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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 04.11.2004
Aktenzeichen: 6 Sa 546/04
Rechtsgebiete: InsO, KSchG, BGB


Vorschriften:

InsO § 113 Abs. 1 Satz 2
KSchG § 1 Abs. 2
BGB § 613 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 6 Sa 546/04

Verkündet am: 04.11.2004

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 27.05.2004 - AZ: 2 Ca 1855/02 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Kündigung, welche die Beklagte mit Schreiben vom 05.06.2002 mit der Begründung erklärt hat, dass die Bereiche Softwareentwicklung und -Schulung, in denen der Kläger bislang eingesetzt war, eingestellt würden.

Der Kläger war seit 01.07.1995 bei der Firma ORGA SOFT Organisation und Software GmbH Carl-von-Linde-Straße in Mainz als Organisationsprogrammierer beschäftigt, bevor er bei der Beklagten mit Wirkung vom 01.01.2000 in gleicher Funktion auf der Grundlage des Arbeitsvertrages 20/30.09.1999 eingestellt wurde.

Das durch Beschluss des Amtsgerichts Erfurt vom 01.07.2002 eröffnete Insolvenzverfahren ist durch den Beschluss des Amtsgerichts Erfurt vom 25.09.2003 deshalb eingestellt worden, weil damit zu rechnen ist, dass die Schuldnerin in absehbarer Zeit nicht zahlungsunfähig werde.

Der Kläger hat seine Klage vom 14.06.2002, Gerichtseingang: 17.06.2002, im Wesentlichen damit begründet, dass es betriebsbedingte Kündigungsgründe deshalb nicht gebe, weil man habe den erfolgreichen Bereich Softwareentwicklung und -Schulung nicht einstellen müssen. Auch rüge er die Richtigkeit der getroffenen Sozialauswahl.

Die Einstellung des Insolvenzverfahrens sei am 11.03.204 in das Handelsregister beim Arbeitsgericht Mainz eingetragen worden. Der Wechsel des Arbeitgebers in 1999/2000 habe an seiner Tätigkeit nichts geändert, da er im gleichen Haus, im gleichen Flur und in den gleichen Räumen weiterhin tätig gewesen sei und dieselbe Software weiterentwickelt habe.

Die Geschäftsführer der Mutter- und Tochterunternehmen seien personenidentisch, so dass ein einheitliches Arbeitsverhältnis vorliege.

Die Muttergesellschaft habe die Software entwickelt und die Beklagte habe diese im Hinblick auf die Bedürfnisse des Konzerns erweitert.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 05.06.2002 mit Ablauf des 06.09.2002 beendet wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dies ist im Wesentlichen damit begründet worden, dass die Beklagte ein konzernangehöriges Unternehmen der Firma Y. Produkt und Service AG gewesen sei, die in 8 Regionalgesellschaften Handel und Vertrieb mit Baustoffen, Möbelteilen, Bauelementen und Einbauküchen betrieben habe. Über das Vermögen dieser Gesellschaften sei jeweils auch das Insolvenzverfahren eröffnet worden, wobei die Krisenursache die anhaltend stagnierende Bauwirtschaft gewesen sei.

Im Konzern sei die Softwareentwicklung sowie die -Schulung des Personals an der konzerneigenen Software ihre Aufgabe gewesen, wobei durch die Einbindung in den qualifiziert faktischen Konzern eine starke finanzielle Abhängigkeit von der Konzernmutter entstanden sei, weswegen deren Zahlungsunfähigkeit auch zur Überschuldung der Beklagten geführt habe.

Mit der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens hätten die Regionalgesellschaften weitgehend ihre Geschäftstätigkeiten eingestellt, weswegen auch die Softwarentwicklung und die -Schulung von Konzernmitarbeitern nicht habe aufrecht erhalten werden können. Nachdem bis 31.05.2002 kein Interessent sich zur Übernahme bereit gefunden habe, hätten die Geschäftsführer zusammen mit der Konzernleitung beschlossen, den Geschäftsbetrieb sofort einzustellen. In Verfolgung dieses Planes seien am 05.06.2002 alle Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer gekündigt und der Kläger auch ab 01.07.2002 von der Arbeitsleistung freigestellt worden, nachdem der Betrieb bereits seit 01.06.2002 vollständig eingestellt worden sei.

Seit dieser Zeit werde kein werbendes oder aktives Geschäft mehr betrieben und sei auch nach Einstellung des Insolvenzverfahrens nicht wieder aufgenommen worden.

Da allen Mitarbeitern gekündigt worden sei, habe sich eine Sozialauswahl erübrigt und die Kündigungsfristen des Arbeitsvertrages seien eingehalten, zumindest die nach § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 27.05.2004 die Klage abgewiesen und dies damit begründet, dass dringende betriebliche Gründe in der Stilllegung des ganzen Betriebes gegeben seien und dies auch von der Beklagten dargestellt worden sei, zumal die Beklagte unstreitig noch vor Eröffnung der Insolvenz die Unternehmensentscheidung getroffen habe, den Geschäftsbetrieb einzustellen, was auch ab 01.06.2002 durchgeführt worden sei. Nachdem man allen Mitarbeitern unter dem 05.06.2002 gekündigt hätte und auch bislang nicht mehr die Arbeit aufgenommen habe, sei die Kündigung wirksam und aufgrund der klägerischen Behauptung, die Beklagte habe nach Einstellung des Insolvenzverfahrens ihre Geschäftstätigkeit wieder aufgenommen, komme lediglich ein Wiedereinstellungsantrag in Betracht, den der Kläger jedoch nicht verfolge.

Nach Zustellung des Urteils am 07.06.2004 hat der Kläger am 06.07.2004 Berufung eingelegt, welche innerhalb verlängerter Frist am 07.09.2004 im Wesentlichen damit begründet worden ist, dass ein Betriebsübergang auf die Firma Z. stattgefunden habe. Diese Firma habe einen Hauptteil des Personals übernommen, was mit der Übernahme des Geschäftsführers W. im Frühjahr 2002 und der Frau V. begonnen habe. Im Sommer 2002 sei Frau T. und Herr R., beide in der Kundenbetreuung tätig, die Softwareentwickler O. und Herr M. und ein Azubi zur Firma Z. gewechselt. Dies stellten einschließlich des Geschäftsführers 70 % der Belegschaft der Beklagten dar, die offensichtlich Know-how-träger seien. Lediglich ein Techniker, L., J. von der Schulung und der Kläger seien nicht übernommen worden.

Gerade in den Bereichen Softwareentwicklung und -Schulung sei die menschliche Arbeitskraft das maßgebliche Betriebsmittel, weswegen die Übernahme des Personals für einen Betriebsübergang spreche.

Die Firma Z. , bei der der Kläger zuvor beschäftigt gewesen sei, habe allgemein und für Baumärkte Software entwickelt. Die Beklagte habe ausschließlich Software für Baumärkte der Firma Y. AG entwickelt und diese auch gepflegt. Während der Tätigkeit für die Beklagte habe der Kläger und andere Mitarbeiter teilweise für die Z. gearbeitet und die Techniker der Beklagten hätten nicht nur deren Kunden sondern auch die der Z. betreut. Da die Firma Z. im gleichen Gebäude wie die Beklagten angesiedelt sei und die Hotline gemeinsam und kundenübergreifend von der Beklagten und der Firma Z. betreut worden sei, spreche dies für ein Fortbestehen des Arbeitsplatzes des Klägers.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 27.05.2004 - AZ: 2 Ca 1855/02 - wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 05.06.2002 mit Ablauf des 06.09.2002 beendet wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen damit, dass das Arbeitsgericht zu Recht von einer vollständigen Betriebsstilllegung des Geschäftsbetriebes der Beklagten spätestens zum 01.06.2002 ausgegangen sei. Ein Betriebsübergang auf die Firma Z. GmbH habe nicht stattgefunden, da diese weder Aufträge der Y. Gruppe rechtlich oder faktisch übernommen und fortgesetzt habe und auch nicht 70 % der bisherigen Arbeitnehmer der Beklagten übernommen habe. Herr W. sei durch eine Eigenkündigung vom Juli 2001 zum 31.12.2002 bei der Beklagten ausgeschieden und Frau U. habe aufgrund Eigenkündigung vom November 2001 zum 31.03.2002 das Unternehmen der Beklagten verlassen.

Herr N. sei ab 01.07.2002 befristet bis zum 30.10.2002 bei der Firma Z. GmbH beschäftigt worden, während die Mitarbeiter P. und X. nicht bei der Firma Z. GmbH in ein Arbeitsverhältnis eingetreten seien. Frau T. sei die einzige Mitarbeiterin der Beklagten, die dauerhaft von der Firma Z. GmbH nach der Insolvenz der Beklagten übernommen worden seien, weil einem Azubi über Zuschüsse des Arbeitsamtes ermöglicht worden sei, seine Ausbildung bei eben dieser Firma beenden zu können und Herr K. kein Angestellter der Beklagten gewesen sei.

Zudem habe die Firma Z. GmbH keinerlei Betriebsmittel von der Beklagten übernommen, wobei die Betriebsmittel einer Softwareentwicklungs- und Pflegefirma die technische Einrichtung hierzu darstellten, nämlich ein funktionsfähiges und teures Computernetz, die dazugehörige Technik wie Computer und Server sowie die entsprechenden Entwicklungstools und Entwicklungsprogramme für die Software, Nachschlagewerke, Programmierleitfäden u. ä.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze, die im Berufungsverfahren zur Akte gereicht wurden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen ebenso wie auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 77-80 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch deshalb nicht begründet, weil das Arbeitsgericht zu Recht die Klage abgewiesen hat.

Die Klage ist deshalb nicht begründet, weil die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger, wobei es auf die Frage der Kündigungsfrist erkennbar in der Berufungsinstanz nicht mehr ankommt, welches den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes unstreitig unterstellt ist, mit der Kündigung vom 05.06.2002 zu Recht ordentlich gekündigt hat, § 1 Abs. 2 KSchG.

Das Arbeitsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung deshalb gegeben sind, weil der Betrieb der Beklagten unstreitig zum 01.06.2002 eingestellt worden ist und allen Mitarbeitern am 05.06.2002 gekündigt wurde.

Unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätze geht das Arbeitsgericht davon aus, dass eine entsprechende Unternehmerentscheidung getroffen war, die sodann umgesetzt wurde, so dass, da allen Mitarbeitern gekündigt worden ist, eine Sozialauswahl nicht zu treffen gewesen ist.

Auch kann angesichts des klägerischen Vorbringens nicht davon ausgegangen werden, dass die Firma Z. GmbH den Betrieb der Beklagten oder Betriebsteile davon übernommen hat, deswegen die erklärte Kündigung unwirksam ist.

Der bisherige Geschäftsführer der Beklagten, W., ist bei der Betrachtung außer Ansatz zu lassen, weil er nicht zu den Arbeitnehmern der Beklagten zählt und demgemäß auch im Rahmen eines Betriebsüberganges, wo es um die Übernahme von Arbeitnehmern geht, nicht einzubeziehen ist.

Der Kläger hat in seiner Berufungsbegründung vom 07.09.2004 darüber hinaus behauptet, dass Frau U. im Frühjahr 2002 zur Firma Z. GmbH gewechselt sei, was die Beklagte bestätigte, jedoch behauptete, dass Frau U. selbst gekündigt habe und zwar bereits im November 2001 zum 31.03.2002 und danach zur Firma Z. GmbH gewechselt sei.

Der Kläger hat sodann die Kundenbetreuer FrauS. und Herrn P., die Softwareentwickler O., M. (gemeint ist Herr M. X.), aufgeführt sowie einen Auszubildenden, den die Firma Z. GmbH übernommen hat. Damit behauptet der Kläger, dass von den im Sommer 2002 vorhandenen Mitarbeitern der Beklagten, 7 Mitarbeiter und ein Auszubildender, 4 und der Auszubildende von der Firma Z. GmbH übernommen worden seien, was durchaus als wesentlicher Teil des Personals angesehen werden kann. Jedoch hat die Beklagte in zulässiger Weise bestritten, dass Herr P. und Herr M. X. (Entwickler) von der Firma Z. GmbH übernommen worden seien und dem Auszubildenden lediglich ermöglicht worden sei, durch Einschaltung des Arbeitsamtes seine Ausbildung bei der Firma Z. GmbH beenden zu können, so dass einzig FrauS., eine Kundenbetreuerin, dauerhaft von der Firma Z. GmbH übernommen worden sei.

Unterstellt, dass der Vortrag des Klägers schlüssig einen Betriebsübergang in Form der Übernahme des Hauptanteils des Personals der Beklagten durch die Firma Z. GmbH zu erkennen gibt, fehlt doch eine genaue zeitliche Angabe, wann die einzelnen bisherigen Arbeitnehmer der Beklagten bei der Firma Z. GmbH in ein Arbeitsverhältnis eingetreten sein sollen. Aber auch wenn man die vagen Angaben wie Frühjahr und Sommer 2002 ausreichen lässt, so fehlt es an Beweisangeboten für die klägerischen tatsächlichen Behauptungen, weil die Beklage die Übernahme der Herren P. und X., die unstreitig in der Softwareentwicklung eingesetzt waren, bestritten hat. Da es möglich ist, dass die Firma Z. Betriebsteile übernommen hat, wäre es erforderlich gewesen, darzustellen, welche Abteilungen bei der bisherigen Arbeitgeberin vorhanden gewesen sind, welche Mitarbeiter in diesen Abteilungen beschäftigt gewesen sind und wer wann von der Beklagten zur Firma Z. GmbH gewechselt ist. Die Beklagte hat nämlich eingeräumt, dass neben FrauS., einer Kundenbetreuerin, Herr N. ab 01.7. bis 30.10.2002 befristet beschäftigt gewesen ist, wozu noch Frau U. kommt, so dass eine der beiden Kundenbetreuer sowie ein Softwarentwickler von zweien sowie der Azubi übernommen worden sind, so dass eine Übernahme der Abteilung Kundenbetreuer und Softwareentwicklung als eingeschränkte Betriebsteile in Betracht kommen, was dem Kläger allerdings nur dann zum Erfolg verhilft, wenn der Kläger in einer dieser Abteilungen gewesen sein sollte.

Die Ausführungen auf Bl. 3 unter Ziffer 2 der Berufungsschrift beziehen sich erkennbar nicht auf die etwaige Auffassung des Klägers, dass er auch noch bei der Firma Z. GmbH trotz der vertraglichen Bindung an die Beklagte ab 01.01.2000, als deren Arbeitnehmer zu betrachten sei, sondern darauf, dass die Beklagte Aufträge der Z. GmbH abgewickelt und abgearbeitet hat, was jedoch aus seinen eigenen Ausführungen erklärbar ist, weil die Firma Z. GmbH allgemein Software für alle Baumärkte entwickelte, während die Beklagte ausnahmslos für Baumärkte der Y. AG Software entwickelte und diese auch pflegte und das Personal der Y. AG darin geschult hat.

Die Berufungskammer ist der Auffassung, dass der Kläger im Verfahren die tatsächlichen Voraussetzungen, die die Annahme eines Betriebs- oder Betriebsteilüberganges erkennen lassen, vortragen muss, weil die Beklagte die Kündigungsgründe für ihre betriebsbedingte Kündigung dargelegt hat und der Kläger die Rückausnahme, nämlich die Unwirksamkeit aufgrund eines Betriebsüberganges im Sinne des § 613 a BGB behauptet. Hierbei erfährt er auch dann, wenn er wie im vorliegenden Falle einige Indizien, auch wenn sie bestritten sind, aufzeigt, keine Erleichterung.

Nach dem Vorstehenden ist die Berufung des Klägers mit der Folge der Kostentragungslast zurückzuweisen, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 ZPO.

Die Revision hat die Kammer für den Kläger deshalb zugelassen, weil die Frage der Darlegungslast einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen ist, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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