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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 19.05.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 231/05
Rechtsgebiete: BBiG


Vorschriften:

BBiG § 10
BBiG § 10 Abs. 1 Satz 1
BBiG § 18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 6 Sa 231/05

Entscheidung vom 19.05.2005

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen/Rhein vom 28.02.2005 - AZ: 8 Ca 1804/04 - wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 8.525,53 € nebst 9,75 % Zinsen aus 8.275,76 € seit 09.03.2004 und 5 % Zinsen über den Basiszinssatz aus 249,77 € ab 12.11.2004 zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Mit der Feststellungsklage, welche am 08.07.2004 beim Arbeitsgericht eingereicht wurde, hat der Kläger, welcher bei der Beklagten am 16.03.2001 einen Ausbildungsvertrag geschlossen hat (Bl. 4 d. A.), gefordert, dass die Beklagte ihm die vertragsgemäße Ausbildungsvergütung für den Zeitraum 01.08.2001 bis 30.04.2004 auf der vertragsgemäßen Basis zahlen solle, wobei die Klage mit Schreiben vom 28.10.2004 in eine Leistungsklage umgewandelt wurde, wobei der Kläger eine Gegenforderung der Beklagten aus einem mit dem Kläger geschlossenen Darlehensvertrag zum Ankauf eines PkwŽs berücksichtigt und noch den Differenzbetrag von 5.722,39 € gefordert hat.

Der Kläger hat seine Klage im Wesentlichen damit begründet, dass die Vereinbarung unter H im Ausbildungsvertrag, wonach die unter E vereinbarte Vergütung via BFD gezahlt werde, unwirksam sei, so dass der Anspruch gegen die Beklagte bestehe. Dies umso mehr, weil er von der Bundeswehr, bei der er Zeitsoldat gewesen und ab August 2001 für das streitgegenständliche Ausbildungsverhältnis freigestellt worden sei, keinerlei Ausbildungsleistungen erhalten habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.998,15 € brutto abzüglich 8.525,53 € (netto) zuzüglich Zinsen aus 5.462,63 € seit dem 08.11.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat diesen Antrag im Wesentlichen damit begründet, dass die Vereinbarung im Ausbildungsvertrag, wonach die Beklagte keine Ausbildungsvergütung zahlen solle, wirksam sei, weil die Ansprüche auf Ausbildungsvergütung im Berufsbildungsgesetz, abgeleitet aus dem Vertrag der Parteien, hinter die Regelungen zum Bezug von öffentlich rechtlichen Leistungen, zu denen der Kläger als ehemaliger Zeitsoldat berechtigt sei, zurücktreten müsse.

Die Parteien hätten vereinbart, dass der Kläger in der Firma der Beklagten ausgebildet werden und dafür jedoch keine Vergütung an den Kläger gezahlt werden sollte, womit dieser ausdrücklich einverstanden gewesen sei. Die Beklagte habe dem Kläger nämlich mitgeteilt, dass man ihn nur ausbilden könne, wenn keine Ausbildungsvergütung zu zahlen sei, zumal man im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem Kläger habe keinen Nachwuchs ausbilden wollen. Aus dem Darlehensvertrag des Klägers mit der Beklagten sei noch eine Restforderung von 8.275,76 € offen, die man nun einfordere.

Die Beklagte hat im Wege der Widerklage beantragt,

den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 8.525,53 € zu zahlen nebst 9,75 % Zinsen aus 8.275,76 € seit 09.03.2004 und nebst Zinsen mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 249,77 € ab Rechtshängigkeit der Widerklage.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Durch das Urteil vom 28.02.2005 ist der Klage in vollem Umfang stattgegeben worden, während die Widerklage abgewiesen worden ist. Dieses Ergebnis ist im Wesentlichen damit begründet worden, dass § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG nicht wirksam abbedungen sei und dem Kläger die vereinbarte Ausbildungsvergütung zustünde. Es liege nämlich kein Vertrag vor, bei dem die zu leistende Ausbildungsvergütung durch die Bundeswehr und deren Behörde übernommen werden solle, weil diese vor Abschluss des Vertrages nicht eingebunden gewesen seien. Wenn die Parteien lediglich davon ausgegangen seien, dass der Kläger durch die Bundeswehr ausreichend unterhalten werde, so rechtfertige dies die Durchbrechung der Unabdingbarkeit des Vergütungsanspruches für Auszubildende nicht. Nach § 18 BBiG sei die Vereinbarung unter H nichtig, so dass die Vereinbarung unter E den Anspruch des Klägers rechtfertige.

Die Widerklage sei deshalb abzuweisen, weil der Kläger die Darlehensforderung bereits in seinem Klageantrag berücksichtigt und deren Berechtigung damit anerkannt habe.

Nach Zustellung des Urteils am 01.03.2005 hat die Beklagte Berufung am 14.03.2005 eingelegt, welche am 04.04.2005 im Wesentlichen damit begründet wurde, dass § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG wirksam abbedungen sei, weil der Kläger durch die Zahlung im Anschluss an sein Zeitsoldatenverhältnis seitens der Wehrbereichsverwaltung ausreichend abgesichert gewesen sei. Der Kläger sei im Zeitpunkt des Vertragsschlusses 24 Jahre alt gewesen und habe durch die getroffene Vereinbarung in H des Ausbildungsvertrages auf Ansprüche gegen die Beklagte auf Zahlung einer Ausbildungsvergütung verzichtet. Die Zahlung der Vergütung habe man lediglich in das Formular eingesetzt, damit der Ausbildungsvertrag bei der Handwerkskammer auch akzeptiert werde, ohne dass eine Verpflichtung zur Zahlung damit hätte begründet werden sollen.

Beide Parteien seien bei Abschluss des Vertrages zudem davon ausgegangen, dass dem Kläger die Ausbildungsvergütung von Seiten des Berufsförderungsdienstes erstattet werde.

Die Beklage beantragt:

1. Unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils wird die Klage abgewiesen,

2. Widerklagend wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 8.525,53 € zu zahlen nebst 9,75 € Zinsen aus 8.275,76 € seit 09.03.2004 und nebst Zinsen mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 249,77 € ab Rechtshängigkeit der Widerklage.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits und der Berufung.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen damit, dass er nach den geltenden Vorschriften nie und nimmer einen Anspruch gegen die Bundeswehr auf Zahlung der Ausbildungsvergütung haben könne. Die Bundesrepublik Deutschland helfe ausscheidenden Soldaten auf Zeit, wieder im Beruf Fuß fassen zu können durch umfangreiche Zuwendungen, die jedoch keine Ausbildungsvergütung oder Löhne seien. Der Kläger sei per 31.03.2003 bei der Bundeswehr ausgeschieden und habe ab 01.04.2003 Anspruch auf sog. Übergangsgeld, was unabhängig von einer Ausbildung oder Aufnahme einer Arbeit gezahlt werde. Zwar sei dem Kläger für die Zeit 01.08.2001 bis 31.07.2004 vom Berufsförderungsdienst die Bewilligung für die Ausbildung erteilt worden, jedoch werde die Zahlung des Ausbildungszuschusses ab 01.04.2003 verweigert, weil der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Ausbildungsvergütung habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren zur Akte gereichten Schreiben nebst deren Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen ebenso wie auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 66 bis 68 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, da sie innerhalb der gesetzlichen Fristen form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde. Sie ist auch deshalb erfolgreich, weil dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung der vertragsgemäßen Ausbildungsvergütung, wie sie im Formularvertrag (Bl. 4 d. A.) unter E vereinbart wurde, nicht zusteht, so dass die Klage abzuweisen und der der Summe nach unstreitigen Widerklage zu entsprechen ist.

Das arbeitsgerichtliche Urteil ist von der Berufungskammer im Hinblick auf den Klageanspruch des Klägers deshalb abgeändert worden, weil die Berufungskammer keinen vertraglichen Anspruch auf Zahlung der Ausbildungsvergütung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG zu Gunsten des Klägers ausmachen kann. Die Regelung unter H des Ausbildungsvertrages, die handschriftlich eingesetzt ist, enthält zwar keinen ausdrücklichen Verzicht des Klägers auf die unter E vereinbarte Ausbildungsvergütung, jedoch ist diese Regelung von beiden Parteien bei Vertragsschluss so verstanden worden. Der Kläger als auch die Beklagte wollten, dass die vereinbarte Ausbildungsvergütung nicht von der Beklagten gezahlt wird, sondern: "via BFD".

Diese Vereinbarung ist in der Erwartung getroffen worden, dass dem Kläger Leistungen vom Berufsförderungsdienst zukommen werden, was sodann auch mit Bescheid vom 13.08.2001, also nach Beginn der Ausbildung, dem Kläger so beschieden worden ist. Dabei hat es sich aber nicht um die Ausbildungsvergütung, § 10 BBiG in Höhe der unter E vereinbarten Beträge gehandelt, sondern um die Zahlung eines Ausbildungszuschusses.

Der Kläger war von der Bundeswehr vorzeitig freigestellt, um das Arbeitsverhältnis bei der Beklagten antreten zu können, ohne dass ihm Bezüge gekürzt worden sind, weil er erst mit 31.03.2003 aus dem Soldatenverhältnis entlassen worden ist.

Ab dem 01.04.2003 hat der Kläger das sog. Übergangsgeld der Bundeswehr bezogen, so dass die Berufungskammer der Entscheidung des BAG, Urteil vom 16.01.2003 (AZ: 6 AZR 325/01) folgt, wo die Funktion der Ausbildungsvergütung näher dargestellt wird und unter 3 c. ausgeführt wird, dass die vertragliche Vergütungszahlung hinter sozialrechtlichen Bestimmungen zurücktreten muss, wenn die Sicherung des Lebensunterhaltes und Auszubildenden während der Ausbildungsphase durch sozialrechtliche Vorschriften gesichert sind. Dort ist dies für eine berufliche Rehabilitandin, die der Beklagten in ihrer Einrichtung zugewiesen wurde, bejaht worden, wonach das Ausbildungsgeld den Anspruch gegen den Ausbilder auf eine angemessene Ausbildungsvergütung verdrängt. Dort ist allerdings die Bundesanstalt für Arbeit in allen vertraglichen Beziehungen eingebunden gewesen, so dass das Bundesarbeitsgericht von einem dreiseitigen Ausbildungsverhältnis ausgehen konnte.

Diese Überlegung überträgt die Berufungskammer auf den vorliegenden Fall, weil der Kläger im vorliegenden Falle zwar keine Leistungen aus sozialrechtlichen Bestimmungen erhält, sondern Leistungen nach dem Soldatenversorgungsgesetz. Jedoch ist auch hier der Kläger in Bezug auf die Daseinsbewältigung finanziell ausreichend gesichert und stellt auch deshalb eine Entlohnung dar, weil der Kläger nach eigenem Bekunden bereits zur Durchführung des Ausbildungsverhältnisses bei vollen Bezügen von der Bundeswehr ab August 2001 freigestellt worden ist.

Bei dieser Fallgestaltung, die auch noch nach Entlassung aus dem Soldatenverhältnis zum 31.03.2003 durch Gewährung der Übergangsgelder fortbesteht, kann kein Vorrang der vertraglichen Gestaltung, nämlich die Zahlung der Ausbildungsvergütung von der Beklagten, ausgemacht werden, zumal auch der Kläger eine derartige Zahlung bis zur Klage vom 08.07.2004, nachdem er aufgrund Eigenkündigung zum 30.04.2004 ausgeschieden war, nicht verlangt hat.

Aus diesem Grunde kann es auch dahinstehen, ob die Beklagte tatsächlich bei Abschluss des Ausbildungsvertrages mit dem Kläger keine Auszubildenden einstellen wollte oder nicht. Die Vorschrift des § 18 BBiG greift deshalb nicht ein, weil dem Kläger als Auszubildenden eine angemessene Vergütung gewährt wird, wenn auch nicht vom Ausbilder.

Da die Leistungsklage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen ist, ist das arbeitsgerichtliche Urteil in diesem Umfang abzuändern, was dazu führt, der Widerklage in vollem Umfang zu entsprechen, weil die geltend gemachte Forderung unter den Parteien hinsichtlich der Fälligkeit der Darlehensschuld, dem Grund und der Höhe nach nicht im Streite ist, ebenso wie die geforderte Verzinsung.

Nach dem Vorstehenden sind dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da er im vollen Umfang unterlegen ist, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 91 ZPO.

Die Kammer hat die Revision für den Kläger deshalb zugelassen, weil die Frage, ob die vertragliche Regelung der Parteien wirksam ist und mit den Entscheidungen des BAG (Urteil vom 15.11.2000, AZ: 5 AZR 296/99 und Urteil vom 16.01.2003, AZ: 6 AZR 325/01) im Einklang stehen und es sich bei der vorliegenden Gestaltung um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung handelt, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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