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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 23.09.2005
Aktenzeichen: 4 Ta 186/05
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Ta 186/05

Entscheidung vom 23.09.2005

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 10.05.2005 - 1 Ca 274/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.350 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Schreiben vom 11.01.2005, dem Kläger am gleichen Tag übergeben, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Hiergegen erhob der Kläger, vertreten durch seine bisherigen Prozessbevollmächtigten E. & E., C-Stadt, Klage. Die Klageschrift, datierend unter dem 25.01.2005 ging ausweislich des Eingangsstempels am 2. Februar 2005 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen ein. Dem Eingangsstempel zu entnehmen ist ein Vermerk, dass die Klageschrift im Fristenbriefkasten entnommen wurde. Nach Mitteilung an den vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers, dass die Klage erst am 2. Februar 2005 erst bei Gericht eingegangen sei, hat der Kläger mit Antrag, eingegangen am 10.02.2005 nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage gestellt und eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin, Frau Z., vom 09.02.2005 vorgelegt. Wegen des Inhaltes wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen. Die zuständige Mitarbeiterin für den Posteingang des Arbeitsgerichts Ludwigshafen hat eine dienstliche Erklärung abgegeben, wegen deren Inhalt ebenfalls auf den angefochtenen Beschluss verwiesen wird. Danach werden Umschläge regelmäßig nur vernichtet, wenn sich darauf weder Name, Anschrift noch Poststempel befindet. Ein Umschlag der Klage befindet sich nicht bei den Gerichtsakten.

Der Kläger hat vorgetragen, es sei ursprünglich vorgesehen gewesen, die Klage bereits am 25.01.2005 per Post zu versenden, ein Dokument habe jedoch noch gefehlt, sodass das Schreiben erst mit dem 26.01.2005 übermittelt worden sei.

An diesem Tag habe die Angestellte A. Z. die Klageschrift ausreichend frankiert zur Post gebracht.

Der Kläger hat beantragt,

die Kündigungsschutzklage nachtäglich zuzulassen.

Die Beklagte hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Klage sei entweder ohne Umschlag oder zumindest in einem unbeschrifteten Umschlag in den Fristenbriefkasten am 02.02.2005 geworfen worden. Damit sei die Klageerhebung verfristet, das Verschulden des Prozessbevollmächtigten sei dem Kläger zuzurechnen.

Das Arbeitsgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 10.05.2005 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Frau Z. Auf das Protokoll der Sitzung vom 10.05.2005 wird verwiesen.

Im angefochtenen Beschluss hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage nachträglich zugelassen und im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe glaubhaft gemacht, dass er nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihn nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert gewesen sei, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben. Er habe glaubhaft gemacht, die Klage sei durch den von ihm beauftragten Vertreter so rechtzeitig zur Post gegeben worden, dass sie bei normaler Beförderung rechtzeitig bei Gericht eingehe. Er dürfe auch im Bereich der Klageerhebung sich auf die regelmäßige Postbeförderungszeit verlassen. Nach Durchführung der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Zeugin Z. die Klage persönlich zum Briefkasten gebracht hat. In diesem Zusammenhang hat das Arbeitsgericht eine Beweiswürdigung vorgenommen, wonach entgegen der zunächst von der Zeugin behaupteten Postfertigmachung am 25.01.2005 und der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers dargestellten Postfertigmachung am 26.01.2005 gleichwohl von der Glaubwürdigkeit der Zeugin ausgegangen werden kann. Auf die einzelnen Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Beschluss wird verwiesen.

Der Beschluss wurde der Beklagten am 24.06.2005 zugestellt. Hiergegen hatte sie zunächst schon am 13.06.2005 sofortige Beschwerde eingelegt, diese sofortige Beschwerde mit Schriftsatz eingegangen am 07.07.2005 wiederholt und diese Beschwerde anschließend begründet.

Aus dem Umstand, dass ein Umschlag nicht vorhanden war, schließt die Beklagte, dass die Klageschrift nicht postfertig, wie vom Beklagten und der Angestellten des Prozessbevollmächtigten behauptet wurde, versandt wurde. Sonst müsste ein Umschlag zumindest mit Poststempel vorhanden sein, der vom Arbeitsgericht entsprechend der Dienstanweisung aufgehoben worden wäre. Die Aussage der Zeugin S. sei widersprüchlich, indem sie behaupte, sie habe die Klage bereits am 25.01.2005 zur Post gebracht, dies stehe im Gegensatz zu ihrer anfänglichen eidesstattlichen Versicherung. Die Zeugin habe nicht glaubhaft bekunden können, weshalb sie sich genau an diese Klage erinnern könne. Es wäre durchaus auch möglich, dass der Schriftsatz genau eine Woche später fertig gestellt wurde. Die Widersprüchlichkeiten und Lücken könnten auch nicht zum Nachteil der Beklagten damit erklärt werden, dass es keine Abstimmung zwischen der Zeugin und dem Prozessbevollmächtigten gegeben habe. Sie seien alleine damit zu erklären, dass sie sich nicht an die Fertigstellung des Schriftsatzes erinnern können. Eine andere Bewertung würde der vorzunehmenden Beweiswürdigung widersprechen und hätte die Folge, dass Widersprüche und Lücken immer zum Vorteil der beweisführenden Partei gewertet würden.

Die Beklage beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 10.05.2005 - 1 Ca 274/05 aufzuheben und einen Antrag auf nachträgliche Zulassung abzuweisen.

Der Kläger, der mittlerweile seinen Prozessbevollmächtigten gewechselt hat, und diesem den Streit verkündet hat, beantragt

die Beschwerdekosten zurückzuweisen.

Weiter hat er klageerweiternd beantragt, den Kläger an seiner bisherigen Arbeitsstelle weiter zu beschäftigen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

In dem Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage entsprochen. Im Beschwerdeverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkt aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen könnten. Die Beschwerdekammer nimmt daher, um Wiederholungen zu vermeiden in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses Bezug.

Lediglich wegen der Angriffe im Beschwerdeverfahren sei kurz auf folgendes hinzuweisen:

Die Beschwerdekammer teilt die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts, wonach durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Klageschrift so rechtzeitig zur Post gebracht wurde, dass innerhalb der regelmäßigen Postlaufzeit mit einem Eingang bis zum Ablauf der Klagefrist, das ist der 1. Februar 2005 gewesen, gerechnet werden durfte. Die Beschwerdekammer teilt weiter die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts, wonach aufgrund der Zeugenaussage der Frau Z. diese die Klage fertig gemacht und persönlich zum Postbriefkasten gebracht hat.

Die Beweiswürdigung ist auch nicht zu beanstanden, insofern die Kammer des Arbeitsgerichts die Zeugin für glaubwürdig gehalten hat. Diese habe sich lediglich zur Überzeugung der Kammer im Datum geirrt. Die Zeugin hat offen eingeräumt, sich an bestimmte Umstände nicht zu erinnern. Dazu stand sie auch bei Nachfragen ihres Arbeitgebers, damals gleichzeitig Prozessbevollmächtigter des Klägers. Die Bewertung dieser Glaubwürdigkeit wird von der Beschwerdekammer geteilt, insbesondere auch hinsichtlich des Umstandes, dass sie sich lediglich bei dem Datum geirrt hat, was jedoch die Glaubhaftigkeit der Aussage im Übrigen und die Glaubwürdigkeit der Klägerin nicht erschüttern konnte.

Die sonstigen von der Beklagten im Beschwerdeverfahren nochmals vorgebrachten Argumente vermögen zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Sei es festzuhalten, dass im Normalfall ein Umschlag hätte vorhanden sein müssen, wenn die Klage, wie von der Zeugin geschildert, mit Post und frankiert zur Post gebracht worden ist. Dass dies nicht der Fall war, kann sich zum einen daraus erklären, dass ein vorhandener Umschlag von der Geschäftsstelle vernichtet oder in eine andere Akte eingelegt wurde, die Vernichtung wird nicht dokumentiert. Auffallend ist, dass zutreffend adressierte Schriftstücke nicht bei dem Empfänger landen, und zwar trotz ordnungsgemäßer Frankierung und Adressierung. So ist rund drei Wochen vorher ein an das Arbeitsgericht Ludwigshafen frankierter gerichteter Brief beim Amtsgericht Ludwigshafen eingegangen, von dort über den Zustelldienst "Regiopost" an das Arbeitsgericht weitergeleitet worden. Zwar lag hier eine Dokumentation des Eingangs beim Amtsgericht vor, und der Umschlag wurde auch aufgehoben. Dies bestätigt jedoch keine Umstände, die gegen die Richtigkeit der Zeugenaussage sprechen könnten. Auch im Falle der parallel laufenden Klage war ein Irrweg bei der Zustellung aufgetreten. Es ist, wie vom Arbeitsgericht festgestellt, durchaus denkbar, dass wiederum ein fehlerhafter Einwurf in einen anderen Briefkasten dazu führte, dass der Schriftsatz dort entnommen wurde und entweder mit einem leeren Umschlag oder ohne Umschlag in den richtigen Briefkasten eingeworfen wurde. Somit ist es nicht zwingend, dass der Einwurf der Klage durch den Kläger, seinen Prozessbevollmächtigten oder eine andere ihm zuzurechnende Person in den Fristenbriefkasten erfolgt, und zwar zu einem Zeitraum, der nach Ablauf der Klageerhebungsfrist lag.

Entgegen der Auffassung in der Beschwerde wird dadurch keineswegs zu Lasten der nicht beweispflichtigen Partei eine Beweiswürdigung vorgenommen. Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, diese Auffassung teilt die Beschwerdekammer, dass gewisse Unklarheiten in einer Zeugenaussage durchaus auch für den Wahrheitsgehalt dieser Zeugenaussage sprechen können. Gerade Aussagen, die sich mit hundertprozentiger Sicherheit auf zurückliegende komplizierte Sachverhalte erinnern, müssen Bedenken begegnen.

Die Beweiswürdigung ist auch zutreffend, sofern sich das Arbeitsgericht darauf bezieht, dass sich die Zeugin nicht mit ihrem Arbeitgeber hinsichtlich der Aussage abgestimmt hat und sich an konkrete auch nachvollziehbare Umstände des Einzelfalles erinnerte, so an den Umstand, dass noch ein Dokument fehlte, welches nachgereicht wurde. Dass sie sich hierbei nicht mehr genau erinnern konnte, ob es sich um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder ein Schreiben an den Betriebsrat handelte, spricht nicht gegen sondern eher für die Richtigkeit der Aussage.

Die Beschwerde der Beklagten musste daher erfolglos bleiben. Auf den Umstand, ob sich der Kläger im Beschwerdeverfahren rechtzeitig mit Sachvortrag geäußert hat, kam es entscheidungserheblich nicht an. Es ist auch nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger seinen Weiterbeschäftigungsantrag als Antrag im Beschwerdeverfahren oder im erstinstanzlichen Hauptsachverfahren, was wohl der Auslegung entsprechen müsste, gestellt hat.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht war nicht zuzulassen, da die Voraussetzung der §§ 78 Satz. 2, 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind. Auf den Umstand, dass nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 20.08.2002 - 2 AZR 165/02, NZA 2002, 1228) im Verfahren der nachträglichen Zulassung nach § 5 KSchG das Landesarbeitsgericht das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nicht wirksam zulassen kann, kam es nicht an. Die Entscheidung ist daher nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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