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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 12.10.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 413/04
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 5 Sa 413/04

Verkündet am: 12.10.2004

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des ArbG Mainz vom 17.03.2004 - 4 Ca 3519/03 - wird kostenpflichtig mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor lautet:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 01.12.2003 nicht aufgelöst worden ist.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 4.600,00 festgesetzt.

Tatbestand:

Nach erfolgreich - in der Zeit von September 1998 bis Ende des Jahres 2000 - absolvierter Lehre ist die am 10.09.1977 geborene Klägerin seit dem 29.01.2001 bei der Beklagten als Einzelhandelskauffrau beschäftigt (gewesen; - s. dazu den schriftlichen Arbeitsvertrag vom 29.01.2001, Bl. 1 f des Anlagenordners zu - 4 Ca 3519/03 -). Das monatliche Gehalt der Klägerin belief sich zuletzt auf EUR 1.533,87 brutto. Seit dem 29.10.2003 ist die Klägerin anhaltend arbeitsunfähig krank.

Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer (vgl. dazu im einzelnen die Angaben im Schriftsatz der Beklagten vom 09.03.2004, Bl. 22 f d.A.).

Seit dem 17.11.2003 fehlte aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (auch) der Arbeitnehmer W., der bis dahin als Raumausstatter überwiegend im Bereich "Bodenverlegung" für die Beklagte tätig gewesen ist.

Mit dem Schreiben vom 01.12.2003, der Klägerin am 02.12.2003 zugegangen, kündigte die Beklagte der Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2003. Die dagegen von der Klägerin erhobene Kündigungsschutzklage ging am 09.12.2003 bei dem Arbeitsgericht ein.

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des ArbG Mainz vom 17.03.2004 - 4 Ca 3519/03 - (dort Seite 2 ff = Bl. 37 ff d.A.). Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 01.12.2003 nicht aufgelöst wurde, sondern über den 31.12.2003 hinaus unverändert fortbesteht. Gegen das ihr am 28.04.2004 zugestellte Urteil vom 17.03.2004 - 4 Ca 3519/03 - hat die Beklagte am 28.05.2004 Berufung eingelegt und diese am 28.07.2004 - innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist (s. dazu den Verlängerungsbeschluss vom 24.06.2004 - 5 Sa 413/04 - (Bl. 74 d.A.) - begründet.

Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 28.07.2004 (Bl. 76 ff d.A.) verwiesen.

Die Beklagte rügt dort u.a., dass das Arbeitsgericht den schriftsätzlichen Vortrag vom 09.03.2004 zu unrecht als verspätet zurückgewiesen habe. Zur Begründung der Kündigung vom 01.12.2003 führt die Beklagte insbesondere aus:

Nachdem die 3 Geschäftsführer (= zugleich Gesellschafter) der Beklagten am 17.11.2003 erfahren hätten, dass der Arbeitnehmer W. bis mindestens März 2004 erkrankt sei und nach seiner Rückkehr im Bereich der Bodenverlegung nicht mehr einsatzfähig sein würde, hätten sie beschlossen,

- für die Bodenverlegearbeiten mit sofortiger Wirkung einen Subunternehmer (V.) zu beauftragen,

- W. im Bereich der Gardinen- und Sonnenschutzmontage einzusetzen und

- die bisher in diesem Bereich tätigen Mitarbeiter (U. (Raumausstattergesellin) und R. (Raumausstattermeister)) vermehrt im Verkauf einzusetzen.

Da durch die Fremdvergabe der Bodenverlegearbeiten und die damit verbundene Umstrukturierung ein Personalüberhang bestanden habe, sei gleichzeitig beschlossen worden, die Anzahl der bei der Beklagten ausschließlich als Verkäufer tätigen Personen um eine Person zu reduzieren. Die am 17.11.2003 beschlossenen Umstruktierungsmaßnahmen seien sofort umgesetzt worden. V. sei von der Beklagten als Subunternehmer mit den Bodenverlegearbeiten beauftragt worden und R. sei im Wechsel mit U. im Verkauf eingesetzt worden. Die Beklagte behauptet, dass keiner der bei ihr angestellten Raumausstatter (- ausgenommen W. -) zu einer fachgerechten Ausführung von Bodenverlegearbeiten in der Lage sei. Der Arbeitsplatz eines dritten Verkäufers sei ersatzlos weggefallen. Ein anderer freier Arbeitsplatz, auf dem die Klägerin hätte weiterbeschäftigt werden können, sei nicht vorhanden. Dazu führt die Beklagte ebenso weiter aus wie dazu, dass die von ihr getroffene soziale Auswahl nicht zu beanstanden sei (s. dazu insbesondere Seite 5 f der Berufungsbegründung = Bl. 80 f d.A.).

Nach teilweiser Klagerücknahme (s. dazu Seite 2 der Sitzungsniederschrift vom 12.10.2004 - 5 Sa 413/04 -) beantragt die Klägerin zuletzt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 01.12.2003 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des ArbG Mainz vom 17.03.2004 - 4 Ca 3519/03 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt nach näherer Maßgabe ihrer Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 23.08.2004 (Bl. 94 ff d.A.), auf die zwecks Darstellung aller Einzelheiten verwiesen wird, das Urteil des Arbeitsgerichts.

Als Hintergrund der Kündigung sieht die Klägerin eine persönliche Differenz zwischen der Klägerin und der Buchhalterin der Beklagten, T. S..

Betriebsbedingte Gründe sind nach Ansicht der Klägerin nicht ersichtlich, - sie seien ohnehin von der Beklagten zur Kaschierung persönlicher Gründe lediglich vorgeschoben. Die Klägerin bestreitet, dass der Raumausstatter W. nicht mehr für den Bereich "Bodenbelag" eingesetzt werden könne. W. - so behauptet die Klägerin - sei auch nach ihrer Kündigung ständig mit der Ausführung von "Bodenbelagsarbeiten" beschäftigt gewesen. Darüber hinaus seien auch die Mitarbeiter U. und R. in der Lage, "Bodenbelagsarbeiten" auszuführen. Weder U. noch R. seien nach der Kündigung der Klägerin verstärkt in den Bereichen Verkauf und Beratung eingesetzt worden. Die Klägerin wertet den kündigungsbegründenden Vortrag der Beklagten als absurd. U. und R. seien in der Lage gewesen, zumindest nach einer Einarbeitszeit, selbständig Bodenverlegearbeiten auszuführen; dies gehöre zum Berufsbild eines Raumausstatters. Schließlich beanstandet die Klägerin nach näherer Maßgabe ihrer Ausführungen auf den Seiten 8 f der Berufungsbeantwortung = Bl. 101 f d.A. die Sozialauswahl; sie bestreitet, dass die Beklagte jemals eine Sozialauswahl getroffen habe.

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit dem Kündigungsschutzantrag gem. § 4 S. 1 KSchG zu Recht stattgegeben.

II.

Die Kündigungsschutzklage ist begründet.

Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung vom 01.12.2003 weder zum 31.12.2003, noch überhaupt aufgelöst worden. Die Kündigung ist rechtsunwirksam.

1.

Die persönlichen (- Wartefrist -) und betrieblichen Anwendungsvoraussetzungen (Betriebsgröße/Beschäftigtenzahl) gem. den §§ 1 Abs. 1 und 23 Abs. 1 KSchG sind vorliegend unstreitig erfüllt. Dass die Klage fristgerecht erhoben wurde, wurde bereits vom Arbeitsgericht festgestellt.

2.

Die Kündigung ist gem. § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam. Auf personen- oder verhaltensbedingte Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG hat sich die Beklagte selbst nicht berufen. Sie ist aber auch nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin im Betrieb entgegenstehen könnten, bedingt. Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung i. S. d. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben.

a) Eine Kündigung kann aus innerbetrieblichen Gründen insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn sich der Arbeitgeber im Unternehmensbereich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Die unternehmerische Entscheidung ist im Kündigungsschutzprozess nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (- ständige Rechtsprechung des BAG, - vgl. dazu die Nachweise in Etzel u.a. 6. Aufl. KR-KSchG § 1 Rz 519 ff -). Von den Gerichten für Arbeitssachen ist allerdings voll nachzuprüfen, ob eine derartige Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis des einzelnen Arbeitnehmers auf Dauer entfällt. Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die Beklagte den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs nicht hinreichend dargetan hat. Es fehlt an der notwendigen Dringlichkeit.

b) Insoweit behauptet die Beklagte eine Entscheidung dahingehend, die Anzahl der bei ihr ausschließlich als Verkäufer tätigen Arbeitnehmer um eine Person zu reduzieren. Soweit darin - wofür einiges spricht - ( überhaupt ) mehr als der bloße Entschluss der Beklagten zu sehen ist, der Klägerin zu kündigen, führt eine derartige Unternehmerentscheidung noch nicht zum endgültigen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit der Klägerin für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist. Im Zeitpunkt des Kündigungsausspruches waren die von der Beklagten behaupteten Umstände/Erfordernisse - bei einer auf den Ablauf der Kündigungsfrist abstellenden Prognose - noch nicht dringend i. S. d. § 1 Abs. 2 S.1 KSchG.

aa) Dies ergibt sich unter Zugrundelegung des Konzepts, das Inhalt der von der Beklagten behaupteten unternehmerischen Entscheidung gewesen sein soll.

Das Konzept der Beklagten baut nach näherer Maßgabe ihres schriftsätzlichen Vorbringens darauf auf, dass aufgrund der - aus gesundheitlichen Gründen gebotenen - inhaltlichen Änderung der Beschäftigung ( Umsetzung ) des Arbeitnehmers K. H. W. es zu einem Personalüberhang im Verkaufsbereich gekommen ist bzw. kommen würde:

Zwar soll bzw. sollte W. nicht unmittelbar in den bisherigen Bereich der Klägerin umgesetzt werden, sondern in einen Bereich, in dem der Raumausstattermeister R. und die Raumausstattergesellin U. arbeiteten bzw. arbeiten. Die Umsetzung von W. habe aber - so die Behauptung der Beklagten - bewirkt, dass R. und U., - was die Beklagte auch beschlossen habe -, vermehrt im Verkauf eingesetzt werden könnten. Darauf und auf der Fremdvergabe der (bislang von W. verrichteten) Bodenverlegearbeiten beruhe der Beschluss, die Anzahl der im Verkauf eingesetzten Arbeitnehmer um eine Person (= die Klägerin) zu reduzieren.

Mit diesem und dem damit zusammenhängenden weiteren Vorbringen hat die Beklagte nicht schlüssig dargelegt, dass bei Kündigungsausspruch absehbar war, dass bei Ablauf der von der Beklagten eingehaltenen bzw. einzuhaltenden Kündigungsfrist ( = 31.12.2003 bzw. 31.01.2004; vgl. § 622 Abs. 2 S.1 Nr. 1 BGB ) kein betrieblicher Bedarf mehr für die (Weiter-)Beschäftigung der Klägerin bestehen würde.

bb) Zu einem Personalüberhang im Verkaufsbereich konnte es nach Lage der Dinge doch - wenn überhaupt - erst nach Rückkehr des damals - d. h. zur Zeit des Kündigungsausspruches - ( ebenso wie die Klägerin ) erkrankten Arbeitnehmers W. kommen. W. war seit dem 17.11.2003 arbeitsunfähig krank und der Beklagten war - aufgrund der Erkrankung - klar, dass W. "bis mindestens März 2004 fehlen würde" (- dies trägt die Beklagte auf S. 3 der Berufungsbegründung und auf S. 1 des Schriftsatzes vom 9.03.2004 = Bl 22 d.A., auf den sie am Ende der Berufungsbegründung vom 28.7.2004 Bezug genommen hat, - dort S. 6 = Bl. 87 d.A. -), selbst vor. War aber - wovon hiernach auszugehen ist - zu erwarten , dass W. über den 31.12.2003 und über den 31.01.2004 hinaus krankheitsbedingt fehlen würde (- die spätere Entwicklung hat diese Erwartung bestätigt; tatsächlich hat W. wohl erst im April 2004 die Arbeit wieder aufgenommen -), fehlt der Annahme, es komme bei Ablauf der - gegenüber der Klägerin einzuhaltenden - Kündigungsfrist zu einem Personalüberhang im Verkaufsbereich, die notwendige Grundlage. Zum 01.01.2004 bzw. zum 01.02.2004 schied - nach der eigenen Einschätzung der Beklagten - ein Einsatz bzw. eine Umsetzung von W. in den bisherigen Arbeitsbereich von R. und U. - krankheitsbedingt - aus, - so dass folglich auch ein vermehrter Einsatz von R. und U. im Verkauf nicht veranlasst war. Folglich konnte dort auch (noch) kein - die Kündigung der Klägerin rechtfertigender - Personalüberhang prognostiziert werden.

c) Da es hiernach bereits an der Dringlichkeit der von der Beklagten behaupteten Erfordernisse fehlt, kann dahingestellt bleiben, ob die unternehmerische Entscheidung der Beklagten - wie die Klägerin annimmt - offenbar (unsachlich bzw.) unvernünftig ist. Dafür könnte möglicherweise sprechen, dass - zumindest nach einer gewissen Einarbeitungszeit - (auch) der Raumausstattermeister R. und die Raumausstattergesellin U. aufgrund ihrer Berufsausbildung in der Lage sind, Bodenbeläge zu verlegen und ähnliche Arbeiten zu verrichten (s. dazu im einzelnen die seinerzeit noch in Kraft befindliche VO über die Berufsausbildung zum/zur Raumausstatter(in) vom 05.08.1982 nebst RaumAAusbVO/Ausbildungsrahmenplan (BGBl.I 1982, 1142). Gleichwohl erscheint es zweifelhaft, ob dieser Umstand ausreicht, um der Beklagten eine offenbar unsachliche bzw. unvernünftige oder gar willkürliche Entscheidung vorwerfen zu können. Diesbezüglichen Zweifeln muss ebenso wenig nachgegangen werden wie den weiteren Einwänden, mit denen die Klägerin die Kündigung bekämpft.

III.

Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung muss gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte tragen. In entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wirkt sich die teilweise Klagerücknahme kostenmäßig nicht zum Nachteil der Klägerin aus. Der von der Klägerin insoweit zunächst auch verfolgte allgemeine Feststellungsantrag gem. § 256 Abs. 1 ZPO hat keine besonderen Kosten veranlasst.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst. Für die Gerichtsgebühren wurde der Streitwert des Berufungsverfahrens gem. §§ 42 Abs. 4 S. 1 und 63 Abs. 2 GKG festgesetzt. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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