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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 23.04.2008
Aktenzeichen: 7 Sa 30/08
Rechtsgebiete: KSchG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 3
ArbGG §§ 64 ff.
ZPO §§ 512 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 07.12.2007, Az. 2 Ca 1045/07 wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Der 48-jährige Kläger ist bei der Beklagten, die mit mehreren hundert Arbeitnehmern Computer vertreibt, als Produktionsmitarbeiter gegen Zahlung eines monatlichen Arbeitentgeltes in Höhe von zuletzt 1.718,00 EUR brutto beschäftigt. Mit Schreiben vom 27.04.2007 (vgl. Bl. 8 d. A.) kündigte die Beklagte das bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.08.2007. Des Weiteren kündigte die Beklagte das Beschäftigungsverhältnis mit Schreiben vom 25.07.2007 zum 30.11.2007. Mit seiner am 09.05.2007 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangen Kündigungsschutzklage hat sich der Kläger gegen die ordentliche Kündigung vom 27.04.2007 gewandt und diese Klage am 03.08.2007 gegen die ordentliche Kündigung vom 25.07.2007 erweitert. Der Kläger hat unter anderem geltend gemacht,

für die ordentliche Kündigung vom 27.04.2007 fehle es an einem Kündigungsgrund im Sinne von § 1 KSchG. Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 27.04.2007 und auch nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 25.07.2007 beendet worden ist. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat vorgetragen,

die ordentliche Kündigung vom 27.04.2007 sei aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt, zumal sie im April 2007 die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, die Produktion zukünftig durch Aushilfskräfte durchführen zu lassen, um auf Auftragsschwankungen besser reagieren zu können. In Umsetzung dieses Beschlusses sei der Kläger als Produktionsmitarbeiter gekündigt worden. Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Teilurteil vom 07.12.2007 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.04.2007 nicht aufgelöst worden ist. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung vom 27.04.2007 folge daraus, dass ein betriebsbedingter Kündigungsgrund - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht vorliege. Aufgrund der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten aus dem Monat April 2007 sei die Produktion nicht eingestellt worden und mithin der Arbeitsplatz des Klägers auch nicht weggefallen. Dementsprechend liege ein etwaiger Kündigungsgrund im Zusammenhang mit dem Wegfall des Arbeitsplatzes nicht vor. Soweit die Beklagte den Kläger durch eine Aushilfskraft ersetzen wolle, sei diese Maßnahme nach § 1 Abs. 3 KSchG wegen Verstoßes gegen die soziale Auswahl rechtsunwirksam. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf Seite 4 f. des Teilurteils vom 07.12.2007 (Bl. 99 f. d. A.) Bezug genommen. Die Beklagte, der diese Entscheidung des Arbeitsgerichts am 14.01.2008 zugestellt worden ist, hat am 16.01.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 14.03.2008 ihr Rechtsmittel begründet. Die Beklagte macht geltend,

die ordentliche Kündigung vom 27.04.2007 sei sozial gerechtfertigt, da der Arbeitsplatz des Klägers bei der Umsetzung einer unternehmerischen Entscheidung weggefallen sei. Die Beklagte habe nämlich die Entscheidung getroffen, die Produktion einzustellen, wobei die tatsächliche Einstellung im Herbst 2007 erfolgt sei. Sie habe lediglich im April 2007, als die Entscheidung zur Einstellung der Produktion gefallen sei, den Zeitpunkt für die Umsetzung falsch eingeschätzt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 14.03.2008 (Bl. 121 ff. d. A.) verwiesen. Die Beklagte beantragt,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 07.12.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger führt aus,

die Beklagte habe in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 28.06.2007 unmissverständlich mitgeteilt, dass man im April 2007 die Entscheidung getroffen habe, sämtliche Mitarbeiter "in der Produktion" zu entlassen und zukünftig nur noch Aushilfskräfte einzusetzen, um somit die Produktion zu flexibilisieren. Den angeblichen Beschluss, die Produktion in A-Stadt einzustellen, habe die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag erst am 23.07.2007 gefasst. Mithin habe zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Kündigungserklärung noch kein Entschluss der Beklagten, den Betrieb in A-Stadt einzustellen, vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 17.04.2008 (Bl. 131 ff. d. A.) Bezug genommen. Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die ordentliche Kündigung vom 27.04.2007 ist gemäß § 1 Abs. 1 des vollumfänglich anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes rechtsunwirksam, da sie sozial ungerechtfertigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist eine Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG dann, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Werden die bislang von den Arbeitnehmern des Betriebs ausgeführten Tätigkeiten nicht zur selbstständigen Erledigung auf einen Dritten übertragen, so führt eine solche organisatorische Gestaltung noch nicht zum Wegfall der bisherigen betrieblichen Arbeitsplätze; es liegt vielmehr ein unzulässige sogenannte Austauschkündigung vor (vgl. BAG, Urteil vom 16.12.2004 - 2 AZR 66/04 = AP Nr. 133 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Allerdings gehört zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen die einer Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern entgegenstehen können, die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber. Wird in einem solchen Fall die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die betreffenden betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben (vgl. BAG, Urteil vom 08.11.2007 - 2 AZR 554/05 n. w. N.). Im vorliegenden Fall beruft sich die Beklagte zu Unrecht auf einen betriebsbedingten Kündigungsgrund zur Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung vom 27.04.2007. Soweit sie in der Berufungsbegründung ausgeführt hat, sie habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Produktion im Herbst 2007 tatsächlich einzustellen und im April 2007, als diese Entscheidung gefallen sei, lediglich den Zeitpunkt der Umsetzung falsch eingeschätzt, steht dies im Widerspruch zu ihrem erstinstanzlichen Sachvortrag, so dass es in diesem Zusammenhang an einer verwertbaren tatsächlichen Grundlage für die streitgegenständliche Kündigung fehlt. Mit erstinstanzlichem Schriftsatz vom 09.11.2007 hat die Beklagte nämlich vorgetragen, sie habe am 23.07.2007 beschlossen, die gesamte Geschäftstätigkeit zum 30.09.2007 einzustellen; in diesem Zusammenhang hat sie das Protokoll über die Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 23.07.2007 (Bl. 71) vorgelegt. Die hier vorgetragene Tatsache, der Stilllegungsbeschluss sei am 23.07.2007 gefasst worden, ist nicht mit dem Sachvortrag in der Berufungsbegründung zu vereinbaren, der Stilllegungsbeschluss sei bereits im April gefasst worden. Die Beklagte hätte diesen auf der Hand liegenden Widerspruch aufklären und eine etwaige Entscheidung der Betriebsschließung im April 2007 substantiiert darlegen müssen. Der vorliegende Sachvortrag ist jedenfalls widersprüchlich und daher ungeeignet, die streitgegenständliche Kündigung zu begründen. Soweit die Beklagte erstinstanzlich vorgetragen hatte, die ordentliche Kündigung vom 27.04.2007 sei deshalb aus betriebsbedingten Gründen notwendig, weil sie im Geschäftsbereich "Produktion" die Arbeit nicht mehr durch dauerhaft vorgehalten Mitarbeiter durchführen und stattdessen Aushilfskräfte einsetzen wolle, ergibt sich hieraus die Absicht, eine Austauschkündigung durchzuführen. Da die von der Beklagten angesprochenen Aushilfskräfte ihrem Weisungsrecht unterliegen würden, beabsichtigte sie auch nicht, die Tätigkeiten in der Produktion zur selbstständigen Erledigung auf einen Dritten zu übertragen. Stattdessen sollten Aushilfskräfte, die entsprechend dem Auftragsanfall herangezogen werden, tätig werden. Mithin liegt eine unzulässige Austauschkündigung vor, zumal es im Produktionsbereich nicht zum Wegfall von Arbeitsplätzen gekommen ist, sondern die nach wie vor bestehende Arbeit nicht mehr durch die bisherige Belegschaft, vielmehr durch neu einzustellende Aushilfskräfte ausgeführt werden sollte. Da demnach die durch Arbeitnehmer auszuführende Arbeitstätigkeiten in der Produktion nach wie vor vorhanden sind, kann die streitgegenständliche Kündigung auch in diesem Zusammenhang nicht auf ein dringendes betriebliches Bedürfnis gestützt werden. Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2.

Ende der Entscheidung

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