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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 09.07.2004
Aktenzeichen: 4 Ta 144/04
Rechtsgebiete: ArbGG, SGB VII, RVO


Vorschriften:

ArbGG § 70
SGB VII § 104
SGB VII § 104 Abs. 1 Satz 1
SGB VII § 105
RVO § 636
RVO § 637
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Ta 144/04

Verkündet am: 09.07.2004

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 13.05.2004 - 4 Ca 316/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.200,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Klageschrift vom 24.02.2004 verfolgt der Kläger Zahlung eines Schmerzensgeldanspruchs, welches er mit 120.000,00 € beziffert und die Feststellung, die Beklagte sei verpflichtet, für alle aus der Erkrankung des Klägers sich ergebenden Schäden einzustehen, soweit diese nicht durch die Berufsgenossenschaft übernommen werden. Für das Klageverfahren hat er Prozesskostenhilfe beantragt. Im Wesentlichen hat er vorgetragen, dass er ohne ausreichende Schutzmaßnahmen seitens der Beklagten handgeführte Schleifarbeiten im Inneren von Tanks erledigt habe und dabei in Berührung mit toxischen Mitteln gekommen sei und diese auch inhaliert habe. Er hat des Weiteren im Wesentlichen geltend gemacht, durch die nicht zur Verfügungstellung von Schutzmaßnahmen habe die Beklagte rücksichtslos gehandelt, sie habe die Erkrankung des Klägers zumindest billigend in Kauf genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die umfangreiche Begründung im angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die beantragte Prozesskostenhilfe wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht versagt. Es hat unterstellt, dass der Kläger an den vorgetragenen Erkrankungen leidet, es sei aber nicht schlüssig vorgetragen worden, durch welche Handlung oder Schutzgesetzverletzung die Beklagte diese Erkrankungen vorsätzlich verursacht haben soll. Dem allgemeinen Vortrag sei nicht zu entnehmen, inwieweit die Beklagte gegen welche geltende Unfallverhütungsvorschriften welche Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung der Gefahrstoffverordnung oder gegen welche berufsgenossenschaftliche Vorgaben verstoßen haben solle. Es sei nicht erkennbar, welche Umstände, welche konkrete schädigende Handlung der Beklagten vorgeworfen werde bzw. welches schädigende Organisationsverschulden ihrerseits zu den Erkrankungen des Klägers geführt haben sollte. Damit könne auch nicht festgestellt werden, ob etwa ein derart grober Verstoß gegen gesetzliche oder berufsgenossenschaftliche Vorgaben vorliege, der unter Umständen einen Schluss auf vorsätzliches Verhalten der Beklagten erlauben würde. Der Kläger trage lediglich pauschal vor, die Sicherheitsvorschriften seien nicht eingehalten worden ohne zu erläutern, inwieweit zu genau welchem benannten Zeitpunkt konkrete Verstöße vorlägen, die den Schluss erlauben würden, dass die Beklagte eine Gesundheitsschädigung billigend in Kauf genommen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der umfangreichen Begründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.

Gegen den am 18.05.2004 zugestellten Beschluss richtet sich die am 07.06.2004 beim Arbeitsgericht Trier eingegangene Beschwerde. Der Kläger vertritt die Auffassung, er sei der Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich vorsätzlichen Handelns vollständig nachgekommen. Er habe schlüssig vorgetragen, dass er schwer erkrankt sei, er habe ausreichend vorgetragen, dass Schutzmasken für die auszuführende Tätigkeit nicht ausreichend gewesen seien, denn wenn die Arbeitsbedingungen und Voraussetzungen der Unfallverhütungsvorschriften Genüge getan hätte, wäre der Kläger mit Sicherheit nicht erkrankt. Die Beklagte habe die Voraussetzungen der von der zuständigen Berufsgenossenschaft erlassenen Unfallverhütungsvorschriften nicht eingehalten. Unfallverhütungsvorschriften schrieben als persönliche Schutzausrüstungen geeignete Atemschutzgeräte vor, die den Arbeitnehmer vor gefährlichen Gasen schützen müssten. Die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Staubmasken reichten nicht aus. Der Arbeitgeber habe geeignete Schutzkleidung zur Verfügung zu stellen, soweit dies erforderlich sei. Das seien gasdichte Schutzanzüge. Dieser Anzug sei auf jeden Fall erforderlich gewesen, dem Kläger jedoch trotz mehrfacher Nachfragen nicht ausgehändigt worden. Die Berufungsgenossenschaft als auch die Gewerbeaufsicht hätten mehrfach darauf hingewiesen, dass die Arbeitsbedingungen katastrophal seien. Dass die Beklagte die einschlägigen Vorschriften der Unfallverhütung nicht eingehalten habe, ergebe sich auch daraus, dass mehrere Beschäftigte aus dem Betrieb aus Krankheitsgründen ausscheiden mussten. Es seien keine Schutzgeräte vorhanden gewesen, die Belüftung der Beizhalle sei nicht gewährleistet gewesen. In der Beizhalle sei am Tag der Besichtigung durch Berufsgenossenschaft und Gewerbeaufsicht nicht gearbeitet worden, weil die Arbeitsbedingungen nicht den Anforderungen der Unfallverhütungsvorschriften entsprochen hätten. Die Tanks hätten keine Objektabsaugung gehabt, die nach den Unfallverhütungsvorschriften erforderlich waren. Dies könne auch der Zeuge F J M bestätigen, der aus den gleichen Krankheitsgründen wie der Kläger den Betrieb verlassen musste. Diese Haltung der Beklagten könne man definitiv nicht mehr als fahrlässiges Handeln bezeichnen, weil die katastrophalen Arbeitsbedingungen der Beklagten durchaus bewusst waren. Ebenso sei sie sich darüber im Klaren gewesen, welche Folgen für die Gesundheit die Missachtung von Arbeitsschutzbedingungen haben müsse und haben werde. Sie habe damit die Gesundheitsgefährdung des Klägers billigend in Kauf genommen. Am Vorsatz könnten keine Zweifel bestehen.

Der Kläger beantragt,

dem Kläger ist unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverfolgung zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Beschwerdeverfahren wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerdefrist beträgt 1 Monat (§ 127 Abs. 2, Satz 3 ZPO). In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend hat das Arbeitsgericht Trier die beabsichtigte Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt, die Klage habe keine hinreichende Erfolgsaussicht. Im Beschwerdeverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen würden. Die Beschwerdekammer nimmt daher voll umfänglich Bezug auf den begründenden Teil des angefochtenen Urteils und stellt dies in entsprechender Anwendung des § 70 ArbGG ausdrücklich fest.

Lediglich wegen der Angriffe im Beschwerdeverfahren sei kurz auf Folgendes hinzuweisen:

Das Arbeitsgericht hat die Entscheidung zutreffend damit begründet, dass dem Tatsachenvortrag des Klägers die für die Erfolgsaussicht des Verfahrens festzustellenden Tatsachen nicht zu entnehmen ist. Er erschöpft sich im Wesentlichen mit der Wiederholung des vom Arbeitsgericht erstinstanzlich zu Recht als unsubstantiiert qualifizierten Sachvortrages. Es wird weder ersichtlich, was eine "ausreichende Schutzmaßnahme" darstellen soll und weswegen in den Unfallverhütungsvorschriften Sicherheitsanforderungen klar definiert sind, welche von der Beklagten nicht eingehalten werden.

Der Umstand, dass Arbeitnehmer infolge von Einflüssen am Arbeitsplatz erkranken, lässt nicht notwendiger Weise den Schluss zu, dass dies auf Nichteinhaltung von Arbeitsschutzvorschriften zurückzuführen ist. Es wird nicht konkret vorgetragen, welche Vorschriften für die Objektabsaugung erforderlich sind und aus welchem Grunde die Unfallverhütungsvorschriften oder Vorschriften für die Arbeitsstättensicherheit von der Beklagten nicht eingehalten wurden. Der Sachvortrag des Klägers erschöpft sich mehr oder weniger in der pauschalen Wiederholung der Behauptung, die Maßnahmen der Beklagten seien nicht ausreichend gewesen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass selbst eine vorsätzliche Missachtung von Unfallschutzverhütungsvorschriften nicht ausreichend ist, den für das Haftungsprivileg des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII notwendigen Verschuldens Grad des Vorsatzes nachzuweisen.

Das Haftungsprivileg entfällt, wenn der Unternehmer den Versicherungsfall vorsätzlich verursacht hat. Bedingt vorsätzlich handelt, wer den möglicher Weise eintretenden Erfolg für den Fall seines Eintritts billigt, lediglich bewusst fahrlässig hingegen, wer den möglicher Weise eintretenden Erfolg zwar sieht, aber hofft, er werde ausbleiben oder wem es gleichgültig ist, ob er eintritt (vgl. BAG AP Nr. 4 zu § 636 RVO). An den Grundsätzen der Rechtsprechung zum Umfang des Vorsatzes bei der Haftungsbeschränkung für Personenschäden wird seitens der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch unter der ab 01.01.1997 an die Stelle der §§ 636, 637 RVO getretenen §§ 104, 105 SGB VII festgehalten (vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 104 SGB VII). Es ist daher erforderlich, dass sich das Wissen und Wollen des Schädigers nicht nur auf die Handlung und den Erfolg erstreckt, sondern auch auf den konkreten Schadensumfang. Hierzu reicht der Sachvortrag des Klägers ebenfalls nicht aus. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte die Gesundheitsschädigung des Klägers billigend in Kauf genommen hat, selbst unterstellt, dass die vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsbeschädigung überhaupt kausal auf die Arbeitsbedingungen bei der Beklagten zurückzuführen sind. Mit der Behauptung, das Ausbleiben einer gesundheitlichen Schädigung in dieser Situation würde schon an ein Wunder grenzen, kann die Beschwerdekammer ohnehin nichts anfangen, diese würde Aussagekraft nur dann erhalten, wenn sämtliche im Betrieb der Beklagten mit gleichartigen Tätigkeiten wie der Kläger beschäftigten Mitarbeiter an den beim Kläger festgestellten Erkrankungen leiden würden und dies auf die Tätigkeit im Betrieb der Beklagten zurückzuführen ist. Regelmäßig vertrauen auch Arbeitgeber, die (unterstellt) Unfallverhütungsvorschriften vorsätzlich missachten, darauf, dass ein schädigender Erfolg ausbleiben werde.

Die Ausführungen des Klägers zum Ablauf von Überprüfungen der Berufsgenossenschaft vermögen eine andere Beurteilung ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Der Kläger scheint den berufsgenossenschaftlichen Kontrollen keinerlei Sachkunde beimessen zu wollen, wenn er vorträgt, allein ein Belüften einer Halle an einem Tag würde eventuell bestehende gravierende Mängel in den Sicherheitseinrichtungen bei der Beklagten derart kaschieren, dass es einem erfahrenen Prüfer nicht auffällt.

Nach allem konnte die Beschwerde des Klägers nicht erfolgreich sein, sie war mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO und der Wertfestsetzung gem. §§ 3 ff. ZPO zurückzuweisen.

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht. Die Entscheidung ist daher nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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