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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 18.02.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 659/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB, GewO, KSchG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 518
ZPO § 519
BGB § 626 Abs. 1
GewO § 123
GewO § 124
KSchG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
5 Sa 658/07 5 Sa 659/07

Tenor:

1. Berufungen der Beklagten gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 31.05.2007 - 6 Ca 85/07 - und vom 30.08.2007 - 6 Ca 85/07 - werden auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch eine fristlose Kündigung der Beklagten beendet worden ist, ob der Kläger im Obsiegensfalle die Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens sowie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Arbeitsentgelt für die Monate Februar, März und Mai 2007 verlangen kann.

Der Kläger ist seit dem 14.01.2002 bei der Beklagten als Normeningenieur, zuletzt als Sachbearbeiter im Bereich Dokumentation zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3.366,87 € beschäftigt.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.01.2007 zum 30.01.2007 fristlos aus wichtigem Grund gekündigt. Der Kläger ist seit Anfang 2006 Ersatzmitglied des Betriebsrats; am 18.05.2006 nahm er für ein verhindertes Betriebsratsmitglied an einer Betriebsratssitzung teil.

Anfang 2006 wurde mit Zustimmung des Klägers die Entscheidung getroffen, ihn ab 01.06.2006 in der Abteilung T. (1.160) als reinen Sachbearbeiter Dokumentation/Ersatzteil-Katalog einzusetzen.

Mit Schreiben vom 30.08.2006 und 20.10.2006 wurde der Kläger wegen Schlechtleistung abgemahnt.

Der Kläger hat vorgetragen,

aufgrund des ultima ratio Gebots sei vor Ausspruch der Kündigung ein Rücktausch der Arbeitsplätze vorzunehmen.

Die von der Beklagten genannten "fachlichen" Probleme und der hieraus folgende Wechsel der Arbeitsfelder falle unmittelbar mit dem Bekanntwerden seiner Kandidatur am 23.01.2006 für die Betriebsratswahl vom März 2006 zusammen. Darin liege auch die Ursache für die angeblichen Leistungsprobleme. Bloße Leistungsmängel könnten eine fristlose Kündigung deshalb nicht rechtfertigen.

Im neuen Arbeitsbereich hätten sich er und Frau P. innerhalb der ersten vierzehn Tage jeweils halbschichtig eingearbeitet. Aufgrund des Umfangs der Arbeitsaufgabe sei er nochmals für eine weitere Woche von Frau P. angeleitet worden. Eine weitere arbeitgeberseitige Einarbeitung sei nicht erfolgt. Betriebsintern werde die Einarbeitungszeit für diese Tätigkeit aber mit mindestens sechs Monaten eingeschätzt. Bereits nach rund drei Monaten nach Zuweisung der neuen Tätigkeit habe die Beklagte eine Abmahnung ausgesprochen, eine weitere am 30.10.2006, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Diese Abmahnungen seien nicht gerechtfertigt, weil mangels ausreichender Einarbeitung, er nicht habe wissen können, welche Vertragspflichten er zu erfüllen habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. feststellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29.01.2007 nicht beendet worden ist,

2. Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Sachbearbeiter im Bereich Dokumentation weiter zu beschäftigen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 242,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.02.2007 zu zahlen,

4. die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn 3.676,47 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.03.2007 zu zahlen,

5. die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn 3.366,87 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.04.2007 zuzahlen und

6. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.366,87 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.05.2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

die Kündigung aus wichtigem Grund sei wegen beharrlicher Schlechtleistung wirksam. Der Kläger habe trotz wöchentlicher Gespräche mit seinen Vorgesetzten und zuletzt zweier Abmahnungen seine Arbeitsleistung derart nachhaltig negativ erbracht, dass ihr ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis nicht mehr zuzumuten sei und aufgrund des nachwirkenden Kündigungsschutzes nur die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung gegeben sei.

Mangels einer selbständigen und eigenverantwortlichen Arbeitsweise, sowie mangels einer notwendigen Selbstorganisation in seinem früheren Arbeitsgebiet, sei der Kläger einvernehmlich als Sachbearbeiter im Bereich Ersatzteil-Katalog eingesetzt worden, obwohl er hierzu als Diplom-Ingenieur überqualifiziert sei.

Die übliche Einarbeitungszeit für diese Tätigkeit betrage zwei bis drei Wochen. Am 24.08.2006 habe der Kläger bestätigt, dass aus seiner Sicht Arbeitsinhalte und notwendige Kenntnisse ausreichend vermittelt seien. Trotz entsprechender Einarbeitung seien Änderungen im Ersatzteil-Katalog fehlerhaft eingearbeitet, Fehler teilweise nicht korrigiert und keine Selbstkontrolle durchgeführt worden. Internen Besprechungen sei er unentschuldigt ferngeblieben. Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten im erstinstanzlichen Rechtszug wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 6 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 150 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens hat daraufhin durch Teilurteil vom 31.05.2007 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29.01.2007 nicht beendet worden ist, die Beklagte zur Weiterbeschäftigung und zur Entgeltzahlung für den streitgegenständlichen Zeitraum verurteilt. Die Kostenentscheidung hat es der Schlussentscheidung vorbehalten.

Nachdem sich die Parteien hinsichtlich des verbliebenen Zahlungsanspruchs in der weiteren mündlichen Verhandlung vom 30.08.2007 gütlich geeinigt hatten im Wege eines Teilvergleichs, hat das Arbeitsgericht durch Schlussurteil vom 30.08.2007 der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Hinsichtlich des Inhalts des Schlussurteils wird auf Blatt 161 der Akte Bezug genommen.

Gegen die ihr am 21.09.2007 zugestellten Urteile hat die Beklagte durch am 17.10.2007 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangener Schriftsätze jeweils Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch jeweils am 21.11.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangener - wörtlich gleichlautender - Schriftsätze begründet.

Die Beklagte wiederholt jeweils erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, es treffe nicht zu, dass die gesamten Umstände dafür sprächen, dass der Kläger in das neue Arbeitsgebiet nicht ausreichend eingearbeitet worden sei bzw. Verständnisprobleme bestünden. Bei besonders verantwortungsvollen Tätigkeiten könne bereits allein das Risiko des Eintritts eines hohen Schadens selbst bei fahrlässigen Pflichtverletzungen eine fristlose Kündigung rechtfertigen, wenn dadurch das Vertrauensverhältnis der Arbeitsvertragsparteien berührt werde. Die Tätigkeiten des Klägers seien sehr verantwortungsvoll, da die auftretenden Änderungen im Ersatzteilkatalog von ihm einzuarbeiten seien und dieser Katalog inhaltlich korrekt sein müsse, da er Bestandteil des Lieferumfangs von Neugeräten sei. Deshalb müsse sich nicht nur die Beklagte, sondern auch der Kunde auf die Richtigkeit der vom Kläger durchgeführten Angaben verlassen können. Auch werde nicht ausreichend gewürdigt, dass die Beklagte die wiederholten Gespräche und das dennoch unveränderte Leistungsverhalten des Klägers dargestellt habe, so dass im Ergebnis trotz der warnenden Abmahnungen gegenüber dem Kläger davon auszugehen sei, dass dieser bewusst seine Leistungen nicht in dem erforderlichen Maße erbracht habe. Insoweit könne sich der Kläger auch nicht auf eine nicht ausreichende Einarbeitung stützen. Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf ihre Schriftsätze vom 21.11.2007 (Bl. 189 - 194 d. A. und 201 - 206 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 31.05.2007 und das Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 30.08.2007 - Az.: jeweils 6 Ca 85/07 - werden dahingehend abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird und der Kläger die Verfahrenskosten trägt.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtenen Entscheidungen und hebt insbesondere hervor, es sei nicht erkennbar, dass der Kläger seine Arbeitsleistung bewusst bzw. vorsätzlich zurückgehalten bzw. fehlerhaft erbracht habe. Es habe an einer ausreichenden Einarbeitung des Klägers durch Frau P. gefehlt. Zur weiteren Darstellung der Auffassung des Klägers wird auf die Berufungserwiderungsschriften vom 08.01.2008 (Bl. 220 - 225 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 18.02.2008.

Entscheidungsgründe:

I. Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die beiden Rechtsmittel der Berufung haben jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die begehrte Feststellung, die Verurteilung der Beklagten zur einstweiligen Weiterbeschäftigung und die Zahlung der ausgeurteilten Lohnsummen durch die Beklagte verlangen kann.

Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB sind vorliegend nicht gegeben. Denn es fehlt an einem wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien.

Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann. Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG AP-Nr. 4, 42, 63 zu § 626 BGB). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 3. Auflage 2004 (APS-Dörner), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht (DLW-Dörner), 6. Auflage 2007, D Rz. 656 ff.).

Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an. Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein (BAG EzA § 626 BGB Nr. 11, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 7).

Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig:

Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.

Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der - in der Regel - vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner, § 626 BGB a.a.O.; DLW-Dörner a.a.O.).

Entscheidender Zeitpunkt ist der des Ausspruchs der Kündigung.

Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). "Absolute Kündigungsgründe", die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG SAE 1986, S. 5).

Systematisch kann nach Störungen im Leistungsbereich, im betrieblichen Bereich der Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich der Vertragspartner und im Unternehmensbereich unterschieden werden (APS-Dörner, a.a.O.; DLW-Dörner a.a.O.)

Diese Voraussetzungen können auch beim Vorliegen einer beharrlichen Arbeitsverweigerung gegeben sein. Allerdings setzt eine beharrliche Arbeitsverweigerung in der Person des Arbeitnehmers im Willen eine Nachhaltigkeit voraus. Er muss also die ihm übertragene und auch tatsächlich von ihm geschuldete Arbeit bewusst nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es grundsätzlich nicht genügt, dass der Arbeitnehmer eine Weisung unbeachtet lässt. Voraussetzung ist vielmehr, dass eine intensive Weigerung vorliegt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer trotz mehrfacher Aufforderung durch den Arbeitgeber bewusst und nachhaltig der Arbeitspflicht nicht nachkommt (LAG Schleswig-Holstein 23.11.2004 5 Sa 202/04 EzA-SD 1/05 Seite 5 Leitsatz). Aufgrund des im Kündigungschutzrecht stets anwendbaren Prognoseprinzips ist zu würdigen, ob der Arbeitnehmer auch in Zukunft seiner Arbeitspflicht nicht, wie geschuldet, nachkommen wird (vgl. APS-Dörner, a.a.O., § 626 BGB Rz. 209).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Selbst wenn der Sachvortrag der Beklagten als zutreffend unterstellt wird, auch insoweit, wie ihn der Kläger im Einzelnen bestritten hat, ist vorliegend nicht davon auszugehen, dass im Willen des Klägers die zu Recht geforderte Nachhaltigkeit gegeben ist; zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung konnte die gebotene, zuvor dargestellte Prognose nicht zum Nachteil des Klägers angestellt werden. Dabei ist insbesondere der zeitliche Zusammenhang zwischen der Übertragung der neuen Arbeitstätigkeit und den später erklärten Abmahnungen sowie der streitgegenständlichen Kündigung zu sehen. Deshalb kann aus der Gesamtsituation jedenfalls derzeit die erforderliche Beharrlichkeit noch nicht angenommen werden. Fehler von Arbeitnehmern passieren; dies gilt insbesondere im ersten Zeitraum nach einem vollständigen Wechsel der Arbeitstätigkeit. Zwar ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger für die einvernehmlich ihm neu übertragene Arbeitstätigkeit überqualifiziert ist. Allerdings ist schon nicht ersichtlich, dass die bei ihm vorhandene Qualifikation sich auf die nunmehr übernommene Arbeitstätigkeit überhaupt auswirkt. Unabhängig von der Frage, wie lange betriebsüblich die Einarbeitungszeit für diese Tätigkeit ist, kommen auch nach der üblichen Einarbeitung Fehler vor, so dass bei der hier maßgeblichen Fallkonstellation schon besondere Umstände gegeben sein müssten, auf den für den Arbeitgeber nachteiligen Willen des Arbeitnehmers zu schließen. Derartige Umstände sind hier nicht ersichtlich. Auch wenn die Tätigkeit des Klägers für die Beklagte verantwortungsvoll ist, so lassen sich ihrem Sachvortrag doch auch hinsichtlich der betrieblichen Auswirkungen der Fehlleistungen nicht hinreichend deutlich derart gravierende zu besorgende Nachteile entnehmen, dass eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein könnte. Deshalb ist - jedenfalls derzeit - noch nicht von einer beharrlichen Arbeitsverweigerung bzw. dem Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB auszugehen. Wie sich die Sachlage insoweit bei weiteren entsprechenden Fehlleistungen darstellt, bedarf keiner Entscheidung. Gleiches gilt für die naheliegende Frage, ob bei fortgesetzten Fehlleistungen dieser Art nicht ab einem bestimmten Zeitpunkt von einer fehlenden Eignung des Klägers für die fragliche Tätigkeit auszugehen ist, die unter Umständen eine personenbedingte Kündigung nach Maßgabe des § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen könnte.

Die Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung nach § 1 KSchG kommt vorliegend aufgrund des nachwirkenden besonderen Kündigungsschutzes des Klägers als Ersatzmitglied des Betriebsrats nicht in Betracht.

Damit sind auch die weiteren Anträge des Klägers hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zur einstweiligen Weiterbeschäftigung sowie auf Zahlung von Annahmeverzugslohn in vollem Umfang begründet. Da im Berufungsverfahren insoweit keinerlei neue Tatsachen vorgetragen worden sind, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung (Seite 9, 10 = Bl. 153, 154 d. A.) Bezug genommen.

Folglich erweist sich auch die Kostenentscheidung im angefochtenen Schlussurteil als zutreffend.

Nach alledem waren die Berufungen der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Ende der Entscheidung

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