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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 18.10.2005
Aktenzeichen: 5 Sa 341/05
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, StGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
BGB § 626 Abs. 1
StGB § 242 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 5 Sa 341/05

Entscheidung vom 18.10.2005

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 07.04.2005 - 5 Ca 109/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 4.800,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger ist seit dem 22.10.1990 bei der Beklagten (zuletzt) als Lagerarbeiter beschäftigt gewesen. Mit seiner Kündigungsschutzklage wehrt sich der Kläger gegen die fristlose Kündigung vom 11.01.2005, die ihm die Beklagte wegen eines Vorfalls vom 10.01.2005 erklärt hat.

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 07.04.2005 - 5 Ca 109/05 - (dort S. 2 ff. = Bl. 34 ff. d. A.). Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Gegen das am 13.04.2005 zugestellte Urteil vom 07.04.2005 - 5 Ca 109/05 - hat der Kläger am 25.04.2005 Berufung eingelegt und diese am 10.06.2005 mit dem Schriftsatz vom 10.06.2005 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 10.06.2005 (Bl. 51 ff. d. A.) verwiesen. Der Kläger macht dort u.a. geltend, dass der Diebstahlstatbestand deswegen nicht erfüllt sei, da ein solcher einen Gewahrsamsbruch voraussetze, der nicht vorgelegen habe. Dazu führt der Kläger ebenso weiter aus, wie zu seiner Behauptung, dass die Abfallteile für die Beklagte keinen wirtschaftlichen Wert mehr darstellten. Der Kläger behauptet, er habe den Schrotthändler, der seit ca. November 2004 nicht mehr erschienen sei, im November in der Stadt getroffen, - dieser habe ihm mitgeteilt, er habe derzeit keinen Führerschein und könne nicht kommen. Er, der Kläger, kenne den Namen jenes Schrotthändlers nicht. Er, der Kläger, sei in anbetracht des von ihm geschilderten Sachverhalts nicht der Auffassung gewesen, dass er etwas Verbotenes tue, wenn er in dieser Zeit, in der der Schrotthändler nicht habe erscheinen können, seinerseits die als Abfall aussortierten Teile zur Verwertung bringe und einen - geringen - Erlös dafür vereinnahme. Eine vorsätzliche Verletzung des Eigentums oder des Vermögens des Arbeitgebers liege hier nicht vor. Auch sei es unverhältnismäßig, den Kläger im Alter von 50 Jahren nach zweimaliger erheblicher Schädigung seiner Gesundheit durch Arbeitsunfälle bei treuer Pflichterfüllung und nach vierzehnjähriger Betriebszugehörigkeit auch noch mit dem fristlosen Verlust seines Arbeitsplatzes zu bestrafen und bei dem geschilderten Sachverhalt eine Sanktion zu verhängen, die den Kläger für sein künftiges Leben aus dem Arbeitsmarkt aussondere, - zumal er aufgrund seiner pflichtbewussten Tätigkeit für die Beklagte bereits eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 % habe hinnehmen müssen -, wobei er unter den damit verbundenen körperlichen Beeinträchtigungen seit einiger Zeit leide und in der Zukunft werde leiden müssen. Hätte das Arbeitsgericht geprüft, ob eine Abmahnung zur Ahndung des Verhaltens des Klägers ausgereicht hätte, hätte diese Prüfung ergeben, dass dies der Fall gewesen sei. Eine Abmahnung hätte zur Ahndung des Vorfalles ausgereicht. Ergänzend äußert sich der Kläger im Schriftsatz vom 13.09.2005 (Bl. 75 f. d. A.), worauf ebenfalls verwiesen wird.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 07.04.2005 - 5 Ca 109/05 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 11.01.2005 nicht beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts gegen die Berufung des Klägers nach näherer Maßgabe ihrer Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 07.07.2005 (Bl. 67 f. d. A.) und im Schriftsatz vom 07.09.2005 (Bl. 73 f. d. A.), worauf jeweils verwiesen wird.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt - insbesondere auch auf die Sitzungsniederschrift vom 20.09.2005 (Bl. 79 ff. d. A.) - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als unbegründet.

II.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung vom 11.01.2005 außerordentlich- fristlos aufgelöst worden. Dies ergibt sich aus § 626 Abs. 1 BGB.

1. Eignung als Kündigungsgrund:

a) Vom Arbeitnehmer begangene vorsätzliche Eigentums- oder Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers sind grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu stützen. Solche Delikte stellen an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Dies ist anerkanntes Recht.

b) Vorliegend hat der Kläger einen Diebstahl zum Nachteil der Beklagten begangen. Bei den Aluminiumresten, die der Kläger gezielt gesammelt und schließlich an das Entsorgungs - bzw. Recyclingunternehmen W. veräußert hat, handelte es sich um (dem Kläger) fremde (bewegliche) Sachen im Sinne des § 242 Abs. 1 StGB. Die Aluminiumteile gehörten nicht dem Kläger sondern der Beklagten. Die Beklagte hatte das Eigentum an den - noch in ihrem Betrieb befindlichen - Aluminiumteilen nicht aufgegeben oder sonst verloren, als der Kläger diese Aluminiumteile an sich nahm. Dadurch, dass der Kläger die Aluminiumteile an sich nahm und aus dem Betrieb entfernte, hat er fremden Gewahrsam - nämlich den der Beklagten - gebrochen und eigenen Gewahrsam begründet. Damit ist auch das Merkmal der "Wegnahme" im Sinne des § 242 Abs. 1 StGB erfüllt. Unter den gegebenen Umständen wusste der Kläger, dass die Aluminiumteile nicht ihm, sondern einem anderen gehörten. Er wusste auch, dass die Aluminiumteile nicht in seinem (Allein-)Gewahrsam standen. Der Kläger hat den Diebstahlstatbestand mit Wissen und Wollen, also vorsätzlich, erfüllt. Gleichfalls hat er die in § 242 Abs. 1 StGB weiter verlangte Zueignungsabsicht gehabt. Er hat die Aluminiumteile, ohne einen Anspruch darauf zu haben - also rechtswidrig -, an sich genommen, um sie zu veräußern. Damit hat er sich wie ein Eigentümer der Aluminiumteile geriert.

Die vom Kläger vertretene Argumentation rechtfertigt es nicht, vorliegend die Tatbestandsmäßigkeit, die Rechtswidrigkeit und das Verschulden, den Vorsatz und die Zueignungsabsicht des Klägers im Hinblick auf die von ihm begangene Straftat zu verneinen. Insbesondere der notwendige Gewahrsamsbruch ist zumindest deswegen festzustellen, weil der Kläger jedenfalls keinen Alleingewahrsam an den im Lager befindlichen Sachen hatte. Die Beklagte hatte weder den Gewahrsam, noch das Eigentum an den Aluminiumteilen aufgegeben.

c) Festzuhalten ist, dass der Kläger durch die mittels Diebstahl begangene Eigentumsverletzung - unabhängig vom Wert des Schadens - in erheblicher Weise das Vertrauen der Beklagten gebrochen hat, - was zu einer negativen Prognose hinsichtlich der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses führt. Aufgrund der durch den Arbeitsvertrag begründeten Nebenpflicht zur Loyalität hat der Arbeitnehmer auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Diese Verpflichtung beinhaltet zugleich das Verbot, den Arbeitgeber rechtswidrig und vorsätzlich durch eine Straftat zu schädigen. Eine der Beklagten zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht nicht.

Das Fehlen einer einschlägigen Abmahnung steht der Wirksamkeit der Kündigung weder auf der ersten Prüfungsstufe - Eignung - noch im Rahmen der Interessenabwägung - 2. Prüfungsstufe - entgegen. Bei schweren Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers ist eine Abmahnung nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung dann nicht entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten werde nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen. Ein Arbeitnehmer, der wie der Kläger im Lager eines Betriebes des Groß- oder Einzelhandels (Baubedarf) beschäftigt ist, muss normalerweise davon ausgehen, dass er mit einem Diebstahl (oder einer Unterschlagung) auch geringwertiger Sachen im Betrieb seines Arbeitgebers seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt. Nach den Gesamtumständen des vorliegenden Falles kann eine Abmahnung zur Ahndung des Fehlverhaltens des Klägers nicht als ausreichend angesehen werden.

2. (Auch) im Übrigen führt die Interessenabwägung nicht zu dem Ergebnis, dass vorliegend der Beklagten die Einhaltung der relativ langen ordentlichen Kündigungsfrist noch zumutbar gewesen sei. Bei einer ordentlichen Kündigung hätte die Beklagte eine Kündigungsfrist bis zum 30.06.2005 einhalten müssen.

Dies ergibt sich aus § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BGB. Die Einhaltung dieser Frist ist der Beklagten nicht zuzumuten gewesen.

Die Berufungskammer hat das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse der Beklagten an der fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung aller erheblichen Gesichtspunkte und Umstände gegeneinander abgewogen. Für das Fortsetzungsinteresse des Klägers bzw. das Interesse des Klägers an der zumindest fristgerechten Beendigung des Arbeitsverhältnisses sprechen sicherlich die von ihm zu erfüllenden Unterhaltsverpflichtungen, seine lange - seit dem 22.10.1990 bestehende - Betriebszugehörigkeit und seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie sein für die Verhältnisse des Arbeitsmarktes ungünstiges Lebensalter von damals 50 Jahren. Demgegenüber ist das vom Kläger geschilderte Gespräch von "ca. November 2004" mit dem Schrotthändler, der den Abfall der Beklagten normalerweise abholt, nicht geeignet, das Verhalten des Klägers in einem milderen Lichte erscheinen zu lassen. Sollte das Gespräch so - wie vom Kläger geschildert - stattgefunden haben, wäre es Sache des Klägers gewesen, mit der Beklagten abzustimmen, ob er den werthaltigen Anteil des Abfalls (= Aluminiumreste) so veräußern durfte, wie der Kläger dies dann tatsächlich am 10.01.2005 getan hat. Dass der Kläger dieses Gespräch mit der Beklagten nicht gesucht - und die Aluminiumreste ohne Rücksprache mit der Beklagten veräußert - hat, stellt einen (weiteren) Vertrauensbruch dar. Der Umstand, dass es sich bei den vom Kläger gestohlenen Aluminiumteilen um Abfall handelte, führt ebenfalls nicht dazu, dass der Beklagten die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist doch zumutbar gewesen wäre. Zwar waren die verfahrensgegenständlichen Aluminiumteile nicht mehr zur Weiterverarbeitung im Betrieb der Beklagten bestimmt. Sie hatten gleichwohl noch für die Beklagte einen Wert. Dies ergibt sich daraus, dass Aluminium ein metallischer Werkstoff ist, dessen Eigenschaften selbst nach seiner Nutzung in einem Produkt nicht beeinträchtigt werden. Aluminium kann daher bei entsprechender Aufbereitung beliebig oft ohne Qualitätsverlust wiederverwertet werden. Der hohe Metallwert bleibt erhalten. Dies ergibt sich daraus, dass es wesentlich schwieriger ist, neues Aluminium zu gewinnen, als reines Aluminium einzuschmelzen. Dies ist gerichtsbekannt.

Nur die Beklagte als Arbeitgeberin und Eigentümerin hatte zu entscheiden, was mit den, in ihrem Eigentum stehenden Aluminiumteilen zu geschehen hatte. Es ist alleine Sache der Beklagten gewesen, zu entscheiden, ob, an wen und zu welchem Preis Metallschrott verkauft wurde. Unabhängig davon hängt der wirtschaftliche Wert einer Sache nicht allein von deren Verkaufsfähigkeit ab. Hier hatten die vom Kläger eigenmächtig verkauften Aluminiumreste aber sogar - dies belegt der vom Kläger in nicht unerheblicher Höhe erzielte Erlös (immerhin 79,80 Euro) - durchaus einen nennenswerten wirtschaftlichen Wert. In diesem Zusammenhang sind die Ausführungen der Beklagten zum Wert und zur Bedeutung des Aluminiumanteils der im Betrieb anfallenden Abfälle plausibel und nachvollziehbar. Es leuchtet ein, dass ein Schrotthändler nur dann zur Abholung und Entsorgung von Abfall bereit ist, wenn dieser Abfall zumindest auch werthaltige Bestandteile enthält, von denen er profitieren kann.

Zum Nachteil des Klägers wirkt sich weiter aus, dass er als Lagerist eine (gewisse) Vertrauensstellung innehatte, die es ihm ermöglichte auf Sachen des Arbeitgebers zuzugreifen. Die oben festgestellte Tat des Klägers hängt mit seiner vertraglich geschuldeten Tätigkeit zusammen. Aus diesem Grunde ist durch die Tat des Klägers ein irreparabler Vertrauensverlust der Beklagten eingetreten, der ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Klägers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar gemacht hat.

Ergänzend wird auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Das Vorbringen des Klägers rechtfertigt (auch im Übrigen) keine von der Beurteilung des Arbeitsgerichts abweichende rechtliche Bewertung.

III.

Die Kosten seiner erfolglosen Berufung muss gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger tragen.

Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Das vorliegende Berufungsurteil ist deswegen derzeit mit der Revision nicht anfechtbar. Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann von dem Kläger unter den Voraussetzungen des § 72a ArbGG und nach näherer Maßgabe dieser Vorschrift selbständig durch Beschwerde, die beim Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuss-Platz 1, 99084 Erfurt einzulegen ist, angefochten werden. Darauf wird der Kläger hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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