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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 06.11.2003
Aktenzeichen: 6 Sa 780/03
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 6 Satz 1
ArbGG § 72 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 6 Sa 780/03

Verkündet am: 06.11.2003

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 28.03.2003 - AZ: 2 Ca 1161/02 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, welcher seit 02.01.1986 bei der Beklagten als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt ist, hat sich mit seiner Klage vom 04.04.2002 gegen eine ordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.03.002 gewendet. Er hat seine Klage im Wesentlichen damit begründet, dass die Lagertätigkeit nach wie vor verrichtet werden müsse. Darüber hinaus hätte die Beklagte ihn in anderen Fachbereichen einsetzen können und dies auch müssen, zumal Mitarbeiter wesentlich später als er eingestellt worden seien und mit Arbeiten beschäftigt würden, die auch er problemlos verrichten könne. Er bezweifle zudem, dass die Geschäftsleitung der Beklagten eine unternehmerische Entscheidung dahingehend getroffen habe, dass alle Produktionsmitarbeiter ab sofort im Bedarfsfall die benötigten Werkzeuge und Materialien aus dem Lager holen und zurückbringen sollten.

Die Beklagte habe keine soziale Auswahl getroffen, weswegen sie verpflichtet sei, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.

Der Kläger hat beantragt,

es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 25.03.2002, zugegangen am gleichen Tage, weder zum 30.04.2002 noch zum 31.10.2002 aufgelöst wird.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass sie eine unternehmerische Entscheidung am 22. März 2002 getroffen habe, wonach keine Materialwirtschaft und Vorratshaltung mehr durchgeführt und kleinere Reparaturen an Drittfirmen übertragen werden sollten. Damit sei für die Tätigkeit des Klägers kein betrieblicher Bedarf mehr. Eine soziale Auswahl finde deshalb nicht statt, weil der Kläger mit keinem anderen Arbeitnehmer vergleichbar sei. Die vom Kläger benannten Arbeitnehmer seien deshalb nicht vergleichbar, weil sie andere Stundenlöhne erhielten und Tätigkeiten ausführen könnten, die der Kläger aufgrund eines Rückenleidens nicht durchführen könne. Die genannten Arbeitnehmer seien mit Tätigkeiten beschäftigt, für die 6 Monate an Einarbeitungszeit benötigt würde.

Man setze im Übrigen Leiharbeitnehmer nur in den Bereichen ein, die vom Kläger nicht ausgeführt werden könnten.

Das Arbeitsgericht hat durch die Entscheidung vom 28.03.2003 dem Klageantrag entsprochen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers zum Nachteil des Klägers soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt habe. Die vom Kläger angeführten Arbeitnehmer seien allesamt nach ihm eingestellt worden und auch mit ihm vergleichbar. Die von der Beklagten angeführte Unterscheidung, nämlich das Abstellen auf die Höhe der Stundenlöhne führe nicht dazu, den Kläger als mit den benannten Arbeitnehmern nicht vergleichbar zu betrachten, weil sich diese Unterscheidung nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen ausrichte. Alle angeführten Arbeitnehmer seien angelernt, weswegen der Kläger auf dieser horizontalen Ebene vergleichbar mit den mit anderen Tätigkeiten beschäftigten Arbeitnehmern sei. Die von der Beklagten angesprochene gesundheitliche Beeinträchtigung des Klägers könne deshalb nicht berücksichtigt werden, weil die Beklagte nicht dargelegt habe, dass der Kläger diese Arbeiten tatsächlich nicht ausführen könne, obwohl der Kläger den dahingehenden Vortrag bestritten habe.

Soweit die Beklagte Einarbeitungszeiten von 6 Monaten behauptet habe, seien diese zumutbar. Da die Kündigung unwirksam sei, habe der Kläger einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung zu den bisherigen Bedingungen.

Das Urteil ist der Beklagten am 21.05.2003 zugestellt worden, woraufhin Berufung am 06.06.2003 eingelegt wurde, die am 08.07.2003 begründet worden ist.

Die Beklagte greift die arbeitsgerichtliche Entscheidung im Wesentlichen damit an, dass die vom Kläger benannten Arbeitnehmer mit ihm deshalb nicht vergleichbar seien, weil die Arbeitsplätze nicht vergleichbar seien, da auf denen vom Kläger benannten Arbeitsplätzen deutlich geringere Löhne als ihm gezahlt würden. Die Ausbildung des Klägers als Elektriker verhindere die Annahme der Austauschbarkeit mit den angelernten Arbeitnehmern. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die genannten Mitarbeiter ausschließlich auf manuelle und körperlich anstrengenden Arbeitsplätzen eingesetzt seien, während der Kläger in seiner Funktion als Lagerist leichterer Tätigkeiten, die jedoch deutlich höher qualifiziert anzusiedeln seien als die der anderen Mitarbeiter, verrichtet habe.

Der Kläger habe auch nicht den Beweis erbracht, dass er aufgrund des von der Beklagten behaupteten Rückenleidens die Arbeiten der anderen Mitarbeiter überhaupt ausführen könne.

Auch habe der Kläger keinen substantiierten Sachvortrag gegen die Behauptung der Beklagten geführt, dass die Tätigkeiten der Mitarbeiter Z., Y. und X. nach einer Einarbeitungszeit von 6 Monaten ausgeführt werden könnten.

Eine derartig lange Einarbeitungszeit sei jedoch deshalb nicht zumutbar, weil betriebsüblich lediglich eine Frist von 3-4 Monaten als Maximum zugestanden werde. Die Probezeit für angelernte Kräfte betrage 3 Monate und sei deckungsgleich mit der Einarbeitungszeit.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 28.03.2003 - 2 Ca 1161/02 - abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen damit, dass es sich aus dem Vortrag der Beklagten selbst ergebe, dass auch künftig eine Lager- und Vorratshaltung notwendig und vorhanden sei, weil sie nichts dazu gesagt habe, wer die Materialien/Artikel im Lager einlagere und sortiere, damit die Monteure sich diese dort holen könnten.

Die soziale Auswahl sei jedoch fehlerhaft und deshalb die Kündigung unwirksam, weil die Beklagte bewusst die familiären und sonstigen Verhältnisse der vom Kläger benannten Arbeitskollegen nicht offen lege. Der Kläger sei wohl mit den von ihm benannten Mitarbeitern arbeitsplatzbezogen vergleichbar, weil sich das Lohnsystem der Beklagten im Wesentlichen danach richte, wie lange ein Arbeitnehmer beschäftigt sei. Wenn aber die Dauer der Betriebszugehörigkeit die Lohnhöhe bestimme, könne die Lohnhöhe bei der Vergleichbarkeit von Arbeitsplätzen nicht herangezogen werden.

Die Beklagte beschäftige zudem weiterhin Leiharbeitnehmer, deren Einweisungszeit an den betreffenden Maschinen ca. 2-3 Tage andauere. Der Kläger könne diese Tätigkeiten ebenfalls verrichten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst deren Anlagen, die im Berufungsverfahren zur Akte gereicht wurden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Vorbringens wird außerdem auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 100-101 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist deshalb ohne Erfolg, weil das Arbeitsgericht zu Recht der Kündigungsschutzklage und dem Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers entsprochen hat.

Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte hätte eine soziale Auswahl durchführen müssen, weil vergleichbare Arbeitnehmer im Betrieb vorhanden gewesen seien, deren Tätigkeit der Kläger hätte übernehmen können.

Die Berufungskammer folgt den Ausführungen des Arbeitsgerichts, das eine Vergleichbarkeit der vom Kläger benannten Mitarbeiter Z., Y., X., W., V., U. und T. gegeben ist, obwohl diese Mitarbeiter einen geringeren Stundenlohn als der Kläger aufweist. Der Kläger war als Lagerist ebenfalls angelernter Mitarbeiter, weswegen von der Tätigkeit her er mit den benannten Mitarbeitern vergleichbar und austauschbar ist. Ein gelernter Mitarbeiter wie der Kläger, der ausgebildeter Elektriker ist, kann die Arbeiten, die er in seinem Schreiben vom 28.10.2002 anführt, ebenfalls ausüben können.

Die Beklagte hat eine soziale Auswahl nicht durchgeführt, so dass die Kündigung schon aus diesem Grunde unwirksam ist, da die vom Kläger benannten Mitarbeiter alle sozial stärker anzusehen sind, weil entsprechender Tatsachenvortrag seitens der Beklagtenseite fehlt. Der Kläger moniert zu Recht, dass die Beklagte die persönlichen Daten, wie Lebensalter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen der betroffenen Mitarbeiter nicht im Einzelnen dargelegt hat, was jedoch angesichts der Benennung der Mitarbeiter durch den Kläger erforderlich gewesen wäre.

Die Beklagte kann auch nicht mit dem Einwand gehört werden, der Kläger könne einige Arbeiten deshalb nicht verrichten, weil er an einem Rückenleiden erkrankt sei. Eine derartige Behauptung ist prozessual deshalb unbeachtlich, weil sie nicht an Tatsachen festgemacht ist. Die Beklagte hätte darlegen müssen, welche Tätigkeiten auf den einzelnen Plätzen zu verrichten sind und die Behauptung aufstellen müssen, dass der Kläger diese einzelnen Tätigkeiten nicht verrichten kann. Allein die Behauptung in den Raum zu stellen, der Kläger könne alle Tätigkeiten, außer den von ihm zuletzt verrichteten, nicht ausüben, ist einer näheren Erwiderung durch die Klägerseite nicht zugänglich und unsubstantiiert.

Angesichts des Umstandes, dass die Kündigungsfrist des Klägers bis zum 30.09.2002 angedauert hätte, bei einer Kündigung vom 25.03.2002 wäre die Einhaltung einer Einarbeitungszeit zumutbar gewesen, auch wenn man den Vortrag der Beklagten als richtig unterstellen wollte, dass hierzu 6 Monate erforderlich seien. Die längere Betriebszugehörigkeit des Klägers führt dazu, dass die Beklagte auch erhöhte Rücksichtnahme hätte üben müssen und sich, was als richtig unterstellt wird, nach Beschlussfassung hätte nach einem anderen Einsatz für den Kläger umtun müssen. Auch der Einwand, dass der Kläger als Elektriker ausgebildet sei und deshalb nicht mit angelernten Kräften austauschbar sei, greift nicht, weil der Kläger schließlich nicht als Elektriker eingesetzt worden ist, sondern als Helfer und Lagerist.

Auch der Einsatz von Leiharbeitnehmern, die unbestritten bei der Beklagten eingesetzt werden, lässt Zweifel des Klägers an dringenden betrieblichen Erfordernissen zur Kündigung aufkommen, die durch den Prozessvortrag der Beklagtenseite nicht ausgeräumt worden sind. Allein die Behauptung, dass diese Mitarbeiter Arbeiten verrichten würden, die der Kläger nicht verrichten könne, ist nicht derart, als dass die Kammer Tatsachen im Hinblick darauf, was diese Arbeitskräfte tatsächlich verrichten, ableiten kann und verhindert auch, dass der Kläger eingehend auf die Behauptung der Beklagten erwidern kann.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichtes ist zutreffend, weil zumindest die Einarbeitungszeit seitens der Beklagten hätte dem Kläger eingeräumt werden müssen, um Anlerntätigkeiten zu erlernen. Bezüglich des dann auf diesen Plätzen zu zahlenden Lohnes gilt, dass der Hinweis des Arbeitnehmers auf eine derartige Beschäftigungsmöglichkeit auch beinhaltet, dass er mit einer verbundenen Änderung der Arbeitsbedingungen zumindest unter einem Vorbehalt der Überprüfung einverstanden ist, so dass allein die Verdiensthöhe nicht der anzulegende Maßstab darstellen kann, zumal die Beklagte auch die Einkommensverhältnisse der in Betracht kommenden Mitarbeiter nicht dargelegt hat.

Nach dem Vorstehenden ist die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.

Angesichts der in § 72 Abs. 2 ArbGG vorgegebenen Maßstäbe ist die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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