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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 12.07.2005
Aktenzeichen: 5 Sa 1031/04
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG, BetrVG, BGB, ZPO, ArbPlSchG


Vorschriften:

ArbGG § 58 Abs. 2
ArbGG § 69 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1
KSchG § 1 Abs. 3 S. 1 HS 1
KSchG § 1 Abs. 3 S. 3
KSchG § 1 Abs. 5
KSchG § 1 Abs. 5 S. 1
KSchG § 1 Abs. 5 S. 2
KSchG § 1 Abs. 5 S. 3
KSchG § 17 Abs. 1
KSchG § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
KSchG § 23 Abs. 1
BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 1 S. 1
BetrVG § 102 Abs. 1 S. 2
BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3
BetrVG § 102 Abs. 2 S. 1
BetrVG § 102 S. 3
BetrVG § 111
BGB § 126
ZPO § 138 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 2
ZPO § 138 Abs. 3
ArbPlSchG § 2 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 5 Sa 1031/04

Entscheidung vom 12.07.2005

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 08.11.2004 - 8 Ca 1757/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 6.000,- EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die am 09.01.1958 geborene Klägerin ist seit dem 03.02.1997 bei der Beklagten als Arbeiterin beschäftigt gewesen. Die Beklagte stellt Flaschenverschlüsse für die Mineralwasser- und Süßgetränkebranche her. Am 27.01.2004 vereinbarten Geschäftsleitung und Betriebsrat den als "Betriebsvereinbarung 01/2004" bezeichneten Interessenausgleich (Bl. 21 ff. d. A.) und am 19.02.2004 den als "Betriebsvereinbarung 2/2004" bezeichneten Sozialplan. Am 16.06.2004 (oder am 17.06.2004) unterzeichnete der Zeuge und Betriebsratsvorsitzende A. die - auch von der Geschäftsleitung der Beklagten unterzeichnete - "Protokollnotiz/Zusatzvereinbarung zum Interessenausgleich vom 27.01.2004" vom 16.06.2004 (- folgend: Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004). Mit dem Schreiben vom 28.06.2004 (Bl. 5 d. A.) kündigte die Beklagte der Klägerin zum 31.08.2004.

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 08.11.2004 - 8 Ca 1757/04 - (dort S. 2 f. = Bl. 92 f. d. A., - wobei das dort angegebene Änderungsdatum "16. Juli 2004" allerdings richtig 16.06.2004 lauten muss). Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das am 01.12.2004 zugestellte Urteil vom 08.11.2004 - 8 Ca 1757/04 - hat die Klägerin am 21.12.2004 Berufung eingelegt und diese am 01.03.2005 - innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist (s. dazu den Verlängerungsbeschluss vom 25.01.2005 - 5 Sa 1031/04 -, Bl. 112 d. A.) - begründet.

Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 01.03.2005 (Bl. 114 ff. d. A.) verwiesen.

Die Klägerin macht dort u.a. geltend, dass die Wirksamkeit der Kündigung bereits an der Betriebsratsanhörung scheitere. Die Beklagte habe den Betriebsrat - insoweit unstreitig - nicht darüber informiert, dass die Klägerin zwei unterhaltsberechtigte Kinder habe (nämlich die am 27.08.1986 geborene Tochter S. und den am 01.06.1988 geborenen Sohn A.). Die Beklagte habe sich (auch) im Rahmen der Betriebsratsanhörung nicht auf die Angaben in der Lohnsteuerkarte der Klägerin verlassen dürfen.

Die Klägerin macht weiter geltend:

Angesichts dessen, dass die Mitteilungen der Beklagten im Anhörungsschreiben vom 18.06.204 (s. Kopie Bl. 43 d. A.) nicht auf die konkrete Beschäftigungssituation der Klägerin eingingen und auch nicht erkennbar sei, inwieweit die in Bezug genommenen Besprechungen konkret auf die Klägerin bezogen gewesen sein sollten, sei davon auszugehen, dass der Betriebsrat auch im Übrigen anhand der pauschalen Angaben der Beklagten nicht in der Lage gewesen sei, sich ein abschließendes Bild von der Berechtigung der beabsichtigten Kündigung zu machen.

Das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe - so führt die Klägerin weiter aus - könne in Bezug auf die Kündigung weder nach § 1 Abs. 5 KSchG vermutet, noch sonst festgestellt werden. Die Klägerin bestreitet, dass das Original der Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 durch Heftklammer fest mit der Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter vom 16.06.2004 verbunden gewesen sein soll. Im Übrigen sei die Bezugnahme bereits nicht eindeutig, weil ganz offensichtlich mehrere Fassungen der Namensliste existierten.

Die Klägerin weist auf den - unstreitigen - Umstand hin, dass die Namensliste (vom 16.06.2004) weder von den Betriebsparteien unterzeichnet, noch fest mit dem Interessenausgleich vom 27.01.2004 verbunden ist. Weiter rügt die Klägerin, dass die Betriebsparteien in der Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 keine Vereinbarung darüber getroffen haben, dass etwa die bisherigen Anlagen A bis C zum Interessenausgleich vom 27.01.2004 keine Gültigkeit mehr haben sollten bzw. wie diese Anlagen nunmehr im Verhältnis zu den behaupteten Anlagen zur Zusatzvereinbarung Gültigkeit haben sollten (siehe dazu näher S. 5 der Berufungsbegründung vom 01.03.2005 (Bl. 118 d. A.).

Die Sozialauswahl beanstandet die Klägerin als grob fehlerhaft. Dazu führt die Klägerin auf den S. 6 ff. der Berufungsbegründung näher aus, - worauf verwiesen wird (Bl. 119 ff. d. A.). Weiter beanstandet die Klägerin die streitgegenständliche Kündigung als (unzulässige) Wiederholungskündigung. In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin auf den vorangegangenen Kündigungsschutzprozess - 3 Ca 431/04 - = 5 Sa 674/04 -, in dem rechtskräftig festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 30.01.2004 nicht beendet worden ist; Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30.11.2004 - 5 Sa 674/04 -).

Schließlich bestreitet die Klägerin unter Bezugnahme auf EuGH vom 27.01.2005, dass die Beklagte der Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 KSchG rechtzeitig genügt habe.

Weiter äußert sich die Klägerin in den Schriftsätzen vom 28.04.2005 (Bl. 171 f. d. A.), vom 03.06.2005 (Bl. 200 f. d. A.) und vom 04.07.2005 (Bl. 216 f. d. A.), worauf jeweils verwiesen wird.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 08.11.2004 - 8 Ca 1757/04 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.06.2004 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgericht nach näherer Maßgabe ihrer Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 07.04.2005 (Bl. 133 ff. d. A.), worauf verwiesen wird.

Die Beklagte führt dort u.a. aus, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden sei. Sie, die Beklagte, sei nur bezüglich der Sozialdaten zur Mitteilung gegenüber dem Betriebsrat verpflichtet gewesen, die sie gekannt habe. Die Beklagte habe sich auf die Angaben in der Lohnsteuerkarte der Klägerin ("Lohnsteuerklasse V/0") verlassen dürfen. Soweit sich die Klägerin darauf berufen wolle, ihre Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den beiden Kindern seien im Betrieb bekannt gewesen, sei dieser Vortrag pauschal und unsubstantiiert. Auch im Übrigen - so macht die Beklagte weiter geltend - sei der Betriebsrat im Rahmen des § 102 BetrVG ausreichend unterrichtet worden.

Die Beklagte nimmt für sich die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG in Anspruch. In der Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 sei ein eigenständiger Interessenausgleich zu sehen, so dass die Verbindung zwischen dieser Vereinbarung und der Namensliste mit Heftklammer auch als wirksame einheitliche Urkunde im Sinne der BAG-Rechtsprechung zu werten sei. In einem derartigen Fall bedürfe es nicht zwingend der Unterzeichnung der Namensliste durch die Betriebsparteien. Nicht richtig sei die Vermutung der Klägerin, es würden mehrere Fassungen der Namensliste existieren. Tatsache sei, dass die bereits vorgelegte Kündigungsliste mit dem Betriebsrat abgestimmt worden sei und mit der Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 durch Heftklammer verbunden worden sei (- s. dazu näher die Schriftsätze der Beklagten vom 03.06.2005, Bl. 193 ff. d. A., und vom 08.07.2005, Bl. 220 f. d. A.).

Soweit die Klägerin auf das LAG-Urteil vom 30.11.2004 - 5 Sa 674/04 - verweist, hält die Beklagte dem entgegen, dass dort über den ersten Kündigungssachverhalt, - mithin über einen anderen Sachverhalt mit entsprechend anderer rechtlicher Wertung entschieden worden sei.

Die Sozialauswahl habe sie, die Beklagte, durch Vorlage der mit dem Betriebsrat abgestimmten Übersicht "Personalqualifikation" (s. Kopie Bl. 40 d. A.), die auch mit der Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 und mit der Kündigungsliste verbunden gewesen sei, ausreichend dargelegt. Zur Sozialauswahl führt die Beklagte näher aus auf den S. 4 ff. der Berufungsbeantwortung (= B. 152 ff. d. A.), worauf verwiesen wird.

Würde man die zwei Kinder der Klägerin - so macht die Beklagte geltend - mit acht Punkten noch zu den bereits festgestellten 62 Sozialpunkten der Klägerin hinzurechnen, würde die Klägerin auf eine Gesamtpunktzahl von 70 kommen. Ausweislich der vorgelegten Listen würde die Klägerin dann von Kündigungsrang sieben auf Kündigungsrang elf "hochrutschen". Aus dem betreffenden Bereich seien jedoch insgesamt 19 Mitarbeiter gekündigt worden.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt verwiesen.

Die Akte - 5 Sa 674/04 - LAG Rheinland-Pfalz war zu Informationszwecken (- nicht zu Beweiszwecken -) beigezogen.

Im Berufungsverfahren wurde Beweis erhoben gem. Beweisbeschluss vom 12.07.2005 (Bl. 223 f. d. A.) durch Vernehmung der Zeugen Betriebsratsvorsitzenden A. und Personalleiter B.. Die Zeugenaussagen sind festgehalten in der Sitzungsniederschrift vom 12.07.2005 - 5 Sa 1031/04 - (dort S. 3 ff. = Bl. 224 ff. d. A.). Hierauf wird zwecks Darstellung des Inhalts der Beweisaufnahme verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als unbegründet.

II.

Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Die Kündigung vom 28.06.2004 hat das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.08.2004 aufgelöst.

1.

Zwar sind die persönlichen und betrieblichen Anwendungsvoraussetzungen der §§ 1 Abs. 1 und 23 Abs. 1 KSchG erfüllt. Die Kündigung ist jedoch nicht sozial ungerechtfertigt.

a) Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse (im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG), die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin im Betrieb entgegenstehen, bedingt. Dies ergibt sich aus der - von der Klägerin nicht widerlegten - Vermutung des § 1 Abs. 5 S.1 KSchG. Nach den - nachfolgend zu treffenden - Feststellungen sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG erfüllt. Es liegt eine Betriebsänderung vor, derentwegen ein wirksamer Interessenausgleich zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat abgeschlossen wurde und es liegt eine Namensliste vor, die als Bestandteile des Interessenausgleichs anzusehen ist und in der die Klägerin namentlich als zu kündigende Arbeitnehmerin aufgeführt ist (Kopie der Namensliste vom 16.06.2004, Bl. 42 d. A.). Bei der in Ziffer 2. der Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 in Bezug genommenen Namensliste handelt es sich um die Namensliste vom 16.06.2004, von der nicht mehrere unterschiedliche Fassungen existieren, sondern nur eine einzige Fassung, - nämlich die, der Zeuge B. dem Zeugen A. vor der Betriebsratssitzung vom 16.06.2004 übergeben hat. Die Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 ist wirksam zustandegekommen. Der Betriebsrat hat in der Betriebsratssitzung vom 16.06.2004 durch Beschlussfassung das entsprechende Angebot der Beklagten, mit ihr die Zusatzvereinbarung abzuschließen, angenommen.

aa) Die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 5 KSchG scheitert nicht schon daran, dass die Namensliste nicht im Interessenausgleich selbst, sondern in einer Anlage enthalten ist. Es ist anerkanntes Recht, dass soweit in arbeitsrechtlichen Gesetzen eine Schriftform vorgesehen ist, diese gegenüber der allgemeinen Regel des § 126 BGB jedenfalls nicht verschärften Anforderungen unterliegt. Nach näherer Maßgabe der Rechtsprechung des BGH erfordert die Schriftform des § 126 BGB dann keine körperliche Verbindung der einzelnen Blätter der Urkunde, wenn sich deren Einheit etwa aus dem inhaltlichen Zusammenhang des Textes oder aus vergleichbaren Merkmalen zweifelsfrei ergibt (BGH vom 24.09.1997 - XII ZR 234/95 -). Bei Anwendung der Grundsätze dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass es unschädlich ist, dass die Namensliste nicht unmittelbar "im" Interessenausgleich vom 27.01.2004 enthalten ist. Unschädlich ist weiter, dass weder die Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004, noch die Namensliste vom 16.06.2004 mit dem Interessenausgleich vom 27.01.2004 fest verbunden sind. Gleichwohl ist hier der Fall gegeben, dass in einem Interessenausgleich die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, namentlich bezeichnet sind. Zu diesen namentlich bezeichneten Arbeitnehmern gehört auch die Klägerin.

Die Betriebspartner haben in der Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 in zulässiger Weise vereinbart, dass die "Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter" Bestandteil des Interessenausgleichs vom 27.01.2004 wird. Unter den gegebenen Umständen besteht nach durchgeführter Beweisaufnahme kein Zweifel daran, dass mit dieser "Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter" die Namensliste vom 16.06.2004 gemeint ist, von der die Beklagte die Kopie (Bl. 42 d. A.) zur Gerichtsakte gereicht hat und die der Zeuge A. während seiner Vernehmung vom 12.07.2005 vorgelegt hat (s. dazu Hülle Bl. 234 d. A.; vgl. dazu weiter die Namensliste, die die Beklagte gegen Ende des Termins vom 12.07.2005 noch zur Gerichtsakte gereicht hat, Hülle Bl. 235 d. A.).

Die Liste vom 16.06.2004 trägt die Überschrift "Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter als Bestandteil des Interessenausgleichs vom 27.01.2004". Diese Namensliste vom 16.06.2004 ist dem Betriebsratsvorsitzenden vor der Betriebsratssitzung vom 16.06.2004 zusammen mit der Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 und den Schriftstücken "Personalqualifikationen" und "Sozialauswahl" (Kopien Bl. 40 f. d. A.) übergeben worden. Dies steht aufgrund der glaubhaften Bekundungen der Zeugen A. und B., die bei ihrer Vernehmung beide einen glaubwürdigen Eindruck gemacht haben, zur vollen Überzeugung der Berufungskammer fest. Da die Aussagen der beiden Zeugen glaubhaft und widerspruchsfrei sind, hat die Berufungskammer diese Zeugenaussagen ihrer Entscheidung zugrunde gelegt.

Von der Beeidigung der Zeugenaussagen konnte unter Berücksichtigung des § 58 Abs. 2 ArbGG abgesehen werden. Der Zeuge A. hat weiter glaubhaft bekundet, dass in der Betriebsratssitzung auch die Namensliste behandelt worden sei. Aus dem Zusammenhang der Aussage des Zeugen ergibt sich eindeutig, dass mit "Namensliste" eben die Liste vom 16.06.2004 gemeint ist, die dem Zeugen A. vor der Betriebsratssitzung von dem Zeugen B. übergeben worden war. Diese Namensliste vom 16.06.2004 ist ebenso wie die Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 Gegenstand der Betriebsratssitzung gewesen (s. Sitzungsniederschrift vom 12.07.2005 - 5 Sa 1031/04 - dort S. 4 - unten - = Bl. 225 d. A.). Der Betriebsrat hat am 16.06.2004 zum Tagesordnungspunkt 2 beschlossen, "die Vereinbarung wie vorgelegt zu unterschreiben" (s. dazu Seite 1 Abs. "zu 2" Sätze 1 und 2 des Protokolls der Betriebsratssitzung vom 16.06.2004, Hülle Bl. 234 d. A., i. V. m. der eben zitierten Aussage des Zeugen A. aaO.). Der Betriebsratsvorsitzende und Zeuge A. hat die Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 dann so unterschrieben, wie dies aus der Kopie Bl. 39 d. A. und den von diesem Zeugen und der Beklagten im Termin vom 12.07.2005 vorgelegten Unterlagen ersichtlich ist (Hüllen Bl. 234 und Bl. 235 d. A.). Ebenso wie der Personalleiter und Zeuge B. dem Betriebsratsvorsitzenden und Zeugen A. vor der Betriebsratssitzung vom 16.06.2004 die Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 mit der Namensliste vom 16.06.2004 übergeben hat, hat der Betriebsratsvorsitzende nach der Betriebsratssitzung vom 16.06.2004 dem Personalleiter die - nunmehr von beiden Betriebsparteien unterschriebene - Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 zusammen mit der Namensliste vom 16.06.2004 zurückgegeben. (Auch) dies steht aufgrund der glaubhaften Bekundungen der beiden Zeugen fest. Im Hinblick hierauf und aufgrund des inhaltlichen Zusammenhanges des jeweiligen Textes, insbesondere der Überschrift der Liste vom 16.06.2004 ("Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter als Bestandteil des Interessenausgleichs vom 27.01.2004"), ergibt sich zweifelsfrei, dass der Interessenausgleich vom 27.01.2004, die Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 und die dort in Ziffer 2. ausdrücklich in Bezug genommene "Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter", also die Liste vom 16.06.2004, eine einheitliche Urkunde darstellen.

Dass der Betriebsrat seinerzeit die Namensliste "nur zur Kenntnis" nehmen wollte, ist nach Außen nicht in Erscheinung getreten. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Betriebsratsvorsitzende bei Rückgabe der Unterlagen nach der Betriebsratssitzung vom 16.06.2004 dem Personalleiter der Beklagten einen entsprechenden Vorbehalt deutlich gemacht hätte.

Im Hinblick auf die - aufgrund der Beweisaufnahme bewiesenen - besonderen Umstände des vorliegenden Falles wirkt es sich nicht zum Nachteil der Beklagten aus, dass der Zeuge B. die körperliche Verbindung zwischen Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 und der Namensliste vom 16.06.2004 mittels Heftmaschine erst nach der Betriebsratssitzung vom 16.06.2004 hergestellt hat. Im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 28.06.2004 waren Zusatzvereinbarung und Namensliste mittels Heftklammer körperlich so miteinander fest verbunden, dass eine Lösung nur durch Gewaltanwendung (Lösen der Heftklammer) möglich gewesen wäre. (Auch) dies ergibt sich aus den glaubhaften Bekundungen des Zeugen B. (S. 9 der Sitzungsniederschrift vom 12.07.2005 - 5 Sa 1031/04 - = Bl. 230 d. A.). Die feste Verbindung der genannten Unterlagen lag demgemäß bereits vor, als die Beklagte das Anhörungsverfahren gem. § 102 BetrVG einleitete. Die vier Unterlagen, - Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 mit den drei dazugehörenden Unterlagen "Personalqualifikationen", "Sozialauswahl" und "Namensliste" -, waren "fest miteinander verbunden" als der Zeuge B. dem Betriebsratsvorsitzenden die Unterlagen im Zusammenhang mit der Einleitung des Verfahrens gem. § 102 BetrVG zur Verfügung stellte.

bb) Das im Interessenausgleich vom 27.01.2004 beschriebene Geschehen stellt den Tatbestand eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG dar. Die Klägerin ist (auch) von den im Interessenausgleich genannten Maßnahmen betroffen (vgl. dazu § 1 Ziff. 2 b des Interessenausgleiches = Bl. 22 d. A.). Davon ist bei seiner Zeugenvernehmung (auch) der Betriebsratsvorsitzende A. ausgegangen, der als angegebenen Kündigungsgrund den "Rückgang der Aluminiumproduktion" nannte, der seines Erachtens auch "nachweislich gegeben ist" (Sitzungsniederschrift vom 12.07.2005 dort S. 6 = Bl. 227 d. A.). Bei der in § 1 Ziffer 2. b) genannten Abteilung "RO/RC ..." handelt es sich um den Aluminium-Bereich (- Fertigung von Aluminium-Verschlüssen -), in dem die Klägerin - als Maschinenbedienerin - ganz überwiegend eingesetzt war. Soweit die Klägerin auch andere Tätigkeiten ausgeübt haben will, hat sie die ihr gemäß § 138 Abs. 1 und 2 ZPO obliegende Einlassungs- und Erklärungslast nicht genügend erfüllt. Der von der Beklagten behauptete (überwiegende) Einsatz der Klägerin als Maschinenbedienerin im Aluminiumbereich (s. dazu S. 5 des Schriftsatzes vom 10.08.2004 = Bl. 17 d. A.; S. 2 - oben - des Schriftsatzes vom 07.04.2005 = Bl. 153 d. A.) gilt deswegen gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Unabhängig davon hat auch der Zeuge A. bestätigt, dass die Klägerin im Aluminiumbereich gearbeitet hat ("... u.a. an der Darexmaschine ..."; s. S. 6 der Sitzungsniederschrift vom 12.07.2005 - 5 Sa 1031/04 - = Bl. 227 d. A.).

Im Übrigen beschränken sich die im Interessenausgleich genannten Maßnahmen keineswegs auf die Produktion von Aluminiumverschlüssen, sondern erstrecken sich auf weitere Bereiche, - so u.a. auch auf die Abteilung Kunststoff (s. dazu im Einzelnen § 1 Ziffer 2 a) bis f) des Interessenausgleiches).

cc) Da sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs vom 27.01.2004 nicht wesentlich geändert hat, ist es vorliegend Sache der Klägerin gewesen darzulegen, dass dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG nicht gegeben sind. Da die Klägerin jedoch keine der Vermutung des 1 Abs. 5 S. 1 KSchG widersprechende Tatsachen dargetan hat, ist hier vom Vorliegen des betriebsbedingten Kündigungsgrundes auszugehen.

b) Freilich ist eine Kündigung, wenn einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gekündigt worden ist, trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat (§ 1 Abs. 3 S. 1 HS 1 KSchG). Insoweit hat der Arbeitnehmer gem. § 1 Abs. 3 S. 3 KSchG die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 1 HS 1 KSchG erscheinen lassen. Da der Gesetzgeber vom Arbeitgeber bei der Sozialauswahl aber nur eine "ausreichende" Berücksichtigung der - nunmehr im Gesetz ausdrücklich genannten - sozialen Grunddaten (Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) verlangt und dem Gesetz jeglicher Bewertungsmaßstab fehlt, wie die einzelnen Sozialdaten zueinander in ein Verhältnis zu setzen sind, ist dem Arbeitgeber bereits im Rahmen des § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG bei der Sozialauswahl nach näherer Maßgabe von Gesetz und Rechtsprechung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Auch außerhalb des § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG führt der dem Arbeitgeber vom Gesetz eingeräumte Wertungsspielraum dazu, dass nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer mit Erfolg die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl rügen können. Im Rahmen des § 1 Abs. 5 KSchG, dessen Anwendungsvoraussetzungen nach dem oben Festgestellten erfüllt sind, verändert sich diese Rechtslage einschließlich der sich darauf beziehenden Darlegungslast des Arbeitnehmers noch dadurch zum Nachteil des Arbeitnehmers, dass die Gerichte für Arbeitssachen die soziale Auswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfen können (§ 1 Abs. 5 S. 2 KSchG). Dabei bezieht sich der Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit nicht nur auf die sogenannten sozialen Indikatoren und deren Gewichtung selbst. Vielmehr wird die gesamte Sozialauswahl, also insbesondere auch die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen, von den Gerichten für Arbeitssachen nur auf grobe Fehler überprüft. Grob fehlerhaft im Sinne des § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG ist eine soziale Auswahl, wenn ein evidenter Fehler vorliegt und der Interessenausgleich insbesondere bei der Gewichtung der Auswahlkriterien jede Ausgewogenheit vermissen lässt. Diese Voraussetzungen einer groben Fehlerhaftigkeit liegen hier nicht vor. Das tatsächliche Vorbringen der Klägerin, so wie es insbesondere in der Berufungsbegründung dort S. 6 bis 11 enthalten ist, rechtfertigt es nicht, die von der Beklagten getroffene Sozialauswahl als grob fehlerhaft zu bewerten. Dabei ist die Berufungskammer in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches nicht nur für ihren Ehemann, sondern auch für die beiden Kinder unterhaltspflichtig gewesen ist. Die Nichtberücksichtigung dieser weiteren Unterhaltspflichten der Klägerin durch die Beklagte beruht darauf, dass sich die Beklagte insoweit auf die unstreitigen Angaben in der Lohnsteuerkarte der Klägerin ("5/0") verlassen hat. Demgemäß war in der Lohnsteuerkarte der Klägerin kein Kinderfreibetrag eingetragen. In der Literatur wird - wenn auch vereinzelt und nach näherer Maßgabe der jeweiligen Ausführungen - die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber komme seiner Pflicht, bestehende Unterhaltspflichten zu beachten, nach, wenn er sie der Lohnsteuerkarte entnehme (Erfurter Kommentar-Ascheid, 5. Auflage, Kündigungsschutzgesetz, § 1 Rz 488; Hümmerich/Spirolke, NZA 1998, 800; Fischermeier, NZA 1997, 1094). In ähnlicher Weise hat das LAG Baden-Württemberg im Zusammenhang mit der Betriebsratsanhörung gem. § 102 BetrVG entschieden, dass den Arbeitgeber keine dahingehende Nachforschungspflicht treffe, aufzuklären, ob die in der Lohnsteuerkarte enthaltenen Angaben zutreffen (Urteil vom 09.11.1990 - 15 Sa 86/90 -; ähnlich auch LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.08.2004 - 5 Sa 93/04 -). Mit Rücksicht auf diese in Literatur und Rechtsprechung vertretene Auffassung kann die soziale Auswahl, zu der die Beklagte sich im Prozess ausreichend erklärt hat, nicht als grob fehlerhaft angesehen werden. Soweit die Klägerin - was zweifelhaft ist - überhaupt schlüssig dargetan hat, dass die von ihr im Zusammenhang mit der Frage der Sozialauswahl genannten Arbeitnehmer mit ihr vergleichbar seien, hat sie im Übrigen - auch bei Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Unterhaltspflichten - nicht einen derartigen Vorsprung vor den anderen (nicht gekündigten) Arbeitnehmern, dass ihre Rüge im Rahmen des § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG erfolgreich sein könnte.

Davon, dass die Beklagte die tatsächliche Zahl der Unterhaltsverpflichtungen der Klägerin gekannt hat, kann nicht ausgegangen werden (s. dazu unter Ziffer II. 3.).

Da die Klägerin hiernach einen evidenten Fehler der Beklagten bei der Sozialauswahl nicht aufgezeigt hat, erweist sich die Kündigung nicht als ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 1 HS 1 KSchG.

2.

Die Kündigung erweist sich nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer sogenannten Wiederholungskündigung/Trotzkündigung als unzulässig oder ungerechtfertigt. Anders als die gem. § 1 Abs. 5 S. 3 KSchG relevante Sachlage, die sich nach Zustandekommen des Interessenausgleichs vom 27.01.2004 nicht wesentlich geändert hat, hat sich der Kündigungssachverhalt, der in der vorliegenden Entscheidung zu beurteilen ist, gegenüber dem Kündigungssachverhalt, der zum Streitgegenstand des Verfahrens - 5 Sa 674/04 - gehörte, geändert. Die entsprechende Veränderung der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des Kündigungssachverhalts besteht eben (auch) darin, dass bei Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung vom 28.06.2004 - anders als zuvor - nunmehr die Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 nebst Namensliste vom 16.06.2004 bestand. Damit ist aufgrund der damit einhergehenden wesentlichen Änderung des Sachverhalts ein neuer Kündigungstatbestand gegeben. Unabhängig davon ist in dem ersten Kündigungsschutzprozess - 5 Sa 674/04 - = 3 Ca 431/04 - nicht festgestellt worden, dass die damals von der Beklagten behaupteten dringenden betrieblichen Erfordernisse die Kündigung nicht rechtfertigen könnten. Eine abschließende materielle Prüfung wurde insoweit im Urteil vom 30.11.2004 - 5 Sa 674/04 - gerade nicht vorgenommen. Dort blieb offen, ob es der Beklagten gelungen war, die Betriebsbedingtheit der Kündigung hinreichend darzulegen (S. 5 des Urteils vom 30.11.2004 - 5 Sa 674/04 -).

3.

Die Kündigung ist nicht gem. § 102 S. 3 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat das Anhörungsverfahren ordnungsgemäß am 18.06.2004 eingeleitet. Dies steht aufgrund der Bekundungen der Zeugen A. und B. in Verbindung mit den Unterlagen fest, die A. zur Gerichtsakte gereicht hat (s. dazu die Hülle Bl. 234 d. A.). Zusammen mit der "Mitteilung an den Betriebsrat" vom 18.06.2004 (s. dazu auch die Kopie Bl. 43 d. A.) wurden dem Betriebsratsvorsitzenden am 18.06.2004 übergeben:

- die Liste vom 18.06.2004 über "Geplante Kündigungen gem. Anhörung vom 18.06.2004",

- sowie Personallisten bezüglich aller Abteilungen/Bereiche des Betriebes; außerdem wurden dem Betriebsratsvorsitzenden erneut übergeben

- die Unterlagen, die der Personalleiter dem Betriebsratsvorsitzenden bereits am 16.06.2004 vor der an diesem Tage stattfindenden Betriebsratssitzung übergeben hatte, - also die Zusatzvereinbarung vom 16.06.204 sowie die Namensliste vom 16.06.2004 und die Schriftstücke "Personalqualifikationen" und "Sozialauswahl".

Aus diesen Unterlagen konnte der Betriebsrat - gerade auch in Bezug auf die Klägerin - entnehmen: die Art der beabsichtigten Kündigung, die jeweilige Kündigungsfrist sowie die Sozialdaten der zu kündigenden Arbeitnehmer und der im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmern. Soweit die Unterhaltsverpflichtungen der Klägerin für zwei Kinder nicht angegeben worden sind, führt dieser Mangel nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung gem. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG. Der Zeuge und Personalleiter B. hat glaubhaft bekundet (- Sitzungsniederschrift vom 12.07.2005, dort S. 9 - unten - = Bl. 230 d. A.) -, dass ihm nicht bekannt gewesen sei, dass die Klägerin zwei unterhaltsberechtigte Kinder habe. Anhaltspunkte dafür, dass diese Kenntnis bei (anderen) vertretungsberechtigten Personen der Beklagten aktuell bei Einleitung des Anhörungsverfahrens und bei Kündigungsausspruch vorhanden gewesen ist, sind nicht gegeben. Damit erweist sich die fehlende Angabe der Unterhaltsverpflichtungen der Klägerin für die beiden Kinder im Rahmen des § 102 BetrVG als unerheblich. Es ist anerkanntes Recht, dass an die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen des § 102 BetrVG nicht dieselben Anforderungen zu stellen sind wie an die Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess. Nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung gilt für § 102 Abs. 1 S. 1 und 2 BetrVG der Grundsatz der sogenannten "subjektiven Determinierung". Demzufolge ist der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat. Um keine Frage der subjektiven Determinierung handelt es sich allerdings dann, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat den Sachverhalt bewusst irreführend schildert, damit sich die Kündigungsgründe als möglichst überzeugend darstellen. Nach Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens ist eine bewusst und gewollt unrichtige oder unvollständige Mitteilung der für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers maßgebenden Kündigungsgründe wie eine Nichtinformation des Betriebsrates zu behandeln. Ein derartiger oder damit vergleichbarer Sachverhalt ist vorliegend jedoch nicht gegeben.

Da an die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen des § 102 BetrVG eben nicht dieselben Anforderungen zu stellen sind wie an seine Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess, sind auch die am 18.06.2004 erfolgten Angaben zum Kündigungsgrund (gerade noch) ausreichend, um das Anhörungsverfahren ordnungsgemäß einzuleiten. In dem Anhörungsschreiben vom 18.06.2004 wird unter Bezugnahme auf den Interessenausgleich vom 27.01.2004 und auf die Zusatzvereinbarung vom 16.06.2004 mitgeteilt, dass zur nachhaltigen Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und zur Erlangung einer erhöhten Wettbewerbsfähigkeit eine Anpassung/Optimierung aller Kostenbereiche dringend erforderlich sei. Dies sei auch mit dem Wegfall von Arbeitsplätzen verbunden. Den Inhalt der in Bezug genommenen Unterlagen - Interessenausgleich und Zusatzvereinbarung - kannte der Betriebsrat am 18.06.2004. Im Interessenausgleich heißt es aber, - den Aluminiumbereich und die Druckerei betreffend u.a.:

Einführung Drei-Schichtsystem und Personalbesetzung je Schicht führt zu einem Personalabbau von 36 Mitarbeitern.

Außerdem werden dort weitere Maßnahmen geregelt. Von den in dem Interessenausgleich geregelten Maßnahmen war auch die Klägerin betroffen, wie der Betriebsrat der Zusatzvereinbarung und der Namensliste vom 16.06.2004 entnehmen konnte. (Auch) kannte der Betriebsratsvorsitzende den - "nachweislich gegeben(en)" - Rückgang der Aluminiumproduktion ( = Zeugenaussage des Betriebsratsvorsitzenden A., S. 6 der Sitzungsniederschrift vom 12.07.2005 = Bl. 227 d. A.).

Die Beklagte hat das hiernach am 18.06.2004 ordnungsgemäß eingeleitete Anhörungsverfahren auch ordnungsgemäß durchgeführt, denn sie hat der Klägerin die Kündigung unstreitig erst nach Ablauf der einwöchigen Frist des § 102 Abs. 2 S. 1 BetrVG erklärt.

4.

Die Unwirksamkeit der Kündigung lässt sich nicht aus § 17 Abs. 1 KSchG herleiten. Zwar ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er in Betrieben mit in der Regel 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlasst werden (vgl. § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2 KSchG). Soweit es um die Anzahl der Ende Juni 2004 bzw. am 28.06.2004 (regelmäßig) im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer geht, haben die Parteien diese mit 276 Mitarbeitern (Schriftsatz der Beklagten vom 25.04.2005, Bl. 168 f. d. A. i. V. m. Bl. 176 d. A.) und mit 280 Arbeitnehmern (Schriftsatz der Klägerin vom 28.04.2005, dort S. 1 = Bl. 171 d. A.) angegeben. Zwar ist eine nur zufällige tatsächliche Beschäftigtenzahl zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs unbeachtlich. Vielmehr ist die Beschäftigungslage maßgebend, die im Allgemeinen für den Betrieb kennzeichnend ist. Dass die Beklagte gegen Ende Juni 2004 die Zeit eines außergewöhnlich hohen oder eines entsprechend niedrigen Geschäftsanfalls - derartige Zeiten sind im Rahmen des § 17 Abs. 1 KSchG nicht zu berücksichtigen - zu verzeichnen gehabt hätte, ist allerdings nicht ersichtlich. Es lässt sich nicht feststellen, dass es sich bei den von den Parteien genannten Zahlen nur um zufällige Beschäftigtenzahlen handelt. Mangels ausreichender anderweitiger Anhaltspunkte ist deswegen davon auszugehen, dass die von den Parteien genannte personelle Stärke (= 276 bzw. 280 Arbeitnehmer) der Arbeitnehmerzahl und der Beschäftigungslage entspricht, die seinerzeit im Allgemeinen für den Betrieb der Beklagten kennzeichnend gewesen ist. Gekündigt bzw. entlassen hat die Beklagte Ende Juni 2004 29 Arbeitnehmer (vgl. dazu S. 11 der Berufungsbeantwortung - dort am Ende - = Bl. 143 d. A. sowie den Schriftsatz der Beklagten vom 03.06.2005 (dort S. 4 unter III 1. d.) = Bl. 196 d. A.). Damit wäre an sich der Tatbestand einer anzeigepflichtigen Massenentlassung gem. § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KSchG zu bejahen, wenn unter "Entlassung" - ähnlich wie in § 2 Abs. 2 S. 2 Arbeitsplatzschutzgesetz - nicht das tatsächliche Ausscheiden mit Ablauf der Kündigungsfrist zu verstehen wäre, sondern die dem Ausscheiden vorangehende Beendigungs- bzw. Kündigungserklärung. Die Entscheidung des EuGH vom 27.01.2005 - Rs C 188/03 - DB 2005, 454 ist (wohl) so zu verstehen, dass der Arbeitgeber Kündigungen im Rahmen einer Massenentlassung erst nach Anzeige der beabsichtigten Massenentlassung bei der zuständigen Behörde/Agentur für Arbeit aussprechen darf. In diesem Zusammenhang ist der Beklagten jedoch Vertrauensschutz zu gewähren. Die Berufungskammer folgt insoweit den auch hier einschlägigen Erwägungen des LAG Köln im Urteil vom 25.02.2005 - 11 Sa 767/04 -. Die Beklagte hat am 26.01.2004 auf einem Formular der "Bundesanstalt für Arbeit" Massenentlassungsanzeige erstattet (Bl. 160 ff. d. A.). In dem Formular - S. 1 Rubrik "Bitte Beachten!" dort Nr. 4.5 heißt es - im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts -:

"... auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung kommt es dabei nicht an, sondern allein auf die Beendigung der Arbeitsverhältnisse (letzter Arbeitstag) ... ".

Zum 31.08.2004 hat die Beklagte aber nur zehn Arbeitnehmer - im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - "entlassen" (s. dazu die Aufstellung der Beklagten vom 25.04.2005, Bl. 168 f. d. A.). Stellt man - wie aus den vom LAG Köln genannten Gründen geboten - auf den Zeitpunkt der Beendigung der Arbeitsverhältnisse (= "letzter Arbeitstag" im Sinne des Formulars der "Bundesanstalt für Arbeit") ab, ist damit der Tatbestand einer (erneuten) Massenentlassung zu verneinen.

III.

Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung muss gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Klägerin tragen.

Der Streitwert wurde gem. den §§ 42 Abs. 4 S. 1 HS 1 und 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.

Die Rechtssache bzw. die entscheidungserheblichen Rechtsfragen haben grundsätzliche Bedeutung. Darauf beruht die Zulassung der Revision.

Ende der Entscheidung

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