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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 15.08.2007
Aktenzeichen: 8 Sa 293/07
Rechtsgebiete: KSchG, ArbGG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
KSchG § 9
KSchG § 9 Abs. 1 Satz 2
ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02.03.2007, Az: 2 Ca 1137/06, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier ordentlicher Kündigungen.

Der am 18.07.1970 geborene Kläger war seit dem 01.09.2001 bei der Beklagten als technischer Angestellter beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.

Mit Schreiben vom 27.04.2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.05.2006. Eine weitere ordentliche Kündigung erfolgte mit Schreiben der Beklagten vom 03.05.2006 zum 30.06.2006. In beiden Schreiben verweist die Beklagte zur Begründung der Kündigung auf die "momentane Auftragslage".

Gegen diese Kündigungen richtet sich die vom Kläger am 18.05.2006 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage.

Der Kläger hat erstinstanzlich u. a. vorgetragen, die Kündigungen seien in Ermangelung eines Kündigungsgrundes sozial ungerechtfertigt. Ein Rückgang des Arbeitsvolumens bzw. der Arbeitsmenge sei in dem ihm obliegenden Aufgabenbereich nicht eingetreten. Darüber hinaus sei die von der Beklagten getroffene Sozialauswahl fehlerhaft.

Der Kläger hat beantragt,

1. es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 27.04.2006 zum 31.05.2006 noch durch die Kündigung vom 03.05.2006 zum 30.06.2006 aufgelöst wurde,

2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Technischer Angestellter weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, um kostendeckend arbeiten zu können, benötige sie - bei Weiterbeschäftigung aller der bei ihr bei Kündigungsausspruch tätigen 65 Arbeitnehmer - ein Jahresauftragsvolumen von 8 bis 9 Millionen Euro. Während der Umsatz im Jahr 2004 ca. 7 Millionen Euro und im Jahr 2005 ca. 7,1 Millionen Euro betragen habe, belaufe sich der zu erwartende Umsatz für das Jahr 2006 hingegen unter Zugrundelegung des aktuellen und des zu erwartenden Auftragsbestandes auf lediglich insgesamt 2,25 Millionen Euro. Aufgrund dieser Auftragslage sei die Entlassung von insgesamt 26 Arbeitnehmern erforderlich gewesen. Dies beträfe auch die Abteilung Kalkulation, in welcher der Kläger gearbeitet habe. In dieser Abteilung sei die Anzahl der Beschäftigten von bislang drei auf nunmehr zwei Angestellte reduziert worden. Eine Weiterbeschäftigung von insgesamt drei Kalkulatoren sei aufgrund der Auftragslage ausgeschlossen. Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestehe nicht. Die getroffene Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 02.03.2007 in vollem Umfang stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 bis 9 dieses Urteils (= Bl. 83 bis 87 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 12.04.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04.05.2007 Berufung eingelegt und diese am 11.06.2007 begründet.

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, den streitbefangenen Kündigungen läge eine unternehmerische Entscheidung zugrunde, die weder unsachlich noch willkürlich sei. Das Objektgeschäft Bau Natursteinfassadenverkleidung, welches den größten Teil ihres Geschäftes ausmache und von welchem das Unternehmen auch umsatzmäßig im Wesentlichen getragen werde, sei überraschend zum Ende des Jahres 2005 völlig eingebrochen. Unter Berücksichtigung des Auftragsbestandes zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs sei für das Jahr 2005 lediglich ein Auftragsvolumen von insgesamt 2,25 Millionen Euro zu erwarten gewesen. Hiervon seien bis zum 26.05.2006 nur 407.000 Euro tatsächlich erwirtschaftet worden. Dem gegenüber habe sich der Umsatz im Jahr 2004 noch auf ca. 7 Millionen Euro und im Jahr 2005 auf ca. 7,1 Millionen Euro belaufen. Dies zeige, dass der Umsatz im Jahr 2006 um 70 % zurückgegangen sei. Um bei einer Beschäftigung von insgesamt 65 Mitarbeitern insgesamt noch kostendeckend und gewinnbringend arbeiten können, werde ein Jahresauftragsvolumen von ca. 8 Millionen Euro jährlich effektiv benötigt. Sie - die Beklagte - habe im Jahr 2006 daher vor der Situation gestanden, dass aufgrund des Auftragsbestandes bei einer Weiterbeschäftigung von 65 Arbeitnehmern ein Verlust in Höhe von ca. 5 Millionen Euro für das betreffende Jahr zu erwarten gewesen sei. Im Jahr 2004 habe man insgesamt 24 Großaufträge und im Jahr 2005 26 Großaufträge bearbeitet. Im Jahr 2006 habe man hingegen lediglich 4 Großaufträge erhalten. Es sei deutlich geworden, dass die nunmehr wesentlich geringere Zahl an Großaufträgen auch durch eine geringere Anzahl von Mitarbeitern und zwar in allen Abteilungen des Unternehmens und in allen Werken bearbeitet werden könne. Es sei offensichtlich, dass zur Bearbeitung von vier Großaufträgen weniger Mitarbeiter erforderlich seien als zur Bearbeitung von 24 oder 26 Großaufträgen. Der zu erwartende Verlust von ca. 5 Millionen Euro sei nicht hinnehmbar gewesen, so dass sie die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, ihren Personalbestand an die Auftrags- und Umsatzsituation anzupassen und in Umsetzung dieser Entscheidung insgesamt 26 Arbeitnehmer zu entlassen. Deshalb sei von den drei in der Abteilung Kalkulation tätigen Kalkulatoren einem Arbeitnehmer, nämlich dem Kläger, gekündigt worden. Im gesamten Unternehmen sei der Personalbestand dem Arbeitskräftebedarf angepasst worden. Dies sei die einzig mögliche unternehmerische Entscheidung gewesen, mit dem einem drohenden Verlust von mehr als 5 Millionen Euro im Jahr 2006 überhaupt habe entgegen gewirkt werden können. Der rückläufige Auftragsbestand bedinge, dass selbstverständlich dort, wo die Auftragsbearbeitung beginne, nämlich in der Kalkulation, Arbeitsplätze entfielen. Zwangsläufig sei daher auch in der Abteilung Kalkulation ein Personalabbau vorzunehmen gewesen. Der Auftragsbestand könne von den beiden verbleibenden Kalkulatoren hinreichend abgedeckt werden. Einsatzmöglichkeiten des Klägers in anderen Bereichen seien nicht gegeben. Auch sei die getroffene Sozialauswahl korrekt. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr unzumutbar, da weder ein konkreter Bedarf noch überhaupt eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestehe. Es werde daher (hilfsweise) die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung begehrt. Die nunmehr bestehende Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf die Berufung und den Auflösungsantrag entspreche derjenigen, die vor Verkündung des erstinstanzlichen Urteils bestanden habe und begründe daher ein schutzwürdiges Interesse an der Nichtbeschäftigung des Klägers, so dass auch eine vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers nicht mehr in Betracht komme.

Die Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts vom 02.03.2007, Az: 2 Ca 1137/06, abzuändern und die Klage abzuweisen,

2. hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, gemäß § 9 KSchG aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht im Wesentlichen geltend, das von der Beklagten vorgetragene Zahlenmaterial bezüglich Umsatzrückgang, Zahl der Großaufträge und drohendem Verlust, welches nach wie vor mit Nichtwissen bestritten werde, belege nicht ansatzweise, dass sich die Arbeitsmenge im Bereich der Kalkulation verändert habe. Wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, seien in der Kalkulationsabteilung allein bis Mai 2006 eine Vielzahl von Aufträgen mit einem Auftragsvolumen von über 3 Millionen Euro kalkuliert und angeboten worden. Mit einem Rückgang der tatsächlich erhaltenen Aufträge müsse nicht zwangsläufig auch eine Arbeitsmengenreduzierung im Bereich der Kalkulation einhergehen. Vielmehr sei es so, dass in Zeiten schwacher Konjunktur mehr Angebote zu erstellen und daher auch zu kalkulieren seien, um weitere Aufträge zu erhalten. Die unsubstantiierte Behauptung der Beklagten, sie benötige in der Abteilung Kalkulation nur noch zwei Mitarbeiter, werde daher bestritten.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die von den Parteien im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I.

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Auch der von der Beklagten im Berufungsverfahren hilfsweise gestellte Antrag, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, erweist sich als unbegründet.

II.

1. Die Kündigungsschutzklage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch keine der beiden streitbefangenen ordentlichen Kündigungen aufgelöst worden. Beide Kündigungen sind vielmehr gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam, da sie nicht durch Gründe der in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt sind.

Betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung i. S. von § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z. B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z. B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. In der Regel entsteht das inner- oder außerbetrieblich veranlasste Erfordernis für eine Kündigung i. S. von § 1 Abs. 2 KSchG nicht unmittelbar und allein durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (Auftragsrückgang usw.), sondern aufgrund einer durch wirtschaftliche oder technische Entwicklungen veranlassten Entscheidung des Arbeitgebers (unternehmerische Entscheidung). Diese Entscheidung begründet ein dringendes betriebliches Erfordernis i. S. von § 1 Abs. 2 KSchG, wenn sie sich konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirkt (BAG v. 18.10.2006 - 2 AZR 676/05 - NZA 2007, 798 ff., m.w.N.). Ist eine derartige unternehmerische Entscheidung getroffen worden, so ist sie nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG v. 17.06.1999 - 2 AZR 141/99 -, AP Nr. 101 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die beiden streitbefangenen Kündigungen nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sind.

Die Beklagte macht zur Begründung der Kündigungen geltend, sie habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, ihren Personalbestand an die Auftrags- und Umsatzsituation anzupassen. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Beklagte damit überhaupt hinreichend konkret dargelegt hat, wann genau diese Entscheidung und durch wen (Beschluss der beiden Geschäftsführer?) getroffen worden sein soll. Aber selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, die von ihr behauptete Unternehmerentscheidung sei zeitlich und hinsichtlich der sie beschließenden Person (bzw. Personen) hinreichend konkretisiert, so kann die soziale Rechtfertigung der Kündigungen nicht bejaht werden. Die Beklagte hat nämlich nicht ausreichend dargetan, dass infolge bzw. in Umsetzung dieser Entscheidung das Beschäftigungsbedürfnis für zumindest einen Arbeitnehmer im Arbeitsbereich des Klägers, nämlich in der Abteilung Kalkulation, entfallen ist. Zwar war - unter Zugrundelegung des von der Beklagten vorgetragenen Zahlenmaterials - ein zugegebenermaßen drastischer Auftrags- bzw. Umsatzrückgang für das Jahr 2006 zu erwarten. Diesbezüglich erscheint jedoch bereits fraglich, ob dieser Rückgang bereits in dem für die Prüfung der Wirksamkeit einer Kündigung maßgeblichen Zeitpunkt, d. h. bei Kündigungsausspruch, prognostiziert werden konnte. Die von der Beklagten vorgelegte Aufstellung über "laufende/anstehende Bauvorhaben" (Bl. 29 bis 34 d. A.) gibt den Stand vom 26.05.2006 wieder, bezieht sich also auf einen Zeitpunkt nach Kündigungsausspruch. Darüber hinaus ist nicht hinreichend deutlich bzw. erkennbar, auf welcher tatsächlichen Grundlage die Prognose der Beklagten hinsichtlich der für das Jahr 2006 noch zu erwartenden Aufträge beruht. Aber auch dann, wenn man die von der Beklagten behauptete Umsatzprognose als zutreffend und bereits im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs für gegeben erachtet, so führt die unternehmerische Entscheidung, den Personalbestand an den erwarteten Auftragseingang anzupassen, für sich genommen noch nicht zu einem Arbeitskräfteüberhang in der Abteilung Kalkulation. Der Auftrags- bzw. Umsatzrückgang besagt allein noch nichts darüber, ob und insbesondere in welchem Umfang sich der Arbeitsanfall in der betreffenden Abteilung verringert hat und ob dadurch ein Arbeitsplatz entfallen ist oder zumindest nicht mehr voll ausgelastet ist. Der Kläger hat diesbezüglich geltend gemacht, dass seine Abteilung nicht nur mit bereits erteilten Aufträgen, sondern auch mit der Erstellung bzw. Kalkulation von Angeboten befasst ist. Diesem Vorbringen ist die hinsichtlich der Auswirkungen des Umsatzrückgangs bzw. der Unternehmerentscheidung auf die in der Abteilung Kalkulation entfallende Arbeitsmenge darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht entgegen getreten. Soweit die Beklagte vorgetragen hat, der Auftragsrückgang bedinge zwangsläufig die Reduzierung der Arbeitsmenge in der Kalkulation, welche (nunmehr) von den verbleibenden zwei Mitarbeitern "hinreichend abgedeckt" werden könne, so erweist sich dieses pauschale Vorbringen als unsubstantiiert. Aus dem Vorbringen der Beklagten lässt sich nicht ableiten, wie sich der Umsatzrückgang auf den Arbeitsanfall in ihrem Betrieb insgesamt und insbesondere in der Kalkulationsabteilung auswirkt. Demgemäß kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Unternehmerentscheidung, den Personalbestand dem Auftragsvolumen anzupassen, zu einem Überhang an Arbeitskräften in der betreffenden Abteilung führt, was jedoch für die Bejahung eines dringenden betrieblichen Erfordernisses i. S. von § 1 Abs. 2 KSchG erforderlich wäre.

Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, ihre unternehmerische Entscheidung, den Personalbestand um insgesamt 26 Mitarbeiter zu reduzieren und dabei auch einen Arbeitsplatz in der Abteilung Kalkulation abzubauen, führe - unabhängig von den konkreten Auswirkungen des Auftragsrückganges - zu einem Wegfall des Bedürfnisses, den Kläger zu beschäftigen. Zwar trifft es zu, dass es zu der dem Unternehmer obliegenden Organisation und Gestaltung des Betriebes gehört, die Stärke der Belegschaft festzulegen, so dass eine Unternehmerentscheidung auch darin liegt, künftig auf Dauer mit weniger Personal zu arbeiten. Sind jedoch die Unternehmerentscheidung und der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers praktisch deckungsgleich, so kann die Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht von vornherein greifen. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber vielmehr darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen, d. h. es geht um die Darlegung einer näher konkretisierten Prognose der Entwicklung aufgrund außerbetrieblicher Faktoren oder unternehmerischer Vorgaben und wie diese Arbeiten von dem verbliebenen Personal ohne überobligatorische Leistungen erledigt werden können. Der Arbeitgeber muss im Kündigungsschutzprozess konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Verringerung der Produktion auf die Arbeitsmenge auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Arbeitskräfteüberhang entsteht (BAG v. 17.06.1999 - 2 AZR 141/99 -, AP Nr. 101 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Im Streitfall hat die Beklagte - wie bereits ausgeführt - nicht ausreichend dargetan, ob und in welchem Umfang sich der behauptete Auftrags- bzw. Umsatzrückgang im Arbeitsbereich des Klägers auswirkt. Die Kündigungen sind daher nicht bereits infolge der mit dem Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleichen Entscheidung, Personal zu reduzieren, durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und daher sozial gerechtfertigt.

2. Der Antrag der Beklagten, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, ist nicht begründet.

Die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers setzt gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG voraus, dass Gründe vorliegen, die einer den Betriebzwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Diesbezüglich kommen Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Wertung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, seiner Leistungen oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern und dem Unternehmer betreffen. Umstände dieser Art sind vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich. Wirtschaftliche Schwierigkeiten und andere betrieblichen Gegebenheiten (wie von der Beklagten geltend gemacht), die keinen Bezug zur Person oder zum Verhalten des Arbeitnehmers haben, reichen als Auflösungsgrund nicht aus (vgl. Kiel, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 7. Auflage, § 9 KSchG, Rz. 23, m.w.N.).

3. Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers ist ebenfalls begründet.

Da der Kläger mit seinem Kündigungsantrag obsiegt und keine besonderen Umstände vorliegen, die ein überwiegendes Interesse der Beklagten begründen, ihn nicht weiter zu beschäftigen, hat er einen Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits (BAG GS v. 27.02.1985, EzA, § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9).

III.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genanten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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