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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 03.06.2008
Aktenzeichen: 7 Ta 82/08
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG, SGB XII


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 1
ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 a
ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 b
ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 a. F.
ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 a
ZPO § 115 Abs. 1 S. 7
ZPO § 120 Abs. 4 S. 1
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2
ZPO §§ 567 ff.
ArbGG § 78 S. 1
SGB XII § 28 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 01.04.2008, Az. 10 Ca 1056/05 aufgehoben. 2. Die Rechtsbeschwerde der Landeskasse wird zugelassen. Gründe:

I. Die Parteien haben vor dem Arbeitsgericht Koblenz einen Zahlungsrechtsstreit geführt, der durch den gerichtlichen Vergleich vom 10.05.2005 beendet worden ist. Im Laufe dieses Verfahrens ist dem Kläger, auf Antrag seines Prozessbevollmächtigten, mit Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10.05.2005 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt Z. ohne Anordnung einer Ratenzahlung bewilligt worden. Das Arbeitsgericht Koblenz hat anschließend gemäß § 120 Abs. 4 S. 1 ZPO geprüft, ob sich die für die Bewilligung maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nachträglich geändert haben. Dabei hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 26.01.2007 dem Kläger, unter Abänderung eines anders lautenden vorausgegangenen Beschlusses, ab dem 01.11.2006 Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung bewilligt. Am 07.03.2008 hat der Kläger eine neue Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht und darin unter anderem angegeben, seine Ehefrau beziehe aus einem Arbeitsverhältnis ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 396,00 EUR. Daraufhin hat das Arbeitsgericht Koblenz mit Beschluss vom 01.04.2008 seinen Beschluss vom 26.01.2007 abgeändert und dem Kläger monatliche Ratenzahlungen ab dem 15.04.2008 in Höhe von 45,00 EUR auferlegt. Dabei ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger über ein einzusetzendes Einkommen im Sinne von § 115 Abs. 1 ZPO in Höhe von 101,51 EUR verfügt. Dieses Einkommen hat es dadurch ermittelt, dass von dem monatlichen Arbeitslosengeld des Klägers in Höhe von 966,30 EUR monatliche Versicherungsbeiträge in Höhe von 35,79 EUR gemäß §§ 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 a ZPO, 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII in Abzug gebracht worden sind; des Weiteren hat es einen Freibetrag im Sinne von § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 a ZPO für den Kläger in Höhe von 380,00 EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ZPO) in Höhe von 449,00 EUR berücksichtigt. Der Kläger, dessen Prozessbevollmächtigtem der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 01.04.2008 am 07.04.2008 zugestellt worden ist, hat am 17.04.2008 sofortige Beschwerde eingelegt. Der Kläger macht geltend,

bei der Ermittlung seines Einkommens sei der zu berücksichtigende Freibetrag nur bei ihm selbst als Antragsteller beachtet worden, nicht aber bei seiner Ehefrau, die erwerbstätig sei. Dieser Freibetrag sei in Ansatz zu bringen, da er dem Ausgleich von berufsbedingten Aufwendungen (Werbungskosten) diene und solche Aufwendungen auch bei der Ehefrau anfallen würden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 16.04.2008 (Bl. 83 f. des PKH-Beiheftes), 23.04.2008 (Bl. 88 des PKH-Beiheftes) und 21.05.2008 (Bl. 94 des PKH-Beiheftes) verwiesen. Das Arbeitsgericht Koblenz hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt. Die A. führt als Vertreterin der Landeskasse zu der sofortigen Beschwerde aus, im vorliegenden Fall sei kein Freibetrag für die Ehefrau gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 a ZPO in Abzug zu bringen, da im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren nur auf das Einkommen der antragstellenden Partei abzustellen sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Stellungnahme der A. wird auf deren Schriftsatz vom 13.05.2008 (Bl. 93 des PKH-Beiheftes) Bezug genommen. II. Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 78 S. 1 ArbGG, 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff. ZPO zulässig. Darüber hinaus ist das Rechtsmittel auch begründet, da dem Kläger derzeit kein einzusetzendes Einkommen im Sinne von § 115 Abs. 1 ZPO zur Verfügung steht. Von dem einsetzbaren Einkommen des Klägers in Höhe von 99,51 EUR - diese Einkommenshöhe ergibt sich, wenn der Berechnung des Arbeitsgerichts der aktuelle Freibetrag nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 a ZPO (382,00 EUR) zugrundegelegt wird - ist ein weiterer Betrag in Höhe von 159,50 EUR gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 a ZPO in Abzug zu bringen, so dass kein einsetzbares Einkommen mehr verbleibt. Nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 a ZPO ist vom Einkommen des Antragstellers auch für seinen Ehegatten ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten höchsten durch Rechtsverordnung nach § 28 Abs. 2 S. 1 des zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzten Regelsatzes für den Haushaltsvorstand abzusetzen; der aktuelle Freibetrag beläuft sich auf 382,00 EUR. Im vorliegenden Fall ist dieser Freibetrag jedoch nicht in voller Höhe zu berücksichtigen, da die Ehefrau des Klägers über eigenes Einkommen in Höhe von monatlich 396,50 EUR verfügt. Die Unterhaltsfreibeträge sind nämlich gemäß § 115 Abs. 1 S. 7 ZPO um das eigene Einkommen der unterhaltsberechtigten Person zu vermindern. Bei dieser Verminderung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht das volle monatliche Einkommen der Ehefrau des Klägers in Höhe von 396,50 EUR in Ansatz zu bringen, sondern lediglich ein Betrag von 222,50 EUR. Dies folgt daraus, dass nach Auffassung der Beschwerdekammer bei der Ermittlung des Einkommens der Ehefrau des Klägers ein Freibetrag in analoger Anwendung von § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 b ZPO zu berücksichtigen ist. Nach dieser gesetzlichen Regelung ist vom Einkommen des Antragstellers bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des höchsten durch Rechtsverordnung nach § 28 Abs. 2 S. 1 des zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzten Regelsatzes für den Haushaltsvorstand abzusetzen. Die Vorschrift erfasst nach ihrem Wortlaut ausschließlich die Berechnung des Erwerbseinkommens des Antragstellers. Sie ist aber auf das Erwerbseinkommen eines Ehegatten im Zusammenhang mit § 115 Abs. 1 S. 7 ZPO entsprechend anzuwenden, da insoweit eine Gesetzeslücke besteht. Diese Gesetzeslücke wird offenbar, wenn die Rechtslage vor der Reform zum 01.04.2005 mit dem danach geltenden Recht verglichen wird und die Gesetzesmaterialien herangezogen werden um festzustellen, inwiefern der Gesetzgeber bewusst Änderungen herbeiführen wollte. Nach der alten Rechtslage verminderte sich gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 ZPO a. F. der Unterhaltsfreibetrag, der dem Antragsteller für seinen Ehegatten oder Lebenspartner einzuräumen war, um dessen eigenes Einkommen. Dabei wurde, ausgehend von einem einheitlichen Einkommensbegriff, das Einkommen des Antragstellers ebenso behandelt wie jenes seines Ehegatten. Das heißt in beiden Fällen wurde ein Freibetrag für Einkünfte aus Erwerbstätigkeit bei der Ermittlung des einsetzbaren Einkommens eingeräumt (vgl. Nickel, MDR 2005, 729, 733). Den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucksache 15/4952 S. 46 f.) lässt sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Änderung des Freibetrages für Erwerbseinkommen nunmehr eine unterschiedliche Behandlung von Antragstellern und deren Ehegatten beabsichtigt hat. Die gesetzliche Neuregelung enthält somit eine Lücke, welche durch eine analoge Anwendung von § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 a ZPO zu schließen ist (vgl. Nickel, a. a. O., Zöller, ZPO, 26. Auflage, § 115 Rz. 29). Für die analoge Anwendung der genannten Vorschrift sprechen im Übrigen auch Sinn und Zweck der Unterhaltsfreibeträge sowie der Regelung in § 115 Abs. 1 S. 7 ZPO. Ein Unterhaltsfreibetrag soll demnach nicht in Ansatz gebracht werden, wenn der Ehepartner über eigenes Einkommen verfügt. Dieses Einkommen muss aber tatsächlich auch für Ausgaben bereitstehen, da ansonsten weiterhin der Bedarf für Unterhalt gegeben ist. Der Unterhaltsbedarf besteht aber gerade in jenem Bereich, in dem eine geringfügige Vergütung von einem Ehegatten bezogen wird und bei dessen Erwerbstätigkeit Werbungskosten anfallen, die diese geringfügige Vergütung weiter mindern. In diesen Fällen darf nach dem Sinn und Zweck der Unterhaltsfreibetragsregelung nur das um einen Erwerbstätigenfreibetrag verminderte Einkommen des Ehegatten berücksichtigt werden, da nur dieses für den Unterhalt tatsächlich verwandt werden kann. Ausgehend von dieser Rechtslage war das zur Verfügung stehende Einkommen der Ehegattin des Klägers auf 222,50 EUR zu beziffern. Von dem ursprünglich durch die Ehefrau bezogenen monatlichen Arbeitsentgelt in Höhe von 396,50 EUR ist der Erwerbstätigenfreibetrag in Höhe von 174,00 EUR in Abzug zu bringen. Bei der Berechnung des Ehegattenfreibetrages waren mithin 222,50 EUR als eigenes Einkommen der Ehefrau des Klägers gemäß § 115 Abs. 1 S. 7 ZPO zu berücksichtigen, so dass sich der Ehegattenfreibetrag im Sinne von § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 a ZPO in Höhe von aktuell 382,00 EUR um 222,50 EUR vermindert. Infolgedessen ist ein verbleibender Unterhaltsfreibetrag für die Ehefrau des Klägers in Höhe von 159,50 EUR in Ansatz zu bringen. Da nach alledem kein anrechenbares Einkommen des Klägers mehr verbleibt, war der angefochtene Beschluss des Arbeitsgerichts aufzuheben, so dass entsprechend dem infolgedessen geltenden Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.01.2007 dem Kläger auch weiterhin Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung bewilligt ist. Die Rechtsbeschwerde wurde für die Landeskasse gemäß §§ 78 S. 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen, da die Frage, wie das Ehegatteneinkommen im Zusammenhang mit § 115 Abs. 1 S. 7 ZPO berechnet werden muss, von grundsätzlicher Bedeutung ist.

Ende der Entscheidung

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