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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 09.06.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 58/08
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB, GewO, HGB


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 518
ZPO § 519
BGB § 626
BGB § 626 Abs. 1
GewO § 123
GewO § 124
HGB § 71
HGB § 72
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 07.01.2008 - 7 Ca 1055/07 - hinsichtlich der Ziffern 1) und 3) aufgehoben; die Klage wird insoweit abgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen; hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten hat der Kläger 3/4, die Beklagte 1/4 zu tragen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristlosen Kündigung der Beklagten beendet worden ist, sowie darüber, ob und in welcher Höhe dem Kläger noch Restlohnansprüche gegenüber der Beklagten zustehen. Der Kläger war seit dem 24.04.2006 bei der Beklagten, die eine Arbeitnehmerüberlassungsfirma betreibt, als Schlosser beschäftigt. Für die Zeit vom 13.08.2007 bis 24.08.2007 hatte der Kläger bei der Beklagten Urlaub beantragt; dem hatte die Beklagte nicht entsprochen. In der Woche vor diesem Zeitraum kam es zwischen dem Kläger und einer Angestellten der Beklagten zu einem Telefonat, in dem diese ihn darauf hinwies, dass er gegen seine vertraglichen Verpflichtungen verstoße, wenn er für den Urlaubszeitraum Krankmeldungen einreichen werde. Die Antwort des Klägers darauf ist zwischen den Parteien umstritten und wird unterschiedlich dargestellt, jedenfalls fielen unter anderem auch die Worte "schauen wir mal". Am Samstag, dem 11.08.2007, wurde der Kläger im Notfalldienst der Klinik vorstellig und berichtete von einem Sturz mit einem Quad. Hinsichtlich des weiteren Gangs der Ereignisse wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 3 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 69 d. A.) Bezug genommen. Nachdem der Kläger zu einem Gesprächstermin am 17.08.2007 sich nicht bei der Beklagten eingefunden hatte, wurde ihm danach per Boten eine außerordentliche Kündigung zugestellt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der am 28.08.2007 erhobenen Klage. Der Kläger hat vorgetragen,

er habe weder seine Arbeitsunfähigkeit angedroht, noch eine solche vorgetäuscht. Des Weiteren stehe ihm Arbeitslohn und Entgeltfortzahlung bis zum 15. September 2007 zu, der Ausgleich von 90 Gleitstunden, sowie Urlaubsabgeltung für sechs Arbeitstage. Der Kläger hat, soweit für das Berufungsverfahren von belang,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 17.08.2007, zugegangen am selben Tag, nicht aufgelöst worden ist, sondern noch bis zum 15.09.2007 fortbestand. 2. die Beklagte zu verurteilen,

a) ... b) an den Kläger 1.529,50 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 02.09.2007 zu zahlen, c) an den Kläger 1.919,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2007 zu zahlen, abzüglich per 19.11.2007 gezahlter 944,75 € netto. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat vorgetragen,

eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit sei entgegen der Auffassung des Klägers durch das mit der Mitarbeiterin Sch. geführte Gespräch gegeben. Für die Zeit bis zum 15.09.2007, dem Beendigungszeitpunkt aufgrund einer unstreitig vom Kläger erklärten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses, seien Entgeltfortzahlungsansprüche ebenso wie Ansprüche aus Annahmeverzug aufgrund der wirksamen fristlosen Kündigung nicht gegeben. Weitere Ansprüche auf Ausgleich von Überstunden lägen nicht vor, nachdem die Beklagte 93,75 Überstunden abgerechnet habe. Gleiches gelte für die sechs Urlaubstage, für die die Beklagte zwischenzeitlich geleistet habe. Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Sch.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26.11.2007 (Bl. 58, 59 d. A.) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - hat daraufhin durch Urteil vom 07.01.2008 - 7 Ca 1055/07 - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 17.08.2007 nicht beendet worden ist, sondern bis zum 15.09.2007 fortbestanden hat und, soweit für das Berufungsverfahren von Belang, die Beklagte zur Zahlung von 1.529,50 € brutto nebst Zinsen sowie weiteren 1.877,00 € brutto nebst Zinsen abzüglich gezahlter 944,75 € netto verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 68 bis 74 der Akte Bezug genommen. Gegen das ihr am 14.01.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 30.01.2008 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 03.04.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin durch Schriftsatz vom 28.02.2008 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 14.04.2008 einschließlich verlängert worden war. Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, aufgrund der Aussage der Zeugin Sch. stehe zweifelsfrei fest, dass eine angekündigte Arbeitsunfähigkeit gegeben sei. Auch liege eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit vor. Entgeltansprüche sowie Ansprüche aus Annahmeverzug bis zum 15.09.2007 scheiterten an der wirksamen fristlosen Kündigung; weitere Zahlungsansprüche bestünden nicht. Sie habe auf der Grundlage von 8,12 € 93,75 Stunden mit 721,25 € ausgezahlt, was unstreitig ist und des Weiteren sechs Urlaubstage mit 42 Stunden und einen Betrag von 341,07 €. Insofern sei nicht nachvollziehbar, warum dem Kläger ein höherer Betrag zustehen solle; an entsprechendem Sachvortrag fehle es vollständig. Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungsbegründung vom 03.04.2008 (Bl. 104 - 114 d. A.) sowie ihren Schriftsatz vom 28.05.2008 (Bl. 134, 135 d. A.) Bezug genommen. Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 07.01.2008 (Aktenzeichen 7 Ca 1055/07) die Klage abzuweisen, soweit die Verurteilung über die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses hinausgeht. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, weder eine angekündigte noch eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit seien vorliegend gegeben. Folglich sei die außerordentliche Kündigung unwirksam; die Zahlungsansprüche aus Entgeltfortzahlung und Annahmeverzug seien bis zum 15.09.2007 begründet. Für die geltend gemachte Überstundenvergütung und die Urlaubsabgeltung seien zwar Zahlungen geleistet worden; dem Kläger stehe insoweit aber ein höherer Stundenlohn zu. Wegen der weiteren Darstellung der Auffassung des Klägers wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 25.04.2008 (Bl. 123 - 126 d. A.) Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen. Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 09.06.2008. Entscheidungsgründe:

I. Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. II. Das Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Denn entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kann der Kläger weder die Feststellung der Unwirksamkeit der streitgegenständlichen fristlosen Kündigung verlangen, noch die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der in Ziffer 3) der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Bruttobeträge verlangen; mehr als die geleisteten 944,75 € netto stehen ihm insoweit nicht zu. Die von der Beklagten erklärte streitgegenständliche fristlose Kündigung ist Rechtswirksam und hat das Arbeitsverhältnis am 17.08.2007 beendet. Denn die Voraussetzungen des § 626 BGB sind vorliegend gegeben. Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann. Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG AP-Nr. 4, 42, 63 zu § 626 BGB). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 3. Auflage 2007 (APS-Dörner), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht (DLW-Dörner), 7. Auflage 2008, D Rz. 656 ff.). Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an. Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein (BAG EzA § 626 BGB Nr. 11, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 7). Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig: Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können. Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der - in der Regel - vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner, § 626 BGB a.a.O.; DLW-Dörner a.a.O.). Entscheidender Zeitpunkt ist der des Ausspruchs der Kündigung. Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). "Absolute Kündigungsgründe", die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG SAE 1986, S. 5). Systematisch kann nach Störungen im Leistungsbereich, im betrieblichen Bereich der Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich der Vertragspartner und im Unternehmensbereich unterschieden werden (APS-Dörner, a.a.O.; DLW-Dörner a.a.O.) Insoweit ist anerkannt, dass dann, wenn der Arbeitnehmer erklärt, er werde krank, wenn der Arbeitgeber ihm den im bisherigen Umfang bewilligten Urlaub nicht verlängert, obwohl er im Zeitpunkt der Ankündigung nicht krank war und sich aufgrund bestimmter Beschwerden auch noch nicht krank fühlen konnte, ein Kündigungsgrund gem. § 626 BGB gegeben ist. Ein solches Verhalten ist dann ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitnehmer später tatsächlich erkrankt, an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben (BAG 17.06.2003 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 4; Dörner/Luczak/Wildschütz Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht 7. Auflage 2008 D. Rz. 721 (= Seite 1238). Dabei kann es ausreichend sein, dass die Drohung mit der Erkrankung nicht unmittelbar erfolgt, sondern im Zusammenhang mit dem Urlaubswunsch gestellt wird, und ein verständiger Dritter dies als deutlichen Hinweis werten kann, bei Nichtgewährung des Urlaubs werde eine Krankschreibung erfolgen (BAG 17.06.2003 a.a.O.). Denn in einem derartigen Fall wird angedroht, die erstrebte Verlängerung der Arbeitsfreistellung bzw. die Erreichung der Arbeitsfreistellung notfalls auch ohne Rücksicht darauf zu erreichen, ob eine Arbeitsunfähigkeit tatsächlich vorliegt. Versucht der Arbeitnehmer auf diesem Wege, einen ihm nicht zustehenden Vorteil, z. B. eine verlängerte Freistellung von der Arbeit, zu erreichen, so verletzt er bereits dadurch erheblich seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht, die es ihm verbietet, den Arbeitgeber auf diese Weise unter Druck zu setzen. Ein solches Verhalten beeinträchtigt das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber, weil es in ihm den berechtigten Verdacht aufkommen lassen kann, der Arbeitnehmer missbrauche notfalls seine Rechte aus den Entgeltfortzahlungsbestimmungen, um einen unberechtigten Vorteil zu erreichen. In dieser Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht liegt auch bereits eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses (BAG 05.11.1992 EzA § 626 BGB Neue Fassung Nr. 143). Diese Voraussetzungen sind vorliegend entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und des Klägers gegeben. Es trifft zwar zu, dass die Zeugin Sch. zum Inhalt des Telefonats mit dem Kläger ausgesagt hat, dass sie es war, die den Kläger darauf hingewiesen hatte, dass er seinen Urlaub nicht bekommen würde und dass dann, wenn er krank machen würde, das Vorsatz wäre. Sie hat des Weiteren aber bekundet, dass der Kläger daraufhin erwiderte, "wollen wir mal sehen, schauen wir mal," oder eine ähnliche Floskel gebrauchte. Sie hat ihren Eindruck bei diesem Telefonat dahin zusammengefasst, dass ihr persönlicher Eindruck war, dass der Kläger partout Urlaub durchsetzen wollte. Die Floskel "dann wollen wir doch mal sehen" hat sie "genau so verstanden, da war nichts scherzhaft". Die Kammer hat keinen vernünftigen Anlass, an der Richtigkeit der Aussage der Zeugin zu zweifeln. Anhaltspunkte dafür lassen sich auch dem Sachvortrag des Klägers im Berufungsverfahren nicht entnehmen. Sie hat ihren persönlichen Eindruck gut nachvollziehbar geschildert; er enthält gerade das für die vorliegende Fallkonstellation verwerfliche Nötigungselement, dass darin besteht, dass dem Arbeitgeber das Gefühl vermittelt wird, sich gegen das Erzwingen der zu Recht abgelehnten Freistellung nicht wehren zu können, mit den entsprechenden betrieblichen Nachteilen. Insoweit bedarf es folglich nicht der Verwendung besonderer und bestimmter Worte oder Ausdrücke; entscheidend ist die Gesamtsituation des Gesprächs. Wenn der Kläger diesen Eindruck nicht hätte vermitteln wollen, hätte es an ihm gelegen, in dieser Gesprächssituation dies entsprechend klarzustellen. Folglich ist ein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand gegeben. Die abschließend durchzuführende umfassende Interessenabwägung führt zu einem Überwiegen des Interesses der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Klägers an der einstweiligen Fortsetzung bis zum Ablauf der Frist der von ihm erklärten ordentlichen Kündigung am 15.09.2007. Zwar handelt es sich insoweit um einen nicht allzu langen Zeitraum; deshalb sind hohe Anforderungen zu stellen. Andererseits ist der Nötigungscharakter des Gesprächs erheblich; es kann nicht erwartet werden, dass die Beklagte darauf vertraut, dass der Kläger sich auch nur für diesen überschaubaren Zeitraum vertragsgemäß verhält und insbesondere, so wie es den vertraglichen Verpflichtungen entspricht, zur Arbeit erscheint. Demgegenüber fällt die kurze Bestandsdauer des Arbeitsverhältnisses von ca. 16 Monaten nicht nennenswert ins Gewicht. Auch aus den persönlichen Verhältnissen des Klägers (Alter, Familienstand) ergeben sich keine besonderen Rücksichtnahmepflichten oder Umstände, die ein anderes Ergebnis begründen könnten. Nach alledem ist die außerordentliche Kündigung rechtswirksam. Daraus folgt zunächst unmittelbar, dass ihm der Zahlungsbetrag von 1.529,50 € brutto an Entgeltfortzahlung bis zum 31.08.2007 nicht zusteht, weil das Arbeitsverhältnis im fraglichen Zeitpunkt bereits rechtswirksam beendet war. Gleiches gilt für den Betrag in Höhe von 665,00 € brutto mit Annahmeverzug bis zum 15.09.2007. Für die geltend gemachten 90 Überstunden auf dem Gleitzeitkonto kann der Kläger nicht mehr als von der Beklagten brutto und netto abgerechnet verlangen. Er verlangt auf der Basis von 90 Stunden 855,00 € brutto; die Beklagte hat 93,75 Überstunden abgerechnet und netto ausgezahlt. Wenn der Kläger der Auffassung war, dass ihm insoweit mehr als anerkannt zustand, wäre es seine Sache gewesen, in der fraglichen Höhe die Klage entsprechend schlüssig zu begründen. Daran fehlt es. Hinsichtlich der abzugeltenden sechs Urlaubstage ist die Beklagte von 8,12 € brutto ausgegangen; der Kläger hat ein Stundenentgelt von 9,50 € verlangt; das Arbeitsgericht hat ihm davon (rechtskräftig) 1,00 € brutto pro Stunde abgezogen. Zwar gibt es für den von ihm geltend gemachten Stundensatz von 8,50 € bzw. 9,50 € Anhaltspunkte in den schriftlichen Vereinbarungen der Parteien; im Hinblick auf die Brutto- und Nettoabrechnungen der Beklagten wäre es aber auch insoweit Sache des Klägers gewesen, konkret und schlüssig zu begründen, was er denn nun insoweit noch von der Beklagten verlangt. Weil es daran fehlt, war die Klage auch insoweit abzuweisen. Nach alledem war die angefochtene Entscheidung im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Ende der Entscheidung

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