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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 14.04.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 974/04
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

-
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Sa 974/04

Entscheidung vom 14.04.2005

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 27.10.2004 - 4 Ca 984/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung sowie um Lohnansprüche des Klägers, die sich aus der Unwirksamkeit der Kündigung ergeben.

Der Kläger schloss mit dem Beklagten einen schriftlichen Umschulungsvertrag über eine Umschulung zum Verkäufer über den Zeitraum vom 01.08.2003 bis 30.11.2004 zu einem Bruttomonatsgehalt von 652 € ab. Der Beklagte vertreibt Textilien, welche auf verschiedenen Wochenmärkten mit Hilfe eines vom Beklagten gestellten Fahrzeugs vertrieben werden.

Unter dem 04.04.2004 erteilte der Beklagte dem Kläger einen schriftlichen Verweis, wegen dessen genauen Inhalt auf den Akteninhalt (Bl. 9 d. A.) verwiesen wird. Der Kläger kündigte sein Umschulungsverhältnis zum 31.07.2004 schriftlich, um am 01.08.2004 eine Umschulung zum Einzelhandelskaufmann zu beginnen. Diese Kündigung wurde dem Beklagten durch Einschreiben mit Rückschein am 02.06.2004 zugestellt.

Der Beklagte hatte mit Schreiben vom 28.05.2004 eine außerordentliche Kündigung zum 31.05.2004 mit der Begründung ausgesprochen, der Kläger habe trotz mehrfacher mündlicher Abmahnungen und der schriftlichen Abmahnung am 22.05.2004 entgegen ausdrücklicher Anweisung auf einem zu beschickenden Markt die Waren nicht vollständig ausgelegt.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe weder die im Kündigungsschreiben vorgeworfene Verletzung des Arbeitsvertrages begangen, noch sei er vorher mündlich abgemahnt worden. Der Sachvortrag des Beklagten sei hierzu unschlüssig. Der Verweis vom 04.04.2004 erfülle die Anforderungen an eine Abmahnung nicht. Weiter hat er die Löhne Juni und Juli 2004 geltend gemacht sowie, für das Berufungsverfahren nicht von Bedeutung, weitere Differenzbeträge, die sich aus unterschiedlichen Leistungen der Arbeitsverwaltung ergaben.

Der Kläger hat, soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung, beantragt,

1. es wird festgestellt, dass das Umschulungsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 28.05.2004 zum 31.05.2004 sein Ende gefunden hat.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an ihn 1.304 € brutto Arbeitslohn nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 652 € brutto seit dem 05.07.2004 und dem 05.08.2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, der Kläger habe trotz ausdrücklicher Anweisung Ware erneut nicht vollständig zum Verkauf ausgelegt, obwohl der Kündigung mehrfache Abmahnungen wegen gleichen Fehlverhaltens vorausgegangen seien und zu denen am 04.04.2004 eine schriftliche Abmahnung erteilt worden sei, aus der hervor gehe, dass bei weiterem Fehlverhalten die Kündigung zu erwarten sei. Dem Kläger seien Abmahnungen erteilt worden, weil er am 08.08. und 09.11.2003, am 25.02.2004 sowie im April 2004 und an weiteren 4 Tagen nicht zur Arbeit erschienen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 27.10.2004 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage entsprochen und den Beklagten zur Zahlung von 1.304 € brutto nebst Zinsen verurteilt. Die weitere Klage hat es abgewiesen.

Es hat im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe nicht substantiiert vorgetragen, den Kläger vor dem behaupteten Fehlverhalten wegen eines vergleichbaren Sachverhaltes wirksam abgemahnt zu haben. Auch dann, wenn man zu seinen Gunsten davon ausgehe, dass er am 22.05.2004 eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung begangen habe, weil er Ware auf einem von ihm zu beschickenden Markt nicht vollständig auslegte, habe das Gericht nicht erkennen können, dass der Kläger vor der deswegen ausgesprochenen fristlosen Kündigung im arbeitsrechtlichen Sinne abgemahnt worden sei. Der Verweis vom 04.04.2004 genüge den Anforderungen an eine Abmahnung nicht. Der weitere Vortrag zu behaupteten mündlichen Abmahnungen sei zu unsubstantiiert. Es sei nicht erkennbar, wann, wo und wer dem Kläger welche Vorwürfe wegen welcher konkreter Vertragspflichtverletzungen gemacht worden sind und das hierbei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Wiederholungsfall angedroht worden sei. Eine Abmahnung sei auch nicht entbehrlich. In dem als wahr unterstellten Kündigungsvorwurf liege keine Pflichtverletzung des Klägers, die von so hohem Gewicht wäre, dass auch ohne vorherige Beanstandung mit entsprechender Warnung für den Wiederholungsfall fristlos gekündigt werden könne. Insbesondere angesichts der Tatsache, dass das Umschulungsverhältnis wegen der Kündigung ohnehin nur noch bis zum 31.07.2004 dauern sollte, hätte der Beklagte den Kläger über den Verweis hinausgehend deutlich darauf hinweisen müssen, dass nunmehr weitere Pflichtverletzungen zum Ausspruch der Kündigung führen würden. Mitteilungen der I. seien für die rechtliche Bewertung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses bedeutungslos.

Aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs könne der Kläger für Juni und Juli 2004 die vereinbarte Vergütung von insgesamt 1.304 € brutto verlangen.

Gegen das dem Beklagten am 09.11.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 02.12.2004 eingelegte Berufung. Der Beklagte hat seine Berufung mit am 09.02.2005 eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem die Frist zur Berufungsbegründung bis zu diesem Tag verlängert worden war.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, im Schreiben vom 04.04.2004 sei nur eine schriftliche Abmahnung enthalten. Dem Kläger sei unmissverständlich klar geworden, dass er seinen Umschulungsplatz gefährde und bei weiteren Pflichtverstößen eine fristlose Kündigung erfolgen werde. Darüber hinaus sei vorgetragen worden, dass der Kläger mehrfach Anweisungen nicht befolgt habe und Ware nicht ordnungsgemäß ausgelegt habe, ferner sei er an den in erster Instanz bezeichneten Tagen nicht zur Arbeit erschienen. Darüber hinaus sei bei dem festgestellten Fehlverhalten am 22.05.2004 eine Abmahnung entbehrlich gewesen.

Der Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 27.10.2004, zugestellt am 09.11.2004 (Az.: 4 Ca 984/04) abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits der berufungsbeklagten Partei aufzuerlegen.

Der Kläger beantragt,

die seitens des Beklagten mit Schriftsatz vom 02.12.2004 eingelegte Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 27.10.2004 zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die fristlose Kündigung sei rechtsunwirksam. Zunächst werde bestritten, dass er eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung begangen habe. Dem Arbeitsgericht sei zuzustimmen, dass der von dem Beklagten mit Schreiben vom 04.04.2004 zur Akte gereichte Verweis nicht den Anforderungen an eine Abmahnung genüge. Er enthalte nicht die erforderliche Ankündigung, dass ein erneuter Verstoß zur Kündigung des Umschulungsverhältnisses führen werde. Darüber hinaus bestreitet er den Sachvortrag des Beklagten in vollem Umfang, insbesondere dass er auch mündlich abgemahnt wurde. Im Übrigen sei die Annahme des Beklagten nicht zutreffend, die vorliegende Pflichtverletzung rechtfertige eine außerordentliche Kündigung auch ohne vorhergehende vergebliche Abmahnung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 14.04.2005.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO). Das Rechtsmittel der Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

II.

Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitbefangene außerordentliche Kündigung nicht beendet wurde. Daraus resultieren die vom Arbeitsgericht weiter zugesprochenen Ansprüche des Klägers aus Annahmeverzugsvergütung bis einschließlich 31.07.2004, dem Ablauf des Arbeitsverhältnisses infolge ausgesprochener Eigenkündigung des Klägers.

Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen könnten. Die Berufungskammer nimmt daher voll umfänglich Bezug auf die ausführliche und zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils (§ 69 Abs. 2 ZPO).

Lediglich wegen der Angriffe im Berufungsverfahren sei kurz auf Folgendes hinzuweisen:

Die Kammer teilt zunächst die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass in dem Verweis vom 04.04.2004 eine Abmahnung in dem Sinne, wie sie regelmäßig jeder verhaltensbedingter Kündigung voranzugehen hat, sofern keine Ausnahmetatbestände vorliegen, nicht enthalten ist. In dem Abmahnungsschreiben ist nicht deutlich erkennbar, dass sich der Beklagte das Recht der außerordentlichen Kündigung des Umschulungsverhältnisses vorbehält, wenn der Kläger eine weitere Pflichtverletzung begehen sollte. In dem Schreiben wird ausgeführt, dass der Kläger wiederum nicht zur Arbeit erschienen ist und auch eine telefonische Erreichbarkeit nicht gewährleistet war. Der Beklagte hat einen Verweis ausgesprochen und ausgeführt, eine weitere Verletzung der Pflicht könne nicht mehr geduldet werden. Es liege nunmehr an ihm die Ausbildung erfolgreich zu Ende zu bringen. Damit wird nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Bestand des Ausbildungsverhältnisses gefährdet ist, sollte sich eine weitere ähnliche Pflichtverletzung ergeben.

Damit erweist sich die erste Begründung des Arbeitsgerichts als zutreffend, dass das Schreiben vom 04.04.2004 eine Abmahnung im Rechtssinne nicht enthält.

Das Arbeitsgericht führt zutreffend aus, dass die weiteren von dem Beklagten behaupteten mündlichen Abmahnungen nicht geeignet sind, schlüssigen Sachvortrag darzustellen. Auch im Berufungsverfahren hat der Beklagte keine näheren Tatsachen konkretisiert, welche Pflichtverletzungen im Einzelnen Anlass von mündlichen Abmahnungen gewesen sein sollen, insbesondere erschließt sich der Kammer nicht, dass diese mündlich erteilten Abmahnungen dem Abmahnungserfordernis entsprachen. Angesichts des Umstandes, dass das Schreiben vom 04.04.2004 nicht dem Abmahnungserfordernis entspricht, kann nicht festgestellt werden, dass etwaige mündlich erteilte Abmahnungen diesem entsprochen haben, weil der Inhalt nicht präzise mitgeteilt wird.

Die Kammer ist des Weiteren der Auffassung, dass der vom Beklagten dem Kläger vorgehaltene Vertragsverstoß als wahr unterstellt eine außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigt.

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte dargelegt, dass der Kläger trotz behaupteter ausdrücklicher Anweisung die Ware nicht vollständig ausgelegt hat. Dies mag zwar ein Vertragsverstoß darstellen, weil damit dem Beklagten die Möglichkeit genommen wird, auf den von ihm zu beschickenden Märkten weitere Umsätze zu machen, die dadurch zu Stande kommen, dass die vorbei gehenden Marktbesucher die von ihm vertriebene Ware auch vollständig sehen. Eine präzise Angabe, wie der Arbeitsplatz des Klägers im Einzelnen bei den Märkten ausgestaltet war, enthält der Sachvortrag des Beklagten allerdings nicht. Er hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass der Kläger etwa 1/3 seiner Ware nicht ausgelegt und sie noch im Fahrzeug behalten hat. Da es angesichts gerichtsbekannter Modalitäten bei Wochenmärkten oder sonstigen Jahrmärkten durchaus plausibel erscheint, wenn gewisse Warenbestände im Fahrzeug verbleiben, z. B. dann wenn von jedem ausgelegten Produkt ein Exemplar oder mehrere den potentiellen Käufern zur Ansicht zur Verfügung stehen und der Bestand erst dann aufgefüllt wird, wenn entsprechende Größen abverkauft sind oder eine weitere Größe verlangt wird, ist es nicht nachvollziehbar, dass die Pflichtverletzung des Klägers so schwerwiegend gewesen sein kann, dass es dem Beklagten unzumutbar gewesen ist, das Umschulungsverhältnis zum Ablauf der vereinbarten Frist fortzusetzen.

Hierbei teilt die Kammer zwar nicht die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass hier auf den Beendigungszeitpunkt 31.07.2004 abzustellen ist, weil die Kündigung des Klägers dem Beklagten noch nicht zugegangen war, dem Beklagten wäre es aber ohne Weiteres zumutbar gewesen, das Umschulungsverhältnis auch bis zum Ablauf der vereinbarten Frist des 30.11.2004 fortzusetzen, nachdem dem Kläger eine ausdrückliche Weisung mit Kündigungsandrohung im Wiederholungsfall, Ware komplett auszulegen bis zum Ausspruch der streitbefangenen Kündigung nicht erklärt wurde. Jedenfalls lässt sich aus dem Sachvortrag des Beklagten entsprechendes nicht entnehmen. Die von ihm angesprochenen Abmahnungen betrafen nämlich allesamt unentschuldigtes Fehlen und damit nicht eine Pflichtverletzung, die konkret Missachtung von Arbeitsanweisungen umfasst.

Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt auch kein Sachverhalt vor, der wegen der Schwere der vorgeworfenen Pflichtverletzungen es ausnahmsweise entbehrlich gemacht haben könnte, vor einer außerordentlichen Kündigung des Umschulungsverhältnisses auf eine Abmahnung zu verzichten. Der Vertragsverstoß ist nicht so schwerwiegend, dass es dem Kläger ohne weiteres klar sein musste, das Umschulungsverhältnis werde mit sofortiger Wirkung außerordentlich gekündigt, falls er entsprechende Pflichtverstöße begeht.

Erweist sich nach allem die Berufung des Beklagten als unbegründet, war sie mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht. Die Entscheidung ist daher für den Beklagten nicht mit der Revision anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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