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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 09.05.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 42/08
Rechtsgebiete: BGB, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 134
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 11.12.2007 - 6 Ca 733/07 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz (nur noch) um die Frage, ob eine nicht vom Kündigungsschutzgesetz erfasste ordentlichen Kündigung sitten- oder treuwidrig ist.

Der Kläger war seit 01.06.2008 bei der Beklagten, die drei Lkw?s für Ihr Transportunternehmen für Holz aller Art unterhält, als Lkw-Fahrer auf dem Fahrzeug GER-KG-53 und 54 eingesetzt.

Am 12.06. erlitt der Kläger beim Beladen seines Langholzfahrzeuges schwere Verletzungen.

Mit Schreiben vom 09.08.2007 kündigte die Beklagte das bestehende Arbeitsverhältnis zum 30.09.2007.

Der Kläger, der erstinstanzlich die Kündigung für sittenwidrig und nach § SGB IX in Verbindung mit § 134 BGB für nichtig hielt, beantragte,

dass festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 09.08.2007 nicht aufgelöst wurde und auch über den 30.09.2007 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat erstinstanzlich Klageabweisung beantragt und erwidert, die Kündigung sei aus wirtschaftlichen Gründen ausgesprochen worden. Infolge des krankheitsbedingten Ausfalls des Klägers habe sich die Beklagte entschlossen, den Lkw zu verkaufen, um das Kostenrisiko auszuschalten. Von einer Schwerbehinderung des Klägers habe sie keine Kenntnis gehabt.

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren wurde ein Schreiben des Steuerberaters der Beklagten vom 13.09.2007 über eine Kostenaufstellung für das Fahrzeug GER-KR-53 und 54 (Bl. 29 d. A.) vorgelegt.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - hat durch Urteil vom 11.12.2007 - AZ: 6 Ca 733/07 - die Klage gegen die ordentliche Kündigung abgewiesen und zur Begründung - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - ausgeführt, der Kläger habe keine Tatsachen vorgetragen, die eine Sittenwidrigkeit der Kündigung ergäben. Die Beklagte hingegen habe dargelegt, dass sie sich infolge des krankheitsbedingten Ausfalls des Klägers dazu entschieden habe, den Lkw, mit welchem der Kläger seine Arbeitsleistung erbracht habe, zu verkaufen, um das Kostenrisiko als Kleinstbetrieb zu minimieren.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf das vorbezeichnete Urteil (Bl. 74 und 75 d. A.) verwiesen.

Gegen das dem Kläger am 17.12.2007 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 17.01.2008 eingelegte und am 18.03.2008 begründete Berufung nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.

Der Kläger bringt zweitinstanzlich insbesondere vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Kündigung sitten- und treuwidrig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die in die des Bundesarbeitsgerichts eingegangen sei, dürfe eine Kündigung nicht willkürlich sein oder auf sachfremden Motiven beruhen; insbesondere sei ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme geboten. Dies gelte insbesondere für Kündigungen, die auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen seien. Eine angebliche wirtschaftliche Belastung der Beklagten sei unsubstantiiert vorgetragen. Diese habe auch nicht vorgebracht, dass es ihr nicht möglich gewesen sei, einen anderen Fahrer in ein befristetes Arbeitsverhältnis anzustellen, um den Stillstand des Lkw zu vermeiden. Es läge auch eine Kündigung zur Unzeit vor, da die Beklagte dem Kläger noch während der Erstbehandlung im Krankenhaus gekündigt habe.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 11.12.2007 - AZ: 6 Ca 733/07 - wird abgeändert. Es wird nach den Anträgen der ersten Instanz erkannt.

Die Beklagte hat

Zurückweisung der Berufung

beantragt

und erwidert, der Kläger ließe außer Acht, dass auch den Interessen des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Artikel 12 GG Rechnung getragen werden müsse. Die Haltung des Lkw, der vom Kläger benutzt worden sei, sei nicht mehr als wirtschaftlich zu betrachten gewesen. Allein wirtschaftliche Überlegungen hätten den Grund für den Ausspruch der Kündigung abgegeben. Im Übrigen habe das Arbeitsverhältnis gerade etwas mehr als ein Jahr bestanden.

Zur Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 18.03.2008 (Bl. 106 bis 116 d. A.), zur Berufungsbeantwortung auf den Schriftsatz der Beklagten vom 25.04.2008 (Bl. 131 bis 139 d. A.) Bezug genommen.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt, sämtliche vorgelegte Unterlagen und die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 09. Mai 2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Rechtsmittel der Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft.

Die Berufung ist gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden.

Sie ist somit zulässig.

II. Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht ist in dem angefochtenen Urteil vom 11.12.2007 - AZ: 6 Ca 733/07 - zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 09.08.2007 das seit 01.06.2006 bestehende Arbeitsverhältnis zum 30. September 2007 beendet hat.

Nachdem der Kläger im Hinblick auf die zwischenzeitlich negative Entwicklung seiner Anerkennung einer Schwerbehinderung die diesbezüglichen Berufungsangriffe in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht fallen gelassen hat, besteht für das Berufungsgericht lediglich Veranlassung, auf die wiederholt thematisierte Frage der Sitten- und Treuwidrigkeit der ausgesprochenen Gestaltungserklärung einzugehen.

1. Die Berufung sieht im Ausgangspunkt richtig, dass auch dann, wenn - wie vorliegend - die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen, die zivilrechtlichen Generalklauseln den durch Artikel 12 Abs. 1 GG gebotenen Mindestschutz der Arbeitnehmer gewährleisten (BVerfG Beschluss vom 27.01.1998 - BvL 15/87) und eine Kündigung, die den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verletzt oder sittenwidrig ist, nichtig sein kann (vgl. zum Verstoß gegen Treu und Glauben: BAG, Urteil vom 22. Mai 2003 - AZ: 2 AZR 426/02).

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen derjenigen Tatsachen, aus denen sich die von der Berufung für gegeben erachtete Treu- und Sittenwidrigkeit ergibt, liegt beim Arbeitnehmer (vgl. BAG, Urteil vom 21.02.2001 - AZ: 2 AZR 15/00 = BAGE 97, 92). Für den Arbeitgeber besteht eine sekundäre Behauptungslast.

Im Streitfall ist nach Meinung der Berufungskammer zwar festzustellen, dass die Kündigung im zeitlichen Zusammenhang mit dem am 12.06.2007 erlittenen Arbeitsunfall des Klägers steht; die Beklagte hat jedoch vorgetragen, dass die Haltung des vom Kläger geführten Lkw?s erhebliche Kosten verursacht und letztlich zur Entscheidung über das Abstoßen dieses Fahrzeuges geführt hat.

Die eingesparten Kosten wurden vom Steuerberater der Beklagten ausweislich der vorgelegten Kostenaufstellung für das Fahrzeug GER-KG- 53 und 54 mit € 2.933,59 belegt (Bl. 29 d. A.). Dass die Beklagte die eingetretene Situation des Ausfalls des Klägers dazu benutzt hat, aus den dargetanen wirtschaftlichen Gründen durch Aufgabe des vom Kläger geführten Transportfahrzeuges zu reagieren, schließt auch vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Würdigung des Kündigungsrechts eines Kleinunternehmers (vgl. BVerfG vom 27.01.1998, a. a. O.) eine Treu- und Sittenwidrigkeit im vorliegenden Fall aus.

Entgegen der Auffassung der Berufung kann die Beklagte auch nicht gezwungen werden, einen anderen Fahrer in ein befristetes Arbeitsverhältnis einzustellen; dies würde nach den aufgezeigten wirtschaftlichen Gründen die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Beklagten, die durch Artikel 2 Abs. 2 GG geschützt ist, verletzen.

Aus vorgenannten Gründen kann auch nicht von einer Kündigung zur "Unzeit" im Sinne einer ungehörigen Kündigung ausgegangen werden. Eine massive Beeinträchtigung berechtigter Interessen des Klägers sind aus vorgenannten Gründen nicht festzustellen (vgl. hierzu A/P/S, Kündigungsrecht, 3. Auflage Grundlagen J Rz 47). Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger hat im Übrigen gerade etwas mehr als ein Jahr bestanden, so dass ein besonderer sozialer Schutz - wie er aus einer langjährigen Tätigkeit herrühren könnte, aus diesem Grund nicht anzuerkennen ist. Der Kläger soll - so die Behauptung der Beklagten - zwischenzeitlich wieder Arbeit gefunden haben.

Aus vorgenanten Gründen erhellt zugleich, dass die ausgesprochene Kündigung auch nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Eine Sittenwidrigkeit liegt nicht schon im Gebrauchmachen des Kündigungsrechts; maßgeblich ist nämlich, ob die tragenden Gründe, die hinter der Kündigung stehen und unter denen sie ausgesprochen wurde, allgemeinen Wertvorstellungen grob widersprechen (vgl. DLW-Dörner, D 981). Dies ist nach der gegebenen Sachlage nicht der Fall.

III. Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung.

Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 ArbGG) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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