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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 17.08.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 389/04
Rechtsgebiete: ArbGG, BAT, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BAT § 70
BGB §§ 145 ff.
BGB § 151
BGB § 242
BGB § 286
BGB § 288
BGB §§ 305 ff.
BGB § 305 Abs. 1 Satz 1
BGB § 307
BGB § 307 Abs. 1
BGB § 309 Nr. 13
BGB § 310 Abs. 4 Satz 2
BGB § 310 Abs. 4 Satz 2 - Halbsatz 1 -
BGB § 611 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 5 Sa 389/04

Verkündet am: 17.08.2004

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des ArbG Koblenz vom 12.03.2004 - 1 Ca 4920/03 - teilweise, nämlich in der Kostenentscheidung sowie hinsichtlich der Entscheidung über die Zahlungsanträge, wie folgt abgeändert (- wobei die Ziffer 1. des Urteilstenors vom 12.03.2004 - 1 Ca 4920/03 - unverändert bleibt):

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 150,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils EUR 50,00 seit dem 01.11.2003, 01.12.2003 sowie 01.01.2004 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die weitergehende Zahlungsklage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. 1. Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreites fallen dem Kläger zu 1/5 und dem Beklagten zu 4/5 zur Last.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 93,5 % und der Beklagte zu 6,5 % zu tragen.

IV. Die Revision wird (für den Kläger) zugelassen, soweit die Zahlungsklage abgewiesen wurde; im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 2.350,00 festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren (noch) über eine Sonderzahlung sowie über eine Gehaltserhöhung.

Der Kläger ist bei dem Beklagten seit dem 01.11.1999 als Lehrkraft beschäftigt. Die Parteien haben den Arbeitsvertrag vom 12.09.2001 (Bl. 40 ff. d.A.) abgeschlossen, wonach die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers 38,5 Stunden wöchentlich beträgt. Gemäß der Zusatzvereinbarung (- zum Arbeitsvertrag vom 12.09.2001 -) vom 04.03.2002 (Bl. 44 d.A.) belief sich die monatliche Bruttovergütung des Klägers ab dem 01.02.2002 auf EUR 2.658,72 (vgl. dazu auch die Gehaltsabrechnung für November 2003, Bl. 45 d.A.). Mit dem Rundschreiben Nr. 22/2002 vom 15.11.2002 ("Sonderzahlung 2002, Lohnerhöhung ...", Bl. 17 d.A.) wandte sich der Beklagte u.a. wie folgt an die Mitarbeiter:

"... W. ist auch in diesem Jahr möglich, eine Sonderzahlung durchzuführen ... Der Grundbetrag für eine Vollzeitstelle bei einer 12-monatigen Tätigkeit ... beträgt EUR 1.750,00 ...

... hat der Vorstand entschieden, zum 01.01.2003 eine Lohnerhöhung in Höhe von EUR 50,00 für eine Vollzeitstelle zu gewähren...".

In der Folgezeit hat der Beklagte dem Kläger weder die Sonderzahlung für das Jahr 2002 gewährt, noch die Gehaltserhöhung gezahlt (- vgl. dazu das Schreiben des Beklagten vom 30.01.2003, Bl. 60 d.A., in dem es heißt:

"... aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage ist die im Rundschreiben 22/2002 vom 15.11.2002 angekündigte Gehaltserhöhung ab dem 01.01.2003 nicht möglich. Ich bitte Sie um Ihr Verständnis...").

In dem ursprünglichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 28.09.1999 (Bl. 7 bis 9 d.A.) hieß es in § 13 - Verwirkung von Ansprüchen -:

"Der Arbeitnehmer muss Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend machen. Andernfalls sind sie verwirkt".

In dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 12.09.2001 heißt es nunmehr (s. Bl. 42 d.A.):

"§ 14 - Verfallfristen -:

Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind von den Vertragsschließenden binnen einer Frist von drei Monaten seit ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Falle der Ablehnung innerhalb einer Frist von zwei Monaten, im Falle des Schweigens auf die Geltendmachung innerhalb einer Frist von drei Monaten einzuklagen".

Mit der Klageschrift vom 09.12.2003, die dem Beklagten am 22.12.2003 zugestellt wurde, klagte der Kläger die Sonderzahlung 2002 in Höhe von EUR 1.750,00 nebst Zinsen ein. Mit dem Schriftsatz vom 30.12.2003, der dem Beklagten am 07.01.2004 zugestellt wurde, klagte der Kläger sodann noch die Gehaltserhöhung für das Jahr 2003 ein (= EUR 50,00 x 12 = EUR 600,00 brutto).

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird - soweit von den vorstehenden Feststellungen nicht abweichend - gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des ArbG Koblenz vom 12.03.2004 - 1 Ca 4920/03 - (dort S. 3 ff. = Bl. 96 ff. d.A.). Das Arbeitsgericht hat - soweit für das vorliegende Berufungsverfahren von Interesse - den Beklagten verurteilt, an den Kläger EUR 1.750,00 brutto und EUR 600,00 brutto jeweils nebst Zinsen zu zahlen.

Gegen das ihm am 10.05.2004 zugestellte Urteil vom 12.03.2004 - 1 Ca 4920/03 - hat der Beklagte am 21.05.2004 Berufung eingelegt und diese am 09.06.2004 begründet.

Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 04.06.2004 (Bl. 120 ff. d.A.) verwiesen. Der Beklagte macht dort insbesondere geltend, dass die Ansprüche des Klägers verfallen seien. Da der Kläger seine Forderungen auf Sonderzahlung und Gehaltserhöhung nicht fristgerecht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht habe, seien die Ansprüche gemäß § 14 des Arbeitsvertrages verfristet.

Darüber hinaus seien diese Forderungen auch verwirkt. Da der Kläger zu keiner Zeit dem Widerruf der Gehaltserhöhung widersprochen bzw. die Zahlung der Sonderzahlung angemahnt habe, habe sich der Beklagte darauf verlassen können, dass sich der Kläger damit einverstanden erkläre, sowohl die Lohnerhöhung als auch die Sonderzahlung nicht zu erhalten. (Auch) mit Blick auf die Ausschlussfrist des § 70 BAT habe der Beklagte darauf vertrauen können, dass der Kläger seine Ansprüche nicht mehr geltendmache. Des Weiteren hat sich der Beklagte mit dem, auf den 21.06.2004 datierten Schriftsatz (Bl. 141 f. d.A.), auf den ebenfalls verwiesen wird, geäußert.

Der Beklagte beantragt,

das am 12.03.2004 verkündete Urteil des ArbG Koblenz - 1 Ca 4920/03 - teilweise, nämlich bezüglich der Tenöre zu 2) und 3), abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt nach näherer Maßgabe seiner Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 09.07.2004 (Bl. 137 ff. d.A.) das Urteil des Arbeitsgerichts. Der Kläger führt dort insbesondere aus, dass die Zahlungsansprüche nicht aufgrund der arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist erloschen seien, da diese Ausschlussfrist aufgrund der vorzunehmenden AGB-Kontrolle nicht wirksam vereinbart worden sei. Die Ausschlussfrist sei sowohl nach § 307 BGB, als auch nach § 309 Nr. 13 BGB unwirksam. Dazu führt der Kläger jeweils näher aus (s. Bl. 138 und 139 d.A.). Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel hält der Kläger nicht für zulässig.

Seine Ansprüche - so macht der Kläger weiter geltend - seien auch nicht verwirkt. Hierzu fehle es bereits an dem erforderlichen Zeitmoment. Der Beklagte habe sich nicht allein deshalb, weil der Kläger sich im Laufe des Jahres 2003 nicht auf die zugesagte Sonderzahlung und Lohnerhöhung berufen habe, sicher sein können, dass diese Ansprüche nicht mehr geltend gemacht würden.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich teilweise als begründet. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind ausschließlich die Zahlungsansprüche des Klägers.

II.

Die Zahlungsklage ist nur teilweise begründet.

1.

Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger 150,00 EUR (nebst Zinsen) zu zahlen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus den §§ 145 ff., 151 und 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Rundschreiben des Beklagten vom 15.11.2002. Dieses Rundschreiben enthält eine hinreichend konkrete, annahmefähige Gesamtzusage. Der Kläger, der unstreitig zum Adressatenkreis des Rundschreibens gehört, konnte die darin liegenden Angebote des Beklagten (- auf die Sonderzahlung 2002 und auf die Gehaltserhöhung -) durch seine widerspruchslose Weiterarbeit - wie geschehen - annehmen, ohne dass es zusätzlich noch einer ausdrücklichen Annahmeerklärung gegenüber dem Beklagten bedurfte. Davon ist erkennbar - zu Recht - auch das Arbeitsgericht ausgegangen. Gegen die Feststellungen und Wertungen des Arbeitsgerichts zum jeweiligen Grund der Zahlungsansprüche richtet sich kein Berufungsangriff des Beklagten.

2.

a) Die Ansprüche auf Zahlung der Gehaltserhöhungen von jeweils monatlich 50,00 EUR für die Monate Oktober, November und Dezember 2003 hat der Kläger (auch) fristgerecht im Sinne des § 14 des Arbeitsvertrages vom 12.09.2001 gegenüber dem Beklagten geltend gemacht. Auch die dort vorgesehene Schriftform ist durch die Klageerweiterung vom 30.12.2003, die dem Beklagten am 07.01.2004 zugestellt wurde, gewahrt.

b) Die Ansprüche für die vorgenannten Monate von Oktober bis Dezember 2003 sind nicht gemäß § 242 BGB verwirkt. Nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der die Berufungskammer folgt, ist ein Recht verwirkt, wenn sich ein Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltendmachen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zum reinen Zeitablauf müssen also besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzukommen, die es rechtfertigen, die verspätete Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Auch gilt es zu beachten, dass je kürzer die Verjährungsfrist ist, - desto seltener Raum für eine Verwirkung ist. Das tatsächliche Vorbringen des Beklagten reicht nicht aus, um feststellen zu können, dass in Bezug auf die Gehaltserhöhungsansprüche des Klägers für die Monate Oktober, November und Dezember 2003 Zeitmoment und Umstandsmoment erfüllt sind. Insoweit ist bereits das Zeitmoment nicht erfüllt. Unabhängig davon wird auf die Ausführungen - unten bei Ziffer II.3.c) - verwiesen, die hier entsprechend gelten.

3.

Im Übrigen ist die Zahlungsklage jedoch unbegründet. Sowohl die Zahlungsansprüche für die Monate von Januar 2003 bis September 2003 (Gehaltserhöhung in Höhe von jeweils 50,00 EUR monatlich) als auch der Anspruch auf Sonderzahlung für das Jahr 2002 sind gemäß § 14 des Arbeitsvertrages vom 12.09.2001 verfallen, d.h. erloschen.

a) Der Sonderzahlungsanspruch war unstreitig spätestens mit Ablauf des 31.12.2002 fällig; die Fälligkeit der Ansprüche auf Zahlung der Gehaltserhöhung trat jeweils mit Ablauf der jeweiligen Monate ein, - so wurde insbesondere die Gehaltserhöhung für den September 2003 mit Ablauf des 30.09.2003 fällig.

Zwecks Vermeidung eines Rechtsverlustes hätte der Kläger seine Zahlungsansprüche innerhalb von drei Monaten seit ihrer jeweiligen Fälligkeit schriftlich gegenüber dem Beklagten geltendmachen müssen. An dieser Geltendmachung fehlt es, soweit es um die Sonderzahlung 2002 und um die Gehaltserhöhungsansprüche für die Zeit von Januar 2003 bis einschließlich September 2003 geht.

b) Die von den Parteien in § 14 des Arbeitsvertrages vereinbarte Ausschlussfrist ist rechtswirksam. Diese Vertragsklausel hält sowohl der Einbeziehungskontrolle als auch der Inhaltskontrolle stand.

aa) Unter den gegebenen Umständen ist davon auszugehen, dass der Beklagte das Vertragsformular, das für den Arbeitsvertrag des Klägers vom 12.09.2001 verwendet wurde, zum Zwecke der Verwendung für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen aufgesetzt hat. Damit handelt es sich (auch) bei der Bestimmung des § 14 - Verfallfristen - des Arbeitsvertrages um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Regelung des § 14 des Arbeitsvertrages ist eine in diesem Sinne vorformulierte Vertragsbedingung.

(Auch) der Beklagte selbst hat nicht geltend gemacht, dass es sich bei dem Vertrag der Parteien um einen ausschließlich den Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses der Parteien Rechnung tragenden Individualvertrag handeln würde.

bb) Es spricht einiges dafür, dass einstufige einzelvertraglich vorformulierte Ausschlussfristen, die kürzer als sechs Monate sind, an sich eine "unangemessene Benachteiligung" des Arbeitnehmers im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB darstellen. Auch spricht viel dafür, zweistufige einzelvertraglich vorformulierte Ausschlussfristen gemäß § 309 Nr. 13 BGB für unwirksam zu halten (s. dazu im Einzelnen Lakies NZA 2004, 569 m.w.N.).

Gleichwohl ergibt sich aus den §§ 307 und 309 Nr. 13 BGB letztlich nicht, dass hier die erste Stufe der Ausschlussfrist des § 14 des Arbeitsvertrages unwirksam ist. Dies folgt aus § 310 Abs. 4 Satz 2 - Halbsatz 1 - BGB. Diese Bestimmung schreibt zwingend vor, dass bei der Anwendung der §§ 305 ff. BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen sind. Die gebotene angemessene Berücksichtigung dieser "Besonderheiten" führt - auf der ersten Stufe - zur Bejahung der Zulässigkeit einzelvertraglicher Verfallfristen der verfahrensgegenständlichen Art.

Vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes wurde die Vereinbarung arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen weitgehend für zulässig gehalten. Nach näherer Maßgabe seiner Rechtsprechung verlangte das BAG - abgesehen von der angemessenen Länge der Frist - im Wesentlichen lediglich, dass die Vereinbarung nicht überraschend gestaltet wurde und für den Arbeitnehmer transparent war, - wobei die Eigenschaft derartiger Klauseln als rechtsbeseitigende Verfallsfristen angesichts der Üblichkeit derartiger Regelungen im Arbeitsleben allein nicht als überraschend gewertet wurde (vgl. dazu die Nachweise im Urteil des ArbG Frankfurt vom 13.08.2003 - 2 Ca 5568/03 = MDR 2004, 339). Nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes hält das Bundesarbeitsgericht grundsätzlich an dieser Rechtsprechung, - der die Berufungskammer folgt -, fest. Die individualrechtliche Vereinbarung von Ausschlussfristen ist hiernach grundsätzlich zulässig. Sie ist gedeckt vom Prinzip der Vertragsfreiheit (BAG vom 02.03.2004 - 1 AZR 271/03 - dort unter Ziffer VI 2.).

cc) Hier ist die Klausel des § 14 des Arbeitsvertrages unter der Überschrift "Verfallfristen" als eigenständige Vorschrift in die Vertragsurkunde eingefügt und klar formuliert worden. Ihr fehlt jeglicher Überraschungseffekt.

Durch die - mit der Überschrift "Verfallfristen" versehene - Bestimmung des § 14 des Arbeitsvertrages wird in transparenter Weise klar und unmissverständlich - keinesfalls verklausuliert im "Kleingedruckten" - darauf hingewiesen, dass die dort bezeichneten Ansprüche form- und fristgerecht im Sinne dieser Vertragsbestimmung geltendzumachen und ggf. auch einzuklagen sind. Ein "Übertölpelungseffekt" - oder ein ähnlich unzulässiges Überraschungsmoment - wohnt der vertraglichen Gestaltung der Verfallfristen nicht inne. Zwar fehlt an sich die ausdrückliche Rechtsfolgenanordnung, dass die Ansprüche nach Ablauf der dort bezeichneten Fristen erlöschen. Die Rechtsfolge des "Erlöschens" der Ansprüche ist aber durch die Überschrift "Verfallfristen" noch hinreichend eindeutig in § 14 des Arbeitsvertrages geregelt: nach Ablauf der dort bezeichneten Fristen sollen die Ansprüche verfallen, - also erlöschen. Gerichtsbekannter Weise existieren - von der Rechtsprechung gebilligt - mehrere Tarifverträge, in denen - ähnlich wie hier in § 14 des Arbeitsvertrages - die Rechtsfolge des Verfalls bzw. des Erlöschens nicht ausdrücklich, sondern nur mittelbar durch die Überschrift oder sonst in ähnlicher Weise angeordnet wird (vgl. dazu beispielsweise § 17 MTV Nr. 3 für das Friseurhandwerk vom 03.07.1991 und dazu das Urteil des LAG Köln vom 09.04.1999 - 11 Sa 1366/98 -).

Die in § 14 des Arbeitsvertrages geregelten Verfallfristen gelten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen. Auf die Bedenken, die sich aus dem sogenannten Synchronisationsgebot gegen einseitige - nur den Arbeitnehmer belastende - Ausschlussfristen ableiten lassen, kommt es deswegen vorliegend nicht an. Die Fristen für die Ansprüche des Klägers und die des Beklagten unterscheiden sich in der Länge nicht.

dd) Hinsichtlich der Dauer der Geltendmachungsfrist auf der ersten Stufe - vorgerichtliche schriftliche Geltendmachung - bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Eine dreimonatige Frist für die vorgerichtliche Geltendmachung hält - bei der gebotenen Berücksichtigung der in § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 BGB genannten Besonderheiten - dem Maßstab von § 307 BGB - gerade noch - stand, sofern sie - wie vorliegend der Fall - sich auf Ansprüche bezieht, deren Entstehen und Höhe für den Arbeitnehmer leicht zu überblicken ist (vgl. dazu - für eine zweimonatige Geltendmachungsfrist -: ArbG Frankfurt vom 13.08.2003 a.a.O.).

Größeren Bedenken begegnet allerdings die auf der zweiten Stufe - gerichtliche Geltendmachung - des § 14 des Arbeitsvertrages vorgesehene zweimonatige bzw. dreimonatige Klagefrist. Hier spricht viel für die Unwirksamkeit des zweiten Teils bzw. der zweiten Stufe der in § 14 getroffenen Regelungen. Die etwaige Unwirksamkeit der zweiten Stufe des § 14 des Arbeitsvertrages schlägt aber nicht auf die erste Stufe durch (- ähnlich ArbG Frankfurt vom 13.08.2003 a.a.O.). Aus dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion - die Anwendbarkeit dieses Verbots im Arbeitsrecht unterstellt (vgl. dazu Preis NZA Beilage zu Heft Nr. 16/2003 S. 19, 27 f.) - ergibt sich kein anderes Ergebnis. Die erste Stufe der Verfallfristenregelung des § 14 des Arbeitsvertrages kann ohne "Reduktion" als eigenständige sinnvolle Regelung aufrechterhalten werden. § 14 ist dann - die Unwirksamkeit der zweiten Stufe unterstellt - wie folgt zu lesen:

"Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind von den Vertragsschließenden binnen einer Frist von drei Monaten seit ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen". Vorliegend verhält es sich also nicht so, dass der verbleibende wirksame Rest der Verfallklausel (= 1. Stufe) im Gesamtgefüge des Arbeitsvertrages nicht mehr sinnvoll wäre. Es ist anerkanntes Recht, dass - wie hier - voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung und -Feststellung sein können.

ee) Die Vereinbarung und Anwendung einzelvertraglicher Ausschlussfristen im Arbeitsleben entspricht einer jahrzehntelangen Rechtspraxis. Auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Zulässigkeit der individualrechtlichen Vereinbarung von Ausschlussfristen jahrzehntelang - in den durch diese Rechtsprechung gezogenen Grenzen - anerkannt gewesen. Von dieser ständigen Rechtsprechung und Rechtsanwendungspraxis möchte die Berufungskammer nicht ohne Not abweichen. Die im Zusammenhang mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom Gesetzgeber vorgenommenen Normierungen sind - gerade im Hinblick auf § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB - nicht so eindeutig erfolgt, dass den § 305 ff. BGB der Wille des Gesetzgebers entnommen werden könnte, vorformulierte arbeitsvertragliche Ausschlussfristen generell mit dem Verdikt der Unzulässigkeit zu belegen.

c) Klarzustellen ist noch, dass die Ansprüche des Klägers auf die Sonderzahlung für das Jahr 2002 sowie auf die Gehaltserhöhungen für die Monate Januar bis September 2003 nicht gem. § 242 BGB verwirkt sind. Das tatsächliche Vorbringen des Beklagten reicht nicht aus, um feststellen zu können, dass sich der Beklagte tatsächlich darauf eingerichtet hätte, dass der Kläger seine Ansprüche nicht mehr geltendmache. Insoweit ist bei der Prüfung der Verwirkung maßgebend, ob der Schuldner sich aufgrund des früheren Verhaltens des Gläubigers darauf eingerichtet hat, dass der Gläubiger den Anspruch nicht mehr stellen werde und ihm, dem Schuldner, die Erfüllung der Forderung aus diesem Grunde nicht mehr zugemutet werden kann. Diesbezügliche tatsächliche Feststellungen und rechtliche Wertungen lassen sich aufgrund des Vorbringens des Beklagten nicht treffen bzw. vornehmen. Insbesondere rechtfertigen die im Schriftsatz vom 04.06.2004, dort Seite 4 bis 6 unter II.2. = Bl. 123 ff d.A., genannten Umstände und Gesichtspunkte (noch) nicht die Wertung, dem Beklagten sei die Erfüllung der Forderungen des Klägers "unzumutbar" i. S. der Rechtsprechung des BAG zur Verwirkung.

III.

Zinsen wurden dem Kläger gemäß den §§ 286 und 288 BGB zugesprochen. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 1 und 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß § 25 Abs. 2 GKG a.F. festgesetzt. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung soweit die Zahlungsklage - gestützt auf die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist - abgewiesen wurde. Darauf beruht die - in diesem Umfang erfolgte - Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Im Übrigen war die Zulassung der Revision nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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