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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 01.09.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 153/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 25 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 6 Sa 153/05

Entscheidung vom 01.09.2005

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.11.2004 - AZ: 4 Ca 1556/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, welcher seit über 30 Jahren im Betrieb der Beklagten in V-Stadt als Kommissionierer beschäftigt ist, wendet sich mit seiner Klage vom 04.06.2004, die mit Schreiben vom 25.08.2004 um einen Hilfsantrag erweitert wurde, gegen eine Abmahnung der Beklagten, welche mit Schreiben vom 21. April 2004 deshalb erklärt wurde, weil er am 20. April 2004 um 14:04 Uhr also 28 Minuten vor seinem offiziellen Arbeitsende, die Firma verlassen ohne sich bei der Lagerleitung abzumelden und auch seine Arbeit nicht beendet habe.

Der Kläger hat seine Klage im Wesentlichen damit begründet,

dass er am 20.04.2004 bereits um 05:00 Uhr seine Arbeit begonnen habe, weil er gezwungen gewesen sei, mit Arbeitskollegen von A-Stadt nach V-Stadt zu fahren, da seine Fahrgemeinschaft zu diesem Zeitpunkt nicht getragen habe. Durch den früheren Arbeitsbeginn habe er keine Überstunden leisten wollen und sei 28 Minuten früher nach Hause gegangen, um mit den Kollegen, die ihn im Pkw mitgebracht hätten, auch wieder nach Hause fahren zu können.

Die Abmahnung verstoße, weil es noch nie Beanstandungen gegeben habe, gegen die Verhältnismäßigkeitsgrundsätze und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

Die Beklagte sei jedoch, unabhängig von der Berechtigung der erklärten Abmahnung verpflichtet, die Abmahnung nach Ablauf von 2 Jahren am 21.04.2006 zu entfernen, weil eine Abmahnung durch Zeitablauf verbraucht werde und dieser Zeitraum regelmäßig 2 Jahre betrage.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 21.04.2004 für gegenstandslos zu erklären und aus den Personalakten zu entfernen,

hilfsweise,

2. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 21.04.2004 mit dem 21.04.2006 für gegenstandslos zu erklären und aus den Personalakten zu entfernen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage zurückzuweisen.

Sie hat dies damit begründet,

dass der Kläger am 20.04. um 14:04 Uhr seinen Arbeitsplatz verlassen habe, obwohl seine Arbeitszeit an diesem Tag von 06:00 Uhr bis 14:37 Uhr inklusive 50 Minuten Pause gedauert habe. Der Kläger habe sich weder bei seinem Vorgesetzten abgemeldet noch entschuldigt und habe seine Arbeit an diesem Tag auch nicht beendet, wobei sein Zeitkonto am 20.04.2004 noch einen Minus von 3,09 Stunden verzeichnet habe.

Auch der Hilfsantrag sei deshalb nicht begründet, weil eine Abmahnung ihre Wirksamkeit nicht durch reinen Zeitablauf verliere, sondern besondere Umstände hinzutreten müssten, was derzeit noch nicht absehbar sei.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 24.11.2004 die Klage insgesamt abgewiesen und dies damit begründet, dass die Abmahnung deshalb berechtigt sei, weil der Kläger die Behauptung inhaltlich nicht bestritten habe, so dass feststehe, dass er 28 Minuten vor seinem offiziellen Arbeitsschluss die Firma verlassen habe. Er habe auch nicht bestritten, sich bei der Lagerleitung nicht abgemeldet und seine Arbeit nicht beendet zu haben.

Rechtfertigende Gründe für das frühere Verlassen des Arbeitsplatzes könnten deshalb zu keinem anderen Ergebnis führen, so dass die Abmahnung inhaltlich korrekt sei und deren Entfernung nicht verlangt werden könne.

Die Klage sei auch mit dem gestellten Hilfsantrag nicht begründet, weil es keine Regelfrist gebe, nach der eine Abmahnung allein wegen Zeitablaufs aus der Personalakte zu entfernen sei.

Nach Zustellung des Urteils am 28.01.2005 ist Berufung am 22.02.2005 eingelegt und innerhalb verlängerter Frist am 28.04.2005 im Wesentlichen damit begründet worden, dass der Kläger zwar um 14:14 Uhr die Arbeit beendet habe, obwohl er hätte bis 14:32 Uhr arbeiten müssen, was jedoch allein nicht ausreiche, eine rechtswidrige und schuldhafte Vertragspflichtverletzung anzunehmen, die abmahnungswürdig sei.

Der Kläger habe nicht versucht, sich die nicht gearbeitete Arbeitszeit bezahlen zu lassen, weil er die Zeiterfassungsmaschine korrekt bedient habe und zum Zeitpunkt 20.04.2004 noch eine Überzeit von 3,18 Stunden aufgewiesen habe.

Der Kläger habe auch am 20.04. um 14:04 Uhr die Arbeit beendet, da die ihm zugewiesene Arbeit abgearbeitet gewesen sei. Er habe sich auch bei der Lagerleitung nicht abmelden müssen, da sich kein Kollege bei Dienstende abmelde.

Zumindest müsse die Abmahnung nach dem Zeitablauf von 2 Jahren aus der Personalakte entfernt werden, auch wenn es keine strenge Regelfrist dazu gebe. Es sei weder zulässig noch zu dulden, dass ein Arbeitgeber klar, eindeutig und missverständlich erkläre, dass er die Abmahnung während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses niemals aus der Personalakte entfernen werde.

Der Kläger beantragt,

1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.11.2004 die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 21.04.2004 für gegenstandslos zu erklären und aus den Personalakten zu entfernen,

2. hilfsweise,

3. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.11.2004 die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 21.04.2004 mit dem 21.04.2006 für gegenstandslos zu erklären und aus den Personalakten zu entfernen,

4. der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen damit, dass dem Kläger am 20.04.2004 keine Überzeit von 3,18 Stunden zugestanden habe, sondern dass sein gesamtes Arbeitszeitkonto Minus 3,09 Stunden betragen habe. Zwar habe der Kläger im Zeitraum 01. bis 19.04.2004 ein Zeitguthaben von 3,46 Stunden erarbeitet, jedoch habe der Stand per 31.03.2004 Minus 6,27 Stunden aufgewiesen.

Der Kläger habe sich, wenn er seine Arbeitszeit regulär beende, natürlich nicht abmelden müssen, wobei im vorliegenden Falle der Kläger am 20.04.2004 vor regulärem Arbeitsende seinen Arbeitsplatz vorzeitig verlassen habe, weswegen eine Pflicht, sich beim zuständigen Vorgesetzten abzumelden, bestanden habe.

Darauf, dass der Kläger vielleicht am 20.04. bereits um 05:00 Uhr seine Arbeit angetreten habe, könne es deshalb nicht ankommen, weil die Richtscheine für die Kommissionierer erst um 05:30 Uhr von der EDV ausgedruckt und um 06:00 Uhr vom Lagerleiter an die Kommissionierer verteilt würden.

Auch der Hilfsantrag sei vom Arbeitsgericht richtig beschieden worden, weil es keine starre Frist zur Entfernung derartiger Abmahnungen gebe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Schreiben, die im Berufungsverfahren zur Akte gereicht und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ebenso Bezug genommen wie auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 42+43 d. A.).

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis durch Einvernahme des Zeugen B. erhoben, wobei wegen dessen Bekundung auf die Sitzungsniederschrift vom 01.09.2005 verwiesen wird.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers, weil innerhalb der gesetzlichen Fristen form- und fristgerecht eingelegt, ist deshalb nicht begründet, weil das Arbeitsgericht die Klage insgesamt zu Recht abgewiesen hat.

Die Beklagte hat die Abmahnung vom 21.04.2004 deshalb zu Recht erteilt, weil dem Kläger 2 Verstöße gegen die Arbeitsordnung und Arbeitspflicht vorgeworfen werden können.

Unbestritten hat der Kläger an diesem Tag 28 Minuten vor dem eigentlichen Arbeitsschichtende, 14:32 Uhr, bereits um 14:04 Uhr seine Arbeit verlassen. Das vorzeitige Verlassen des Arbeitsplatzes stellt eine Arbeitspflichtverletzung dar, weil der Kläger versprochen hat, während der Schichtzeit zu arbeiten, wogegen er offensichtlich und unstreitig verstoßen hat, so dass die Beklagte berechtigt ist, diesen Vorfall mit der Abmahnung zu ahnden. Auch der Zeitraum von 28 Minuten ist als erheblich zu sehen, so dass der Vorfall durchaus angetan ist, als abmahnungswürdig gesehen zu werden.

Es kann für den Kläger auch nicht der Umstand herangezogen werden, dass er nach seiner Behauptung wegen der Schwierigkeiten, den Arbeitsplatz zu erreichen, die Arbeit bereits um 05:00 Uhr aufgenommen hat. Der Arbeitnehmer ist nicht berechtigt, sofern keine Gleitzeit im Betrieb gehandhabt wird, seinen Arbeitsbeginn nach eigenem Gutdünken festzulegen, so dass es bei der von ihm geschuldeten Arbeitsaufnahme um 06:00 Uhr verbleibt, die der Arbeitgeber durch Ausübung des Direktionsrechtes so festgelegt hat.

Auch der weitere Vorwurf, dass er sich bei der Lagerleitung nicht abgemeldet hat, obwohl noch Arbeit von ihm zu verrichten gewesen wäre, wird zu Recht erhoben, was die durchgeführte Beweisaufnahme erwiesen hat. Der Zeuge B., der zum fraglichen Zeitpunkt als Schichtleiter der Ansprechpartner für den Kläger gewesen ist, hat bekundet, dass der Kläger zu ihm lediglich gesagt habe, es ist Feierabend, ich gehe jetzt und es ist mir egal ob noch Arbeit da ist. Der Zeuge hat auch ausgesagt, dass die Behauptung des Klägers, man habe ihm, nachdem er seine Aufträge abgearbeitet hätte und er hätte gehen können, nachträglich neue Aufträge in sein Fach gelegt, nicht zutreffend ist. Der Zeuge hat ausgesagt, dass er dem früheren Weggehen des Klägers, was eigentlich dann unproblematisch gewesen wäre, wenn die Arbeit des Tages bereits abgearbeitet sein sollte, deshalb widersprochen habe, weil in dem Fach des Klägers noch Hauptaufträge und Nachpacker zu den Touren, die er am Morgen vorgefunden hatte, gelegen hätten und noch nicht abgearbeitet gewesen seien. Alle diese Aufträge seien ursprünglich im Fach des Klägers und nicht zuvor in Fächern anderer Kollegen gewesen, was dem Grundsatz entspreche, dass die Aufträge für die Touren in das Fach desjenigen Kommissionierers gelegt würden, der die Tour auch abarbeiten solle. Nicht nur er, sondern auch die Arbeitskollegen hätten den Kläger darauf hingewiesen, dass seine Touren noch nicht abgearbeitet seien.

Auch wenn der Kammer nicht verborgen blieb, dass der Zeuge B. dem Kläger nicht wohlgesinnt ist, tauchen keine Zweifel an der Richtigkeit der gemachten Aussage auf, weil der Zeuge ruhig und nachvollziehbar Geschehensabläufe im Kommissionierbereich der Beklagten im Lager V-Stadt geschildert hat und sich an den fraglichen Tag gut erinnerte und auch Details schildern konnte, so dass die Kammer der Aussage des Zeugen uneingeschränkt folgt, was wiederum dazu führt, das als bewiesen anzusehen ist, dass der Kläger die ihm ursprünglich zugewiesene Arbeit an diesem Tage noch nicht abgearbeitet hatte, als er seinen Arbeitsplatz verlassen hatte.

Das Abmelden des Klägers liegt nicht vor, obwohl er dem Zeugen B. mitteilte, er gehe jetzt. Das Abmelden im richtig verstehenden Sinne bedeutet, dass der Arbeitnehmer um Genehmigung nachfragt, früher den Platz verlassen zu können.

Damit sind die in dem Abmahnschreiben enthaltenen Vorwürfe berechtigt, so dass dem Kläger kein Entfernungsanspruch zusteht.

Der Anspruch den der Kläger mit dem Hilfsantrag verfolgt , richtet sich auf eine künftige Leistung i. S. d. § 25 a ZPO. Dieser Klageteil ist deshalb als unzulässig zu behandeln, weil dem Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung, gerade - auch nicht nach seinem Vorbringen, der es ja auch den Zeitablauf als Vorbedingung anerkennt - noch kein dementsprechender Leistungsanspruch zusteht. Dieser Umstand ist aber Voraussetzung zur Erhebung einer solchen Klage.

Aber selbst wenn man von der Zulässigkeit des Hilfsantrages ausgehen wollte, so ist der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Entfernungsantrag zumindest nicht begründet, da es, worauf das Arbeitsgericht unter Bezugnahme auf die Ausführung der Beklagtenseite zu Recht darauf hinweist, keine starre Zeitgrenze für die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte gibt. Dem schließt sich die erkennende Kammer an und weist darauf hin, dass der Verbleib der Abmahnung in der Personalakte fein säuberlich davon zu trennen ist, inwieweit sich der Arbeitgeber auf eine Abmahnung künftig berufen kann. Auch dann, wenn die Abmahnung in der Personalakte verbleibt, ist damit noch nicht entschieden, in welchem Zeitraum sich der Arbeitgeber auf diese erteilte Abmahnung berufen kann. Denn eine Abmahnung, die ihren Zweck erreicht hat, wonach das Arbeitsverhältnis unbeanstandet weiter läuft, verliert durch Zeitablauf ihre Wirkung, da sie den verfolgten Zweck, nämlich Behebung von Beanstandungen für die Zukunft, erreicht hat. Dies bedeutet, dass auch dann, wenn die Personalakte das Abmahnschreiben enthält, das Verwerten dieses Schreibens künftig nicht ohne weiteres erfolgen kann, was von der Frage zu trennen ist, ob die Abmahnung nun noch in der Personalakte enthalten ist oder nicht.

Nach dem Vorstehenden ist die Berufung insgesamt unbegründet, weswegen dem Kläger die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels aufzuerlegen sind, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 ZPO.

Gegen diese Entscheidung ist die Revision deshalb nicht zugelassen worden, weil erkennbar die gesetzlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.

Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten, wird hingewiesen, § 72 a ArbGG.

Ende der Entscheidung

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