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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 16.03.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 606/05
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 242
StGB § 246
StGB § 823 Abs. 1
StGB § 823 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 6 Sa 606/05

Entscheidung vom 16.03.2006

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 11.05.2005 - AZ: 1 Ca 68/05 - teilweise abgeändert und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen.

Auf die Widerklage hin, wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten 160,-- € nebst 5 % Zinsen über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (das ist 25.02.05) - zu zahlen.

Die Widerklage wird im Übrigen abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger war vom 01.09.2002 bis 31.12.2004 als Hausmeister/Fahrzeugaufbereiter bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt, wobei unstreitig ist, dass ihm für die Monate August bis November 2004 jeweils 491,76 EUR netto zustehen. Nachdem der Kläger diese Ansprüche mit der Klage, welche am 12.01.2005 beim Arbeitsgericht eingereicht wurde, geltend gemacht hat, hat die Beklagte, über deren Vermögen am 17.06.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, eine Widerklage über 25.210,64 EUR erhoben, die damit begründet wurde, dass der Kläger kontinuierlich den entsprechenden Gegenwert an Waren gestohlen habe, was anlässlich einer Inventur festgestellt worden sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als Vergütung für den Monat August 2004 491,76 Euro netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2004, für den Monat September 2004 ebenfalls 491,76 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2004, für den Monat Oktober 2004 ebenfalls 491,76 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.11.2004 sowie für den Monat November 2004 ebenfalls 491,76 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.12.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung der Widerklage bringt sie vor, dass seitens des Klägers aus dem Tabakshop der Beklagten im Zeitraum Januar bis Juli 2004 Tabakwaren, Motorenöl, eine Kamera, ein DVD-Player sowie Spirituosen gestohlen worden seien. Der Kläger komme allein für die Entwendung in Frage, weil nach seinem Ausscheiden im August 2004 keine Fehlbestände bei den Tabakwaren mehr aufgetaucht seien und er dem Zeugen Z. erklärt habe, als er ihm die Ware zum halben Preis anbot, dass die Ware deshalb so billig sei, weil er sie billig bei der Beklagten wegen des Ablaufs des Haltbarkeitsdatums bekommen habe. Nach Entdeckung der Taten entsprechend befragt, wie der Kläger die Diebstähle habe bewerkstelligen können, habe der Kläger geantwortet, dass die Videoüberwachung das Tabakregal nicht erfasse.

Die Beklagte hat widerklagend beantragt,

den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an die Beklagte und Widerklägerin 25.210,64 EUR nebst 5 % Zinsen über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Er hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass er bestreiten müsse, dass es überhaupt zu Fehlbeständen bei den Tabakwaren gekommen sei. Selbst wenn diese entstanden seien, habe er damit nichts zu tun, da er die Zigaretten, die er an den Zeugen Z. verkaufte, selbst in L kostengünstig erworben hatte.

Das Arbeitsgericht hat im Urteil vom 11.05.2005 der Klage entsprochen und die Widerklage insgesamt abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass der Zahlungsanspruch des Klägers dem Grund und der Höhe nach anerkannt sei und ein zur Aufrechnung geeigneter Gegenanspruch der Beklagten nicht bestehe, zumindest sei nicht dargelegt, dass der Kläger aus unerlaubter Handlung hafte.

Die vorgelegten Inventurunterlagen würden nicht mit hinreichender Sicherheit ergeben, dass der Kläger für den Warenschwund verantwortlich sei, zumal im April 2004 kein Schwund von 5.808,09 EUR, sondern ein Zuwachs von 768,76 EUR bestehe.

Auch nach dem Ausscheiden des Klägers seien Fehlbestände bei den Tabakwaren aufgetreten und zwar im September und Oktober 2004 in Höhe von 595,96 und 46,05 EUR.

Dem Sachvortrag lasse sich nicht entnehmen, inwieweit die Zeugin W. aus eigener Wahrnehmung über den Fehlbestand hinaus etwas über den Diebstahl des Klägers aussagen könne und für die angeblichen Äußerungen des Klägers gegenüber dem Zeugen Z., die der Kläger bestritten habe, habe die Beklagte die gerichtliche Auflage vom 20.04.2005 nicht erfüllt.

Gleiches gelte für den benannten Zeugen X..

Nach Zustellung des Urteils am 21.06.2005 hat die Beklagte Berufung am 20.07. bzw. 26.08.2005 eingelegt, welche am 28.10.2005 im Wesentlichen damit begründet worden ist, dass sich die Verantwortlichkeit des Klägers für den Warenschwund mit hinreichender Sicherheit aus der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte ergebe. Die Zeugin W. habe die Unregelmäßigkeiten im Zigarettenbestand festgestellt und auch die alleinige Verantwortung und Zuordnung zu dem Kläger.

Es treffe zu, dass im April 2004 ein Zuwachs festzustellen sei, welche jedoch auf Abverkäufen und entsprechenden Nachbestellungen beruhe und zudem habe der Kläger in diesem Monat nur sechs Tage gearbeitet.

Was den Zeugen Z. anlange, so habe die Beklagte vorgetragen, dass der Kläger diesem Zeugen Tabakwaren zum halben Preis angeboten habe und auf die misstrauische Frage, wie er zu diesem Preis komme, dem Zeugen erklärt habe, er habe die Ware bei der Beklagen bekommen und zwar so billig, weil das Haltbarkeitsdatum abgelaufen sei. Dieser Sachvortrag entspreche den Darlegungspflichten der Widerklägerin und zudem habe der Kläger gegenüber dem Zeugen Z. die Begehung der Diebstähle eingestanden. Der Zeuge X.s sei Zeuge vom Hörensagen und zwar sei er Mitarbeiter der Beklagten und habe bei einem Besuch in der Autolackiererei des Zeugen Z. diesen nach den billigen Zigaretten gefragt und dabei vom Zeugen Z. erfahren, dass er sie von der vormaligen Beklagten bezogen habe und zwar zu einem extrem günstigen Preis, weil das Haltbarkeitsdatum abgelaufen sei.

Im Hinblick auf weitere entwendete Waren wie Whisky, Motorenöl, Kamera und DVD-Player würden keine Ansprüche mehr geltend gemacht, weil diese letztendlich nicht beweisbar seien.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichtes Kaiserslautern vom 11.05.2005, AZ: 1 Ca 68/05

a) die Klage abzuweisen;

b) auf die Widerklage den Kläger zu verurteilen an den Beklagten und Widerkläger 21.142,22 EUR nebst 5 % Zinsen über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 11.05.2005 kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger bringt vor, dass das Arbeitsgericht die angebotenen Zeugen zu Recht nicht vernommen habe, weil die Beklagte ihrer Darlegungslast und näheren Substantiierung nicht nachgekommen sei. Auch der neuerliche Vortrag bezüglich der Erkenntnismöglichkeiten der Zeugin Birgit W. sei nicht geeignet, einen schlüssigen Nachweis im Hinblick auf die Täterschaft des Klägers zu liefern und insbesondere sei nicht ersichtlich, warum lediglich der Kläger für die behaupteten Fehlbestände verantwortlich sei. Die Äußerungen des Klägers gegenüber dem Zeugen Z. seien nicht richtig dargestellt und insbesondere habe der Beklagte diesen Zeugen darauf hingewiesen, dass er direkt bei der Beklagten nachfragen müsse, wenn er Zigaretten unterhalb der üblichen Handelspreise erhalten wolle.

In der Verhandlung vom 16.03.2006 hat der Kläger mitgeteilt, dass er nach rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichtes Landstuhl wegen Diebstahls von vier Stangen Marlboro Light zu Lasten der Insolvenzschuldnerin bestraft worden ist.

Zur Ergänzung des Tatbestandes und wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schreiben, die im Berufungsverfahren zur Akte gereicht wurden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind ebenso Bezug genommen, wie auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 11.05.2005 (Bl. 147 - 149 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten und Widerklägers in seiner Funktion als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma Frank A. W., ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die zulässige Berufung ist jedoch nur im geringen Umfange erfolgreich und ansonsten als unbegründet zurückzuweisen, was sich aus Nachstehendem ergibt.

Das Arbeitsgericht hat die Widerklage über den damaligen Betrag von 25.210,64 EUR nebst der geforderten Verzinsung zu Recht abgewiesen, weil der damaligen Widerklägerin kein entsprechender Schadensersatzanspruch gegen den Kläger zusteht.

Die Schadenersatzhaftung des Klägers als Arbeitnehmer setzt voraus, dass die Voraussetzungen der §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 i V 242, 246 StGB erfüllt sind.

Dies bedeutet, dass das Verhalten des Klägers gesetzliche Rechte des Arbeitgebers verletzt haben muss und diese Handlung für die Rechtsgutverletzung kausal wurde. Die Berufungskammer geht dabei davon aus, dass der Fehlbestand an Tabakwaren, der im Berufungsverfahren allein noch Gegenstand der Klageforderung gewesen ist, von der Zeugin W. tatsächlich richtig ermittelt worden ist. Diese Feststellung wäre jedoch nur dann Ansatz zu weiteren Überlegungen, wenn feststünde, dass für diesen Bereich allein der Kläger/Widerbeklagte verantwortlich gewesen ist. Davon kann jedoch angesichts des Vorbringens der Widerklägerin deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Zigaretten im Verkaufsraum der Tankstelle hinter der Bedienungstheke aufbewahrt wurden und ausschließlich vom Kassierer über die Theke an den Kunden abgegeben wurden. Die Widerklägerin räumt ein, dass außer dem Kläger die beiden Tankwarte bzw. Kassierer grundsätzlich Gelegenheit zur Tat hatten, im Gegensatz zum Kläger jedoch sehr zuverlässig seien.

Immer dann, wenn mehrere Personen als Täter in Betracht kommen, muss der Arbeitgeber konkret darlegen, worauf er seine Annahme stützt, dass der betreffende Arbeitnehmer allein als Täter in Betracht kommt. Dies bedeutet, dass er darlegen muss, wann welche Verstöße begangen wurden und warum andere Personen als Täter ausscheiden.

Die Widerklägerin hat, worauf das Arbeitsgericht zu Recht hinweist, angebliche Äußerungen des Klägers dem Zeugen Z. gegenüber dargelegt, die einen Anfangsbeweis, wenn sie denn erwiesen worden wären, ermöglicht hätte. Die Widerklägerin ist jedoch der Auflage im Kammertermin vom 20.04.2005 nicht nachgekommen, wo ihr aufgegeben wurde, anzugeben, wann wo und unter welchem Umständen der Kläger die behaupteten Äußerung gemacht haben soll.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass bei Zugang des Sitzungsprotokolls am 22.04.2005 mit der angeforderten Stellungnahme die bis zum Termin verbleibende Zeit eine derartige nicht zugelassen hat, so hätte die Beklagtenseite doch, da die Berufungsinstanz im arbeitsgerichtlichen Verfahren zumindest ergänzenden Tatsachenvortrag ohne Weiteres zulässt, diesen fehlenden Tatsachenvortrag nachbringen können. Auch die Berufungskammer sieht im Hinblick auf die Substantiierung bezüglich der Vorgänge, die Gegenstand einer Beweisaufnahme sein können, die Verteilung der Darlegungslast ebenso wie das Arbeitsgericht. Es muss unter Tatsachenangabe dargelegt werden, wann wer wem was und wo gesagt hat, soll das Gericht in eine Beweisaufnahme eintreten, die den Regeln der ZPO untersteht.

Dies umso mehr als die Behauptung sich als nicht zutreffend erwiesen hat, dass es seit dem Ausscheiden des Klägers keine Fehlbestände mehr gegeben haben sollte.

Es genügt der Darlegungslast auch nicht, wenn ausgeführt wird, dass die Zeugin W. allein in der Lage sei, darzulegen, dass der Kläger allein für die Fehlbestände verantwortlich sein müsse. Den Ablauf der Schlussfolgerung, die von der Zeugin W. angestellt wurden, hätten dargelegt werden müssen, um auch dem Kläger ein Eingehen auf den Tatsachenvortrag zu ermöglichen. Es genügt nicht, pauschale Behauptungen auf- und Ergebnisses eines Geschehensablaufes darzustellen, um eine Beweisaufnahmelage herbeizuführen.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichtes, die Widerklage abzuweisen, ist demgemäß zutreffend, weswegen auch zugleich die Frage beantwortet ist, dass der Widerklägerin/Beklagten und Berufungsführerin keine aufrechenbare Forderung gegen den Kläger, Widerbeklagten und Berufungsbeklagten zustehen, die über den zuerkannten Betrag von 160,00 EUR nebst der geforderten Verzinsung hinausgehen.

Der Kläger ist rechtskräftig wegen Diebstahls von vier Stangen Marlboro Light zu Lasten der Gemeinschuldnerin verurteilt worden, was einen Warenwert von 160,00 EUR ausmacht. Dieser Betrag ist der Widerklägerin, Beklagten und Berufungsführerin zuzusprechen nebst der geforderten Verzinsung.

Die Widerklage ist im Übrigen abzuweisen und auch die Berufung, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten im arbeitsgerichtlichen Urteil zur Zahlung des Klagebetrages nebst der entsprechenden gesetzlichen Verzinsung richtet, weil der Berufungsführerin kein weiterer Anspruch zusteht.

Nach dem Vorstehenden hat das Arbeitsgericht der Klage zu Recht entsprochen und im Zeitpunkt der Entscheidung auch zu Recht die Widerklage insgesamt abgewiesen. Trotz des Umstandes, dass aufgrund der neuerlichen Entwicklung die Widerklage in Höhe von 160,00 EUR erfolgreich ist, sind der Beklagten, Widerklägerin und Berufungsführerin die Kosten des Berufungsverfahrens insgesamt aufzuerlegen, weil die geringfügige Verurteilung des Klägers in der Kostenentscheidung, weil geringfügig, nicht zu beachten ist, §§ 64 Abs. 2 ArbGG, 91, 97, 92 Abs. 2 ZPO.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht ist nicht zugelassen, weil erkennbar die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.

Der Beklagte hat wegen der Nichtzulassung der Revision die Möglichkeit der Beschwerde nach § 72 a ArbGG, während für den Kläger kein Rechtsmittel gegeben ist.

Ende der Entscheidung

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