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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 02.07.2008
Aktenzeichen: 7 Sa 250/08
Rechtsgebiete: AGG, ArbGG, ZPO, KSchG, AVR


Vorschriften:

AGG § 8
AGG § 9 Abs. 1
AGG § 9 Abs. 2
ArbGG §§ 64 ff.
ZPO §§ 512 ff.
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
AVR § 4 Abs. 2
AVR § 14 Abs. 2 Buchst. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 05.03.2008, Az. 4 Ca 781/07 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Die am 07.02.1962 geborene, verheiratete Klägerin, die drei Kinder hat, war bei der Beklagten, die mit regelmäßig mehr als 100 Arbeitnehmern ein Alten- und Pflegeheim in C-Stadt betreibt, seit dem 01.12.2001 als Mitarbeiterin in der Pflege gegen Zahlung eines monatlichen Arbeitentgeltes in Höhe von durchschnittlich 2.500,00 EUR brutto beschäftigt. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Rechtsträger der Kirche, der dem Bischöflichen Stuhl unmittelbar unterstellt und dem Deutschen Caritasverband angeschlossen ist. Die Parteien haben die einzelnen Arbeitsbedingungen in dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 03.12.2001 (Bl. 5 ff. d. A.) geregelt.

Am 26.09.2007 erklärte die Klägerin beim Standesamt A-Stadt ihren Austritt aus der Kirche und teilte dies der Beklagten am 27.09.2007 mit. Die Beklagte kündigte daraufhin das Beschäftigungsverhältnis mit Schreiben vom 09.10.2007 fristlos mit einer Auslauffrist aus sozialen Gründen zum 31.12.2007.

Mit Schreiben vom 06.11.2007 (Bl. 25 d. A.) zeigte die Beklagte der bei ihr errichteten Mitarbeitervertretung die Absicht an, gegenüber der Klägerin eine fristgerechte Kündigung auszusprechen. Sodann kündigte sie mit Schreiben vom 19.10.2007 (vgl. Bl. 8 d. A.) das Beschäftigungsverhältnis zum 31.03.2008.

Nachdem die Klägerin gegen die außerordentliche Kündigung vom 09.10.2007 eine Klage beim Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - eingereicht hatte, haben die Parteien am 22.11.2007 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, wonach das Beschäftigungsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortbesteht. Hierbei waren sich die Parteien darüber einig, dass durch den Vergleich lediglich die außerordentliche Kündigung vom 09.10.2007 von der Beklagten "zurückgenommen" worden ist.

Gegen die ordentliche Kündigung vom 19.10.2007 hat die Klägerin am 27.11.2007 Klage beim Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - eingereicht.

Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die Zusammenfassung im Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 05.03.2008 (Seite 3 - 5 = Bl. 43 - 45 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19.10.2007 nicht zum 31.03.2008 beendet worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S. und W. wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls zur mündlichen Verhandlung vom 05.03.2008 (= Bl. 34 ff. d. A.) verwiesen.

Sodann hat das Arbeitsgericht die Klage mit Urteil vom 05.03.2008 (vgl. Bl. 41 ff. d. A.) abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es sei von einer sozialen Rechtfertigung der streitgegenständlichen Kündigung unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes auszugehen. Die Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechtes gewährleiste, dass die Kirchen bei einer arbeitsvertraglichen Gestaltung des kirchlichen Dienstes das Leidbild einer christlichen Dienstgemeinschaft zugrunde legen und die Verbindlichkeit kirchlicher Grundpflichten bestimmten könnten. Ein Austritt aus der Kirche sei grundsätzlich als Trennung von der Kirche als Glaubensgemeinschaft zu werten und berühre eine wesentliche Voraussetzung des Dienstverhältnisses. Deshalb könne nach Art. 5 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22.09.1993 (im Folgenden: Grundordnung) der Dienstgeber das Dienstverhältnis kündigen, weil auf Grund der Verletzung der Loyalitätspflicht dem Dienstgeber eine Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden könne.

Zu beachten sei allerdings, dass dann, wenn sich der Arbeitgeber selbst gebunden habe, bei bestimmten Verhaltensverstößen vor Ausspruch der Kündigung zunächst mit dem Arbeitnehmer ein klärendes Gespräch geführt werden müsse. Art. 5 Grundordnung enthalte eine solche bindende Verfahrensnorm. Im vorliegenden Fall habe die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichtes aber ergeben, dass der Heimleiter vor Ausspruch der ersten Kündigung, welche in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der zweiten Kündigung zu sehen sei, klärende Gespräche versucht habe; auch der Direktor der Beklagten, Herr Dr. A. , habe die Klägerin gebeten zu überdenken, ob sie bei ihrer Haltung bleibe.

Die Kammer folge nicht der Auffassung der Klägerin, wonach § 9 Abs. 2 AGG eine Änderung der Rechtsprechung zum Kirchenaustritt, die ja seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 04.06.1985 bestehe, begründen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf Seite 7 ff. des Urteils vom 05.03.2008 (= Bl. 47 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin, der das Urteil des Arbeitsgerichts am 07.04.2008 zugestellt worden ist, hat am 02.05.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 20.05.2008 ihr Rechtsmittel begründet.

Die Klägerin macht geltend,

aus Art. 5 Grundordnung ergebe sich nicht zwangsläufig, dass im vorliegenden Fall der Kirchenaustritt eine Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses nach sich ziehen müsse. In Art. 5 Abs. 3 Grundordnung sei konkretisiert, dass ein Kirchenaustritt nur dann eine Weiterbeschäftigung ausschließe, wenn er von pastoral, kathechetisch oder leitend tätigen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern erfolge. Aus Art. 5 Abs. 4 der Grundordnung folge, dass bei anderen Mitarbeitern die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung von den Einzelfallumständen abhänge. Dabei sei auch von Bedeutung, ob der Mitarbeiter die Lehre der Kirche bekämpfe. Die Klägerin habe eine vollkommen untergeordnete Stellung im Bereich der Altenpflege inne gehabt und zudem die Kirche in keiner Weise bekämpft.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bedürfe jede Kündigung einer konkreten Interessenabwägung, in die auch die in Art. 4 GG geschützte Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit des Arbeitnehmers einzubeziehen sei. Das Verhalten der Klägerin sowie ihre Stellung im Betrieb der Beklagten führe bei einer Interessenabwägung zu einem Überwiegen des Bestandsinteresses der Klägerin gegenüber dem Beendigungsinteresse der Beklagten.

Außerdem sei durch die erstinstanzliche Entscheidung § 9 Abs. 1 AGG verletzt worden; dies gelte insbesondere dann, wenn der Wortlauf dieser Regelung im Lichte von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 EG konform ausgelegt werde. Hiernach sei lediglich eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer wegen "wesentlicher und entscheidender" beruflicher Anforderungen erlaubt. Solche Anforderungen lägen aber im vorliegenden Fall nicht vor.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 19.05.2008 (Bl. 75 ff. d. A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 05.03.2008 - 4 Ca 781/07 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19.10.2007 nicht zum 31.03.2008 beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte führt aus,

die Berufungsführerin verkenne, dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht auch das Recht umfasse, Form und Inhalt des kirchlichen Dienstes rechtlich autonom zu regeln. Dies gelte auch für die Entscheidung darüber, ob und wie für die innerhalb des kirchlichen Dienstes tätigen Mitarbeiter eine Abstufung von Loyalitätspflichten eingreifen solle. Auf Grund des abgeschlossenen Arbeitsvertrages gelte Art. 5 Abs. 5 Grundordnung, wonach Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus der Kirche austreten würden, nicht weiterbeschäftigt werden könnten. Diese Regelung sei unabhängig von der im Grundgesetz geschützten Glauben-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit. Die Klägerin habe im Bewusstsein der Geltung von Art. 5 Abs. 5 Grundordnung den schriftlichen Arbeitsvertrag unterzeichnet und müsse daher auch die für einen Kirchenaustritt vereinbarte Rechtsfolge hinnehmen.

Ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 AGG liege nicht vor.

Vor Ausspruch der Kündigung seien mehrere Gespräche, u. a. mit dem Leiter des Alten- und Pflegeheims Herrn S., sowie Herrn Direktor Dr. A. mit der Klägerin über die kündigungsrechtlichen Folgen ihres Kirchenaustritts geführt worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 19.06.2008 (Bl. 83 fff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gem. §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde durch die ordentliche Kündigung vom 19.10.2007 zum 31.03.2008 rechtswirksam beendet. Entgegen der von der Klägerin mit ihrer Berufung vertretenen Auffassung ist die Kündigung nicht nach § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam.

Nach dieser Regelung des hier voll umfänglich anwendbaren Kündigungsschutzgesetz ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist eine ordentliche Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG, falls sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Im gegebenen Fall beruht die streitgegenständliche Kündigung auf verhaltensbedingten Gründen (1.) und die notwendige Interessenabwägung im Rahmen des § 1 Abs. 1 KSchG führt zu einem Überwiegen des Beendigungsinteresses der Beklagten (2.).

1. Ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund kann sich auch daraus ergeben, dass ein Arbeitnehmer, der in einer Einrichtung der Kirche tätig ist, auf welche die Grundordnung anwendbar ist, aus der Kirche austritt. Art. 5 Abs. 5 Grundordnung regelt nämlich, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus der Kirche austreten, nicht weiterbeschäftigt werden können.

a) Diese kirchengesetzliche Regelung ist auf das Arbeitsverhältnis der Prozessparteien anwendbar.

aa) Bei der Grundordnung handelt es sich um ein allgemeines Kirchengesetz, das in § 2 Abs. 2 seinen Geltungsbereich dahingehend definiert, dass es auch anzuwenden ist im Bereich der sonstigen kirchlichen Rechtsträger und ihrer Einrichtungen, unbeschadet ihrer Rechtsform sowie des Verbandes der Diözesen Deutschlands und des Deutschen Caritasverbandes. Die vorgenannten Rechtsträger sind gehalten, die Grundordnung für ihren Bereich rechtsverbindlich zu übernehmen.

Die Beklagte ist ein Rechtsträger des Bischöflichen Stuhles. Dieser hat die Grundordnung für seinen Bereich zum 01.01.1994 rechtsverbindlich in Kraft gesetzt. Mithin gilt die Grundordnung auch für die Arbeitsverhältnisse, welche die Beklagte eingeht, einschließlich jenes mit der Klägerin.

Unabhängig hiervon ist die Regelung der Grundordnung auch auf Grund der arbeitsvertraglichen Verweisung auf die Geltung allgemeiner Kirchengesetze in § 2 des Dienstvertrages vom 03.12.2001 i. V. m. § 4 Abs. 2 AVR auf das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin anwendbar.

bb) Die Anwendung von Art. 5 Abs. 5 Grundordnung verletzt nicht das Grundrecht der Klägerin auf Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG).

Mit dem Grundrecht der Klägerin auf Glaubensfreiheit - hierzu gehört auch die Freiheit aus der Kirche auszutreten - tritt im gegebenen Fall die Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechtes (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV) in Widerstreit. Entscheidend bei der daher vorzunehmenden Güterabwägung, in dessen Rahmen sich beide Verfassungsrechte gegenüberstehen, ist nach Überzeugung der Berufungskammer, dass die Klägerin bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses sich der Rechtsfolgen bewusst sein musste, die ein Kirchenaustritt nach Art. 5 Abs. 5 Grundordnung nach sich zieht. Durch die Aufnahme der Arbeit bei der Beklagten im Jahr 2001 hat sie diese bei der Beklagten schon seit 1994 geltende Arbeitsbedingung akzeptiert und deren Rechtsfolge aus freien Stücken in Kauf genommen. Mithin war sie es, die den entscheidenden Schritt in den Geltungsbereich von Art. 5 Abs. 5 Grundordnung unternommen hat; sie muss dementsprechend auch die durch ihren Kirchenaustritt im Zusammenhang mit dieser Vorschrift verbundene Einschränkung ihres Grundrechtes auf Religionsfreiheit hinnehmen.

cc) § 9 Abs. 1 AGG steht der Anwendung von Art. 5 Abs. 5 Grundordnung auf den vorliegenden Fall ebenfalls nicht entgegen. Nach dieser gesetzlichen Regelung ist ungeachtet des § 8 AGG eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften, die ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder durch Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, auch zulässig, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbtverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.

Im vorliegenden Fall wird nicht um die in § 9 Abs. 1 AGG geregelte Frage gestritten, ob eine bestimmte Religion eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt, sondern darum, ob ein Kirchenaustritt - also die Beendigung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft - die Beklagte zur Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses berechtigt. Dementsprechend ist allein die Regelung unter § 9 Abs. 2 AGG hier einschlägig. Hiernach berührt das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung nicht das Recht der in Abs. 1 genannten Religionsgemeinschaften, der ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder der Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können.

Nach dem Selbstverständnis der Kirche gehört zu einem loyalen Verhalten einer bei ihr beschäftigten Arbeitnehmerin oder eines bei ihr beschäftigten Arbeitnehmers, dass sie oder er während des Arbeitsverhältnisses nicht aus der Kirche austritt. Der Kirchenaustritt gehört nach Kirchenrecht (Codex juris canonicus = CIC can. 2314) nämlich zu den schwersten Vergehen gegen den Glauben und die Einheit der Kirche. Die Kirche betrachtet den Ausgetretenen als Abtrünnigen und dem Kirchenbann verfallen (CIC can. 2314 § 1 n. 1). Der Kirchenaustritt verträgt sich aus Sicht der Kirche weder mit ihrer Glaubwürdigkeit noch mit der von ihr geforderten vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.06.1985 - BvR 1703/83, 2 BvR 1718/83, 2 BvR 856/84 = AP Nr. 24 zu Art. 140 GG).

Hieraus folgt im gegebenen Fall, dass der Kirchenaustritt der Klägerin nach dem Selbstverständnis der Kirche eine schwerwiegende Pflichtverletzung darstellt, für welche das Verbot unterschiedlicher Behandlung gem. § 9 Abs. 2 AGG nicht gilt.

Eine einschränkende Auslegung des § 9 Abs. 2 AGG ist auch im Hinblick auf die Richtlinie 2000/78/EG des Rates der EU vom 27.11.2000 (im Folgenden: EG-Richtlinie) nicht geboten. Nach Art. 4 Abs. 2 letzter Satz der EG-Richtlinie können - sofern die Bestimmungen dieser Richtlinie im Übrigen eingehalten werden - die Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, im Einklang mit den einzelstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften von den für sie arbeitenden Personen verlangen, dass sie sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos der Organisation verhalten. Infolgedessen konnte die Beklagte von der Klägerin, angesichts des oben dargelegten Selbstverständnisses der Kirche, verlangen, dass diese während des Dienstverhältnisses nicht aus der Kirche austritt.

Der vorliegende Fall ist im Übrigen auch nicht mit jenem vergleichbar, der dem Arbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 04.12.2007 - 20 Ca 105/07 - = ArbuR 2008, 109) zur Entscheidung vorlag. Das Arbeitsgericht Hamburg hatte darüber zu entscheiden, ob die Mitgliedschaft bei der evangelischen Kirche eine gerechtfertigte berufliche Anforderung im Sinne von § 9 Abs. 1 AGG bei der Einstellung eines Stellenbewerbers bildet. Die Voraussetzungen für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses sind im gegebenen Fall in Art. 3 Grundordnung offenbar anders geregelt als im Bereich der evangelischen Kirche, über den das Arbeitsgericht Hamburg zu entscheiden hatte. Dies bedarf aber nicht der weiteren Vertiefung. Denn vorliegend geht es entscheidend um die postulierte Pflicht zum Unterlassen eines Kirchenaustritts. Hierbei handelt es sich nicht um eine berufliche Anforderung, die nach der Art ihrer Tätigkeit oder den Umständen der Tätigkeitsausübung zu beachten ist, sondern um die allgemeine Anforderung, sich loyal im Sinne des Ethos der katholischen Kirche zu verhalten. Insoweit ist in § 9 Abs. 2 AGG die Regelung aus Art. 4 Abs. 2 letzter Satz der EG-Richtlinie nahezu wortlautgleich übernommen, so dass für eine einschränkende Auslegung kein Raum verbleibt.

b) Die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 5 Grundordnung sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist unstreitig am 26.09.2007 aus der katholischen Kirche ausgetreten.

aa) Die Rechtsfolge, wonach eine Weiterbeschäftigung ausgeschlossen ist, hängt allein vom Kirchenaustritt ab. Entgegen der Auffassung der Klägerin werden in Art. 5 Abs. 2 bis Art. 5 Abs. 4 Grundordnung keine weiteren Voraussetzungen genannt oder Ausnahmen geregelt, die für den vorliegenden Fall einschlägig wären. Vielmehr sind in Art. 5 Abs. 1 Grundordnung die Rechtsfolgen bei Verstößen gegen generelle Loyalitätsobliegenheiten geregelt. In Art. 5 Abs. 2 Grundordnung werden Beispiele für besonders schwerwiegende Loyalitätsverstöße aufgelistet. In Art. 5 Abs. 3 Grundordnung wird die Personengruppe genannt, für welche die in Abs. 2 genannten Verstöße zwingend zur Kündigung führen. In Art. 5 Abs. 4 Grundordnung ist eine Abwägung von Einzelfallumständen vorgesehen, falls eine Kündigung nicht bereits nach Abs. 3 Grundordnung erforderlich ist. Dabei sind dann u. a. auch zu berücksichtigen: die Stellung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters in der Einrichtung, Art und Gewicht der Obliegenheitsverletzung und ob eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Lehre der Kirche bekämpft. Die gerade dargestellten rechtlichen Voraussetzungen aus Art. 5 Abs. 2 bis 4 Grundordnung bedürfen nicht der rechtlichen Überprüfung, da der Fall des Kirchenaustritts eines Mitarbeiters in Art. 5 Abs. 5 speziell geregelt ist. Demnach handelt es sich bei einem Kirchenaustritt um eine Obliegenheitsverletzung, an die kategorisch und ohne Rücksicht auf die allgemein geregelten Sachverhalte aus Art. 5 Abs. 2 bis 4 Grundordnung die Rechtsfolge geknüpft ist: "... können nicht weiterbeschäftigt werden." Entsprechend dieser Regelung ist es unerheblich, ob die Klägerin die katholische Kirche bekämpft hat und ob sie lediglich eine untergeordnete Stellung im Bereich der Altenpflege eingenommen hat. Für das Entstehen des Weiterbeschäftigungshindernisses ist allein die Tatsache des Kirchenaustrittes maßgeblich.

bb) Lediglich Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundordnung ist für den vorliegenden Fall eine weitere Kündigungsvoraussetzung zu entnehmen (vgl. BAG Urt. v. 16.09.1999 - 2 AZR 712/98 = NZA 2000, 208), die allerdings erfüllt ist. Hiernach muss der Dienstgeber bei einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter, die/der eine Beschäftigungsanforderung nicht mehr erfüllt, durch Beratungsersuchen, dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter diesen Mangel auf Dauer beseitigt.

Aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht fest, dass die Klägerin am 29.10.2007 in einem Gespräch, an dem auf Beklagtenseite unter anderem der Heimleiter Herr S. teilnahm, darauf hingewiesen wurde, dass der Kirchenaustritt eine Weiterbeschäftigung nicht zulasse und auch nach der zurückgezogenen außerordentlichen Kündigung noch eine ordentliche Kündigung erklärt werden müsse. Dies ergibt sich aus der schriftlichen Aktennotiz (vgl. Bl. 32 d. A.), die Herr S. nach diesem Gespräch angefertigt und deren inhaltliche Richtigkeit er anlässlich seiner erstinstanzlichen Vernehmung als Zeuge glaubhaft bestätigt hat.

Aufgrund dieses Gespräches musste der Klägerin klar sein, dass sie allenfalls dann noch hätte weiterbeschäftigt werden können, falls sie den Kirchenaustritt rückgängig macht bzw. wieder in die katholische Kirche eintritt.

2. Bei der gemäß § 1 Abs. 1 KSchG durchzuführenden Interessenabwägung überwiegt das Beendigungsinteresse der Beklagten. Das Fortsetzungsinteresse der Klägerin wird durch folgende Umstände bestimmt: Als 45-jährige Arbeitnehmerin ist es für sie, trotz der im Pflegebereich bestehenden Nachfrage nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sicher kein Leichtes, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Ihre Arbeitstätigkeit als Altenpflegerin übte die Klägerin während der sechsjährigen Beschäftigungszeit unbeanstandet aus. Sie ist gegenüber ihrem Ehemann und den drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Des Weiteren führt sie als Altenpflegerin keinerlei pastorale, katechetische oder leitende Diensttätigkeiten aus. Ihr Kirchenaustritt wurde nach ihren Angaben während der mündlichen Berufungsverhandlung im Wesentlichen durch die aus ihrer Sicht gegebene Unterdrückung der Frau durch die katholische Kirche motiviert.

Das Beendigungsinteresse der Beklagten wird geprägt durch den Vertrauensbruch der mit einem Kirchenaustritt nach dem Selbstverständnis der katholischen Kirche (vgl. hierzu 1. a), cc) dieser Entscheidungsgründe) verbunden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.06.1985, a.a.O.) muss diesem Gesichtspunkt das von der Verfassung geforderte Gewicht beigemessen werden. Konkret bedeutet dies in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall: Nicht hinreichend berücksichtigt ist das Beendigungsinteresse der Kirche im Wesentlichen dann, wenn bei einem 52-jährigen Buchhalter, der seit mehr als 38 Jahren in einem kirchlichen Arbeitsverhältnis beschäftigt wurde, aus der katholischen Kirche austritt und anschließend ein Arbeitsgericht das Fortsetzungsinteresse als überwiegend erachtet. Verglichen mit diesem Fall ist vorliegend das Beendigungsinteresse der Beklagten als überwiegend zu erachten. Die Klägerin hat zwar mit ihrer Berufstätigkeit vier Personen zu unterhalten, Alter und Beschäftigungszeit haben aber ein weit geringeres Gewicht als in dem Falle des oben beschriebenen Arbeitnehmers, der die Verfassungsbeschwerde eingereicht hatte. Auch im Übrigen sind keine Umstände ersichtlich, die dem überwiegenden Beendigungsinteresse der Beklagten entgegenstehen.

3. Weitere unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Urteiles eingreifende Unwirksamkeitsgründe wurden von der Berufungsführerin nicht dargelegt.

Das Beschäftigungsverhältnis ist somit unter Einhaltung der Kündigungsfrist aus § 7 des Dienstvertrages vom 03.12.1981 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 Buchst. b AVR (3 Monate) zum 31.03.2008 rechtswirksam beendet worden.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.

Ende der Entscheidung

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