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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 16.11.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 564/06
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 4
KSchG § 17
BGB § 613a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 6 Sa 564/06

Entscheidung vom 16.11.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10.05.2006 - AZ: 6 Ca 2682/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, der seit 1980 bei der Beklagten als Betriebshandwerker beschäftigt ist, wendet sich mit seiner Klage vom 25.11.2005 gegen eine ordentliche Kündigung der Beklagten, die mit Schreiben vom 21.11.2005 erklärt worden ist.

Die Beklagte hatte mit dem Betriebsrat einen Sozialplan beschlossen, der sich mit der Vergabe für die Arbeiten im Ausbau von Fertigbädern ab 01.01.2006 befasst. Wegen dessen näheren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 27 bis 33 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger war bereits zum 30.09.2005 aus personenbedingten Gründen gekündigt, wogegen er Kündigungsschutzklage eingereicht hatte.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 87 bis 92 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat dem Kündigungsschutz- und Beschäftigungsantrag im Urteil vom 10.05.2006 entsprochen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Kündigung unwirksam sei, selbst wenn man zugunsten der Beklagten von einer unternehmerischen Entscheidung ausgehen wolle, weil keine Betriebsituation erkennbar sei, die einen dringenden betrieblichen Grund für die Kündigung abgeben könne. Die Beklagte habe außerdem die soziale Auswahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt, weil sie sich allein auf die Mitarbeiter der zum 31.12.2005 fremd vergebenen Tätigkeiten in der Ausbauhalle für Fertigbäder beschränkt habe und die Mitarbeiter, die ebenfalls gewerbliche Tätigkeiten verrichtet hätten aus den anderen Abteilungen nicht miteinbezogen habe.

Auch längere Einarbeitungszeiten in anderen Arbeitsbereichen seien in der Regel zumutbar und es sei nicht erkennbar, was unter einer mehrmonatigen Anlernzeit zu verstehen sei. Deshalb komme es auf die sonstigen streitigen Fragen, ob eine Anzeigepflicht nach § 17 Kündigungsschutzgesetz bestanden habe und ob die Betriebsratsanhörung wirksam durchgeführt sei, nicht mehr an.

Nach Zustellung des Urteils am 26.06.2006 hat die Beklagte am 20.07.2006 Berufung eingelegt, die am 04.08.2006 im Wesentlichen damit begründet worden ist,

dass die unternehmerische Entscheidung dazu geführt habe, ab dem 01.01.2006 den Ausbau von Fertigbädern nicht mehr mit eigenem Personal durchzuführen. Dies sei in der Betriebsratsanhörung auch in umfassender Weise dargestellt worden, wobei auch die Gruppen der vergleichbaren Arbeitnehmer gebildet worden seien, weil die zunächst 80 gewerblichen Mitarbeiter den Abteilungen:

Rohfertigung Garagen - Montage/Baustelle Garagen - Schalungsbau/Schlosserei Fertigbäder - Rohfertigung und Zusammenbau Fertigbäder - Staplerfahrer Fertigbäder - Ausbauhallen Fertigbäder - Montage/Baustelle Fertigbäder - Magazin und zugehörige Stapelfahrer (Materialwirtschaft) zugeordnet gewesen seien. Alle in der Ausbauhalle Fertigbäder eingesetzten Mitarbeiter seien in der Lohngruppe vier und entweder ausgebildete Facharbeiter oder aufgrund der langen Tätigkeit diesen vergleichbar. In der Rohfertigung Garage seien Angelernte mit Tätigkeiten aus dem Metallbereich, die in der Gruppe arbeiteten. Der Wechsel eines Mitarbeiters in diese Gruppe hätte eine Einarbeitungszeit von mindestens sechs Monaten bis zu einem Jahr erforderlich gemacht. Wegen der speziellen Fertigkeiten habe man auch keine Fremdvergabe vorgenommen.

Die Garagen-Monteure seien ebenfalls mit den Mitarbeitern in den Ausbauhallen Fertigbäder deshalb nicht vergleichbar, weil diese Tätigkeit mit Fahrtätigkeiten verbunden sei. Im Schalungsbau/Schlosserei Fertigbäder würden ausschließlich Schlosser und Metallbauer tätig, die langjähriges Know-how erworben hätten, was bei einem Einsatz des Klägers eine jahrelange Umschulungsmaßnahme erfordert hätte. Auch in diesem Bereich wird im Team gearbeitet, was eine mehrmonatige Anlernphase erfordert hätte, die sicherlich länger als ein halbes Jahr dauere.

Die Staplerfahrer seien vom Ausbildungsniveau und den Arbeitsplätzen her nicht vergleichbar, zumal es sich durchweg um ungelernte Arbeitnehmer handeln würde. Eine Anlernphase von länger als drei Monaten wäre auch hier erforderlich.

Für die Monatage/Baustelle Fertigbäder gelte das Gleiche wie für die Montage im Garagenbau und der Kläger könne im Magazin nicht eingesetzt werden, da der Leiter des Magazins eine ausgebildete Fachkraft für Lagerwirtschaft sei und der Kläger über diese Fähigkeiten und Kenntnisse nicht verfüge.

Die Beklagte beantragt,

unter Änderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz

die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise, unter teilweiser Abänderung des angegriffenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Abfindung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 31.850,00 € nicht unterschreiten sollte.

Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen damit, dass der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger nicht gegeben sei, weil die Arbeiten von Fremdmitarbeitern innerhalb der betrieblichen Organisation weiterverrichtet würden, also im Betrieb an dem bisherigen Arbeitsplatz des Klägers arbeiten würden. Es handele sich hierbei um eine unzulässige Austauschkündigung.

Die von dem beauftragten Unternehmer eingesetzten Arbeitnehmer würden mit Werkzeugen der Beklagten arbeiten und ihnen würde das einzubauende Material von der Beklagten zur Verfügung gestellt. Das Arbeitsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte die Sozialauswahl nicht ausreichend berücksichtigt habe, weil sie die anderen Abteilungen ihres Betriebes nicht miteinbezogen habe, obwohl der Kläger in verschiedenen Bereichen bereits eingesetzt gewesen sei. Auch der im Jahre 1999 geschlossene Arbeitsvertrag sehe ausdrücklich eine Versetzungsmöglichkeit vor.

Der Kläger könne zudem in Gruppen arbeiten, weil er auch im bisherigen Ausbaubereich immer in Gruppen mit mindestens zwei Arbeitnehmern gearbeitet habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wir auf den Inhalt der Schreiben, die im Berufungsverfahren zur Akte gereicht und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind einschließlich der Anlagen Bezug genommen. Zur Ergänzung des tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird weiter auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist deshalb nicht erfolgreich, weil das Arbeitsgericht zu Recht der Klage in Ziffer 1) und 2) entsprochen hat.

Die Kündigung der Beklagten, erklärt mit Schreiben vom 21.11.2005 hat das Arbeitsverhältnis nicht zum 30.06.2006 aufgelöst, weil sie unwirksam im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG ist, da kein Grund vorhanden ist, der die Kündigung rechtfertigt.

Die Beklagte hat die Kündigung auf betriebsbedingte Gründe gestützt, weil sie behauptet, dass sie die Arbeiten der Abteilung, in der der Kläger beschäftigt war, ab 01.01.2006 komplett fremd vergeben wolle.

Das Arbeitsgericht hat hier zu Recht erkannt, dass eine derartige unternehmerische Entscheidung einen Kündigungsgrund für eine betriebsbedingte Kündigung abgeben kann.

Die Berufungskammer lässt dabei die Frage unberücksichtigt, dass der Kläger weiterhin die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates rügt, weil es hierauf nicht entscheidungserheblich ankommt.

Des weiteren kann offen bleiben, ob im vorliegenden Falle die Beauftragung der Fremdfirmen ab 01.01.2006 einen Teilbetriebsübergang im Sinne des § 613a BGB darstellt, weil der Kläger unbestritten vorgetragen hat, dass die Fremdfirma in der Halle der Beklagten mit Werkzeugen der Beklagten die gleichen Tätigkeiten in der gleichen Arbeitsumgebung verrichten, wie es der Kläger und seine Kollegen bislang getan haben.

Auch die Frage, ob die Kündigung sich als unzulässige Austauschkündigung darstellt, braucht ebenso wenig abschließend beurteilt zu werden wie die Frage, ob der Sozialplan, der bezüglich der Kündigung im Zusammenhang mit der Fremdvergabe der Tätigkeiten beim Ausbau von Fertigbädern irgend eine Wirksamkeit entfaltet, wobei lediglich festzustellen ist, dass dieser Sozialplan keine Vereinbarung im Sinne des § 1 Abs. 4 KSchG darstellt, weil nicht die Frage anhand der individuellen Punkte geklärt werden soll, wem gekündigt wird, sondern lediglich die Frage beantwortet, welchen Anteil der betroffene gekündigte Arbeitnehmer vom Sozialplangesamtvolumen, dessen Höhe festgelegt ist, erhalten soll.

Da zudem der Sozialplan nur für die Abteilung Ausbau von Fertigbädern gemacht ist, in welchem Bereich allen Mitarbeiter gekündigt werden soll, kann nicht angenommen werden, dass eine Regelung im Sinn des § 1 Abs. 4 Kündigungsschutzgesetz getroffen werden sollte.

Die Kündigung ist deshalb unwirksam, weil die Beklagte bei der Auswahl des Klägers soziale Gesichtspunkte nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt hat, § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass die Auswahl betriebsbezogen ist und deshalb auch alle vergleichbaren Arbeitnehmer in den Kreis der zu Kündigenden einbezogen werden müssen, um die soziale Auswahl nach objektiven, arbeitsplatzbezogenen Merkmalen treffen zu können.

Der Arbeitsvertrag des Klägers, welcher nach Arbeitsbeginn im April 1980 erst am 30.12.1999 geschlossen wurde, beinhaltet in Ziffer 1) die Befugnis der Beklagten, den Kläger innerhalb des Unternehmens anderweitig einsetzen zu können, so dass eine Umsetzung des Klägers ohne Änderungskündigung möglich ist.

Auch wenn man die als Information an den Betriebsrat überzeichneten Ausführungen der Beklagten (Anlage P 1 zum Schriftsatz vom 07.02.2006) als Vortrag bewertet, so kann man diesem Vorbringen nicht entnehmen, dass die Sozialauswahl ausreichend richtig getroffen worden ist. Der Arbeitgeber braucht, was die Kündigung nicht unwirksam werden lässt, vor Ausspruch keine Sozialauswahl zu treffen, sondern muss diese lediglich im Nachhinein so belegen, dass als Ergebnis feststeht, dass die Auswahl der zu Kündigenden auch unter Beachtung der sozialen Gesichtspunkte ausreichend richtig getroffen wurde.

Weder die Stellungnahme in Richtung Betriebsrat noch die Ausführungen in der Berufungsbegründung geben die Möglichkeit, zu erkennen, welche Arbeitnehmer mit dem Kläger vergleichbar gewesen sind, wobei angesichts der Behauptung, alle betroffenen Mitarbeiter in den Ausbauhallen Fertigbäder seien der Lohngruppe vier zugeordnet und auch in anderen Abteilungen Mitarbeiter in dieser Lohngruppe eingereiht sind, die Annahme rechtfertigt, dass auch in anderen Abteilungen Mitarbeiter sind, mit denen der Kläger vergleichbar im Sinne der Sozialauswahl-Gesichtspunkte ist.

Der Kreis derjenigen, die in die soziale Auswahl einzubeziehen sind bestimmt sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Dies gilt nicht nur bei Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Fähigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Die Notwendigkeit einer Einarbeitungszeit steht einer Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer nicht entgegen, wenn sie nicht länger als drei Monate beträgt (BAG-Urteil vom 05.05.1994 SAP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 23).

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger in den Bereichen Rohfertigung/Montage Baustelle Garagen hätte eingesetzt werden können, weil der von ihm vorgelegte Arbeitsvertrag vom 30.12.1999 eine Tätigkeit in diesem Bereich als Arbeitsaufgabe benennt, weswegen davon auszugehen ist, dass der Kläger in diesen Bereich mit einer kurzen Anlernphase hätte eingesetzt werden können, weil er in diesen Bereich bereits gearbeitet hat.

Die Beklagte hätte also, um darzulegen, dass die soziale Auswahl, die sich auf den gesamten Betrieb bezieht, richtig gewesen ist, die vergleichbaren Arbeitnehmer zumindest aus diesem Bereich benennen müssen, wobei die Kammer auf dem Standpunkt steht, dass alle vergleichbaren Arbeitnehmer von der Beklagte hätten angeführt werden müssen, um feststellen zu können, welche Arbeitnehmer sozial stärker geschützt sind als der Kläger. Die Beschränkung auf die Abteilung Ausbau von Fertigbädern ist fehlerhaft und führt zur Unwirksamkeit der erklärten Kündigung, weswegen das Arbeitsgericht zu Recht auch dem Beschäftigungsantrag des Klägers entsprochen hat.

Nach dem Vorstehenden hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 AGG, 91, 97 ZPO.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht ist deshalb nicht zugelassen, weil erkennbar die Vorgaben des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.

Die Beklagte wird darauf hingewiesen, dass die Nichtzulassung der Revision selbständig durch die Beschwerde angegriffen werden kann, § 72 a ArbGG.

Ende der Entscheidung

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