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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 28.07.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 877/04
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2 S. 1
KSchG § 1 Abs. 3 S. 1
KSchG § 1 Abs. 3 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 6 Sa 877/04

Entscheidung vom 28.07.2005

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 08.09.2004 - AZ: 5 Ca 509/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, auf dessen Arbeitsverhältnis mit der Beklagten das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, ist seit 02.11.1999 als Maschinenbediener beschäftigt und hat sich mit seiner Klage, Gerichtseingang 10.05.2004, gegen eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten gewendet, die ihm mit Schreiben vom 19.04.2004 zum 19.05.2004 erklärt wurde, weil die Geschäftsleitung der Beklagten in der Sitzung vom 24.03.2004 aufgrund von Umsatzrückgängen beschlossen hatte, insgesamt 57 Arbeitsplätze abzubauen. In Befolgung dieser Entscheidung hat die Beklagte den 55 Arbeitnehmern, die sich aus der Liste vom 08.04.2004 (Bl. 31 d. A.) ergeben, gekündigt und zwei Arbeitnehmer haben eine Eigenkündigung erklärt.

Der Kläger hat im Wesentlichen ausgeführt,

dass in seinem Bereich im großen Umfang Mehr- und Überarbeit abgeleistet worden sei und Leiharbeitnehmer beschäftigt würden, um die vorhandenen Aufträge abwickeln zu können. Die Beklagte habe im Rahmen einer Presseerklärung erklärt, dass sie sich über eine Auftragslage freuen könne, die niemals stärker gewesen sei und auf eine Leistungssteigerung insbesondere im vierten Quartal 2004 hoffe, wobei das Arbeitsamt mittlerweile an ihn herangetreten sei, da die Beklagte offensichtlich Arbeitskräfte suche.

Die Beklagte habe auch nicht konkret und substantiiert dargelegt, dass durch die getroffene Unternehmerentscheidung ein Überhang an Arbeitskräften entstanden sei, so dass sein Arbeitsplatz entfalle.

Auch sei die erforderliche Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt und er müsse die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates bestreiten.

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19.04.2004 nicht beendet wird.

2. Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Bedingungen als Maschinenbediener weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat es im Wesentlichen damit begründet,

dass sie aufgrund der Auftragslage im Automobilzulieferbereich seit 2002 deutliche Auftragsrückgänge zu verzeichnen habe, was zu einem Umsatzrückgang am Standort A-Stadt von 511 Millionen EUR in 2001, auf 420 Millionen EUR in 2002 und 360 Millionen EUR in 2003 geführt habe.

Im Jahre 2002 habe man einen grundsätzlichen Einstellungstop im Bereich der direkten gewerblichen Mitarbeiter verfügt und alle Möglichkeiten ergriffen, die Anzahl der Mitarbeiter ohne den Ausspruch von betriebsbedingten Kündigung dem Niveau von Produktions- und Arbeitsstunden anzupassen. Man habe befristete Arbeitsverträge auslaufen lassen, Mitarbeiter mit überdurchschnittlicher hoher Krankheitsquote gekündigt und Mitarbeitern über Auflösungsvereinbarungen sowie den Abschluss von Altersteilzeitverträgen das vorzeitige Ausscheiden ermöglicht. Aufgrund der derzeitigen Planung gehe man für 2004 von einem sich weiter reduzierenden Umsatz auf 328,6 Millionen EUR aus, der sich aus dem bisher bekannten Datenmaterial auch für 2005 auf diesen Niveau bewegen werde.

Ab 02.04.2002 habe man die Arbeitszeit im direkten Produzierenden Bereich auf die tarifliche Wochenarbeitszeit von 35 Stunden zurückgefahren. Den 697.574 direkten werksseitigen Produktionsstunden aus 2003 stünden für 2004 noch geplante 612.630 direkte Produktionsstunden für gewerbliche Mitarbeiter im Presswerk und Aggregatewerk gegenüber, weswegen die Geschäftsleitung in der Sitzung vom 24.03.2004 beschlossen habe, die Anzahl der Direktbeschäftigten dem Volumen der entfallen den direkten Produktionsstunden anzupassen, wobei der Verlust von 84.944 Produktionsstunden 57 direktgewerblichen Arbeitsplätzen entspreche, weil das Arbeitsvolumen eines Mitarbeiters 1.484 Arbeitsstunden bei einer Vollzeitbeschäftigung betrage.

Das verringerte Auftragsvolumen im Produktionsbereich habe unmittelbaren Einfluss auf das Beschäftigungsvolumen der direkten Arbeitnehmer in den 6 Fokusbereichen, in dem auch der Kläger beschäftigt sei und sich aus Maschinenbedienern, Maschinenführern sowie Schweißern zusammensetze. Dieser Bereich sei unmittelbar vom Rückgang der Auftragsstunden betroffen, auch wenn ein individuell dem Kläger nicht zuordenbarer Arbeitsplatz nicht entfallen sei, so sei der Kläger von der Maßnahme als Schweißer betroffen, da er in den Personenkreis der mit ihm fachlich vergleichbaren Arbeitnehmer falle.

Man habe sämtliche direkte Mitarbeiter in den zu betrachtenden Bereich, der 595 Arbeitnehmer umfasse, einbezogen. Hierfür habe man ein Schema entwickelt, wonach folgende Punkte vergeben worden seien:

- Lebensalter 1 Punkt bis max. 55 Jahre, Betriebszugehörigkeit bis 10 Jahre 1 Punkt, ab dem 11. Jahr 2 Punkte,

- je unterhaltsberechtigtem auf der Lohnsteuerkarte ausgewiesenem Kind 3 Punkte,

- Familienstand, verh., 4 Punkte,

- Schwerbehinderteneigenschaft ab 50 % 5 Punkte, darüber pro je weiterem 10 % MdE jeweils 1 weiterer Punkt.

Für den Kläger ergebe dies eine Gesamtpunktzahl von 35 Punkten, womit er an 18. Stelle unter den 55 sozial stärksten Mitarbeiter in der Liste vom 08.04.2004 stehe.

Eine Umsetzung im Betrieb sei für den Kläger geprüft worden, wobei jedoch angesichts der persönlichen Daten des Klägers keine andere Entscheidung habe getroffen werden können. Den Betriebsrat habe man schriftlich am 08.04.2004 zur Kündigung angehört, was sich aus dem vorgelegten Schreiben vom 08.04.2004 nebst der Anlage ergebe (Bl. 26 - 46 d. A.).

Durch Urteil vom 08.09.2004 hat das Arbeitsgericht der Klage im vollen Umfang entsprochen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte nicht dargelegt habe, wie ihre unternehmerische Entscheidung, 57 direkte gewerbliche Arbeitsplätze abzubauen, und den Verlust von 84.944 Produktionsstunden aufzufangen, im Einzelnen auf der Betriebsebene umgesetzt werden sollte. Die Beklagte habe darauf verwiesen, dass das verringerte Auftragsvolumen im Produktionsbereich unmittelbaren Einfluss auf die Beschäftiungsvolumina der direkten Arbeitnehmer in den 6 Fokusbereichen habe, wo der Kläger auch als Maschinenbediener beschäftigt sei. Es fehle die Darlegung, wie die Arbeitsabläufe im Einzelnen künftig mit den verbliebenen Arbeitskräften erledigt werden solle, so dass vom Gericht nicht festgestellt werden könne, ob und in wie weit ein organisatorisches Konzept bereits greifbare Formen angenommen habe.

Es sei nicht möglich, zu überprüfen, ob die von der Beklagten getroffene unternehmerische Entscheidung organisatorisch überhaupt durchführbar und auf Dauer angelegt sei.

Nach Zustellung des Urteils am 27.09.2004 ist Berufung von der Beklagten am 25.10.2004 eingelegt und am 29.11.2004 im Wesentlichen damit begründet worden,

dass Erklärungen der Beklagten zu Umsatzzahlen im Zusammenhang mit dem Gesamtgeschäft der US amerikanische Muttergesellschaft zu sehen seien, so dass ein Anstieg von 22 % im ersten Quartal 2004 zu verzeichnen sei, aber nicht den deutschen Standort, insbesondere nicht A-Stadt, betreffen würde.

Die Firma als Automobilzulieferer sei direkt abhängig von der Beauftragung durch den jeweiligen Endkunden, den Automobilherstellern. Im Rahmen von Vertragsgesprächen würden vorausschauende Lieferrahmen für die jährliche Planung des Geschäftsgeschehens verwendet, wobei Feinabrufe im Rahmen einer Drei-Monatsvorschau besprochen und in die Planungsunterlagen eingearbeitet würden. Jedes produzierte Serienteil habe eine Sachnummer und würde über einen Arbeitsplan mit optimalen Arbeitsschritten - Maschinen und den notwendigen Standardzeiten versehen, woraus man mittels DV-Programm die Personalbedarfe bzw. Maschinenauslastung ermitteln könnte. Auf der Basis dieser Detailinformation werde sodann wie auch das Produktionsprogramm eine abgestimmte vorausschauende Kosten-, Kapazitäts- und Personalplanung erstellt, wobei letztere in einem Manning-Manpower Model abgebildet werde. Die Arbeitspläne mit Zeiten, Arbeitsplätzen, Maschinen seien Kostenstellen zugeordnet, so dass sich aus den Arbeitsplänen und Mengengerüsten Standardzeiten ergeben, die über die Arbeitsplätze und Kostenstellen verdichtet auf das jeweilige Werk und innerhalb des Werks auf die Produktionsbereiche Focus 1 bis Focus 6 verteilt würden, so dass man die für 2004 geltenden Standardstunden je zugeordnetem Focus den Auflistungen entnehmen könne, die mit Schreiben vom 29.11.2004 zur Akte gegeben worden seien (Bl. 186 - 204 d. A.).

Die sich daraus ergebenden tatsächlich benötigten Anwesenheitsstunden seien mit den tatsächlich pro Mitarbeiter erwarteten Produktionsstunden in Bezug gesetzt, woraus sich die Anzahl der benötigten Mitarbeiter errechnen lasse, wobei auch Urlaubszeiten berücksichtigt würden ebenso wie Krankheit und auftretende Spitzen. Im Jahre 2003 habe man 501 Mitarbeiter beschäftigt, obwohl für die vorhandenen Auftragsstunden lediglich 474 Mitarbeiter erforderlich gewesen seien, wobei man diese Zahl zum 31.12.2003 erreicht habe. Für 2004 benötige man 407 Mitarbeiter, wobei man jedoch wegen Kündigungsfristen und sonstigen Unwägbarkeiten bei Kündigungen mit 422 Mitarbeitern rechen. Da zum 31.03.2004 465 Mitarbeiter beschäftigt seien und man bis zum Jahresende 407 Mitarbeiter beschäftigen wolle, habe sich ein Abbau von 58 Mitarbeitern ergeben, der bis zum Jahresende 2004 erreicht sein sollte.

Die Beklagte habe zwar Leiharbeitnehmer beschäftigt, jedoch ergebe dies auf einen größeren Zeitraum gesehen, keinen Personalbedarf in der vom Kläger vermuteten Größenordnung, zumal dieser Kräfte auch im kaufmännischen Bereich eingesetzt worden seien. Der Einsatz von Leiharbeitnehmern auf Zeit, sei zum Abbau von Spitzen, d. h. zur Bedarfsdeckung von unvorhergesehenen Kundenabrufen, erfolgt. Es herrsche jedoch kein verstetigter Produktionsbedarf für die Heranziehung dieser Kräfte.

In der Berechnung des Manning-Models habe die Beklagte bereits durchschnittlich ein Prozent mehr Arbeitstunden eingerechnet und dies bei der Personalplanung auch berücksichtigt, wobei die tatsächliche Abrechnung in den bereits ausgewerteten Monaten bis 30.06.2004 zwei Prozent ergebe, wobei diese Mehrarbeit im Rahmen des Gleitzeitmodelles von den Mitarbeitern abgefeiert würde.

Auch habe man die 35-Wochenstunden nicht wieder verlängert, sondern fahre seit 29.03.2004 die tarifliche 35-Wochenstunden, wobei sich die Arbeitszeit von Montag bis Donnerstag mit je 7,5 Stunden und Freitag 5 Stunden verteile.

Damit seien dringende betriebliche Gründe gegeben, die zur Reduzierung des Personals geführt hätten, wobei auch das Konzept des Arbeitgebers erkennbar sei.

Eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem freien Arbeitsplatz bestehe nicht, weil kein freier Arbeitsplatz vorhanden sei. Man habe zwar einige individuelle Kündigungsfristen verlängert, weil der Krankenstand in Folge der ausgesprochenen Kündigungen angestiegen sei und zwar von 4,4 und 2,3 Prozent in den Monaten Januar bis März auf 5,6 und 6,6 Prozent in Mai und Juni, wo man 4 Prozent eingerechnet habe.

Das Arbeitsgericht habe sich aus seiner Sicht nicht mehr mit der Sozialauswahl zu beschäftigen brauchen, wobei auf die Einwände des Klägers diesbezüglich (Schreiben vom 12.07.2004 = Bl. 47 - 58 d. A.), zu erwidern sei, dass die Mitarbeiter M und G befristet beschäftigt und zum 30.06.2003 ausgeschieden seien. Der Wareneingang sei ersatzlos outgesourcet worden, wobei die Firma E, die Vertragspartnerin der Beklagten, diese beiden Mitarbeiter wohl eingestellt habe.

Der Mitarbeiter Sascha R sei nicht vergleichbar, da er ausgebildeter Industriemechaniker sei und als Disponent im Aggregatewerk arbeite und nach der Lohngruppe 9 vergütete werde. Der Mitarbeiter R sei Industriemechaniker und im Bereich Forschung und Entwicklung als Versuchsschlosser tätig, was eine abgeschlossene Metallausbildung voraussetze. Herr Osman B sei Ersatzmitglied des Betriebsrates und aufgrund seiner Fähigkeiten deshalb nicht verzichtbar, weil an der Spezialmaschine LS5 arbeite, die eine optische Qualitätskontrolle und damit eine erhebliche Erfahrung fordere, die der Kläger nicht aufweise.

Herr K weise eine Gesamtpunktzahl von 41 auf, sei jedoch deshalb nicht vergleichbar, weil er an der Maschine E200 eingesetzt sei und ebenso wie die Arbeitnehmer K, H und H sei er auf dieser Maschine ausgebildet und verfüge über die abgeschlossene Ausbildung als Werkzeugmechaniker. Herr Stefan S sei auch nicht vergleichbar, da er Disponent des Aggregatewerks und ausgebildeter Kfz-Mechaniker sei. Zudem sei er tariflich in die Lohngruppe 9 ZL eingruppiert und mit dem Kläger deshalb schon nicht vergleichbar. Der Ringverkehr mit zwei Staplerfahrern sei der Firma M übertragen worden, so dass die Beklagte hier keine Arbeitsplätze mehr zur Verfügung habe.

Man habe die Arbeitnehmer Harry H und Andreas H, Nr. 21 und 39 der Liste vom 08.04.2004 zwar gekündigt, jedoch die ausgesprochene Kündigung wieder deshalb zurückgenommen, weil sie als Spezialisten an der Maschine E200 nicht verzichtbar gewesen seien. Diese Maschine produziere Schalen in einem technisch äußert hochwertigen Prozess und sei im Jahre 2001 nach einem Investitionsaufwand von 8,5 Millionen Euro in Betrieb genommen worden. Die Besatzung der E200 bestehe aus 2 Arbeitnehmern, so dass die Beklagte aufgrund der Schichteinteilung 6 speziell ausgebildete Mitarbeiter benötige, die an der Maschine speziell ausgebildet seien und über eine abgeschlossene Ausbildung als Werkzeugmechaniker oder einen anderen einschlägigen Metallberuf verfügen müssten.

Mit Herrn Tim M sei der Kläger deshalb nicht vergleichbar, weil dieser Industriemechaniker gelernt habe, Maschinenführer II und in der Tarifgruppe BL08 eingruppiert sei. Die Tätigkeit, die in Rüstvorgängen mit den unterschiedlichen Werkzeugen für die überaus große Produktanzahl erforderlich seien, benötige eine erhebliche Erfahrung, die mindestens eine Anlernzeit von 12 Monaten erfordere. Der Kläger verfüge zudem über die benötigte abgeschlossene Facharbeiterausbildung nicht.

Der Arbeitnehmer Alisan B sei ausgebildeter Werkzeugmacher und mit dem Kläger nicht vergleichbar, wobei er in die Lohngruppe 08L eingruppiert sei. Die Stelle als Werkzeugmechaniker erfordere eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Werkzeugmechaniker, die der Kläger nicht aufweise.

Für den Arbeitnehmer H habe man das Arbeitsverhältnis mit Herrn K aufgehoben und wegen der Rücknahme der Kündigung für Herrn H habe man das Arbeitsverhältnis mit Herrn W durch eine Aufhebungsvereinbarung aufgehoben.

Der Arbeitnehmer Patrick H habe einen GdB von 30 %, was dazu führe, wenn man die 5 Sozialpunkte, die man ihm wegen einer angenommenen Schwerbehinderteneigenschaft zugebilligt habe, abziehen würde, dass er auf 39 Punkte komme.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz -, Az. 5 Ca 509/04, abzuändern und die Klage abzuweisen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits der berufungsbeklagten Partei aufzuerlegen.

Der Kläger beantragt:

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Berufungsklägerin auferlegt.

Der Kläger verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Beklagte immer noch nicht ihre Entscheidung hinsichtlich der organisatorischen Durchführbarkeit und der Nachhaltigkeit dargelegt und verdeutlicht habe. Allein der allgemeine Beschluss, Personalkosten zu senken, lasse das von ihr behauptete Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger nicht entfallen. Die Beklagte beschäftige deutlich mehr Fremdarbeiter, als sich dies aus ihren Unterlagen ergebe und die Mitarbeiter der Beklagten würden erheblich mehr Arbeitsstunden das ganze Jahr über leisten müssen, was nicht zufällig angefallene Mehrarbeiten diene, sondern durchgängiges Programm der Beklagten sei. Auch die Angaben zur getroffenen Sozialauswahl seien nicht nachvollziehbar, da der Kläger aufgrund seiner Ausbildung in der Lage sei, auch an anderen Arbeitsplätzen eingesetzt zu werden. Die von der Beklagten benannten Spezialisten und Leistungsträger seien mit dem Kläger durchaus vergleichbar, was den Einsatz an der Schlüsselmaschine E200 angehe. Der Kläger sei in den letzten Jahren ohne jegliche Beanstandung bei der Beklagten als Maschinenbediener tätig gewesen und habe sich auch die erforderlichen Fähigkeiten angeeignet, die ein Leiharbeitnehmer in der Kürze der Zeit nicht erreichen könne, obwohl diese von der Beklagten an der besagten Maschine eingesetzt würden.

Im Hinblick auf den Arbeitnehmer Patrick H könne sich der Kläger darauf berufen, dass anstelle des Herrn H ein anderer Mitarbeiter habe gekündigt werden müssen, weswegen die gesamte Sozialplanauswahl nicht zutreffend durchgeführt sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze, die im Berufungsverfahren zur Akte gereicht wurden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind ebenso Bezug genommen wie auf die damit vorgelegten Unterlagen. Zur Ergänzung des Vorbringens der Parteien wird zudem Bezug genommen auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 112 - 117 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, da innerhalb der gesetzlichen Fristen form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch deshalb keinen Erfolg, weil das Arbeitsgericht zu Recht der Klage im vollen Umfange entsprochen hat. Die Kündigung der Beklagten, erklärt mit Schreiben vom 19.04.2004 ist sozial nicht gerechtfertigt, weil die Beklagte die zu treffende soziale Auswahl nicht im ausreichenden Maße berücksichtigt hat, was nach § 1 Abs. 3 S.1 KSchG, welcher unstreitig Anwendung findet, zur Unwirksamkeit der Kündigung führt.

Die Berufungskammer geht davon aus, dass bei der Beklagten von der Geschäftsleitung am 24.03.2004 eine unternehmerische Entscheidung getroffen wurde, anhand eines Konzeptes die Anzahl der Mitarbeiter zu verringern, weil dafür die bisherige Umsatzentwicklung und Auftragslage im Zusammenhang mit der Vorausplanung Anlass gegeben hat. Das Berufungsgericht kann auch ein auf Dauer angelegtes organisatorisches Konzept erblicken, was die Beklagte sehr anschaulich und ausführlich in der Berufungsbegründungsschrift vom 03.12.2004 darstellt. Danach haben sich die sich aus der Entwicklung der Geschäftsjahre und der Lieferrahmen mit den Endkunden ergebenden Prognosen für die benötigten Arbeitsstunden und damit einhergehend die reduzierte Kopfzahl der Mitarbeiter nachvollziehen lassen, weswegen die Beklagte künftig die vorhandenen Aufträge mit 407 Mitarbeitern abarbeiten will. Die Verknüpfung der tatsächlichen Daten, der Maschinenlaufzeiten, der tariflichen Arbeitszeit und der kalkulatorischen Ansätze unter Einbeziehung der Abwesenheitszeiten und auftretende Spitzen sind betriebswirtschaftlich sinnvoll und ohne Widerspruch dargelegt worden, so dass ein Konzept erkannt werden kann, dass auch für eine gewisse Zeit tragen kann. Es ist zwar richtig, dass derartigen Prognosen immer Unsicherheiten innewohnen, jedoch ist dies in der Wirtschaft nicht ungewöhnlich und bei einer über Jahre rückläufigen Tendenz und einen damit einhergehenden Umsatzrückgang darf der Arbeitgeber, ohne dass ihm hieraus kündigungsrechtlich Schwierigkeiten entstehen können, davon ausgehen, dass sich diese Entwicklung zumindest nach der bisherigen Erfahrung fortsetzen wird und der damit seinen Personalbestand dieser Entwicklung prognostisch anpassen darf. Diese Entwicklung stellt einen betrieblichen Kündigungsgrund i. S. d. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG dar.

Die Klägerseite hat auch zu dem Konzept nichts konkret abweichendes vorgetragen, so dass die Kammer davon ausgeht, dass das unternehmerische Konzept aufgrund der getroffenen Entscheidung erkennbar ist.

Auch die Umsetzung dieses Konzeptes, dass man nämlich anhand der prognostizierten benötigten Arbeitsstunden unter Berücksichtigung der empirischen Daten eine Anzahl von Arbeitsplätzen benötigt und die darüber hinaus gehenden eben nicht mehr benötigt, ist damit erkennbar.

Aufgrund der jahrelangen rückläufigen Entwicklung geht die Kammer deshalb davon aus, dass damit für die Beklagte ein dringender betrieblicher Grund im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gegeben ist.

Die Kündigung, die dem Kläger erklärt wurde, ist jedoch deshalb nicht wirksam, weil die Beklagte von dem von ihr selbst aufgestellten Schema abgewichen ist. Davon abgesehen, dass die Berufungskammer nicht nachvollziehen kann, weswegen Leiharbeitnehmer u. a. auch an der Schlüsselmaschine E200 zum Einsatz kommen, zumindest geht die Berufungskammer davon aus, weil die Beklagtenseite die Behauptung des Klägers im Schreiben vom 22.07.2005 nicht bestritten hat, aber bereits erklärte Kündigungen von zwei Mitarbeitern aus diesem Grunde rückgängig gemacht wurden, die Mitarbeiter Harry H, der 35 Sozialpunkte aufweist und Thomas Rabenhold, der 26 Punkte aufweist, wobei Herr H bereits die Kündigung in Händen hielt und die Beklagte diese Kündigung rückgängig gemacht hat und behauptet, dass an deren Stelle die Mitarbeiter K und W aufgrund Aufhebungsvertrages ausgeschieden sind. Beide Mitarbeiter hatten bereits weniger Sozialpunkte als der Kläger und der Einwand, Mitarbeiter hätten in die soziale Auswahl nicht einbezogen werden sollen, weil deren Weiterbeschäftigung im berechtigten betrieblichen Interesse deshalb liege, weil sie über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügten, die wichtig für den Betrieb seien, ist nur pauschal behauptet. Die Beklagte hätte hier darlegen müssen, neben der Behauptung, dass eine abgeschlossene Berufsausbildung erforderlich ist, mit der die besonderen Kenntnisse und Fertigkeiten zu begründen sind, die eine Herausnahme dieser Mitarbeiter, die schließlich im Anhörungsverfahren dem Betriebsrat als zu Kündigende und damit mit dem Kläger vergleichbar mitgeteilt worden sind, rechtfertigt (Nummer 21 und 39 der Liste vom 08.04.2004).

Es mag jedoch auf sich deshalb beruhen, weil zumindest im Vergleich zu dem Arbeitnehmer Thomas R der Kläger besser gestellt ist und der Kläger sich auf die Behandlung des Mitarbeiters H berufen kann, weil dann, wenn man der Tatsache Rechnung trägt, dass Herr H einen GdB von 30 % aufweist und deshalb die für die Schwerbehinderteneigenschaften zuerkannten 5 Sozialpunkte abzuziehen sind, er nur über 39 Punkte verfügt, während der Kläger auf 35 Punkte nach dem Schema der Beklagten kommt. Bei Berücksichtigung dieser Tatsache, wäre Herr H auf den Plätzen 30 - 33 anzusiedeln gewesen, wodurch Herr M mit 45 Punkten nicht zur Kündigung angestanden hätte. Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 18.10.1984 (2 AZR 543/83) ausgeführt, dass dann, wenn auch nur ein vergleichbarer sozial stärkerer Arbeitnehmer von der betriebsbedingten Kündigung ausgenommen worden ist, ohne dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG vorliegen, sich beliebig viele sozial schwächere zur gleichen Zeit gekündigte Arbeitnehmer auf die fehlerhafte soziale Auswahl berufen können, weil dies aus der Individualrechtlichen Konzeption des allgemeinen Kündigungsschutzes folge. Da der Kläger sich auf diesen Umstand berufen hat, ist der Kündigung die Wirksamkeit zu versagen, so dass sie unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis fortbesteht und die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger als Schweißer weiter zu beschäftigten.

Die Beklagte ist im Rechtsstreit insgesamt unterlegen, so dass sie die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, §§ 64 Abs. 6 S. 1, 91, 97 ZPO.

Für die Beklagte ist die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen worden, weil die Kammer eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung ausmacht, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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