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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 19.06.2001
Aktenzeichen: 5 Sa 303/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, KSchG, GKG


Vorschriften:

ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 543 Abs. 1
BGB § 140
BGB § 626 Abs. 1
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
GKG § 25 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des ArbG Koblenz - Ausw. Kammern Neuwied- vom 01.02.2001 - 9 Ca 2586/00 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 11.10.2000 nicht fristlos (- sondern erst zum 31.01.2001 -) aufgelöst worden ist. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreites werden dem Kläger zu 3/5 und der Beklagten zu 2/5 auferlegt.

IV. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 16.500,00 festgesetzt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: Mit der Klageschrift vom 18.10.2000, die der Beklagten am 26.10.2000 zugestellt wurde, wehrt sich der Kläger gegen die Kündigung, die ihm die Beklagte mit dem Schreiben vom 11.10.2000 (Bl. 4 f. d.A.) erklärt hat. In der Klageschrift weist der Kläger daraufhin, dass eine ordnungsgemäße Kündigung sozial nicht gerechtfertigt wäre.

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des ArbG Koblenz -Auswärtige Kammern Neuwied - vom 01.02.2001 - 9 Ca 2586/00 - (dort S. 3 ff = Bl. 43 ff. d.A.). Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Sch und R . Wegen des Inhalts (- nicht: des Ergebnisses -) der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 01.02.2001 - 9 Ca 2586/00 - (Bl. 33 ff. d.A.) verwiesen.

Gegen das seinen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 17.02.2001 zugestellte Urteil vom 01.02.2001 - 9 Ca 2586/00 - hat der Kläger am 13.03.2001 Berufung eingelegt und diese am 12.04.2001 begründet. Wegen aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 12.04.2001 (Bl. 83 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger führt u.a. aus:

Er sei am 06.10.2000 aufgrund seines Krankheitszustandes objektiv nicht in der Lage gewesen, ohne Gefährdung seiner Gesundheit die mit schwerer körperlicher Anstrengung verbundene Arbeit an der Tiefziehpresse zu verrichten (Beweis: Zeugin Dr. med. A. Sch -B ). Dies sei dem Zeugen Sch bekannt gewesen. Darüber hinaus sei dem Zeugen Sch der Arbeitsunfall vom 02.10.2000 bekannt gewesen sowie der Umstand, dass der Kläger noch nie an dieser Maschine gearbeitet habe (Beweis: Zeugen C S und S J ).

Im Hinblick auf diesen Sachverhalt - so macht der Kläger geltend -habe die Weisung, die Tiefziehpresse zu bedienen, nur als bewusste Provokation und Schikane aufgefasst werden können.

Soweit es um das Geschehen vom 05.10.2000 geht, behauptet der Kläger, dass dem Zeugen Sch bekannt gewesen sei, dass der Kläger am Morgen diesen Tages seine Arbeitsstelle verlassen habe, um seine Hausärztin aufzusuchen. Der Kläger habe sich nämlich zuvor im Büro des Zeugen Sch in Gegenwart zwei weiterer Mitarbeiter abgemeldet (Beweis: Zeugen Sch und B ).

Im Zusammenhang mit dem Vorfall vom 06.10.2000 behauptet der Kläger, dass der Zeuge Sch seinerzeit ihm barsch und ungehalten geantwortet habe:

"Wenn Du nicht arbeitest, geh' zurück nach Sri Lanka!"

Er, der Kläger, habe geantwortet:

"Entschuldigen Sie, sind Sie ein Nazi?"

Der Kläger behauptet, dass für ihn die Vokabel "Nazi" gleichbedeutend mit "Ausländerfeind" sei.

Zu dem Gespräch im Büro der Geschäftsführerin D T lässt sich der Kläger u.a. wie folgt ein:

Zu Beleidigungen seitens des Klägers sei es im Büro der Geschäftsführerin nicht gekommen. Der Kläger habe weder diese als ausländerfeindlich, noch den Zeugen R als Nazi oder Nazischwein betitelt (Beweis: Parteivernehmung der "Zeugin" D T ).

Soweit ihm, dem Kläger, unterstellt werde, er habe damit gedroht, die Tiefziehpresse kaputt machen zu wollen, sei (auch) dies nicht zutreffend. Der Kläger habe lediglich im Hinblick auf den zuvor vorgefallenen Maschinenunfall gesagt, dass die Maschine ihn kaputt machen werde. Nach näherer Maßgabe seines weiteren Vorbringens macht der Kläger geltend, dass, selbst wenn die (von der Beklagten) vorgetragenen Beleidigungen seitens des Klägers gefallen sein sollten, dies nicht die fristlose Kündigung rechtfertigen würde.

Soweit es um sprachliche Verständigungsprobleme geht, weist der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass er den Kläger in diversen Angelegenheiten seit mehreren Jahren vertrete und sich hierzu regelmäßig eines Dolmetschers bediene; andernfalls könnten Missverständnisse oder Irritationen überhaupt nicht vermieden werden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des ArbG Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 01.02.2001 - 9 Ca 2586/00 - festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten durch die fristlose Kündigung vom 11.10.2000 nicht beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe ihrer Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 17.05.2001 (Bl. 101 ff. d.A.), auf deren Inhalt wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird. Die Beklagte behauptet dort u.a., dass die im arbeitsgerichtlichen Urteil angenommenen Beschimpfungen und Beleidigungen klägerseits tatsächlich erfolgt seien (Beweis: Zeugen Sch und R ). Ein angeblicher Vorhalt, der Kläger könne im Falle fehlender Arbeitsbereitschaft "zurück nach Sri Lanka gehen", sei überhaupt nicht erklärt worden (- gegenbeweislich: Zeuge Sch ). Der Kläger habe den Zeugen Sch feststehend als Nazi beschimpft. Der Kläger sei der deutschen Sprache mächtig (Beweis: Zeuge Sch und R ). In diesem Zusammenhang verweist die Beklagte (auch) auf die Eingabe des Klägers vom 09.02.2001 (Bl. 59 f. d.A).

Die Beklagte hält es für erwiesen, dass der Kläger Werkzeuge der Beklagten bewusst zu beschädigen drohte für den Fall, dass er an der ihm am 06.10.2000 zugewiesenen Maschine arbeiten müsste. Die Beklagte macht geltend, dass der Kläger dadurch, dass er sich am 06.10.2000 am Arbeitsplatz eingefunden habe und gearbeitet habe, seine Arbeitsfähigkeit selbst deutlich zum Ausdruck gebracht habe. Die Beklagte behauptet, dass die dem Kläger zugewiesene Maschine (Tiefziehpresse) immer uneingeschränkt betriebsbereit und einsatzsicher gewesen sei. An dieser Presse habe der Kläger bereits vor dem 06.10.2000 mehrfach gearbeitet. Die Arbeit dort sei für einen erwachsenen Mann unschwer möglich gewesen (Beweis jeweils: Zeugen Sch und R ). Auf gesundheitliche Hinderungsgründe habe sich der Kläger am Morgen des 06.10.2000 in der Produktionshalle mit keinem einzigen Wort berufen (Beweis: Zeuge Sch ).

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe: I.

Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich nur teilweise als begründet.

II.

Die Klage ist teilweise begründet.

Das Arbeitsverhältnis ist durch die streitgegenständliche Kündigung zwar nicht fristlos, - wohl aber ordentlich und fristgerecht zum 31.01.2001 aufgelöst worden.

1.

Als außerordentliche Kündigung ist die Kündigung rechtsunwirksam, weil es der Beklagten nicht unzumutbar gewesen ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der - hier bis zum 31.01.2001 laufenden - ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen (§ 626 Abs. 1 BGB).

a) Soweit es um die Begriffsbestimmung des wichtigen Grundes unddie Methodik der rechtlichen Prüfung im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB geht, folgt die Berufungskammer den diesbezüglichenarbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründen von S. 8 bis S. 10 (2. Absatz - dort bis "... sein können") des Urteils vom 01.02.2001.

Dem Arbeitsgericht ist weiter darin zu folgen, dass der von der Beklagten vorgetragene Sachverhalt, den das Arbeitsgericht als bewiesen angesehen hat, an sich geeignet ist, eine Kündigung - insbesondere auch eine außerordentliche Kündigung - zu rechtfertigen (S. 10 bis 13 (2. Absatz) des Urteils des Arbeitsgerichts).

b) Dagegen vermochte die Berufungskammer dem Arbeitsgericht im Rahmen der (weiter) notwendigen Interessenabwägung nicht zu folgen. Allerdings ist dem Arbeitsgericht durchaus Recht auch darin zu geben, dass insbesondere der Gesichtspunkt der Arbeits- und Betriebsdisziplin und die auf S. 14 des Urteils des Arbeitsgerichts erwähnten weiteren Umstände und Gesichtspunkte ein erhebliches Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses begründen können. Diesen Gesichtspunkten und Umständen wird aber auch dann noch genügend Rechnung getragen, wenn das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung beendet wird. Der Bestand eines Arbeitsverhältnisses stellt für einen Arbeitnehmer - wie den Kläger - in der Regel die wichtigste Erwerbsquelle seiner Existenzgrundlage dar. Anhaltspunkte dafür, dass dies im Falle des Klägers anders sein könnte, sind nicht ersichtlich. Gegen die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses sprechen insoweit die finanziellen Folgen, die der sofortige Verlust des Arbeitsplatzes für den Kläger haben könnte. Der Kläger hat nicht nur für die Kosten seines eigenen Unterhalts aufzukommen, sondern auch für den seiner Ehefrau und seiner beiden Kinder. Hinzu kommt die immerhin bereits seit Mai 1991 bestehende Betriebszugehörigkeit. Nicht ersichtlich ist, dass das Arbeitsverhältnis in all den Jahren bereits in ähnlicher Weise - wie am 06.10.2000 - durch ehrverletzende Äußerungen des Klägers gegenüber Kollegen und/oder Vorgesetzten gestört worden wäre. Insoweit stellt sich das Verhalten des Klägers vom 06.10.2000 in der Produktionshalle und im Büro als einmalige Entgleisung dar. In einem (etwas) milderen Lichte erscheint das Verhalten des Klägers (auch) dadurch, dass er ausweislich der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 05.10.2000 auch (noch) am 06.10. arbeitsunfähig krank gewesen ist, - gleichwohl aber im Betrieb erschienen ist, um zu arbeiten. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass sich an der Tiefziehpresse, an der der Kläger arbeiten sollte, einige Tage zuvor ein Arbeitsunfall ereignet hatte. Die diesbezüglichen Behauptungen des Klägers gelten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden, weil sie von der Beklagten nicht genügend substantiiert bestritten worden sind. Die Beklagte, die den vom Kläger bereits auf S. 2 der Klageschrift erwähnten Arbeitsunfall erstinstanzlich nicht bestritten hat, hat sich im arbeitsgerichtlichen Kammertermin und im Berufungsverfahren u.a. die Bekundungen des Zeugen R vollinhaltlich zu eigen gemacht. Der Zeuge R hat (aber) am 01.02.2001 ausdrücklich bekundet:

"An der betreffenden Maschine, an der (der) Kläger eingesetzt werden sollte, hat in der Tat ein Arbeitsunfall stattgefunden..." (Sitzungsniederschrift - 9 Ca 2586/00 - S. 6 = Bl. 37 d.A.).

Außerdem war der Kläger - bevor er sich beleidigend in Bezug auf Sch äußerte - von diesem immerhin "scharf angesprochen" worden (- vgl. Schriftsatz der Bekl. vom 05.01.2001, dort S. 4 - unten - bei 2. c) = Bl. 29 d.A.).

Aus diesen Gründen kann die Kündigung - aufgrund der Interessenabwägung - als fristlose Kündigung keinen rechtlichen Bestand haben. Angesichts des vertragswidrigen Verhaltens des Klägers ist zwar an sich von einem außerordentlichen Kündigungsgrund auszugehen. Mit Rücksicht auf die 9 Jahre betragende Betriebszugehörigkeit und die schweren Folgen einer außerordentlichen Kündigung sowie die Umstände, die das Verhaltendes Klägers - wie aufgezeigt - in einem milderen Lichte erscheinen lassen, ist der Beklagten die Einhaltung der Kündigungsfrist (noch) zuzumuten gewesen. Das Arbeitsverhältnis hat deswegen über den Zugang der fristlosen Kündigung hinaus fortbestanden.

2.

Als ordentliche Kündigung ist die - entsprechend umzudeutende -Kündigung jedoch rechtlich nicht zu beanstanden. Sie erweist sich als verhaltensbedingte Kündigung gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG als gerechtfertigt.

a) Für einen objektiven Erklärungsempfänger - in der Situation des Klägers - musste aufgrund der Gesamtumstände in Verbindung mit dem Inhalt des Kündigungsschreibens vom 11.10.2000 klar sein, dass sich die Beklagte in jedem Falle - notfalls durch ordentliche Kündigung - von dem Kläger trennen wollte. Damit ist die notwendige Umdeutungslage gemäß § 140 BGB zu bejahen. Die gemäß § 626 Abs. 1 BGB unwirksame außerordentliche Kündigung entspricht den Erfordernissen einer ordentlichen Kündigung; deswegen gilt die letztere, da anzunehmen ist, dass deren Geltung bei Kenntnis der Unwirksamkeit gewollt war. Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung wurde darauf hingewiesen, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren (auch) die Unwirksamkeit einer ordentlichen Kündigung geltend macht. Daran ist - im Hinblick auf die Formulierung im vorletzten Absatz der Klageschrift (dort S. 3) - festzuhalten.

b) Die ordentliche Kündigung ist - selbst bei Zugrundelegung des Sachvortrages des Klägers - nicht rechtsunwirksam im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes; vielmehr ist sie durch Gründe, die in dem Verhalten des Klägers liegen, bedingt.

aa) Die kündigungsrechtlich gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG relevanten Pflichtverletzungen oder sonstigen Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses, die sich aus dem Verhalten des Arbeitnehmers ergeben, brauchen bei einer ordentlichenverhaltensbedingten Kündigung nicht so schwerwiegend zu sein, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses (- bis zum Ablauf der Kündigungsfrist -) geradezu unzumutbar geworden ist. Vielmehr genügt im Rahmen des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG - anders als im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB -, dass ein Tatbestand vorliegt, der bei gewissenhafter Abwägung der beiderseitigen Interessen (auch) einen verständig urteilenden Arbeitgeber zur (ordentlichen) Kündigung veranlassen würde. Dieser Tatbestand ist vorliegend gegeben; es liegen genügend Umstände vor, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen.

bb) Zunächst ist der eigentliche Kündigungssachverhalt zu bejahen:

Das Verhalten, dass der Kläger am Morgen des 06.10.2000 in Bezug auf den Zeugen Schöpping gezeigt hat, ist an sich geeignet, eine ordentliche Kündigung gemäß § 1 KSchG zu rechtfertigen. Der Kläger hat durch dieses Verhalten eine elementare Verhaltenspflicht, die sich für ihn als Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag ergab, verletzt. Unter der Zugrundelegung seiner eigenen Einlassung hat der Kläger damals an den Zeugen Sch die Frage gerichtet: "Entschuldigen Sie, sind Sie ein Nazi?". Durch diese Frage hat der Kläger den Zeugen Sch beleidigt. Die Äußerung des Klägers ist von ihren objektiven Erklärungswert her - auch wenn sie vom Kläger in die Form einer Frage gekleidet worden ist - ehrverletzend. Dies ergibt sich jedenfalls daraus, dass sich die verbrecherischen Untaten der Nationalsozialisten im sogenannten Dritten Reich nicht auf ausländerfeindliches Verhalten beschränkten.

Soweit der Kläger geltend machen will, er verbinde mit dem Begriff "Nazi" keine herabwürdigende Diffamierung, ist die diesbezügliche Einlassung des Klägers nicht genügend substantiiert. Immerhin lebt der Kläger bereits seit vielen Jahren - zumindest seit 1991 - in Deutschland. Aus diesem Grunde ist davon auszugehen, dass er sich mit der Geschichte des Nazi-Regimes vertraut gemacht hat und ihm von daher (auch) die wahre Bedeutung des Begriffs "Nazi" geläufig ist. Abgesehen davon ist aber auch die Bezeichnung als "Nazi" i.S. von "Ausländerfeind" ehrverletzend.

Der Kläger hat den Zeugen Sch aber nicht nur in der Produktionshalle (- durch die eben erörterte Frage: "... Entschuldigen Sie, sind Sie ein ...?" -) beleidigt. Vielmehr steht gemäß § 138 Abs. 3 ZPO fest, dass sich der Kläger am 06.10.2000 - in ähnlicher Weise - auch noch im Büro geäußert hat. Einer Vernehmung der Geschäftsführerin T bedurfte es deswegen nicht. Zwar hat der Kläger bestritten, dort die Geschäftsführerin als ausländerfeindlich und den Zeugen als Nazi oder Nazischwein betitelt zu haben. Die Beklagte - die sich die Bekundungen der Zeugen Sch und R zueigen gemacht hat -, wirft dem Kläger aber vor, im Büro auch den Zeugen Sch (erneut) beleidigt zu haben. Diese (erneute) Beleidigung im Büro hat das Arbeitsgericht (auch) - gestützt auf die Aussage des Zeugen R - als bewiesen angesehen (vgl. S. 12 - Mitte - des Urteils - 9 Ca 2586/00 - = Bl. 52 d.A.; S. 5 der Sitzungsniederschrift vom 01.02.2000 = Bl. 36 d.A.). Dass er den Zeugen Sch im Büro erneut beleidigt hat, hat der Kläger nicht genügend substantiiert bestritten.

cc) Dem Kläger ist weiter vorzuwerfen, dass er schuldhaft-pflichtwidrig gehandelt hat, als er den Zeugen Sch - wie eben festgestellt - zweimal beleidigte. Insoweit stand dem Kläger ein Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund nicht zur Seite. Im Übrigen war hier vor Kündigungsausspruch der erfolglose Ausspruch einer Abmahnung entbehrlich. Vorliegend ist ein Ausnahmetatbestand gegeben, der eine Abmahnung entbehrlich gemacht hat. Unter den gegebenen Umständen war dem Kläger die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens ohne weiteres erkennbar. Der Kläger konnte in der damaligen Situation nicht mit vertretbaren Gründen davon ausgehen, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen.

dd) Schließlich führt hier die - im Rahmen des § 1 KSchG vorgenommene - Interessenabwägung zu keinem für den Kläger günstigen Ergebnis. Unter Berücksichtigung aller insoweit erheblichen Gesichtspunkte und Umstände überwiegt das Interesse der Beklagten an der (fristgerechten) Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Fortsetzungsinteresse des Klägers. Die Umstände, die im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung geführt haben, wiegen im Ergebnis nicht so schwer, dass sie (auch) der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung entgegenstehen könnten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 und 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung erfolgte gemäß § 25 Abs. 2 GKG. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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