005 festgestellt wird.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung, streiten die Parteien um die Frage, ob zwischen ihnen noch ein Arbeitsverhältnis besteht und ob dieses ggfls. durch eine fristlose, hilfsweise fristgemäße Arbeitgeberkündigung beendet worden ist.

Die Klägerin war seit 01.12.1995 bei der Beklagten als Sekretärin im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung eingestellt. Zuletzt betrug ihr monatliches Bruttoentgelt 2.155,95 Euro.

Am 03.06.2000 wurde die Tochter S. der Klägerin geboren. Am 18.05.2002 wurde der Sohn B. geboren. Zwischen den Parteien ist im Berufungsverfahren streitig, ob die Klägerin nach der Geburt der Tochter sich in Erziehungsurlaub befand, also ob eine Vereinbarung zustande gekommen ist und ob nach der Geburt des Sohnes eine Verlängerung des Erziehungsurlaubes (Elternzeit) vereinbart wurde. Nach der Geburt des Sohnes wurde ein schriftlicher Antrag nicht gestellt.

Die Klägerin suchte am 01.02.2005 den Geschäftsführer der Beklagten auf, um mit diesem die Modalitäten der Arbeitsaufnahme ab dem 18.05.2005 sowie ggfls. die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung zu erörtern. Der Geschäftsführer vertrat in diesem Gespräch die Auffassung, es bestehe kein Arbeitsverhältnis mehr. Die Klägerin bot mit Schreiben vom 09.03.2005 ihre Arbeitsleistung ab dem 18.05.2005 an. Die Beklagte teilte daraufhin durch Schreiben vom 10.03.2005 mit, das Arbeitsverhältnis sei seit Jahren beendet. An einer Neueinstellung bestehe derzeit kein Interesse, eine Teilzeitbeschäftigung komme somit ohnehin nicht in Betracht.

Die Klägerin hat mit Klageschrift vom 12.04.2005 die Feststellung beantragt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht sowie die Zustimmung der Beklagten zur Reduzierung der Arbeitszeit eingeklagt.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 20.05.2005, der Klägerin zugegangen am 21.05.2005 das Arbeitsverhältnis außerordentlich und für den Fall, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist, fristgemäß gekündigt.

Hiergegen hat die Klägerin mit bei Gericht am 30.05.2005 eingegangener Klageerweiterung Kündigungsschutzklage erhoben.

Die Klägerin hatte die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe fortbestanden. Im Übrigen läge kein Grund für eine Kündigung vor. Sie habe keinesfalls die Arbeitsaufnahme ab dem 03.06.2003 verweigert, sondern sei davon ausgegangen, dass sie wie abgesprochen, sich in Elternzeit befinde. Ein Grund zur Kündigung liege auch nicht darin, dass sie die Arbeit zum 18.05.2005 nicht aufgenommen habe. Die Beklagte habe hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie die Arbeitsleistung nicht annehmen möchte. Betriebsbedingte Gründe zu einer fristgerechten Kündigung lägen nicht vor. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Beklagte kürzlich eine weitere Mitarbeiterin eingestellt habe.

Die Klägerin hat, soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung, beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 20.05.2005 weder fristlos noch fristgemäß aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat insoweit beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe spätestens mit Ablauf des 03.06.2003 geendet. An diesem Tag sei die Elternzeit aus Anlass der Geburt der Tochter S. abgelaufen. Eine Verlängerung im Zusammenhang mit der Geburt des zweiten Kindes sei nicht erfolgt. Hierzu sei ein schriftliches Verlangen erforderlich gewesen, welches unstreitig nicht vorliegt. Die Klägerin habe ab dem 03.06.2003 ihre Arbeit verweigert, deshalb sei die außerordentliche Kündigung rechtmäßig. Die Kündigung sei als betriebsbedingte Kündigung zulässig, da die Beklagte die Entscheidung getroffen habe, in der Abteilung der betroffenen Arbeitnehmerin nur Vollzeitkräfte zu beschäftigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes 1. Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 13.07.2005 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung weder fristlos noch fristgemäß aufgelöst worden ist und als dazu vorab festgestellt, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein Arbeitsverhältnis noch bestanden hat. Wegen der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.

Gegen das der Beklagten am 27.07.2005 zugestellt Urteil richtet sich die am 22.08.2005 eingegangene Berufung, welche die Beklagte am 27.09.2005 begründet hat. Die Beklagte erklärt, sie habe mit der Klägerin zu keinem Zeitpunkt eine Elternzeit vereinbart. Entsprechende Darstellungen erstinstanzlich seien auf einen Verständigungsfehler zurückzuführen, der durch Erklärung in der mündlichen Verhandlung korrigiert worden sei.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klägerin verhalte sich treuwidrig, wenn es sich auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses berufe. Das Arbeitsverhältnis sei einvernehmlich bereits mit dem 03.06.2000 beendet gewesen. Selbst wenn dies nicht der Fall sei, habe die Klägerin eine beharrliche Arbeitsverweigerung begangen, als sie entgegen ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung diese nicht aufgenommen habe. Dies rechtfertige eine außerordentliche Kündigung. Die Kündigung sei auch als betriebsbedingte Kündigung gerechtfertigt, da die Beklagte die Arbeitsstelle anderweitig besetzt habe. Eine zusätzliche Arbeitskraft könne nicht finanziert werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 13.07.2005 - 1 Ca 563/05 wird aufgehoben.

Die Klage der Berufungsbeklagten wird abgewiesen.

Die Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie hat mittlerweile das Arbeitsverhältnis selbst unter dem 15.07.2005 außerordentlich und fristlos gekündigt. Mit noch beim Arbeitsgericht eingegangener Klageerweiterung macht sie aus Anlass dieser außerordentlichen Kündigung Schadensersatzansprüche geltend.

Das arbeitsgerichtliche Urteil wird von der Klägerin verteidigt.

Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung erklärt, in jedem Fall mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem 15.07.2005 einverstanden zu sein, ohne ihre beiderseitigen divergierenden Rechtsstandpunkte aufzugeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 03.11.2005.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 520 ZPO). Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg.

II.

Das Arbeitsgericht hat in seiner ausführlichen, vollständigen und zutreffenden Entscheidung alle für die Beurteilung des streitigen Rechtsverhältnisses tragenden Gesichtspunkte richtig herausgearbeitet. Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen würden. Die Berufungskammer nimmt daher gemäß § 69 ArbGG Bezug auf den begründeten Teil des angefochtenen Urteils.

Lediglich wegen der Angriffe im Berufungsverfahren sei kurz auf folgendes hinzuweisen:

Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren bestreitet, eine Vereinbarung über Elternzeit anlässlich der Geburt des Kindes sei nicht erfolgt, ist dieses Bestreiten unerheblich. Elternzeit wird nicht durch Vereinbarung begründet, sondern ausschließlich durch ein formwirksames Verlangen der anspruchsberechtigten Person. Dass die Klägerin bei Geburt der Tochter Elternzeit mündlich verlangt hat, hat die Beklagte nicht bestritten. Auf eine Vereinbarung kam es nicht an, da zum Zeitpunkt der Geburt der Tochter S. das Verlangen auch mündlich gestellt werden konnte.

Befand sich die Klägerin in Elternzeit, kam es entscheidungserheblich nicht darauf an, ob sie sich auch anlässlich der Geburt des Sohnes B. wiederum in Elternzeit befand, also eine entsprechende Vereinbarung über die Verlängerung getroffen wurde. Hier ist der Beklagten zwar zuzugeben, dass ein schriftliches Verlangen nicht vorliegt, es also zweifelhaft sein kann, ob die Klägerin sich tatsächlich in Elternzeit befand, dies begründet aber nicht die Rechtsfolge, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien dadurch aufgelöst wurde.

Ab dem 01.05.2000 bedarf eine Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag der Schriftform. Nur in ganz engen Ausnahmefällen ist die Berufung auf den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses trotz fehlender formgerechter Erklärungen treuwidrig. Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor. Wie der Geschäftsführer in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, war ihm die Geburt der beiden Kinder bekannt. Eine Erklärung, weshalb er davon ausgegangen ist, die Klägerin werde das Arbeitsverhältnis beenden, hat er nicht abgegeben. Seine Erwartung, sie werde wohl nicht wiederkommen, ersetzt diese notwendige eindeutige Erklärung nicht. In der heutigen Zeit muss immer damit gerechnet werden, dass Arbeitsverhältnisse von Müttern nach Ende der Elternzeit wieder aufgenommen werden. Umstände, aus denen der Geschäftsführer den Schluss hätte ziehen können, dass die Klägerin dies nicht wolle, sind nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.

Fehlt es somit an einer formwirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, bestand dieses im Zeitpunkt des Zugangs der streitbefangenen außerordentlichen Kündigung fort. Die Voraussetzungen zur Feststellung der Unwirksamkeit dieser Kündigung liegen daher vor.

Die außerordentliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis nicht mit sofortiger Wirkung beendet. Hier ist auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts hinzuweisen. Der Beklagten war es unbenommen, bei einer etwaigen Auffassung, die Klägerin sei zur Arbeitsleistung verpflichtet, diese aufzufordern, die Arbeitsleistung zu erbringen und erforderlichenfalls die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten. Dies hat sie nicht getan. Sie kann damit nicht gehört werden, die Klägerin habe eine beharrliche Arbeitsverweigerung, d. h. ein nachhaltiges Negieren des Willens des Arbeitgebers, die Arbeitsleistung zu erwarten, begangen. Aus dem gleichen Grunde fehlt es einer Begründung für eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung, die darauf gestützt wird, die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht erbracht.

Dass die Klägerin nach dem 18.05.2005 nicht die Arbeit unverzüglich aufgenommen hat, ist unschwer damit zu erklären, dass die Beklagte zum Ausdruck gebracht hat, sie betrachte das Arbeitsverhältnis als beendet. Unter diesen Voraussetzungen verhält sich die Beklagte selbst widersprüchlich, wenn sie einerseits die Auffassung vertritt, das Arbeitsverhältnis sei beendet, andererseits aber aus dem Umstand, dass die Klägerin ihre Arbeitsleistung nicht erbringt, verhaltensbedingte Kündigungsgründe herleiten will.

Die Berufung der Beklagten auf betriebsbedingte Kündigungsgründe ist nicht durchschlagend. Auch im Berufungsverfahren hat sie keinerlei Tatsachen vorgetragen, die den Schluss zulassen könnten, dass eine Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen begründet wäre. Ausführungen der Beklagten zur Sozialauswahl mit Mitarbeitern, die um den Zeitpunkt der Kündigung der Klägerin eingestellt wurden, fehlen vollständig. Die bloße Behauptung, es sei keine Arbeit vorhanden, reicht nicht aus, dringende betriebliche Erfordernisse, welche einer Weiterbeschäftigung im Betrieb entgegenstehen zu belegen. Den in erster Instanz erhobenen Einwand, die Klägerin wolle ja nur teilzeitbeschäftigt werden, den das Arbeitsgericht zutreffend als ungeeignet herangezogen hat, hat die Beklagte im Berufungsverfahren auch nicht mehr aufrecht erhalten.

Es steht somit fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten nicht beendet wurde und auch die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht beenden konnte, war die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.

Angesichts der Erklärung der Parteien, dass das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall mit dem 15.07.2005 beendet wurde, steht dieser Entscheidung auch nicht entgegen, dass möglicherweise mit einer Zurückweisung der Berufung der rechtskräftige Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, rechtskräftig festgestellt würde, weil beide Parteien eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens zum 15.07.2005 akzeptieren. Weitere Folgerungen hinsichtlich des noch recht anhängigen Rechtstreits entstehen durch die vorliegende Entscheidung mit Ausnahme der Frage, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Erklärung ihrer eigenen fristlosen Kündigung in einem Arbeitsverhältnis stand nicht.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

Ende der Entscheidung

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