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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 20.07.2000
Aktenzeichen: 6 Sa 215/00
Rechtsgebiete: EFZG, MTV, BGB, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

EFZG § 3 Abs. 1
EFZG § 4 Abs. 1
EFZG § 4 Abs. 1 a
EFZG § 4 Abs. 1 a Satz 1
MTV § 2 Ziffer 2
MTV § 3 Ziffer 1
MTV § 7 Ziffer 3
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 291
BGB § 611
ArbGG § 64 Abs. 6 Satz 1
ArbGG § 72 Abs. 2 Ziffer 1
ZPO § 97
ZPO § 92
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 14.12.1998 - AZ: 1 Ca 2922/99 - wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 209,00 brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit (das ist 3.11.1999) zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten zu 9/11 und die Beklagte zu 2/11 zu tragen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird für die Beklagte zugelassen.

4. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu 9/11 und die Beklagte zu 2/11 zu tragen.

Tatbestand: Der Kläger streitet mit seinem Arbeitgeber darüber, ob ihm für seine Arbeitsunfähigkeitszeiten in Juni und Juli 1999 (insgesamt 10 Arbeitstage) anstelle der abgerechneten DM 167,20 brutto pro Tag DM 278,83 brutto für die Tage in Juni und DM 277,33 für die Tage in Juli 1999 deshalb zustehen, weil seine tägliche Arbeitszeit seit Jahren bereits unstreitig 9 Stunden beträgt.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet unstreitig der Bezirksmanteltarifvertrag für Nordrhein-Westfalen für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe vom 15.06.1994 Anwendung.

Der Kläger hat seine Klage im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte die regelmäßig anfallenden Überstunden bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle nicht berücksichtigt habe und anstelle des kalendertäglichen Durchschnittslohnes DM 277,33 nur DM 167,20 brutto pro Tag abgerechnet habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.105,80 brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ausgeführt, dass nach § 3 Abs. 1 EFZG nicht das Durchschnittsprinzip, sondern das Lohnausfallprinzip gelte. Außerdem würden Überstunden nach § 4 Abs. 1 a EFZG nicht berücksichtigt. Deshalb sei von der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden auszugehen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 14.12.1999, verkündet am 10.01.2000, die Klage abgewiesen und dies damit begründet, dass die vom Kläger reklamierten Überstunden bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle deshalb nicht zu berücksichtigen seien, weil die neue Fassung des § 4 Abs. 1 a EFZG nicht danach unterscheide, ob Überstunden sporadisch oder regelmäßig anfallen würden. Nach Zustellung des Urteils am 03.02.2000 hat der Kläger am 01.03.2000 Berufung eingelegt, welche am 22.03.2000 damit begründet wurde, dass der Kläger ständig 9 Stunden pro Tag arbeite, wodurch die angeordnete regelmäßige Arbeitszeit sich dementsprechend darstelle.

Der Kläger beantragt,

auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 10.01.2000 - AZ: 1 Ca 2922/99 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.105,80 nebst 4 % Zinsen aus dem entsprechenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie begründet dies im Wesentlichen damit, dass die Arbeitszeit des Klägers als Überstunden abgerechnet worden sei, wie sich aus der vorgelegten Abrechnung ergebe und es sich bei der betrieblichen Arbeitszeit nicht um eine nach dem Bezirksmanteltarifvertrag mögliche Verlängerung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, § 2 Ziffer 2 d Bezirks-MTV-Nordrhein-Westfalen, handele. Nach § 7 Ziffer 3 MTV würden bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers die gesetzlichen Regelungen Anwendung finden, so dass nach § 4 Abs. 1 a Satz 1 EFZG die Überstunden keine Berücksichtigung finden könnten.

Entscheidungsgründe:

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätzen nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, da form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

Die Berufung ist jedoch nur zu einem geringen Teil begründet, weil dem Kläger lediglich noch die Vergütung für 10 Stunden bei einem Stundenlohn von DM 20,90 brutto nach §§ 611 BGB, § 4 Abs. 1 EFZG.

Es ist richtig, dass nach der Vorschrift des § 4 Abs. 1 a Satz 1 EFZG Überstunden der Arbeitnehmer nicht zum Arbeitsentgelt im Sinne des § 4 Abs. 1 EFZG zählen. Im vorliegenden Falle ist jedoch die Arbeitszeit des Klägers unstreitig ständig an den Tagen Montags bis Freitags von 7.00 Uhr bis 17.00 Uhr bei einer Stunde Pause, also 9 Stunden pro Tag. Dabei ist festzustellen, dass die tägliche Arbeitszeit von 9 Stunden nicht auf einer konkreten jeweiligen einzelnen Anordnung des Arbeitgebers beruht, sondern dies ohne weitere Absprachen so gehandhabt wird. Bei dieser Fallgestaltung geht die Berufungskammer, im Gegensatz zum Arbeitsgericht, davon aus, dass es sich bei der über die tarifvertragliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung des Klägers nicht um Überstunden im Sinne des § 4 Abs. 1 a EFZG deshalb handelt, weil nur dann von Überstunden gesprochen werden kann, wenn diese unter Umständen oder im Einzelfall anfallen, also eine gewisse Zufälligkeit die Mehrleistung mit sich bringt, sei es auch, dass diese Überstunden mit einiger Regelmäßigkeit anfallen. Bei einem derartigen gleichförmigen Arbeitseinsatz des Klägers über Monate, ohne dass bestimmte betriebliche Situationen die jeweilige Mehrarbeit aus besonderem Anlass erfordert hätten, kann nicht mehr von Überstunden gesprochen werden, so dass es sich hierbei um die maßgebende regelmäßige Arbeitszeit des Klägers handelt. Dieser Umstand führt dazu, auch wenn man der Behauptung der Beklagten Folge leisten will, dass es sich um keine Verlängerung der betrieblichen Arbeitszeit im Sinne des MTV handelt, dass dem Kläger während der Arbeitsunfähigkeitszeit auch der Lohn für 9 Stunden pro Arbeitstag zu zahlen ist. Dabei spielt es keine Rolle, dass dem Kläger für diese tatsächlich erbrachten Arbeitszeiten auch Überstundenzuschläge in Höhe von 25 % vergütet worden sind, weil diese Vergütungsregelung sich aus dem anwendbaren Tarifvertrag ergibt, § 3 Ziffer 1 MTV, wonach jede Arbeitszeit über die 39 Tarif-Wochenstunden hinaus mit einem Neununddreißigstel des tariflichen Wochenlohnsatzes zuzüglich eines Mehrarbeitszuschlages von 25 % zu vergüten ist. Deshalb kann aus der Zahlung dieses Zuschlages nicht geschlossen werden, dass es sich bei der vom Kläger erbrachten Arbeitsleistung, die über die tariflich vorgesehene regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden hinausgeht, auch um Überstunden gehandelt haben muss.

Dem Kläger ist also unter Anwendung des § 4 Abs. 1 EFZG für die Tage, an denen der Kläger im hiesigen Falle wegen seiner Arbeitsunfähigkeit nicht arbeiten konnte, in Entgelt für 9 Stunden a DM 20,90 brutto fortzuzahlen. Da der Kläger an insgesamt 10 Arbeitstagen im fraglichen Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt war, entspricht dies einer Nachforderung von DM 209,-- brutto, während die weitergehende Klage abzuweisen ist.

Im vorstehenden Umfange ist deshalb das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern, wobei die Beklagte verpflichtet ist, den zuerkannten Betrag mit den Prozesszinsen von 4 % zu zahlen, §§ 187 Abs. 1, 291 BGB.

Die weitergehende Berufung ist zurückzuweisen, weil dem Kläger kein weiterer Anspruch zusteht, was zur Folge hat, dass dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens zu 9/11 und der Beklagten zu 2/11 aufzuerlegen sind, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97, 92 ZPO.

Die Revision wird für die Beklagte deshalb zugelassen, obwohl die Kammer keine Divergenz zu der Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes vom 14.01.1999 (AZ: 11 Sa 683/98) erkennen kann, weil es zum einen dort um eine Berechnung der Urlaubsvergütung und zum anderen um einen anderen Manteltarifvertrag geht. Die Zulassung der Revision beruht vielmehr auf § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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