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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 26.04.2004
Aktenzeichen: 7 Sa 1220/01
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, KSchG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 518
ZPO § 519
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 2
BGB § 162 Abs. 2
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 7 Sa 1220/01

Verkündet am: 26.04.2004

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 25.07.2001 - 4 Ca 296/00 - aufgehoben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Arbeitgeberkündigung vom 01.03.2000 zum 30.09.2000 aufgelöst worden ist.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Gegen dieses Urteil wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung beendet worden ist.

Die Klägerin ist seit dem 01.08.1984 in dem vom Beklagten betriebenen katholischen Kindergarten in X beschäftigt. Gemäß Arbeitsvertrag vom 20.04.1995, hinsichtlich dessen Inhalt im Übrigen auf Blatt 4 bis 7 der Akte Bezug genommen wird, ist die Klägerin als Leiterin dieses katholischen Kindergartens eingesetzt.

Mit Schreiben vom 01.03.2000 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2000 gekündigt. Hinsichtlich des Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf Blatt 8 der Akte Bezug genommen.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Kündigung sei bereits gemäß § 4 Abs. 2 der Satzung des Beklagten unwirksam, weil dem Vorstand die Durchführung der Personalangelegenheiten obliege. Die Kündigung sei aber lediglich vom Vorstandsvorsitzenden und dessen Stellvertreter unterzeichnet worden. Ein Vorstandsbeschluss sei nicht herbeigeführt worden.

Sie habe über Jahre hinweg ordnungsgemäß und völlig korrekt ihre Arbeit verrichtet. Ab 1997 seien in der Kommunikation zwischen ihr und dem Vorsitzenden des Vorstandes, dem W, Differenzen aufgetreten. Die Gesamtumstände der Differenzen könne man unter den Begriff "Mobbing" fassen. So habe die Zeugin V im Jahre 1998 bei dem Betreten des Waschraums gehört, wie die stellvertretende Kindergartenleiterin, Frau U, zu anderen Mitarbeitern gesagt habe, sie habe die Order von oben bekommen, die Stellvertreterposition herauszukehren. Die laufenden gezielten Demütigungen hätten schließlich dazu geführt, dass die Klägerin erkrankt sei. Am Abend des 15.06.1998 habe sie eine Fehlgeburt erlitten. Zuvor sei es zu einer heftigen verbalen Attacke des Vorstandsvorsitzenden gekommen. Ihre Beschwerden, die zu Fehlzeiten im Jahre 1998 und seit dem 03.04.1999 durchgehend geführt hätten, seien hauptsächlich psychischer Art. Sie habe seit dem 01.02.2000 die Mobbing-Beratungsstelle T konsultiert. Danach ergebe sich folgendes Bild: Bei ihr handelt es sich um eine Mobbing betroffene Arbeitnehmerin mit einer depressiven Reaktion im Zusammenhang mit einer leichten bis mittleren posttraumatischen Reaktion. Es werde deutlich, dass die Krankheitssymptome in einem unmittelbar zeitlichen Zusammenhang mit den Mobbing-Handlungen am Arbeitsplatz stünden. Als besonderer Belastungsfaktor komme hinzu, dass die gesamte Familie in die Mobbing-Situation durch den katholischen Pfarrer hineingezogen werde. Die Mobbing-Beratungsstelle halte eine Rückkehr an den Arbeitsplatz für verfrüht. Sie solle aber die Chance haben, in den Beratungen die notwendigen persönlichen Fähigkeiten und Ressourcen auszubilden, die eine positive Umgehensweise und Verarbeitung der Situation ermögliche. Darüber hinaus sollten zwei weitere Schritte durch die Krankenkasse bzw. durch den medizinischen Dienst eingeleitet werden: Da es sich bei dem Mobbing um einen Verstoß gegen das Arbeitsschutzgesetz handele, solle die zuständige Berufsgenossenschaft als Aufsichtsbehörde eingeschaltet werden. Die zuständige Krankenkasse solle zudem überprüfen, ob eine Finanzierung bzw. eine Teilfinanzierung der Mobbing-Beratung im Sinne der Prävention von arbeitsbedingter Erkrankung möglich sei, da dies die finanzielle Situation der Familie entlasten werde. Alle diese Lösungsansätze hätten den Beklagten nicht interessiert. Der Beklagte habe, in Gestalt des Vorstandsvorsitzenden W in aller Öffentlichkeit seine Doppelstellung missbraucht und ihre Familie auf das Übelste bloßgestellt. So habe er aus nichtigem und unbegründetem Anlass am Ende des Jahres 1999 ihren Vater von seiner langjährigen Position als Chorleiter fristlos entbunden. Am 02. April 2000, also rund einen Monat nach Zustellung der Kündigung, habe der Pfarrer eine aufsehenerregende öffentliche Predigt in der katholischen Kirche abgehalten. Dort habe er wörtlich ausgeführt: "Nachdem der Kindergarten soweit renoviert ist, bedanke ich mich bei allen Erzieherinnen für die geleistete Arbeit, aber nicht bei der Leiterin."

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Arbeitgeberkündigung vom 01.03. zum 30.09.2000 nicht aufgelöst worden sei.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, in der Vergangenheit habe es folgende arbeitsunfähigkeitsbedingte Fehlzeiten gegeben, die zwischen den Parteien unstreitig sind:

16.06.98 - 10.08.98

12.08.98 - 11.09.98

21.09.98 - 12.10.98

12.10.98 - 15.11.98

11.01.99 - 17.01.99

11.02.99 bis dato.

Die dauerhaft Arbeitsunfähig erkrankte Klägerin sei auch in der Zukunft nicht in der Lage die Arbeitsleistung zu erbringen. Ausgangspunkt sei ein Zerwürfnis der Klägerin der kompletten Belegschaft des Kindergartens und den Eltern der Kindergartenkinder. Er habe schon in einem sehr frühen Stadium versucht, die wogen zu glätten. Er habe auch unter Einschaltung der Diözese eine sogenannte Supervision (§ 22 AVR) versucht. Die Diözese habe mitgeteilt, dass ohne Mitwirkung der Erzieherin die Fortwirkung der Supervision nicht möglich sei und sie gescheitert sei. Annähernd zeitgleich habe sich der Elternausschuss des Kindergartens mit deutlichen Worten gegen die Klägerin gestellt. Bereits vor Einleitung der Supervision habe die S mitgeteilt, dass bei der Klägerin so lange Arbeitsunfähigkeit bestehe, bis sich die Situation am Arbeitsplatz nicht ändere. Daraus folge, dass eine negative Gesundheitsprognose gegeben sei. Ihm sei auch ferner nicht zuzumuten, weiterhin die Stelle der Kindergartenleiterin unbesetzt zu lassen. Mit der Stelle der Leitung seien Aufsichtspflichten gegenüber dem Personal verbunden, die die Trägerschaft nur über die Kindergartenleiterin ausüben könne. Ferner sei erzwingend auf die Diensteinteilung, Führung von Personalgesprächen durch die Kindergartenleiterin usw. angewiesen. Wenn der seitens des Gerichts bestellte Gutachter bestätige, die Klägerin sei jederzeit arbeitsfähig gewesen, stütze er seine Kündigung im Übrigen zusätzlich darauf, dass die Klägerin durch eine falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung veranlasst habe, ohne Entschuldigung von der Arbeit fern zu bleiben. Dies sei ein erheblicher Vertrauensbruch, so dass von einer Abmahnung abgesehen werden könne. Dieses Fehlverhalten habe dazu geführt, dass er über einen längeren Zeitraum ohne Leitung des Betriebes gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.R, Q. Hinsichtlich des Beweisbeschlusses wird auf Blatt 88 der Akte, hinsichtlich des Inhalts des Gutachtens auf Blatt 124 bis 139 der Akte Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - hat daraufhin durch Urteil vom 25.07.2001 - 4 Ca 296/00 - die Klage abgewiesen. Es ist in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass die Klägerin entweder dauerhaft arbeitsunfähig sei, so dass das Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht abzusehen sei, oder aber, sie sei, wovon das Gutachten unverständlicherweise ausgehe, arbeitsfähig, dann habe sie aber die ganze Zeit durch den Dienst angetreten.

Gegen das ihr am 12.09.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch am 10.10.2001 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 05.11.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die nicht ernsthaft zu bestreitende andauernde Arbeitsunfähigkeit könne die Kündigung nicht rechtfertigen, weil ab dem Jahr 1997 in der Kommunikation zwischen ihr und dem Vorsitzenden des Vorstandes der Beklagten mehr oder weniger deutliche Differenzen aufgetreten seien; die Gesamtumstände könne man wohl am besten unter dem Begriff "Mobbing" fassen. Hinsichtlich der von der Klägerin monierten Vorfälle im Einzelnen wird auf ihre Schriftsätze vom 27.03.2002 (Bl. 242 - 275 d. A.) im Einzelnen Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 25.07.2001 wird abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin durch die ordentliche Arbeitgeberkündigung des Beklagten vom 01.03.2000 nicht zum 30.09.2000 aufgelöst worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, es könne keine Rede von einem schikanösen Mobbing-Verhalten des Beklagten sein. Hinsichtlich der Darstellung des Beklagten zu den einzelnen Vorfällen wird auf ihren Schriftsatz vom 31.05.2002 (Bl. 308 - 334 d. A.) Bezug genommen.

Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund eines Beweisbeschlusses vom 07.04.2003, hinsichtlich dessen Inhalt auf Blatt 373 der Akte Bezug genommen wird, Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durch den Neurologen und Psychiater Dr. A., hinsichtlich dessen Inhalts auf Blatt 308 bis 420 der Akte Bezug genommen wird. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 26.04.2002 sein Gutachten erläutert und Fragen beantwortet. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26.04.2004 (Bl. 446, 447 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Denn entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und des Beklagten kann die Klägerin die Feststellung verlangen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Arbeitgeberkündigung vom 01.03.2000 zum 30.09.2000 aufgelöst worden ist.

Denn die von dem Beklagten erklärte ordentliche Kündigung ist vorliegend sozial nicht gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG.

Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist sozial ungerechtfertigt insbesondere eine Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe in der Person des Arbeitnehmers bedingt ist.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles gegeben.

Zwar folgt die Kammer der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z. B. 30.01.1986 NZA 1987, 555, 28.02.1990 NZA, 727, 12.07.1995 NZA 1995 1111; ebenso KR-Etzel 6. Auflage § 1 KSchG Rz. 375; APS-Dörner, 2. Auflage, § 1 Rz. 188 ff.), wonach bereits allein die dauernde Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zu einer nicht nur vorübergehenden erheblichen Störung des Arbeitsverhältnisses führt. Auf eine negative Prognose hinsichtlich künftiger Krankheitszeiten kommt es dann nicht mehr an. Folglich kann die krankheitsbedingte dauernde Arbeitsunfähigkeit den Arbeitgeber als personenbedingter Grund zur ordentlichen Kündigung berechtigen. Die auf Dauer bestehende Leistungsunfähigkeit muss vom Gericht festgestellt werden. Fehlt dem Arbeitsgericht selbst die erforderliche Sachkunde für die Beurteilung der maßgeblichen Frage, so ist zu ihrer Klärung in der Regel das Gutachten eines Arbeitsmediziners einzuholen. Steht eine krankheitsbedingte dauernde Arbeitsunfähigkeit fest, so muss der Arbeitgeber nach der ständigen Rechtsprechung des BAG (30.01.1986 NZA 1987, 555, 28.02.1990 NZA 1990, 727) auch nicht noch eine über diesen Umstand hinausgehende erhebliche Betriebsbeeinträchtigung darlegen. Denn wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer in Zukunft die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, dann handelt es sich nicht um eine Kündigung wegen Leistungsminderung in Folge Krankheit, sondern um eine Kündigung wegen dauernder Unmöglichkeit. Ein derartiges Arbeitsverhältnis ist schon aus diesem Grund auf Dauer ganz erheblich gestört. Die auf das jeweilige Arbeitsverhältnis bezogene unmittelbare betriebliche Beeinträchtigung besteht darin, dass der Arbeitgeber damit rechnen muss, dass der Arbeitnehmer auch weiterhin auf Dauer außerstande ist, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Vom Fehlen einer betrieblichen Beeinträchtigung kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Arbeitsleistung für den Arbeitgeber überhaupt keinen Wert hat. Für einen derart außergewöhnlichen Ausnahmetatbestand, der der Beschäftigung überflüssige Arbeitnehmer voraussetzt, trägt der Arbeitnehmer allerdings die Darlegungs- und Beweislast (BAG 28.02.1990 NZA 1990, 727).

Vorliegend steht nach dem von der Kammer eingeholten Sachverständigengutachten die dauernde Arbeitsunfähigkeit der Klägerin fest. Der Sachverständige hat ohne weiteres nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass aus der für ihn gegebene Untersuchungssituation, dem Verlauf anhand von vorgelegten Bescheinigungen und Berichten festzustellen ist, dass die Klägerin zum Kündigungszeitpunkt arbeitsunfähig war. Arbeitsunfähigkeit bedeutet dabei, dass der Proband wegen einer Krankheit überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Diesen Sachverhalt hat er medizinisch gesehen so bestätigt. Die Probandin war damals in ärztlicher Behandlung, da Symptome vom Krankheitswert vorgelegen haben. Es gibt nach seiner ausführlichen Darstellung auch keinen Grund, die ausgestellten Arbeitsunfähigkeiten anzuzweifeln. Mit Sicherheit war danach die Situation so schwierig, dass es bei der Klägerin zu einer ernstzunehmenden Verschlimmerung des Gesundheitszustandes gekommen wäre. Demgegenüber vermag die Kammer aus dem Gutachten und auch aus dem Ergänzungsgutachten von Herrn Dr. A, dass das Arbeitsgericht eingeholt hatte (vgl. insbesondere Bl. 157 - 159 d. A.) nichts Gegenteiliges schließen. Dieser kommt zwar zu dem Ergebnis, dass die Klägerin auch zum Zeitpunkt der Kündigung von ihrer psychischen Struktur prinzipiell in der Lage gewesen wäre, den Anforderungen ihrer beruflichen Position zu genügen. Darauf kommt es vorliegend jedoch für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Kündigung nicht an. Maßgeblich ist allein, ob die Klägerin zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung arbeitsunfähig war, dies auf Dauer und deshalb die ausgesprochene Kündigung sozial gerechtfertigt ist.

Die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin war auch auf Dauer gegeben, dies bestätigt der Gutachter in seinem Gutachten ausdrücklich. Auf eine Gesundheitsprognose kommt es dann, wie bereits dargestellt, an sich nicht an. Vorliegend besteht allerdings die Besonderheit, dass der Sachverständige, Herr Dr. A., in seinem Gutachten ebenso wie in seinen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zum Merkmal "auf Dauer" (Bl. 415 ff. d. A.) ausgeführt hat, dass nach seiner Einschätzung die Dauer der Arbeitsunfähigkeit begrenzt war, da die Prognose der seinerzeit vorliegenden Gesundheitsstörungen durchaus günstig war. Dies lag nach seiner Auffassung daran, dass von der Persönlichkeit die Klägerin als ein Mensch mit überwiegend gesunden Anteilen ihm erschienen ist, so dass durch eine entsprechende Intervention z. B. im Rahmen einer Supervision das Arbeitsklima so hätte verbessert werden können, dass dann auch die Arbeitsfähigkeit der Klägerin wiederhergestellt hätte werden können. Leider sei diese Maßnahme ausgeblieben und deswegen habe sich die Arbeitsunfähigkeit fortgesetzt.

Diese Feststellungen ändern allerdings am Vorliegen einer dauernden Arbeitsunfähigkeit nichts; auf eine negative Gesundheitsprognose kommt es bei dauernder Arbeitsunfähigkeit gerade, wie dargestellt, nicht an.

Da grundsätzlich keine weiteren betrieblichen Störungen gegeben sein müssen, wäre an sich, wovon das Arbeitsgericht ausgegangen ist, die streitgegenständliche Kündigung sozial gerechtfertigt.

Aufgrund der Besonderheiten des hier vorliegenden Einzelfalles ist die Kammer jedoch zum gegenteiligen Ergebnis gelangt.

Der Gutachter hat frei von Widersprüchen und ohne weiteres einleuchtend und überzeugend festgestellt, dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin aus einer Kommunikationsstörung am Arbeitsplatz resultierte. Diese Kommunikationsstörung war derart eskaliert, dass es bei der Klägerin zu Symptomen von Krankheitswert gekommen war. Zwar sind danach auch anderweitige Ursachen für das Eintreten von Arbeitsunfähigkeit partiell zu berücksichtigen. Speziell im Zeitraum Juni bis November 1998, bei der auch zusätzliche gesundheitliche Probleme einer Fehlgeburt mit Komplikationen zu verarbeiten waren, sei dies der Fall gewesen. Im Übrigen basiert danach aber die Arbeitsunfähigkeit ab April 1999 allein auf den Auswirkungen der Kommunikationsstörungen am Arbeitsplatz.

In einer derartigen Situation ist der Arbeitgeber nach Auffassung der Kammer als vertragliche Nebenpflicht gehalten, statt einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Kommunikationsstörungen zu beseitigen. Eine gleichwohl erklärte Kündigung ist entsprechend § 162 Abs. 2 BGB, § 242 BGB, ebenso wie wegen eines Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip unwirksam. Der Gutachter hat ausgeführt, dass ganz sicher ist, dass die vor allem von der Klägerin selbst und ihrem Berater der Mobbing-Stelle sowie auch vom Psychotherapeuten angebotene Supervision die Situation am Arbeitsplatz derart hätte verbessern können, dass auch die Arbeitsunfähigkeit beendet gewesen wäre. Zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit bzw. der Arbeitsunfähigkeit wurde die Klägerin am 30.09.1999 sowie am 06.03.2000 durch den medizinischen Dienst der Krankenkasse untersucht und begutachtet. Seinerzeit wurde Arbeitsunfähigkeit attestiert und eine ausgeprägte reaktive Depression bei einer schwerwiegenden Konfliktsituation diagnostiziert. Es wurde auch betont, dass mit Rückkehr an den bisherigen Arbeitsplatz bei nach wie vor bestehendem Arbeitsverhältnis binnen kurzem mit massiver psychischer Belastung zu rechnen wäre. Eine Supervision, die kurzfristig hätte anlaufen müssen, wäre danach eine gute Möglichkeit gewesen, Konflikte zu lösen. Sie ist jedoch - was zwischen den Parteien unstreitig ist - nicht zustande gekommen, was die Arbeitsunfähigkeit danach verlängert hat und die Rückkehr an den Arbeitsplatz erschwerte. Je länger die Arbeitsunfähigkeit andauert, desto weniger konnten die Konfliktsituationen danach adäquat bewältigt werden. Nur durch Aussprache und Supervision, für die sich die Klägerin aktiv eingesetzt hatte, hätte die Konfliktsituation besprochen und ausgeräumt werden können. Da dies nicht erfolgte, ist die Konfliktsituation eskaliert; umso unwahrscheinlicher war damit die Rückkehr an den Arbeitsplatz. Der Arbeitgeber habe damit den "Schlüssel zum Erfolg" in den Händen gehabt, er habe ihn aber nicht genutzt.

In der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2004 hat der Gutachter zur Erläuterung ausgeführt, dass eine Supervision die geeignete Maßnahme des Arbeitgebers gewesen wäre, die Arbeitsfähigkeit der Klägerin wieder herzustellen. Es wäre die geeignete Therapiemaßnahme gewesen, um den Krankheitsprozess wieder rückgängig zu machen. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass eine Supervision stattfinde, bei der alle Beteiligten motiviert mitarbeiten und zielorientiert vorgegangen werde. Voraussetzung sei desweiteren ein professioneller Supervisor, der so vorgehe, dass es sich nicht um eine formal anberaumte Veranstaltung handele, die dann natürlich nicht zu einem positiven Ergebnis führen könne. Auch die Weigerung der Mitarbeiterinnen des Kindergartens, eine Supervision durchzuführen, wäre danach erstrecht Veranlassung gewesen, sie zu empfehlen. Denn letztlich beschreibe die schriftliche Weigerung der Mitarbeiter die Konfliktsituation. Es bestünden dort Elemente der Stigmatisierung und auch Ausgrenzung der Klägerin.

Auch wenn diese Ausführungen nicht zu dem Schluss zwingen, dass eine Supervision ohne weiteres zu dem Ergebnis geführt hätte, dass die Mitarbeiter in Zukunft dort weitgehend konfliktfrei hätten zusammenarbeiten können, wäre der Beklagte vorliegend vor Ausspruch einer Kündigung zunächst gehalten gewesen, die Supervision notfalls auch gegen den Willen der Mitarbeiterin durchzuführen und deren Ergebnis abzuwarten.

Da der Beklagte dies trotz Kenntnis aller maßgeblichen Umstände unterlassen hat, ist die streitgegenständliche Kündigung unwirksam.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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