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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 16.10.2003
Aktenzeichen: 6 Sa 871/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 890 Abs. 2
ZPO § 929 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 6 Sa 871/03

Verkündet am: 16.10.2003

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird die im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 21.05.2003 - AZ: 6 Ga 900/03 - enthaltene einstweilige Verfügung aufgehoben.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, ob die Klägerin verpflichtet ist, ihre Tätigkeit für die Beklagte in Weimar auch auszuüben. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin, welche als Lohnbuchhalterin bei einem Bruttomonatslohn von 2.046,-- EUR beschäftigt ist, ist von der Beklagten zum 30.11.2003 gekündigt worden. Die Klägerin hat ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, wonach die Beklagte verpflichtet werden soll, die Versetzung der Klägerin nach Weimar aufzuheben im Wesentlichen damit begründet, dass sie aufgrund ihres angegriffenen Gesundheitszustandes, sie sei schwerbehindert mit einem GdB von 70, physiotherapeutischer Behandlung unterstellt sei und auch zuhause von ihrem Lebensgefährten täglich massiert werde. Zudem unterstütze sie ihre Eltern, die kein Fahrzeug besäßen.

Die Klägerin hat gegen die erklärte Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben und auf das Schreiben der Beklagten vom 04.04.2003, das die Aufnahme der Arbeit ab 05.05.2003 bis zur endgültigen Klärung der Angelegenheit beinhaltet, das Antragsschreiben am 15.05.2003 beim Arbeitsgericht eingereicht und den dort enthaltenen Antrag in der Verhandlung vom 21.05.2003 wie folgt gestellt, der Verfügungsbeklagten aufzugeben, die Versetzung der Klägerin nach Weimar aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Dies ist im Wesentlichen damit begründet worden, dass die Klägerin mit dem Zuwarten am 15.05.2003, nachdem sie bereits am 04.04.2003 zur Arbeitsaufnahme in Weimar aufgefordert worden sei, eine Dringlichkeit herbeigeführt habe, die ansonsten nicht gegeben sei. Deswegen könne sie sich darauf nicht berufen und der Antrag sei zurückzuweisen, zumal der Klägerin sämtliche Fahrt- und Unterkunftskosten in Weimar bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.11.2003 erstattet würden und ein weiterer Einsatz im bisherigen Arbeitsort deshalb nicht möglich sei, weil der Arbeitsplatz endgültig weggefallen sei.

Das Arbeitsgericht hat dem gestellten Antrag durch die angefochtene Entscheidung vom 21.05.2003 entsprochen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin einen Verfügungsanspruch darauf habe, nicht ab 26.05.2003 in Weimar ihre Arbeit aufnehmen zu müssen, weil im Arbeitsvertrag ausdrücklich der Arbeitsort Leideneck im Hunsrück vereinbart sei und dass klägerische Einvernehmen mit dem Standort nicht vorliege.

Das Direktionsrecht des Arbeitgebers könne den geplanten Arbeitsortwechsel nicht rechtfertigen.

Es liege auch ein Verfügungsgrund für die Klägerin darin, dass sie erheblich schwerbehindert sei und sich einmal pro Woche in physiotherapeutische Behandlung begeben müsse und auf die häusliche Hilfestellung durch den Lebensgefährten angewiesen sei.

Auch sei die Dringlichkeit nicht weggefallen, weil eine gerichtliche Klärung vor dem Tag der geplanten Arbeitsaufnahme am 26.05.2003 hätte nicht herbeigeführt werden können, wenn die Klägerin gleich nach Erhalt der Versetzungsanordnung am 04.04.2003 gerichtliche Schritte im Klageverfahren eingeleitet hätte.

Nach Zustellung des Urteils am 04.06.2003 hat diese Berufung am 03.07.2003 eingelegt welche innerhalb verlängerter Frist am 04.09.2003 begründet wurde.

Die Beklagte greift die Entscheidung im Wesentlichen damit an, dass ein Verfügungsanspruch deshalb nicht gegeben sei, weil die Beklagte einen Anspruch darauf habe, dass die Klägerin angesichts der Verlagerung der Verwaltung nach Weimar ihre Einverständniserklärung zur Versetzung abgeben müsse, zumal wirtschaftliche Nachteile nicht entstehen würden.

Der Erlass der einstweiligen Verfügung sei auch deshalb nicht erforderlich gewesen, weil das Vorliegen der Beeinträchtigung bei der Klägerin nicht so gravierend seien, als dass sie nicht hätte am neuen Arbeitsort auch behandelt werden können. Insbesondere scheitere jedoch die einstweilige Verfügung deshalb, weil keine Dringlichkeit gegeben sei. Die Klägerin habe zu lange zugewartet, da sie bereits am 04.04.2003 aufgefordert worden sei, ab 05.05.2003 die Arbeit in Weimar habe aufnehmen sollen und erst mit Gerichtseingang 15.05.2003 die einstweilige Verfügung beantragt habe.

Zumindest sei die einstweilige Verfügung deshalb aufzuheben, weil die Klägerin die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht beachtet habe und zudem das Urteil nicht im Parteibetrieb habe zustellen lassen.

Die Beklagte beantragt,

das am 21.05.2003 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - wird aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 21.05.2003 - 6 Ga 900/03 - wird aufgehoben.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie begründet dies im Wesentlichen unter Verteidigung des arbeitsgerichtlichen Urteils damit, dass ein Anspruch auf Erteilung der Einverständniserklärung zur Versetzung für die Beklagte nicht bestehe, weil die Beklagte ihre Organisation ohne Einbindung der Beschäftigten geändert habe und auch die Kündigungsfristen für Änderungskündigungen nicht in ihre Planung einbezogen hätte.

Der angebotene Massagedienst der Beklagten, 14-tägig in Weimar, werde den erforderlichen Behandlungen der Klägerin nicht gerecht, so dass auch die Beantragung des Erlasses der einstweiligen Verfügung erforderlich gewesen sei. Die Klägerin sei beeinträchtigt und bedürfe der täglichen Massage, die nur zuhause und nicht auch in Weimar gewährleistet werden könne.

Die erste Aufforderung vom 04.04.2003 sei im Rahmen von Gesprächen dahingehend modifiziert worden, dass die Klägerin nach Ablauf des Urlaubs am 26. Mai 2003 die Tätigkeit in Weimar aufnehmen sollte. Aufgrund der Mitteilung, dass dies die letzte Aufforderung sei, habe man das Verfahren eingeleitet.

Eine Aufhebung der Entscheidung sei deshalb nicht vorzunehmen, weil das Urteil von Amts wegen zugestellt worden sei und die Klägerin nach Ende ihres Urlaubs am 26.05.2003 ihre Arbeitskraft persönlich im Betrieb der Beklagten in A-Stadt angeboten habe.

Mit Schreiben vom 14.10.2003 hat die Beklagte noch folgenden Hilfsantrag gestellt,

die Kostenentscheidung der einstweiligen Verfügung - AZ: 6 Ga 900/03 - Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - wird abgeändert. Die Verfügungsklägerin und Berufungsbeklagte trägt die gesamten Kosten des Verfügungsverfahrens.

Die Verfügungsklägerin und Berufungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Klägerin beantragt,

den Hilfsantrag auch in der neuen Form zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren zur Akte gereichten Schriftsätze nebst deren Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen, ebenso wie auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 60-64 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, jedoch im Hauptantrag deshalb unbegründet, weil das Arbeitsgericht die einstweiligen Verfügung zu Recht erlassen hat.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht bejaht, dass die Klägerin eine Verfügungsanspruch hat, weil im vorgelegten Arbeitsvertrag der Arbeitsort eindeutig fixiert ist und deshalb auch ein Anspruch der Klägerin gegeben ist, nur an diesem Arbeitsort ihre Arbeitsleistung erbringen zu können, insbesondere wird dies aus § 2 Ziffer 1 2. Absatz des Arbeitsvertrages deutlich, wo eine Versetzung nur dann vorgenommen werden soll, wenn mit dem Arbeitnehmer einvernehmen erzielt wurde. Daran fehlt es im vorliegenden Falle eindeutig, so dass der Verfügungsanspruch auf der Hand liegt.

Auch ein Verfügungsgrund ist gegeben, was das Arbeitsgericht zu Recht bejaht, weil bei der Klägerin Besonderheiten gegeben sind, die das Abweichen vom Grundsatz, wonach der Arbeitnehmer grundsätzlich verpflichtet ist, bei Versetzung der zugewiesenen Arbeit zunächst nachzukommen, rechtfertigen. Dies ergibt sich nicht allein aus der Gesundheitssituation der Klägerin, sondern auch aus ihrem familiären Umfeld, wo ausgeführt ist, dass sie aufgrund ihrer Beeinträchtigung auf die tägliche Massage angewiesen ist. Zum anderen folgt dies auch daraus, dass die Versetzung, die einvernehmlich mit Beginn 23.05.2003 beginnen sollte, als vorübergehend in dem Schreiben vom 04.04.2003 bezeichnet wird, weil die Versetzung nur bis zur endgültigen Klärung der Angelegenheit erfolgen soll. Im vorliegenden Verfahren hat die Beklagte klargemacht, dass die Versetzung bis zum 30.11.2003 geltend sollte, dem Ende der Frist der erklärten Kündigung. Ob dadurch eine weitere Unsicherheit für die Klägerin in die Situation getragen wurde, mag auf sich beruhen, weil durch die Gespräche nach dem 04.04.2003 die Arbeitsaufnahme der Klägerin für den 26.05.2003 erwartet wurde, weswegen die am 15. Mai 2003 beim Arbeitsgericht eingereichte einstweilige Verfügungsschrift noch als rechtzeitig anzusehen ist, weil die ursprüngliche Anweisung vom 04.04.2003 mittlerweile von den Daten her überholt gewesen ist.

Der Hauptantrag ist demgemäß zurückzuweisen, weil im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Arbeitsgericht der Anspruch der Klägerin auf Erlass der einstweiligen Verfügung berechtigt gewesen ist.

Allerdings ist auf den Hilfsantrag die einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichtes deshalb aufzuheben, weil die Klägerin die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht beachtet hat. Danach ist die Vollziehung des Arrestbefehles, wobei diese Vorschrift entsprechend auf das einstweilige Verfügungsverfahren anzuwenden ist, unstatthaft, wenn ein Monat seit Verkündung verstrichen ist. Die Klägerin hat den Vollstreckungstitel im Parteibetrieb, wessen es allerdings bedurft hätte, nicht zustellen lassen, so dass eine Prüfung der materiellen Berechtigung deswegen nicht mehr stattfindet und das Verfügungsurteil aufzuheben ist. Nur durch die Parteizustellung, so die herrschende Meinung, macht der Gläubiger, hier die Klägerin, zweifelsfrei Gebrauch von der einstweiligen Verfügung, weswegen auf die Parteizustellung nicht verzichtet werden kann. Die Rückausnahme, dass nämlich eine Leistungsverfügung auch Wirksamkeit erlangt, wenn sie von Amts wegen zugestellt wird, ist deshalb nicht gegeben, weil dem Leistungsverfügungsurteil keine Strafandrohung nach § 890 Abs. 2 ZPO zu entnehmen ist. Die Klägerin hat auch die Zustellungsmängel, soweit man von einer Heilungsmöglichkeit ausgeht, nicht nachträglich behoben, weswegen auf den Hilfsantrag hin die einstweilige Verfügung aufzuheben ist.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind der Klägerin deshalb aufzuerlegen, weil sie im Berufungsverfahren unterlegen ist, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 ZPO, wobei der Umstand ohne Berücksichtigung bleibt, dass erst auf den Hilfsantrag die korrigierende Entscheidung erlassen wird, weil beide Anträge inhaltlich auf das gleiche Ziel gerichtet sind und auch keine Mehrkosten verursacht habe, § 92 Abs. 2 ZPO.

Veranlassung, die Revision an das Bundesarbeitsgericht zuzulassen, ist angesichts der gesetzlichen Vorgaben des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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