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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 08.01.2002
Aktenzeichen: 4 Ta 1464/01
Rechtsgebiete: BGB, GmbHG, ArbGG, AFG, SGB III, ZPO


Vorschriften:

BGB § 613 a
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 826
GmbHG § 64 Abs. 1
ArbGG § 3
ArbGG § 48 Abs. 1
AFG § 141 m
SGB III § 187
ZPO § 17 a Abs. 4
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 574 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Ta 1464/01

In dem Beschwerdeverfahren

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz ohne mündliche Verhandlung am 08.01.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Stock beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 25.10.2001 - 2 Ca 1125/01 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.400,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadenersatz in Anspruch. Im Jahre 1996 zahlte sie an die Arbeitnehmer der O Metallveredelungs GmbH, deren Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Beklagte war, Konkursausfallgeld. Siebenundzwanzig Arbeitnehmer hatten wegen Lohnansprüchen aus der Zeit bis zum 03.09.1996 Konkursausfallgeld in Höhe von insgesamt 96.539,25 DM beantragt und erhalten. Mit der Behauptung, eine Betriebsnachfolge habe stattgefunden, hat die Klägerin die Fa. P Maschinen- und Systeme GmbH auf Erstattung des Konkursausfallgeldes verklagt. Im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Trier 2 Ca 2107/98 verpflichtete sich die Fa. P an die Klägerin 10.000,-- DM zu zahlen.

Der Beklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Trier vom 10.12.1998 unter anderem wegen Konkursverschleppung verurteilt worden.

Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin Schadenersatz gem. § 826 BGB sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG geltend. Der Beklagte habe die Konkursbeantragung für die O GmbH verschleppt und dadurch den Schaden verursacht. Die Ansprüche der Arbeitnehmer seien auf sie übergegangen. Der Beklagte sei als Geschäftsführer der O GmbH Rechtsnachfolger im Sinne des § 3 ArbGG. Die Durchgriffshaftung habe arbeitsrechtlichen Charakter.

Der Beklagte hat vorgetragen, da die Klägerin sich nicht auf § 613 a BGB stütze, sondern deliktische Ansprüche geltend mache, sei sie nicht Rechtsnachfolgerin der Arbeitnehmer.

Das Arbeitsgericht hat über die Rechtswegzuständigkeit vorab entschieden. Im angefochtenen Beschluss hat es den zum Arbeitsgerichtbeschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Trier verwiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei nicht eröffnet. Es liege keine Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis bzw. aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen, vor, und zwar auch nicht in Verbindung mit § 3 ArbGG. Die Klägerin sei jedenfalls nicht Rechtsnachfolgerin der Arbeitnehmer der O GmbH. Mit Stellung des Antrags auf Konkursausfallgeld gingen die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt gem. § 141 m AFG auf die Klägerin über.

Bezüglich der Arbeitsentgeltansprüche sei die Klägerin daher Rechtsnachfolgerin. Sie mache jedoch nicht Ansprüche auf Arbeitsentgelt aus übergegangenem Recht geltend, sondern Schadenersatzansprüche aus eigenem Recht. Es bestehe keine dem § 141 m AFG vergleichbare Vorschrift, die den gesetzlichen Forderungsübergang von Schadenersatzansprüchen anordne. Auch hätten die Arbeitnehmer aufgrund ihres Anspruchs auf Konkursausfallgeld zu keinem Zeitpunkt einen Schadenersatzanspruch gegen die O GmbH oder den Beklagten, der auf die Klägerin hätte übergehen können, erworben.

Der Beschluss wurde der Klägerin am 24.11.2001 zugestellt. Mit beim Arbeitsgericht Trier am 07.12.2001 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung verweist die Klägerin auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13.06.1997 (9 AZB 38/96 in NJW 1998, 262). Die Gerichte für Arbeitssachen seien auch dann zuständig, wenn der Rechtsstreit durch einen Rechtsnachfolger oder durch eine Person geführt werde, die kraft Gesetzes anstelle des sachlich Berechtigten oder Verpflichteten hierzu befugt sei. Diese Voraussetzungen seien mit der Beantragung des Konkursausfallgeldes durch die Arbeitnehmer gegeben. Die Rechte der Arbeitnehmer gingen umfassend auf die Bundesanstalt über. Der Übergang erstreckte sich keineswegs nur auf den Lohnzahlungsanspruch. Dies ergebe sich schon aus § 187 SGB III. Das Schadenersatzansprüche ausdrücklich in diesen gesetzlichen Bestimmungen nicht genannt seien, beruhe wohl darauf, dass der Gesetzgeber an die Variante wohl nicht gedacht habe. Damit seien aber die Voraussetzungen für eine Analogie gegeben.

Die Beklagte verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige, insbesondere gem. §§ 48 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 17 a Abs. 4 ZPO form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend erkannt, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet ist und den Rechtsstreit von Amts wegen an das zuständige Landgericht Trier verwiesen.

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist nicht eröffnet. Eine Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG) bzw. zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 d ArbGG) liegt nicht vor, auch nicht unter Berücksichtigung von § 3 ArbGG.

Zwar ist wohl mit BAG NJW 1998 261 ff. davon auszugehen, dass der Beklagte als Geschäftsführer oder Gesellschafter der Arbeitgeberin O GmbH Rechtsnachfolger im Sinne des § 3 ArbGG der ursprünglichen Arbeitgeberin ist.

Die Klägerin jedoch ist nicht Rechtsnachfolgerin der Arbeitnehmer der O GmbH für die hier streitgegenständlichen Ansprüche. Lohnzahlungsansprüche hat die Klägerin ausdrücklich nicht geltend gemacht, deren Realisierung dürften auch nicht unerhebliche rechtliche Schwierigkeiten wegen Zeitablaufs entgegenstehen.

Mit der Stellung des Antrags auf Konkursausfallgeld, im streitgegenständlichen Zeitraum 1996 war noch § 141 m AFG anwendbar, gingen die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt auf die Klägerin über, allerdings nur für Ansprüche, die den Anspruch auf Konkursausfallgeld begründeten. Ein Übergang sämtlicher Ansprüche der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis mit der Gemeinschuldnerin sieht § 141 m AFG ausdrücklich nicht vor. Die Ansprüche aus übergegangenem Recht macht die Klägerin ersichtlich nicht geltend. Vielmehr verfolgt sie Schadenersatzansprüche aus eigenem Recht.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, besteht keine dem § 141 m AFG vergleichbare Vorschrift, die den gesetzlichen Forderungsübergang etwaiger Schadenersatzansprüche anordnet. Zutreffend weist das Arbeitsgericht darauf hin, dass die Arbeitnehmer aufgrund ihres Anspruchs auf Konkursausfallgeld zu keinem Zeitpunkt einen Schadenersatzanspruch gegen die O GmbH oder den Beklagten hatten, der auf die Klägerin hätte übergehen können.

Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin, auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, das von ihr gezahlte Konkursausfallgeld originär als eigenen Schaden geltend, nämlich als Vermögensminderung infolge unerlaubter Handlung des Beklagten. Dieser Schadenersatzanspruch steht zwar mittelbar mit Arbeitsverhältnissen in Verbindung, unmittelbar aber ergibt er sich daraus, dass die Bundesanstalt für Arbeit gesetzlich verpflichtet ist, bei Vorliegen der Anspruchsgrundlagen an die Arbeitnehmer Konkursausfallgeld zu zahlen.

Zwar sind die Gerichte für Arbeitssachen auch dann zuständig, wenn der Rechtsstreit durch einen Rechtsnachfolger oder durch eine Person geführt wird, die kraft Gesetzes anstelle des sachlich Berechtigten oder Verpflichteten hierzu befugt ist, diese Voraussetzungen liegen jedoch wie dargestellt nicht vor.

Raum für eine Analogie besteht ebenfalls nicht. Die Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts zur Eröffnung des Rechtswegs für Klagen aus Durchgriffshaftung sind ersichtlich von dem Gedanken getragen, für besonders sozial schutzwürdige Gruppen (Arbeitnehmer) eine Verfahrensart zur Verfügung zu stellen, die deren Interessen am ehesten entgegenkommt (z. B. Beschleunigungsgrundsatz, Hinweispflicht der Gerichte, Kostenprivilegierung, Wegfall von Anwaltszwang). Für eine erweiternde Analogie dahingehend, dass sämtliche Klagen, die auch nur mittelbar mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen, dann vor die Arbeitsgerichte gehören müssen, besteht keine rechtliche Grundlage.

Nach allem war die angefochtene Entscheidung zutreffend, die hiergegen gerichtete Beschwerde musste mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO der Zurückweisung unterliegen.

Die Beschwerdekammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 3 ZPO in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung zugelassen.

Ende der Entscheidung

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