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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 17.04.2003
Aktenzeichen: 6 Sa 1213/02
Rechtsgebiete: InsO, BGB


Vorschriften:

InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 613 a
BGB § 613 a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT RHEINLAND-PFALZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 6 Sa 1213/02

Verkündet am: 17.04.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 17.04.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Carle als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter A und K für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 31.10.2002 - AZ: 11 Ca 541/02 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin noch Resturlaub aus dem Jahre 2001 zusteht.

Das Haus, in dem die Klägerin seit längerem gegen eine Bruttovergütung von 1.636,- EUR beschäftigt ist, wurde im Insolvenzverfahren mit Wirkung ab 31.12.2001, 24.00 Uhr, an die GmbH übergeben und ging in der Folge auf die jetzige Beklagte über.

Die Klägerin hat nach Insolvenzeröffnung am 01.08.2001 den Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen beim Insolvenzverwalter geltend gemacht, welcher aus betrieblichen Gründen abgelehnt wurde. Die Klägerin hat erneut im ersten Quartal 2002 ihre Ansprüche aus dem Vorjahr geltend gemacht, wobei mit dem damaligen Betreiber vereinbart wurde, dass man auf den Einwand des Verfalls von Urlaubsansprüchen verzichte.

Die Klägerin begründet ihre Klage vom 28.03.2002 im Wesentlichen damit, dass weder die Insolvenzverwaltung noch die Betriebsübergänge ihren Urlaubsanspruch berührt hätten. Die Beklagte stelle den Urlaubsanspruch in Abrede, so dass sie auf dessen Feststellung klage.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass sie Anspruch auf 30 Tage Resturlaub aus dem Jahre 2001 gegen die Beklagte hat.

Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dies ist im Wesentlichen damit begründet worden, dass sie für Verbindlichkeiten, die vor der Insolvenzeröffnung entstanden seien, nicht hafte und Ansprüche, die nach Insolvenzeröffnung entstanden seien, Masseschulden seien, wobei diese Ansprüche alle über den Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren abgewickelt werden müssten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen und die Zulässigkeit der Feststellungsklage damit begründet, dass eine Leistungsklage auf Gewährung von Urlaub für einen bestimmten Zeitraum im vorliegenden Falle keine Befriedigung herbeiführe und die strittige Rechtsfrage auch nicht klären könne. Bei der Konkretisierung des Urlaubswunsches auf einen bestimmten Zeitraum sei zu befürchten, dass bei längerer Dauer des Prozesses eine Erledigung der Hauptsache eintrete, weil zum Zeitpunkt geplanten Urlaubs der Rechtsstreit noch nicht rechtskräftig entschieden sei.

Der Klageanspruch der Klägerin sei auch gegeben, weil bei einer unstreitigen Urlaubsdauer von 30 Arbeitstagen aus 2001 weder die Insolvenzeröffnung noch die späteren Betriebsübergänge den Urlaubsanspruch in irgend einer Weise berührt hätten. Die Insolvenzeröffnung habe nicht dazu geführt, dass der damals noch offene Resturlaubsanspruch der Klägerin in eine Insolvenzforderung umgewandelt worden sei, weil sich der Urlaub auf Freistellung von der Arbeitspflicht bei Fortzahlung der Bezüge nicht allein auf eine einseitige Zahlungsverpflichtung des Gemeinschuldners erstrecke.

Eine Anmeldung des Urlaubsanspruchs zur Tabelle sei auch nicht möglich, da es sich um keine Geldforderung handele.

Hätte der Insolvenzverwalter den Urlaub bewilligt, wäre der Urlaubsentgeltanspruch als Lohnanspruch Masseschuld geworden, § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Auch bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses und noch offen stehendem Urlaubanspruch hätte sich der Urlaubsabgeltungsanspruch in eine derartige Masseschuld umgewandelt.

Der gegen den Insolvenzverwalter bestehende Freistellungsanspruch für den Verbrauch des offenen Urlaubs, der vom Insolvenzverwalter aus betrieblichen Gründen verweigert worden sei, sei in Folge Betriebsübergangs auf den Vorbetreiber und letztendlich auf die hiesige Beklagte übergegangen. Nur der aktuelle Arbeitgeber könne den Anspruch des Arbeitnehmers auf Freistellung von der vertraglichen Arbeitspflicht für Urlaubsansprüche erfüllen, weswegen die Beklagte mit dem Betriebsübergang in die Rolle des Urlaubsanspruchsschuldners getreten sei. Eine Quotelung des Urlaubs in Anspruchsteile, die vor Insolvenzeröffnung und solche die nach Insolvenzeröffnung also in sogenannte Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten sei nicht möglich, da der Urlaubsanspruch ein einheitlicher und auf Freistellung vor der Arbeitspflicht gerichtet sei.

Nach Zustellung des Urteils am 14.11.2002 hat die Beklagte am 22.11.2002 Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist am 14.02.2003 begründet.

Sie wendet sich im Wesentlichen gegen das arbeitsgerichtliche Urteil damit, dass man die haftungsrechtliche Regelung des § 613 a BGB im Wege der teleologischen Reduktion nur so anwenden könne, dass der Betriebserwerber für solche Ansprüche nicht hafte, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden seien. Dies gebietet der im Insolvenzrecht geltende Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, der eine Bevorzugung der vom Betriebserwerber übernommenen Belegschaft gegenüber anderen Insolvenzgläubigern verhindern wolle.

Das BAG gehe zwar davon aus, dass bei einem Betriebsübergang ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung gegenüber dem alten Arbeitgeber überhaupt nicht entstanden sei, weil das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung fortgesetzt werde und nur der Erwerber den Arbeitnehmer zur Erfüllung des Urlaubsanspruches von der Arbeitspflicht freistellen könne. Der Urlaubsanspruch sei seinem Gehalt nach nichts anderes als eine in Geld umrechenbare und damit geldwerte, bilanzrechtlich zu berücksichtigende Forderung, die wie jede Geldforderung anderer Gläubiger zu behandeln sei und nicht zu einer bevorzugten Behandlung der Gläubigerin, hier der Klägerin, führen könne, was jedoch dann der Fall sei, wenn die Haftung nicht begrenzt würde. Der Urlaubsanspruch im Sinne der Urlaubsrechtsprechung des BAG sei im jeweiligen Urlaubsjahr entstanden. Wenn dieser Anspruch dann aufs Folgejahr übertragen würde, werde die Masse mit einer geldwerten Forderung des betreffenden Arbeitnehmers beim Betriebsübergang belastet, was den Grundsatz der Gläubigergleichheitsbehandlung verletzen würde.

Die Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach vom 31.10.2002 - AZ: 11 Ca 541/02 - wird abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen damit, dass es nicht um die Behandlung von Geldansprüchen nach den Verteilungsgrundsätzen des Konkurs-/Insolvenzverfahrens gehen könne, sondern allein darum, ob die Klägerin eine bezahlte Freistellung von der vertraglichen Arbeitspflicht beanspruchen könne. Da es sich um einen Freistellungsanspruch drehe, könne nur der aktuelle Arbeitgeber, hier die Beklagte als Erwerber des Unternehmens, den Urlaubsanspruch realisieren, indem die Klägerin von der Arbeitspflicht freigestellt werde.

Eine teleologische Reduktion des § 613 a Abs. 1 BGB sei deshalb nicht geboten, weil es auf eine bilanzrechtliche Beurteilung nicht ankommen könne.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 93-95 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist deshalb nicht begründet, weil das Arbeitsgericht der Klage zu Recht entsprochen hat.

Die Berufungskammer schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Zulässigkeit der erhobenen Feststellungsklage an, weil die hiesige Feststellungsklage im Urlaubsjahr (nach Übertragung es Urlaubs in das Jahr 2002) erhoben wurde, wo allgemein eine Feststellungsklage als zulässig erachtet wird.

Auch soweit das Arbeitsgericht davon ausgeht, dass der Klägerin die Resturlaubsansprüche aus dem Jahr 2001 gegen den jetzigen Arbeitgeber, die Beklagte, zustehen, folgt die Berufungskammer den Ausführungen des Arbeitsgerichtes. Das Arbeitsgericht geht zu Recht davon aus, dass es eine zeitliche Zäsur nicht gibt, die den Urlaubsanspruch der Klägerin etwa in zwei unterschiedlich zu bewertende Ansprüche aufteilen kann. Das Arbeitsgericht geht zu Recht davon aus, dass der Urlaubsanspruch, auf den die Klägerin sich beruft, kein Geldanspruch ist, auch wenn im Zeitraum des Urlaubes die vertragsgemäße Vergütung weiter zu zahlen ist. In ständiger Rechtsprechung geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass Erholungsurlaub dann anzunehmen ist, wenn der Arbeitnehmer unter Fortzahlung des Arbeitsentgeltes als Urlaubsvergütung von der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung vom Arbeitgeber freigestellt wird (so schon BAG vom 20.04.1956, AP Nr. 6 zu § 611 BGB Urlaubsrecht).

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat auf den bestehenden Urlaubsanspruch deshalb keinen Einfluss, weil das Arbeitsverhältnis fortbesteht und demgemäß der Urlaubsanspruch der Klägerin in der vorgeschilderten Form weiter bestehen bleibt. Da keine Handlungen vom Insolvenzverwalter vorgenommen wurden, die den Urlaubsanspruch in irgend einer Weise berühren können, Erfüllung durch Gewährung etwa, spielen auch insolvenzrechtliche Spezialvorschriften, die die Beklagtenseite anführt, keine Rolle, Es ist zwar richtig, dass der Urlaubsanspruch auch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, da bei einmaliger Erfüllung der Wartefrist der Jahresurlaubsanspruch bereits am 01. Januar des jeweiligen Jahres besteht.

Jedoch rechtfertigt die Haftungsbeschränkung, die das Bundesarbeitsgericht bei der Frage des § 613 a BGB unter der Geltung der neuen Insolvenzordnung entwickelt hat, deshalb keine andere Behandlung des vorliegenden Anspruchs, weil bei dem einheitlichen Urlaubsanspruch eine derartige Zäsur nicht zu rechtfertigen ist. Ein Betriebsübergang bringt keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit sich und auch deshalb eine Zäsur dahin, dass bis zum Betriebsübergang erworbene Urlaubsansprüche als abzugeltende sich darstellen, nicht zu machen. Das Arbeitsverhältnis wird ohne jegliche Unterbrechung fortgesetzt und der Urlaubsanspruch richtet sich vornehmlich auf bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung, die nur der jeweilige Arbeitgeber erfüllen kann, auf den der Freistellungsanspruch für Erholungsurlaub im Ganzen übergeht. Auf die Frage, ob noch nicht erfüllter Urlaub als Position in die Bilanz eingestellt werden muss, kommt es in diesem Zusammenhang deshalb nicht an, weil die bezahlte Freistellung als Urlaubsgewährung rechtlich der Vergütung aus dem bestehenden Arbeitsvertragsverhältnis gleichzusetzen ist. Auch eine Verletzung des Gläubigergleichheitsbehandlungsgrundsatzes kann die Berufungskammer nicht erkennen, da der Urlaubsanspruch der Klägerin bei Betriebsübergang noch nicht fällig gewesen, sondern nur entstanden war, so dass eine Geldforderung, die im Zeitpunkt des Betriebsüberganges zu erfüllen gewesen ist, nicht vorhanden ist. Das Urlaubsentgelt ist für die Zeit zu zahlen, in der die Freistellung von der geschuldeten Arbeitsleistung erfolgt, also Erholungsurlaub gewährt wird, und nicht für die Zeit, in der der Urlaub erworben worden ist. Urlaubsansprüche aus einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis sind im Rahmen eines Insolvenzverfahrens deshalb nicht zu berücksichtigen, weil sie sich auf Freistellung von der Arbeit richten, aber keine Geldforderung in eigentlichem Sinne darstellen, auch wenn sie mit Kosten behaftet sind.

Nach dem Vorstehenden hat das Arbeitsgericht der Klage zu Recht entsprochen, weswegen die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen ist, §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 97 ZPO.

Die Berufungskammer hat für die Beklagte die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen, weil eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung ausgemacht wird und soweit ersichtlich noch keine höchstrichterliche Entscheidung in der Fragestellung vorliegt.

Ende der Entscheidung

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