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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 22.07.2005
Aktenzeichen: 8 Sa 198/05
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 2 lit. (b)
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO § 256
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 613 Abs. 5
BGB § 613 a
BGB § 613 a Abs. 5
BGB § 613 a Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 8 Sa 198/05

Entscheidung vom 22.07.2005

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 13.01.2005 - 2 Ca 12119/04 - in Ziffer 1) wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 4 %, die Beklagte 96 % zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin nach einem gegen den Insolvenzverwalter der Firma A. & Co. KG erfolgreich geführten Kündigungsschutzprozess einen Beschäftigungsanspruch und Vergütungsansprüche gegen die nunmehr verklagte Betriebserwerberin durchsetzen kann.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 13.01.2005 - 2 Ca 1219/04 - wird gemäß §§ 69 Abs. 2 ArbGG, 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat im vorerwähnten Urteil festgestellt, dass zwischen der Klägerin und der Firma A. & Co. KG, A-Stadt bestehende Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 01.04.2004 auf die Beklagte übergegangen ist, die Beklagte zur Beschäftigung der Klägerin als Arbeiterin in der Putzerei oder einem vergleichbaren Arbeitsplatz verurteilt und des weiteren Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug für die Zeit von April bis Dezember 2004 abzüglich auf das Arbeitsamt übergegangener Ansprüche zuerkannt.

Zur Begründung wurde ausgeführt, es läge ein klassischer Betriebsübergang vor. Ein schriftlicher Widerspruch gegen den Betriebsübergang sei durch die Klägerin nicht erfolgt. Durch das gesetzlich vorgesehene Schriftformerfordernis sei ein konkludenter Widerspruch ausgeschlossen. Das Fortsetzungsverlangen müsse auch nicht unverzüglich gegenüber dem Betriebserwerber geltend gemacht werden. Dies sei nur dann der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Betriebsübergang geendet hätte. Die Zahlung zur Vergütung sei aus Annahmeverzug gerechtfertigt. Die Höhe sei unstreitig.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Seite 7 (= Bl. 78 d. A.) des Urteils Bezug genommen.

Gegen das der Beklagten am 03.02.2005 zugestellte Urteil richtet sich deren am 03.03.2005 eingelegte und am 04.04.2005 begründete Berufung.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt,

für den Feststellungsantrag zu einem Betriebsübergang fehle es an dem besonderen Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO, da der Übergang und damit der Bestand des Arbeitsverhältnisses unabdingbare Voraussetzung für die Verurteilung zur Beschäftigung und die Zuerkennung der restlichen Arbeitsvergütung sei.

Im Übrigen habe die Klägerin dem Betriebsübergang auch widersprochen. Das Verb "kann" im Sinne von § 613 a Abs. 6 BGB sei auf das Merkmal "widersprechen" zu beziehen; daher sei ein Widerspruch auch in anderer als in Schriftform zulässig. Ein solcher läge in der Erhebung der Klage gegen den veräußernden Arbeitgeber. Der Gesetzgeber habe hinsichtlich des Widerspruchsadressaten eine Wahlmöglichkeit. Im Übrigen hätte die Klägerin das Fortsetzungsverlangen auch nicht unverzüglich entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 12.11.1998 - 8 AZR 265/97 - gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 04.04.2005 (Bl. 117 bis 121 d. A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

Zurückweisung der Berufung

und erwidert,

die Behauptung, der Betriebsteil, in welchem die Klägerin als Putzerin beschäftigt gewesen sei, sei nicht auf die Beklage übergegangen, sei unrichtig, weil es eine Abteilung "Putzerei" nicht gegeben habe. Putzerei, Schleiferei und Kontrolle bildeten eine Einheit, die einer Halle untergebracht gewesen sei, unter einer Leitung gestanden habe und innerhalb derer die Arbeitnehmer nach Bedarf problemlos ausgetauscht werden konnten (Beweis: Zeugnis U., V., W.). Die Beklagte habe sogar neue Arbeitnehmer in der Putzerei eingestellt. Ihr sei es verwehrt, bei einem Betriebsübergang einzelne Arbeitsplätze auszunehmen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei auch zum 01.04.2004 auf die jetzige Beklagte übergegangen. Nach den Vorentscheidungen des Arbeitsgerichts und Landesarbeitsgerichts sei das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Übergangs ungekündigt gewesen. Die Klägerin sei zudem wegen der Kündigung zu einem Termin vor dem Betriebsübergang verpflichtet gewesen, die Klage gegen den Insolvenzverwalter zu erheben und fortzuführen. Von einem Widerspruch könne daher nicht ausgegangen werden. Im Übrigen habe die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 23.04.2004 ausdrücklich als neue Arbeitgeberin in Anspruch genommen. Im ungekündigten Arbeitsverhältnis habe es zudem auch keine Geltendmachung des Fortsetzungsverlangens bedurft. Die in § 613 Abs. 5 BGB vorgeschriebene Unterrichtung der Klägerin gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbeantwortung wird auf den Schriftsatz vom 30.05.2005 (Bl. 147 bis 153 d. A.) Bezug genommen. Auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 22.07.2005 wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 2 lit. (b) ArbGG statthaft. Sie ist gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt, sowie begründet worden. Sie ist insgesamt zulässig.

II.

1.

Die Berufung der Beklagten ist begründet, soweit sie beanstandet, dass für die Feststellung des Bestehens eines Übergangs des Arbeitsverhältnisses kein besonderes Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO besteht. Allgemein wird auch in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, dass die Feststellungsklage subsidiär sei (vgl. Zimmerling in Schwab/Weth, ArbGG § 46 Rz. 72 m.w.N. auf BAG Urteil vom 18.03.1997 - 9 AZR 84/96 = NZA 1997, 1168; GMPM/Germelmann, ArbGG, § 46 Rz. 46; GK-ArbGG/Schütz § 46 Rz. 165; Grunsky, § 46 Rz. 22; Hauck/Helml, § 46 Rz. 36; aA aus pragmatischen Erwägungen: Zimmer ZTR 1998, 449).

Das besondere Feststellungsinteresse ist allgemein zu verneinen, wenn der Kläger sein Ziel (auch) mit einer Leistungsklage erreichen kann (vgl. BGH Urteil vom 11.12.1996 - VIII ZR 154/95 = NJW 1997, 701).

Im vorliegenden Fall ist - wie die Beklagte zutreffend sieht - Voraussetzung für die zuerkannte Verurteilung zur Beschäftigung und die Zuerkennung der restlichen Arbeitsvergütung das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit der in Anspruch genommenen Beklagten. Es handelt sich hierbei um eine notwendige Tatbestandsvoraussetzung. Kann das besondere Feststellungsinteresse nicht bejaht werden, ist die Klage als unzulässig ohne Sachprüfung abzuweisen (vgl. Zimmerling, aaO, § 46 Rz. 71).

2.

Die weitergehende Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet.

Die Klägerin hat die Beklagte nämlich zutreffend als Passivlegitimierte in Anspruch genommen, denn auf diese ist das Arbeitsverhältnis nach den nicht qualifiziert bestrittenen Feststellungen des Arbeitsgerichts gemäß § 613 a BGB übergegangen. Von einem Widerspruch der Klägerin gegen den Betriebsübergang durch die gegen den veräußernden Insolvenzverwalter erhobene Klage kann entgegen der Auffassung der Berufung nicht ausgegangen werden. Dies ergibt sich daraus, dass die Klägerin wegen der vom Insolvenzverwalter ausgesprochenen Kündigung vor Betriebsübergang verpflichtet war, die Klage gegen diesen zu erheben und fortzuführen. In diesen Fällen bleibt der Arbeitgeber passivlegitimiert (vgl. zutreffend Preis, ErfK § 613 a Rz. 70 m.w.N. auf BAG Urteil vom 18.03.1999 - AP Nr. 44 zu § 4 KSchG 1969). Gleichgültig ist hierbei, ob das Arbeitsverhältnis vor oder nach dem Betriebsübergang endet oder ob der Betrieb vor und/oder nach Rechtshängigkeit der Klage auf den Erwerber übergegangen ist.

Soweit die Berufung ein Fehlen des unverzüglichen Fortsetzungsverlangens der Klägerin im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 12.11.1998 - 8 AZR 265/97 - = NZA 1999, 311 beanstandet, hat die Klägerin zutreffend eingewandt, dass die in § 613 a Abs. 5 BGB vorgeschriebene Unterrichtung der Klägerin nicht erfolgt ist. Nach dieser Bestimmung muss der neue Inhaber den von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer in Textform über den Zeitpunkt des Übergangs, den Grund, die Folgen und die in Aussicht genommene Maßnahme unterrichten.

Weitere Angriffe zu den Feststellungen des Arbeitsgerichts zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 613 a BGB fehlen ebenso, wie solche zu dem zuerkannten Beschäftigungsanspruch. Auch ist die Höhe der zuerkannten Forderung unter Berücksichtigung der auf das Arbeitsamt übergegangenen Ansprüche nicht weiter beanstandet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 92 ZPO.

Von der Zulassung der Revision wurde mangels grundsätzlicher Bedeutung abgesehen (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision anzufechten (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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