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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 06.06.2006
Aktenzeichen: 5 Sa 181/06
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG, AV-E, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
KSchG § 2
KSchG § 2 Satz 1
KSchG § 4 Satz 2
AV-E § 1 Ziff. 2 Satz 2
AV-E § 2
AV-E § 2 Ziff. 1 Satz 2
AV-E § 2 Ziff. 2 Satz 1
AV-E § 10
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 242
BGB § 269 Abs. 1
BGB § 307
BGB § 611 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 5 Sa 181/06

Entscheidung vom 06.06.2006

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 22.12.2005 - 10 Ca 1457/05 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 28.04.2005 unwirksam ist.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 7.440,00 festgesetzt.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die ordentliche Änderungskündigung vom 28.04.2005. Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 22.12.2005 - 10 Ca 1457/05 - (dort S. 2 ff. = Bl. 105 ff. d. A.). Der dort erwähnte (= Urteil S. 4 = Bl. 107 d. A.), der Klägerin angebotene (neue) Anstellungsvertrag (- folgend: AV-E -) sieht u. a. auch vor:

"........ § 2 Mandatsschutz

1.

.......... Während des Bestehens des Anstellungsverhältnisses wird Frau A. es unterlassen auf Mandanten der M. T. GmbH zuzugehen, um sie für sich oder Dritte - gleich auf welche Art und Weise - zu gewinnen.

2.

Diese besondere Verpflichtung besteht auch für den Zeitraum von zwei Jahren nach Beendigung des Vertragsverhältnisses ...........

............

§ 10 MRT - Gruppe

Die Rechte aus diesem Vertrag können auch von der W. AG, B-Stadt, sowie von der Dr. K. GmbH, M-Stadt, ausgeübt werden. Ebenso bestehen die Verpflichtungen von Frau A. aus diesem Vertrag gegenüber diesen Gesellschaften. .............."

Wegen des Inhalts (- nicht: des Ergebnisses) der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme (Vernehmung der Zeuginnen P. und S.) wird auf Bl. 92 ff. d. A. verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das am 10.02.2006 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts vom 22.12.2005 - 10 Ca 1457/05 - hat die Klägerin am 23.02.2006 Berufung eingelegt und diese am 05.04.2006 mit dem Schriftsatz vom 04.04.2006 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 04.04.2006 (Bl. 139 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin macht dort u. a. geltend, dass sich die Beklagte nicht darauf beschränkt habe, der Klägerin nur solche Änderungen vorzuschlagen, die - im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - erforderlich und geeignet seien. Jedenfalls sei der Beklagten nicht die Darlegung der Erfüllung der Anforderungen gelungen, die nach Gesetz und Rechtsprechung an eine betriebsbedingte Änderungskündigung bzw. an jede einzelne damit angestrebte Änderung zu stellen seien. Über die von ihr im Schriftsatz vom 08.08.2005 genannten Vertragsänderungen hinaus nennt die Klägerin zusätzlich noch die Abrundungsregelung in § 1 Abs. 5 der "Zeitregelungen" (Bl. 64 d. A. = Anlage d) zur "Betriebsordnung" [BO] Bl. 44 ff. d. A., - s. dort § 26 BO). Die Klägerin vermisst die Darlegung eines hinreichenden Sanierungskonzeptes. Sie beanstandet die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts. Soweit die Beklagte Verluste geltend gemacht habe - so führt die Klägerin aus -, handele es sich nicht um - auf zu geringer Ertragskraft und zu hohen Personalkosten beruhenden - Verlusten aus dem normalen Geschäft, sondern um Sondereinflüsse bzw. expansionsbedingte zusätzliche Aufwendungen. Speziell zur Versetzungsklausel merkt die Klägerin an, dass nicht erkennbar sei, warum diese Klausel zur Sanierung des Unternehmens notwendig sei. Dem Arbeitsgericht wirft die Beklagte vor versäumt zu haben, differenziert auf jede einzelne (andere) Änderung des Arbeitsvertrages einzugehen. Bei differenzierter Betrachtung sei es offensichtlich, dass die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht ansatzweise nachgekommen sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des ArbG Koblenz vom 22.12.2005 - 10 Ca 1457/05 - abzuändern und festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingung im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 28.04.2005 unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt nach näherer Maßgabe ihrer Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 29.05.2006, auf deren Inhalt (Bl. 182 ff. d. A.) zwecks Darstellung aller Einzelheiten verwiesen wird, das Urteil des Arbeitsgerichts.

Die Beklagte vermisst eine substantiierte Darstellung der Klägerin zum Vortrag der Beklagten zu den (fehlenden) Umsatzerlösen und Personalaufwendungen. Sie, die Beklagte, habe das notwendige Sanierungskonzept vorgetragen und deutlich gemacht, dass die angestrebten Einsparungen zur Beseitigung der betrieblichen Schieflage erforderlich seien. Die Beklagte verweist u. a.

- auf die Vorlage zur Sitzung am 06.11.2004 (Bl. 23 ff. d. A.: "Mögliches Sanierungskonzept........."),

- den Gesellschafterbeschluss vom 06.11./08.11.2004 (Bl. 21 f. d. A.) und

- die Kalkulation der Beklagten (Bl. 30 d. A.: "Ertragsentwicklung der ...")

und führt dazu jeweils aus.

Die Personalkosten hätten sich - so behauptet die Beklagte - gegenüber dem Ausgangsjahr 2003 von 8,751 Mio. (Euro) aufgrund der beschlossenen Einsparungsmaßnahmen in der Prognose zum Ablauf des Jahres 2005 auf 7,129 Mio. (Euro) verringert und damit Einsparungseffekte allein von ca. 1,6 Mio. (Euro) erbracht. Addiere man hierzu die Sozialabgaben, so ergebe sich aus den Vergleichsjahren 2004 zu 2005 genau die Position von 9,451 Mio. (Euro) zu 8,474 Mio. (Euro), die im Urteil des Arbeitsgerichts behandelt worden seien (vgl. S. 8 des Urteilstatbestandes = Bl. 111 d. A.). Dass und warum diese Vorgaben unzutreffend sein sollten, sei in der Berufungsbegründung nicht ansatzweise aufgeführt. Für (ebenso) unklar hält die Beklagte die Angriffe der Klägerin gegen die vom Arbeitsgericht vorgenommene Beweiswürdigung über die durchgeführte Zeugeneinvernahme.

Das Zahlentableau der Beklagten dokumentiere, dass und in welcher Weise sich die Umsatzerlöse entwickelt hätten.

Die Rüge der Klägerin, es sei ja für die Sanierungsbemühungen der Beklagten völlig ausreichend, dass alle anderen Mitarbeiter (einvernehmlich) dem Sanierungskonzept zugestimmt hätten, so dass es für sie, die Klägerin, keine betriebliche Notwendigkeit mehr für eine Gehaltsreduzierung gäbe, geht nach Ansicht der Beklagten aus den von ihr auf Seite 4 f. der Berufungsbeantwortung (= Bl. 191 ff. d. A.) genannten Gründen ins Leere.

Es hätte eine grobe Begünstigung der Klägerin dargestellt, in ihrem Fall von der Durchsetzung des Sanierungskonzeptes Abstand zu nehmen. Das Argument der Klägerin, die "Sanierungslage" hätte sich zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches bereits erledigt, hält die Beklagte aus den von ihr auf den Seiten 5 f. der Berufungsbeantwortung genannten Gründen (= Bl. 192 f. d. A.) für unzutreffend. Für unverständlich hält die Beklagte den Einwand der Klägerin, es sei für die Klägerin nicht erkennbar, dass das Sanierungskonzept der Beklagten mittelfristig zu einer Verbesserung und damit auch zu einer Stabilisierung der Arbeitsplätze führen würde. Abschließend meint die Beklagte, dass darauf, dass die übrigen "Bereinigungen" sich entweder im Falle der Klägerin nicht weiter auswirkten (- und damit nicht Gegenstand einer Änderungsschutzklage sein könnten -) oder aber eine zulässige Lösung von bloßen Nebenabreden darstellten, das Arbeitsgericht bereits zutreffend eingegangen sei.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung ist begründet.

B.

Die Klage ist als Änderungsschutzklage gemäß § 4 Satz 2 KSchG zulässig und gemäß § 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 KSchG begründet.

I. Im Urteil des Arbeitsgerichts (dort Seite 9 ff. = Bl. 112 d. A.) werden - dort unter A. - zutreffend die Grundsätze dargestellt, die bei der rechtlichen Überprüfung einer Änderungskündigung zu beachten sind. Von diesen Grundsätzen, deren Darstellung nachfolgend noch kurz zu ergänzen ist, geht auch die Berufungskammer aus.

1. Bei einer (- nach der Behauptung des Arbeitgebers -) betriebsbedingten Änderungskündigung ist zunächst das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse das Änderungsangebot bedingen. Dann ist zu fragen, ob sich der Arbeitgeber bei einem "an sich" anerkennenswerten Grund darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Zu betonen ist, dass, wenn das Angebot des Arbeitgebers - wie hier das der Beklagten - eine Änderung der bisherigen Arbeitsbedingungen in mehreren Punkten enthält, die soziale Rechtfertigung für jeden einzelnen Punkt geprüft werden muss (s. dazu KR-Rost, 7. Auflage, KSchG § 2 Rz. 106 d m.w.N.). Insbesondere auch dann, wenn es um die Prüfung geht, ob sich der Arbeitgeber darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hätte hinnehmen müssen, müssen die entsprechenden Voraussetzungen (- die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrages den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen -) für alle angestrebten Vertragsänderungen vorliegen. Allerdings kann die Gesamtabwägung ergeben, dass eine Änderung für sich gesehen zwar nicht gerechtfertigt, - auf's Ganze gesehen aber so unwesentlich ist, dass sie der Wirksamkeit der Änderungskündigung nicht entgegensteht (vgl. BAG vom 07.06.1973 - 2 AZR 450/72 - BAGE 25, 213 [222]; KR-Rost aaO Rz 106d aE).

Ausgehend von diesen und von den - bereits vom Arbeitsgericht erwähnten - Grundsätzen,

- dass grundsätzlich einmal geschlossene Verträge einzuhalten sind

- und Geldmangel den Schuldner nicht entlasten kann,

ist bei der rechtlichen Überprüfung der Änderungskündigung Bedacht darauf zu nehmen, dass sich die angebotenen Änderungen nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen dürfen als zur Erreichung des angestrebten Zieles erforderlich ist. Erforderlich in diesem Sinne können im Rahmen des § 2 Satz 1 KSchG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG Änderungen nur dann sein, wenn vom bisherigen Vertragsinhalt lediglich das weggenommen bzw. geändert wird, was weggenommen bzw. geändert werden muss, um den Vertrag aufrecht zu erhalten. Dies ist - jeweils - anerkanntes Recht. Bei Nebenabreden zum Arbeitsvertrag, die an Umstände anknüpfen, die erkennbar nicht während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses gleich bleiben müssen, ist der vorstehend und vom Arbeitsgericht beschriebene Prüfungsmaßstab wie folgt ausgestaltet:

Ergibt die Bewertung der beiderseitigen Interessen (von Arbeitgeber und Arbeitnehmer), dass dringende betriebliche Erfordernisse vorlagen, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu seinen bisherigen Arbeitsbedingungen entgegenstanden, so kann in derartigen Fällen nach § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 KSchG eine Änderungskündigung gerechtfertigt sein. In diesem Zusammenhang ist abzuwägen (und ggf. aufzuklären), ob sich im Zeitpunkt der Kündigung die der ursprünglichen (Betriebsübung oder) Vereinbarung zugrunde liegenden Umstände so stark geändert haben, dass ein dringendes betriebliches Erfordernis vorlag, die Nebenabrede zu modifizieren (- abzuändern, aufzuheben oder durch eine neue zu ersetzen).

2. Zu betonen ist freilich weiter, dass der Arbeitgeber bei seinem Änderungsangebot gegenüber einem Arbeitnehmer, der - wie die bereits seit Jahren bei der Beklagten beschäftigte Klägerin - den vom Arbeitnehmer erworbenen gesetzlichen Inhaltsschutz gemäß den §§ 1 und 2 KSchG beachten muss und im Rahmen einer Änderungskündigung eben keineswegs so frei ist, wie er es bei einer Vertragsofferte gegenüber einem außerbetrieblichen Stellenbewerber ist, mit dem er noch keine Vertragsbindung hat. Das Gesetz erkennt eben nicht jede wirtschaftlich erwünschte, sondern allein die sozial gerechtfertigte Vertragsänderung im Rahmen des § 2 KSchG an. Vorgeschrieben ist ein Ausgleich der gegenläufigen Interessen im bestehenden Arbeitsverhältnis (vgl. zu alldem BAG vom 23.06.2005 - 2 AZR 642/04 -; vgl. auch BAG vom 25.10.1984 - 2 AZR 455/83 - zu der Frage, ob das Bundesarbeitsgericht an eine Änderungskündigung mildere Anforderungen stellt, als an eine Beendigungskündigung, - dort unter Ziffer II. 2. b)bb): "Fehldeutung" - für den Fall einer vorliegend freilich nicht gegebenen außerordentlichen Änderungskündigung).

II. Bei Anwendung der oben genannten Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass jedenfalls die folgenden von der Beklagten angestrebten Änderungen nicht von Änderungsgründen im Sinne des Gesetzes getragen sind:

1.

Die Versetzungsklausel des § 1 Ziffer 2 Satz 2 AV-E,

2.

die MRT-Gruppe-Klausel gemäß § 10 AV-E und

3.

die Mandatsschutzklausel des § 2 Ziffer 2 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Ziffer 1. Satz 2 AV-E.

Insoweit hat sich die Beklagte auch nicht darauf beschränkt, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die die Klägerin billigerweise hätte hinnehmen müssen. Dazu im Einzelnen:

Zu 1.

Die Vertragsauslegung des ursprünglichen Arbeitsvertrages der Parteien (= beiderseits unterschriebenes Einstellungsschreiben vom 03.11.1987) ergibt, dass der Ort der Arbeitsleistung der Klägerin (Arbeitsort) D-Stadt ist. Leistungs- und Arbeitsort ist ausschließlich die in D-Stadt befindliche Betriebsstätte der Beklagten. Dies folgt aus den § 133, 157 und 269 Abs. 1 BGB. Mit § 1 Ziffer 2 Satz 2 AV-E strebt die Beklagte davon abweichend nunmehr eine Versetzungsklausel dahingehend an, dass die Klägerin für einen Zeitraum von bis zu 6 Monaten pro Kalenderjahr (auch) an einem anderen Standort der Beklagten eingesetzt werden kann. Die Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt, dass für die Aufnahme einer derartigen Versetzungsklausel dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von Gesetz und höchstrichterlicher Rechtsprechung vorliegen. Jedenfalls ist die notwendige Dringlichkeit derartiger Erfordernisse nicht dargetan. Die Klägerin ist von der angesonnenen Vertragsänderung betroffen, denn aus der diesbezüglichen Begründung der Beklagten (s. dazu etwa Seite 4 - Mitte - des Schriftsatzes vom 22.07.2005 = Bl. 19 d. A.) ergibt sich, dass die Beklagte sehr wohl einen entsprechenden Einsatz der Klägerin in einem der anderen Standorte für möglich erachtet. Andererseits begründen die dortigen Ausführungen der Beklagten, die einen derartigen Einsatz als "absoluten Ausnahmefall" bezeichnet, durchgreifende Zweifel daran, dass die Versetzungsklausel durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von Gesetz und höchstrichterlicher Rechtsprechung bedingt ist. Eigentlicher Grund der Änderungskündigung soll nach näherer Maßgabe der übrigen Darlegungen der Beklagten ihre wirtschaftliche Sanierung sein. Der Vortrag der Beklagten auf Seite 4 des Schriftsatzes vom 22.07.2005 stellt darauf ab, dass durch die Versetzungsklausel der Einsatz vorhandener Mitarbeiter ermöglicht werde. Das Arbeitsgericht hat den Vortrag der Beklagten so aufgefasst, dass weitere Personalkosten vermieden werden sollten. Diese Annahme hat in der Kündigungsbegrünung der Beklagten, - die insoweit der ihr obliegenden Darlegungslast nicht genügend nachgekommen ist -, aber keine tragfähige Stütze. Der Vortrag der Beklagten lässt nicht erkennen, in welchem Umfang und mit welcher Häufigkeit in der Vergangenheit bei entsprechendem Personalbedarf an einem anderen Standort bzw. in einer anderen Niederlassung der Beklagten (zusätzliche?) Kosten insoweit überhaupt angefallen sind. Auch sonst sind keine konkreten Umstände ersichtlich, auf die hinreichend bestimmt - und unter Berücksichtigung der konkreten Kostensituation des Arbeitsplatzes einer Sekretärin (einschließlich eines vertraglichen oder aus § 670 BGB ableitbaren Erstattungsanspruches hinsichtlich versetzungsbedingter Aufwendungen) - eine Prognose über die zukünftig insoweit einsparbaren Personalkosten gestützt werden könnte. Die tatsächlichen Grundlagen einer derartigen Prognose hätte die Beklagte - was sie nicht getan hat - vortragen müssen. Die Beklagte hat sich mit der vorgeschlagenen Versetzungsklausel (auch) nicht darauf beschränkt, der Klägerin lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die diese billigerweise hinnehmen müsste. Dass die Änderung geeignet und erforderlich im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei, hat die Beklagte nicht plausibel dargetan.

Zu 2.

Ähnlich verhält es sich - jedenfalls im Ergebnis - mit der gemäß § 10 AV-E (- MRT-Gruppe) des Vertragsangebots angestrebten Vertragsänderung. Dort werden Dritten bzw. vertragsfremden Gesellschaften die Arbeitgeberrechte aus dem Arbeitsverhältnis mit der Klägerin eingeräumt, - denen entsprechende Verpflichtungen der Klägerin gegenüber stehen sollen. Die angestrebte vertragliche Regelung geht weit über die Festschreibung des bisherigen Zustandes hinaus. Soweit die Klägerin bislang ("seit Jahren") "für" die beiden genannten Gesellschaften gearbeitet hat, tat sie dies rechtlich für die Beklagte, - also im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, das die Parteien miteinander verbindet. Die Regelung des § 10 AV-E führt demgegenüber - wäre sie wirksam - dazu, dass der Klägerin künftig gleichsam eine Arbeitgebergruppe gegenüber stehen würde. Die Verpflichtungen, die die Klägerin aufgrund des Arbeitsvertrages zu erfüllen hat, würden unmittelbar nicht nur gegenüber der Beklagten, sondern auch gegenüber der W. AG, B-Stadt, und der Dr. K. GmbH, M-Stadt, bestehen. Dem entsprechend könnten die beiden genannten Gesellschaften unmittelbar die Rechte aus dem Arbeitsvertrag gegenüber der Klägerin ausüben. Dieser Umstand bedeutet in rechtlicher Hinsicht wesentlich mehr als der bloße Einsatz der Klägerin im Rahmen des Geschäftsbesorgungsvertrages, den die Beklagte mit den beiden Gesellschaften abgeschlossen hat. Dringende betriebliche Erfordernisse sind insoweit auf der Grundlage der Darlegungen der Beklagten nicht erkennbar. Deswegen kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin durch die Klausel des § 10 AV-E - was nicht völlig abwegig erscheint - (sogar) im Sinne der §§ 242 und 307 BGB unangemessen benachteiligt wird. Die Benachteiligung der Klägerin liegt darin, dass zum einen zwar den beiden genannten Gesellschaften Rechte gegenüber der Klägerin eingeräumt und der Klägerin entsprechende Verpflichtungen auferlegt werden, - dass aber zum andern diesen Rechten der beiden Gesellschaften und Verpflichtungen der Klägerin keine entsprechenden vertraglichen Rechte der Klägerin und Verpflichtungen der beiden Gesellschaften gegenüber stehen. Vergleicht man damit den Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB ist die Annahme einer unangemessenen Benachteilung der Klägerin , - die durch § 10 AV-E einseitig belastet wird -, jedenfalls nicht so ohne weiteres von der Hand zu weisen.

Jedenfalls ist nicht ersichtlich, inwieweit die Klausel des § 10 AV-E zur Sanierung des Beklagten beitragen könnte und warum die Klägerin diese Klausel billigerweise sollte hinnehmen müssen.

Zu 3.

Nach näherer Maßgabe des § 2 AV-E soll es die Klägerin unterlassen, auf Mandanten der Beklagten zuzugehen, um sie für sich oder Dritte - gleich auf welche Art und Weise - zu gewinnen. Diese Verpflichtung soll auch für den Zeitraum von zwei Jahren nach Beendigung des Vertragsverhältnisses bestehen. Dringende betriebliche Erfordernisse hat die Beklagte zur Begründung einer derartigen nachvertraglichen Verpflichtung der Klägerin nicht dargetan. Da der Klägerin durch den bisherigen Anstellungsvertrag eine derartige Verpflichtung nicht auferlegt war und ist, ist die Klägerin von der angesonnenen Vertragsänderung betroffen. Zwar hat die Klägerin - als Sekretärin - keine eigenen Mandanten. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sie nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten in eine Situation kommt, die es dann aus Sicht der Klägerin sinnvoll erscheinen lässt, auf Mandanten der Beklagten zuzugehen, um diese in einer rechtlich nicht zu beanstandenden Art und Weise für sich oder Dritte zu gewinnen. Ein derartiges "Zugehen" wäre der Klägerin gemäß § 2 Ziffer 2 S. 1 AV-E verwehrt. Die Regelung mag aus Arbeitgebersicht sinnvoll sein. Nicht ersichtlich ist jedoch jeweils, inwieweit sie zur Sanierung der Beklagten beiträgt und warum die Klägerin diese Regelung billigerweise hinnehmen müsste.

III. Zu einem anderen Ergebnis gelangt man hinsichtlich der eben behandelten Klauseln (Versetzung; Mandatsschutz; MRT-Gruppe; §§ 1, 2 und 10 AV-E) auch bzw. selbst dann nicht, wenn man hier den (besonderen) Prüfungsmaßstab anlegt, der im BAG-Urteil vom 27.03.2003 - 2 AZR 74/02 - entwickelt worden ist.

1. Insoweit könnte man allerdings die dem ursprünglichen Arbeitsvertrag - im Wege der Vertragsauslegung- entnommene Abrede über den Ort der Arbeitsleistung (= D-Stadt) möglicherweise als "Nebenabrede" begreifen, "die an Umstände anknüpft, die erkennbar nicht während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses gleichbleiben müssen". Unterstellt man dies als richtig, so ergibt vorliegend die Bewertung der beiderseitigen Interessen jedoch keineswegs, dass hier im entscheidungserheblichen Zeitpunkt dringende betriebliche Erfordernisse vorgelegen haben, die einer - hinsichtlich des Arbeitsortes D-Stadt - unveränderten Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegengestanden hätten. Die entsprechende Abwägung und die Darlegungen der Beklagten führen nicht zu der Feststellung, dass sich im Zeitpunkt der Änderungskündigung die dem ursprünglichen Arbeitsvertrag vom 03.11.1987 zu Grunde liegenden Umstände so stark geändert hätten, dass für die Aufnahme einer Versetzungsklausel in den Arbeitsvertrag ein dringendes betriebliches Erfordernis vorlag. Insoweit ist der vorliegende Fall in tatsächlicher Hinsicht nicht mit den Sachverhalten vergleichbar, die in dem Urteil vom 27.03.2003 - 2 AZR 74/02 - und in den dort zitierten Entscheidungen (- soweit einschlägig -) zu beurteilen waren. Zum Merkmal der "starken Veränderung der Umstände" hat die Beklagte nicht ausreichend vorgetragen.

2. Auch in Bezug auf die nachvertragliche Mandatsschutzklausel (§ 2 Ziffer 2 S. 1 AV-E) und die MRT-Gruppe-Klausel (§ 10 AV-E) ergibt die Bewertung der beiderseitigen Interessen nicht, dass dringende betriebliche Erfordernisse vorlagen, in diesen beiden Punkten den bisherigen Arbeitsvertrag, der derartige Regelungen nicht enthielt, zu ändern. Im Übrigen bestehen hinsichtlich dieser beiden Änderungen (§ 2 Ziffer 2 S. 1 und § 10 AV-E) zusätzlich durchgreifende Zweifel daran, es könne sich insoweit um Änderungen von Nebenabreden handeln, wie sie im Urteil vom 27.03.2003 - 2 AZR 74/02 - behandelt werden. Vorliegend geht es der Beklagten insoweit nicht um die Beseitigung oder Einschränkung von (bisher gegebenen) Leistungsansprüchen eines Arbeitnehmers (- etwa gerichtet auf kostenlose Beförderung zum Betriebssitz oder auf Zahlung von Fahrtkosten- oder Mietzuschüssen -) oder um das Recht des Arbeitnehmers, die Arbeit an einer bestimmten Stelle aufnehmen zu dürfen. Vielmehr geht es der Beklagten darum, dass ihr selbst bzw. Dritten (W. AG; Dr. K. GmbH) erstmals Rechte eingeräumt werden sollen, die ihr und den Dritten bislang nicht gegen die Klägerin zugestanden haben. Ein derartiges Begehren lässt sich (wohl) nicht als Änderung oder Anpassung einer vertraglichen Nebenabrede deuten.

Unabhängig davon bestehen für diese Änderungsbegehren jedenfalls keine dringenden betrieblichen Erfordernisse i.S. der §§ 1 und 2 KSchG. Soweit die Beklagte ein Sanierungskonzept schlüssig vorgetragen und bewiesen hat, trägt dieses Konzept das Änderungsbegehren in Bezug auf § 2 Ziffer 2 S. 1 und § 10 AV-E nicht. Weiter lässt sich nicht feststellen, dass sich seit dem Jahre 1987 bis zum April 2005 die maßgebenden Umstände so stark geändert hätten, dass deswegen diese Änderungsbegehren gerechtfertigt wären.

IV. Gesamtabwägung:

Die drei - eben - erörterten Änderungen sind bereits jede für sich, - zumindest aber in ihrer Gesamtheit -, in dem Gesamtgefüge des Änderungsangebotes so wesentlich, dass die Klägerin dieses billigerweise insgesamt nicht annehmen muss. Jedenfalls die drei genannten Änderungen muss die Klägerin billigerweise nicht hinnehmen.

Selbst wenn man also zugunsten der Beklagten unterstellt, dass die übrigen angestrebten Änderungen (- insbesondere auch § 8 Ziffer 4. AV-E und § 1 Abs. 5 S. 3 der "Zeitregelungen" = Anlage zu § 26 d) BO -) an sich von einem Änderungsgrund im Sinne des Gesetzes getragen werden, so ergibt die Gesamtabwägung nicht, dass die drei oben - bei B. II. 1. bis 3. und B. III. 1. und 2. - behandelten Änderungen aufs Ganze gesehen so unwesentlich wären, dass sie der Wirksamkeit der Änderungskündigung nicht entgegenstünden. Vielmehr ergibt die Gesamtabwägung, dass die drei genannten Änderungen - jedenfalls zusammen - ein solches Gewicht haben, dass die übrigen Änderungsvorschläge der Beklagten, - sollten sie noch so notwendig sein -, nicht genügen, das Änderungsangebot und damit die Änderungskündigung zu rechtfertigen.

Der gegenteiligen Ansicht der Beklagten und des Arbeitsgerichts vermag die Berufungskammer aus den genannten Gründen nicht zu folgen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 42 Abs. 4 und 63 Abs. 2 GKG.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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