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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 20.02.2006
Aktenzeichen: 4 Ta 21/06
Rechtsgebiete: BErzGG, RVG, GKG


Vorschriften:

BErzGG § 18 Abs. 1 Satz 2
RVG § 8 Abs. 1
RVG § 8 Abs. 1 Satz 1
RVG § 15
GKG § 42 Abs. 4
GKG § 43 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Ta 21/06

Entscheidung vom 20.02.2006

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 30.12.2005 abgeändert:

1. Der Gegenstandswert der Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird für das Verfahren, soweit es nicht die Widerklage betrifft auf 12.030,00 € festgesetzt.

2. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Gründe:

Die Klägerin war beschäftigt bei der Fa. I. GmbH in T., über deren Vermögen am 29.11.2002 das Insolvenzverfahren mit gleichzeitiger Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter eröffnet wurde. Sie befand sich in Elternzeit. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.12.2003 zum Ablauf des 31.03.2004.

Mit am 20.01.2004 eingegangenem Schriftsatz erhob die Klägerin Klage auf Feststellung, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch diese Kündigung nicht aufgelöst wurde. Weiter beantragte sie festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.03.2004 hinaus fortbestehe. Die Klägerin bezog ein durchschnittliches Bruttoeinkommen von 4.010,17 €.

Mit Schreiben vom 04.03.2004, zugegangen am 09.03.2004 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 31.05.2004.

Mit Bescheid vom 19.02.2004 hatte die S. Nord die Kündigung gem. § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG für zulässig erklärt. Die Klägerin erweiterte mit Schriftsatz vom 11.03.2004 ihre Klage um die Feststellung, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung vom 04.03.2004 zum Ablauf des 31.03.2004 nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte hatte mit Schriftsatz vom 19.03.2004 erklärt, dass er aus der Kündigung vom 29.12.2003 keine Rechte mehr herleite und diese Kündigung zurückgenommen. Er hat gleichzeitig mit Schriftsatz vom 19.03.2004 Widerklage auf Zahlung von 12.246,06 € nebst Zinsen erhoben und diese mit einer Insolvenzanfechtung begründet. Mit Schriftsatz vom 08.08.2004 erklärte die Klägerin den Antrag zu 1) aus dem Klageschriftsatz vom 19.01.2004 (Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 29.12.2003) für erledigt und fasste die Klageanträge wie folgt zusammen:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 04.03.2004 zum Ablauf des 31.05.2004, zugegangen am 09.03.2004 nicht aufgelöst wurde.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise erklärte Kündigung des Beklagten vom 04.03.2004 zum Ablauf des 30.06.2004, zugegangen am 09.03.2004 nicht aufgelöst wurde.

3. Die Widerklage wird abgewiesen.

Weiter hat sie geltend gemacht, dass die Widerklage sowohl unzulässig als auch unbegründet sei. Die Unzulässigkeit hat sie mit fehlendem Rechtsweg begründet.

Weiter hat sie mit diesem Schriftsatz Zwischenfeststellungsklage erhoben mit dem Antrag, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis am 16.10.2003 infolge eines Betriebsübergangs auf die t. übergegangen ist.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für die Widerklage sei eröffnet. Er hat hilfsweise beantragt, insoweit das Verfahren abzutrennen und den Rechtsstreit an das Landgericht Köln zu verweisen.

Im Kammertermin vom 07.12.2002 hat der Beklagte keinen Antrag gestellt. Auf Antrag der Klägerin erging Versäumnisurteil mit folgendem Tenor:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 04.03.2004 zum Ablauf des 31.05.2004 zugegangen am 09.03.2004 nicht aufgelöst wurde.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise erklärte Kündigung des Beklagten vom 04.03.2004 zum Ablauf des 30. Juni 2004, zugegangen am 09.03.2004 nicht aufgelöst wurde.

3. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis am 16.10.2003 infolge eines Betriebsübergangs auf die t. übergegangen ist.

4. Die Widerklage wird abgewiesen.

5. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

6. Der Streitwert wird auf 20.266,40 € festgesetzt.

Gegen das am 15.12.2004 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte am 08.12.2004 Einspruch eingelegt. Mit Schriftsatz vom 13.06.2005 hat der Beklagte den Einspruch gegen das Versäumnisurteil insoweit zurückgenommen, als dieser sich richtete gegen Ziffer 1, 2 und 3 der Entscheidung und hinsichtlich der Entscheidung im Übrigen (Widerklage) den Einspruch ausdrücklich aufrechterhalten. Durch Beschluss vom 28.06.2005 hat das Arbeitsgericht Trier den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und insoweit den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht Köln verwiesen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde des Beklagten blieb erfolglos. Das Landgericht Köln hat den Rechtsstreit übernommen.

Mit Schriftsatz vom 08.12.2005 beantragte der Kläger-Vertreter und Beschwerdeführer den Gegenstandswert auf 36.091,53 € festzusetzen. Er vertrat die Auffassung, dass für die Feststellungsklage gegen die beiden streitgegenständlichen Kündigungen jeweils der Quartalsbezug von 12.030,51 € anzusetzen sei, eben so für die Feststellung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf die t. in T.

Das Arbeitsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss vom 30.12.2005 diesen Antrag als unzulässig zurückgewiesen, weil die Vergütung noch nicht fällig sei. Die Angelegenheit sei nicht beendet.

Gegen den am 09.01.2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 13.01.2006 eingelegte sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer. Er vertritt die Auffassung, die Fälligkeit der Vergütung richte sich nach § 8 Abs. 1 RVG. Es handele sich bei den verschiedenen prozessualen Ansprüchen von Klage und Widerklage um unterschiedliche Angelegenheiten i. S. des § 15 RVG, wobei die arbeitsrechtliche Angelegenheit mittlerweile erledigt sei.

Das Arbeitsgericht hat durch Nichtabhilfeentscheidung vom 16.01.2006 die Sache dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt. Zur Gegenstandswertfestsetzung bei Verfahren mit mehreren unterschiedlich angegriffenen Kündigungen wurden die Beschwerdeführer angehört.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Beschwerdeführerin hat zum Teil Erfolg. Mit der vom Arbeitsgericht gegebenen Begründung konnte eine Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit nicht verweigert werden. Die Beschwerdeführer weisen zutreffend darauf hin, dass eine Fälligkeit der Vergütung gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 RVG eingetreten ist. Danach wird die Vergütung fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist.

Dem Arbeitsgericht kann in seiner Auffassung nicht gefolgt werden, eine Beendigung der Angelegenheit sei nicht eingetreten, weil der Rechtsstreit hinsichtlich der Widerklageforderung an das Landgericht Köln verwiesen wurde. Dem steht der Umstand entgegen, dass lediglich der mit der Widerklage verfolgte Anspruch nicht vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend gemacht werden konnte, wohin gegen die ursprünglich mit der Klage verfolgten Ansprüche allesamt Klageansprüche waren, für die der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet war.

Aus dem in der Sachverhaltsschilderung sich ergebenden tatsächlichen Ablauf folgt, dass die Angelegenheit so behandelt werden muss, als habe eine Prozesstrennung stattgefunden. Diese Prozesstrennung wäre an sich notwendig gewesen, wäre im Zeitpunkt der Entscheidung über den eingeschlagenen Rechtsweg hinsichtlich der Widerklageforderung der Rechtsstreit über das Bestandsschutzbegehren der Klägerin noch anhängig gewesen. Dies war infolge der Rücknahme des Einspruchs des Beklagten allerdings nicht mehr der Fall, so dass eine tatsächlich vorzunehmende Prozesstrennung durch das Arbeitsgericht nicht mehr erfolgen konnte.

Die weitere Verfahrensweise, nämlich eine Verweisung des noch anhängigen Rechtsstreits an das Landgericht nach abgeschlossenem arbeitsgerichtlichen Verfahren stellt aber eine faktische Prozesstrennung dar, jedenfalls muss sie in Vergütungsverfahren entsprechend behandelt werden. Ansprüche der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis sind nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits vor dem Landgericht, können also auch nicht mehr Gegenstand einer entsprechenden Wertfestsetzung durch das Landgericht Köln sein. Die Beschwerdeführer haben zutreffend darauf hingewiesen, dass das Landgericht Köln es bislang abgelehnt hat, eine Wertfestsetzung bezüglich der prozessual geltend gemachten Ansprüche, die vor der Übernahme des Rechtsstreits durch das Landgericht anhängig waren, vorzunehmen.

Demgemäß konnte und musste auf den Antrag der Beschwerdeführer eine Wertfestsetzung für die "reinen" arbeitsrechtlichen Klageansprüche erfolgen.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist der Gegenstandswert allerdings auf den Quartalsbezug begrenzt, auch wenn Streitgegenstand abwechselnd verschiedene Kündigungen waren. Es kommt noch nicht einmal entscheidungserheblich darauf an, dass der Beklagte, nachdem ihm die Unwirksamkeit der ausgesprochenen ersten Kündigung infolge besonderer Schutzvorschriften der Klägerin bekannt war, ausdrücklich erklärt hat, aus dieser Kündigung keine Rechte mehr herzuleiten und nach Einhaltung der entsprechenden Verfahrensvorschriften mit Zustimmung des Integrationsamtes eine weitere Kündigung ausgesprochen hat. Es entspricht nämlich ständiger Rechtsprechung sämtlicher Beschwerdekammern des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz, der sich auch die 4. Kammer anschließt, dass bei mehreren in einem Klageverfahren geltend gemachten Angriffen gegen verschiedene Kündigungen nur einmal der Höchstwert des § 42 Abs. 4 GKG (entspricht § 12 Abs. 7 ArbGG a. F.) in Frage kommt.

Die 4. Kammer hat durch Beschuss vom 21.05.2001 - 4 Ta 600/01 - die für diese Rechtsauffassung maßgebenden Gesichtspunkte herausgearbeitet. Sie hat hierbei Bezug genommen auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18.04.1986 - 1 Ta 63/86 -. Die dort herangezogenen maßgebenden Gesichtspunkte sind damals und auch heute noch uneingeschränkt zutreffend. Schon zum damaligen Zeitpunkt war die Behandlung der Frage, wie der Gegenstandswert festzusetzen ist, wenn in einem einzigen Kündigungsschutzverfahren sich die klagende Partei gegen zeitlich nacheinander folgende Kündigungen wendet, höchst umstritten und es gab auch damals keine einheitliche Rechtsprechung innerhalb der Landesarbeitsgerichte. Das Landesarbeitsgericht hat sich, dem folgt die Beschwerdekammer auch noch heute, dafür entschieden, als Streitwert den Höchstbetrag von 3 Monatsbezügen festzusetzen, wenn über die Kündigungsschutzklage in einem einzigen Verfahren entschieden wird. Zwar ist streng von der prozessualen Streitgegenstandslehre davon auszugehen, dass es sich um verschiedene prozessuale Streitgegenstände handelt. Grundsätzlich wären die verschiedenen Streitgegenstände gesondert zu werten.

Gemäß § 43 Abs. 4 GKG ist für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten bei den Gerichten für Arbeitssachen über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgeltes maßgebend. Aufgrund dieser Sondervorschrift wird damit das wirtschaftlich in der Regel wesentlich höhere Interesse der klagenden Partei an der begehrten Feststellung, welches letztlich darauf abzielt, ihr die Arbeitsvergütung und damit die Lebensgrundlage auf unbestimmte Dauer zu sichern, auf den Höchstbetrag von drei Monatsgehältern begrenzt. Diese sozialpolitische Zwecksetzung, den für den Arbeitnehmer existenziell bedeutsamen Kündigungsschutzprozess besonders günstig zu gestalten und insbesondere nicht mit einem zu hohen Kostenrisiko zu belasten, hat bei der Auslegung der Normen im Vordergrund zu stehen (vgl. LAG R.-P. a. a. O.).

Das Landesarbeitsgericht Hannover (MDR 1994, 627) hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass das Wort "Kündigung" in der Gesetzesvorschrift lediglich eine beispielhafte Funktion hat. Damit ist unabhängig von der Zahl der gestellten Anträge, ob die Klägerin einen Antrag auf Feststellung des unbestimmten Fortbestandes gerichtet hat oder sich gegen mehrere Kündigungen des Beklagten wehrt oder aber auf einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit einer Betriebsnachfolgerin geltend gemacht hat, der Wert der Klageanträge auf Feststellung insgesamt mit drei Monatsgehältern, das ist die im Tenor genannte Summe zu bewerten. Eine weitergehende Festsetzung konnte nicht erfolgen.

Die Kammer hat davon Abstand genommen, den Beschwerdeführern einen Teil der Gebühren für die Beschwerde, soweit sie unterlegen waren aufzuerlegen. Die Beschwerde wurde maßgeblich dadurch bestimmt, dass das Arbeitsgericht verkannt hat, dass eine faktische Trennung der Prozessgegenstände stattgefunden hat und damit die Angelegenheit für die Beschwerdeführer erledigt ist mit der Folge, dass der Wertfestsetzungsantrag zulässig war.

In Streitigkeiten vorliegender Art ist der Rechtsweg zu dem Bundesarbeitsgericht nicht eröffnet. Die Entscheidung ist daher nicht anfechtbar.

Ende der Entscheidung

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