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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 25.10.2004
Aktenzeichen: 4 Ta 235/04
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 5 Abs. 1 S. 2
ArbGG § 69
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Ta 235/04

Verkündet am: 25.10.2004

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 26.08.2004 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Arbeitsgericht Mainz den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Nürnberg verwiesen. Im Wesentlichen streiten sich die Parteien um die Frage, ob das zwischen den Parteien eingegangene Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Die Parteien schlossen ausdrücklich einen Handelsvertretervertrag und gleichzeitig einen Pachtvertrag. Auf die Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf die bei den Gerichtsakten befindlichen Abschriften verwiesen. Die Klägerin hat Klage auf Zahlung restlicher Vergütung und auf negative Feststellung erhoben, dass die Beklagte gegen sie keine Forderungen mehr hat. Hinsichtlich der Arbeitnehmereigenschaft hat sie sich im Wesentlichen darauf berufen, sie sei deswegen zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet gewesen, weil die Beschäftigung einer oder mehrerer Angestellten wirtschaftlich sinnlos gewesen wäre. Die faktischen Zwänge des Rechtsverhältnisses hätten dazu geführt, dass sie als zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet gewesen wäre. Auch seien ihr Öffnungszeiten vorgegeben gewesen.

Im angefochtenen Beschluss hat das Arbeitsgericht Mainz im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe nicht hinreichende Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass sie im Rahmen des Handelsvertretervertrages bei der Gestaltung ihrer Tätigkeit und Bestimmung ihrer Arbeitszeit nicht mehr im Wesentlichen frei gewesen sei. Sie habe nach § 6 des Vertretervertrages zwar die Öffnungszeiten des Getränkemarktes an den örtlichen Wettbewerbsverhältnissen auszurichten gehabt, sie habe weiterhin beim Warensortiment, beim Bestücken der Weinregale sowie bei der Lieferung von Zusatzartikeln Vorgaben der Beklagten zu beachten gehabt. Diese Einschränkungen führten jedoch nicht zu einem, die Arbeitnehmereigenschaft begründenden Grad persönlicher Abhängigkeit der Klägerin. Die Weisungen hätten sich nur auf die äußere Gestaltung und das Warenangebot, nicht jedoch auf die Tätigkeit selbst bezogen. Dem Vortrag der Klägerin sei nicht zu entnehmen, dass sie den Getränkemarkt praktisch persönlich führen musste und so keine Freiheit in der Gestaltung ihrer Tätigkeit und der Arbeitszeit mehr hatte. Sie sei nach § 3 Ziff. 1 des Handelsvertretervertrages nicht zu persönlicher Tätigkeit verpflichtet gewesen. Ihr sei gestattet gewesen, Dritte als Arbeitnehmer einzusetzen. Dies sei auch keine nur abstrakte und unrealistische Möglichkeit, wie die Beschäftigung ihres Ehemannes sowie einer Aushilfskraft zeigten. Der Hinweis der Klägerin, die Beschäftigung von Verkaufspersonal sei unwirtschaftlich gewesen, greife zu kurz. Dem selbständigen Tätigwerden der Klägerin stehe ferner nicht entgegen, dass das Abrechnungssystem von der Beklagten vorgegeben sei. Dies sei zur Umsetzung der Vereinbarung der Provisionsabrede erforderlich gewesen. Damit sei das selbständige Tätigwerden der Klägerin hierdurch nicht in Frage gestellt. Die Klägerin sei auch nicht arbeitnehmerähnliche Person i. S. von § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschlussbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.

Das Empfangsbekenntnis der Prozessbevollmächtigten der Klägerin über die Zustellung des Beschlusses trägt das Datum 15.09.2004. Am 14.09.2004 hat sie Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Mit der Beschwerde macht sie im Wesentlichen geltend, die Klägerin habe dargetan, dass sie ausweislich ihrer betriebswirtschaftlichen Auswertung für den Zeitraum vom 01.02.03 bis 31.03.03 ein vorläufiges Ergebnis in Höhe von minus 1.948,42 € erzielt habe. In diesem Ergebnis seien Aushilfslöhne enthalten. Hätte sie die Aushilfslöhne nicht gezahlt, hätte das vorläufige Ergebnis immer noch minus 886,42 € betragen. Selbst bei Verzicht auf geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer sei nur ein wirtschaftlich negatives Ergebnis zu erzielen gewesen. Dies gelte nicht nur für den Zeitraum 2003, sondern auch für das Jahr 2004. In der Beschwerde legt die Klägerin weiter den von ihr errechneten allein zu leistenden Stundenaufwand dar.

Die Beklagte tritt der Beschwerde entgegen. Sie hält den Hinweis auf Gewinn- oder Verlust der Handelsvertretertätigkeiten nicht für entscheidungserheblich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Auszugehen ist von dem tatsächlich durch Anwaltsempfangsbekenntnis dokumentierten Zeitpunkt der Zustellung am 15.09.2004. Damit hat die Klägerin die Beschwerdefrist gewahrt. Es kommt nicht darauf an, wann der Beschluss der Beklagten zugestellt wurde.

Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat in der ausführlich begründeten zutreffenden Entscheidung die maßgebenden Gesichtspunkte dafür herausgearbeitet, dass es sich bei den Rechtsbeziehungen der Klägerin mit der Beklagten um einen Handelsvertretervertrag und nicht um einen Arbeitsvertrag gehandelt hat. Im Beschwerdeverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen könnten. Die Beschwerdekammer nimmt daher entsprechend § 69 ArbGG voll umfänglich Bezug auf den begründenden Teil des angefochtenen Beschlusses und stellt dies ausdrücklich fest.

Lediglich wegen der Angriffe im Beschwerdeverfahren sei kurz auf Folgendes hinzuweisen:

Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (vgl. BAG AP Nr. 83 zu § 2 ArbGG 1979). Das Arbeitsverhältnis ist ein auf den Austausch von Arbeitsleistung und Vergütung gerichtetes Dauerschuldverhältnis. Die vertraglich geschuldete Leistung ist im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (BAG, BAGE, 88, 263, 93, 218). Selbständig ist dagegen, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 S. 2 HGB). Für die Abgrenzung hat sich das Gesetz im Bereich der Vermittlung von Geschäften und Versicherungen für Dritte auf diese beiden Kriterien beschränkt. Zwar sind dabei alle Umstände des Falles in Betracht zu ziehen und schließlich in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Die heranzuziehenden Anknüpfungspunkte müssen sich jedoch diesen gesetzlichen Unterscheidungsmerkmalen zuordnen lassen. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist das Letztere maßgebend. Dabei kommt es auf eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles an.

Unter Beachtung vorbezeichneter Kriterien erweist sich die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin als nicht gegeben. Die Klägerin war trotz ihrer dargelegten tatsächlichen Umstände nicht verpflichtet, persönlich Arbeitsleistung für die Beklagte zu erbringen. Dies ist in § 3 Abs. 1 des Handelsvertretervertrages ausdrücklich normiert. Die Klägerin konnte und durfte sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben Dritter bedienen.

Wenn sie geltend macht, die praktischen Zwänge hätten dazu geführt, dass sie wirtschaftlich gar nicht in der Lage gewesen wäre, Arbeitskräfte einzustellen, steht dem zum einen entgegen, dass sie dies tatsächlich getan hat, zum anderen ist es wie von der Beklagten zutreffend dargestellt nicht erheblich, ob sie als Handelsvertreterin Gewinn oder Verlust macht. Allein entscheidend ist, welche Gestaltungsspielräume der Klägerin noch verblieben und ob die persönliche Abhängigkeit das für Arbeitsverhältnisse typische Maß erreicht hat. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Klägerin aufgrund langer Ladenöffnungszeiten notwendiger Vorbereitungszeiten vor der Ladenöffnung sowie der geringen Einnahmen selbst in erheblichem Maß Arbeitsleistungen zu erbringen hatte, dies allerdings nicht aufgrund vertraglich übernommener Verpflichtung mit der Beklagten. Ihrem Vortrag lässt sich aber nicht entnehmen, dass die Beschäftigung mehrerer geringfügig beschäftigter Angestellten, auch eines unentgeltlich mitarbeitenden Ehemannes keine wirtschaftlich sinnvolle Alternative gewesen ist. Allein der Umstand, dass die Klägerin Mitarbeiter beschäftigte, zeigt, dass dies gegenüber der eigenen Tätigkeit eine wirtschaftlich sinnvolle Alternative gewesen ist.

Damit steht fest, dass die Klägerin sowohl praktisch als auch tatsächlich in ihrer Vertragsgestaltung darin frei war, ob sie persönliche Arbeitsleistungen erbringen musste. Jedenfalls war sie vertraglich nicht verpflichtet, gegenüber der Beklagten aufgrund der übernommenen vertraglichen Pflichten persönlich Arbeitsleistung zu erbringen. Damit ist das vom Arbeitsgericht gefundene Ergebnis zutreffend. Die Gesamtschau des Vertragsverhältnisses ergibt nicht, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten zur Leistung weisungsgebundener fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet war.

Nach allem musste die gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Mainz gerichtete Beschwerde der Klägerin erfolglos bleiben. Sie war mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO und der Wertfestsetzung gem. § 3 ff. ZPO kostenpflichtig zurückzuweisen.

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht. Die Entscheidung ist daher unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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