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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 06.10.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 457/06
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 64
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 64 Abs. 6 S. 1
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 540
BGB § 626 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 8 Sa 457/06

Entscheidung vom 06.10.2006

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 27.04.2006 - 10 Ca 2967/05 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung.

Der am 03.05.1964 geborene Kläger, der geschieden ist, war seit dem 01.11.1995 bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern als Vertriebsmitarbeiter beschäftigt. Seit 01.09.2003 wurde er als nationaler Key-Account-Manager mit einer Bruttovergütung von zuletzt 5.730,00 EUR eingesetzt. Die Beklagte beschäftigt ca. 750 Arbeitnehmer. Es besteht ein Betriebsrat. Der Kläger selbst hat sein Arbeitsverhältnis am 15.08.2005 zum 31.12.2005 gekündigt.

Die Beklagte sprach dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 18.11.2005, dem Kläger am 19.11.2005 zugegangen, eine außerordentliche Kündigung aus.

Hinsichtlich des Kündigungssachverhaltes wird auf die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 27.04.2006 - 10 Ca 2967/05 -, ergänzt um das nachfolgend dargestellte Berufungsvorbringen, Bezug genommen. Gleiches gilt hinsichtlich der erstinstanzlich gestellten Anträge.

Das Arbeitsgericht Mainz hat im vorerwähnten Urteil die Klage gegen die außerordentliche Verdachtskündigung abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die von der Beklagten vorgetragenen Indizien für einen hinreichenden Verdacht einer schweren Arbeitsvertragsverletzung des Klägers ausreichten. Unstreitig hätten sich die drei ehemaligen Vertriebsmitarbeiter V., U. und T., die mittlerweile in anderen Unternehmen der Getränkebranche beschäftigt seien, unbefugt in die Telefonkonferenz des Vertriebs der Beklagten eingewählt und dadurch die aktuelle Vertriebsstrategie der Beklagten ausspionieren können. Der Verdacht gegen den Kläger, an dem illegalen Lauschangriff der drei ehemaligen Vertriebsmitarbeiter beteiligt gewesen zu sein, ergäbe sich aus dem Wortlaut der SMS vom 11.11.2005, die der Kläger um 18.54 Uhr an den falschen Empfänger verschickt habe. Der objektive Erklärungswert der Formulierung "S. hat das ganze gemerkt", ließe mit nicht zu übertreffender Deutlichkeit den Schluss zu, dass der Kläger von dem illegalen Lauschangriff gewusst habe und eine Warnung habe abschicken wollen, weil die Aktion aufgeflogen sei, wie die weitere Formulierung "scheint ärger ärger zu geben" belege. Der Verdacht würde nicht durch die Behauptung in Frage gestellt, er - der Kläger - habe die SMS an seinen Kollegen R. verschicken wollen, um ihn zu benachrichtigen, dass es "allgemein Ärger" gebe, weil Herr S. ihn und den Kollegen R. von vorne herein verdächtigt habe. Der Vortrag des Klägers, er habe sich mit Herrn R. abstimmen wollen, sei ein gekünzelter Erklärungsversuch. Der Kläger könne auch den Verdacht, dass er den drei ehemaligen Mitarbeitern zumindest Datum und Uhrzeit der Telefonkonferenz mitgeteilt habe, nicht mit der Behauptung entkräften, die Telefonkonferenzen hätten "regelmäßig alle 14 Tage und zwar immer freitags nachmittags zwischen 16 und 18 Uhr" stattgefunden, weil dem die handschriftlichen Aufzeichnungen der Konferenztermine der Vorstandssekretärin entgegenstünden. Die Interessenabwägung ging auch wegen der nicht gegebenen untergeordneten Funktion des Klägers zu seinen Lasten aus. Auch sei die Zwei-Wochen-Frist gewahrt, da die Kündigung acht Tage nach dem Vorfall dem Kläger zugegangen sei. Auch sei die Betriebsratsanhörung in Ordnung. Den Betriebsrat habe man am 16.11.2005 informiert, dass sich am 11.11.2005 drei ehemalige Mitarbeiter in die Telefonkonferenz eingewählt hätten; auch über den Inhalt der SMS des Klägers vom 11.11.2005 sei zutreffend informiert worden. Aus Sicht der Beklagten hätten keine den Kläger entlastenden Informationen vorgelegen, die dem Betriebsrat vorenthalten worden seien.

Gegen das dem Kläger am 16.05.2005 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 13.06.2006 eingelegte Berufung, die am 17.07.2006 innerhalb der Berufungsbegründungsfrist entsprechend begründet wurde.

Der Kläger bringt zweitinstanzlich weiter vor, das Wissen um das Mithören der Telefonkonferenz bzw. ein pflichtwidriges Verhalten Dritter ließe nicht den Schluss zu, dass man an diesem beteiligt gewesen sei. Er - der Kläger - habe vorgetragen, dass er von einem anderen Mitarbeiter der Beklagten, Herrn Q., erfahren habe, dass Herr S. ihn und Herrn R. in Verdacht hätte, Informationen über den Zeitpunkt der Konferenz nach außen weitergegeben zu haben. Sein - des Klägers - Ziel sei es gewesen, mit Herrn R. das weitere Vorgehen abzustimmen. Er - der Kläger - würde durch seinen Vorgesetzten S. gemobbt. Dies würde durch die Tatsache bestätigt, dass Herr S. den Kläger auch schon vor dem Versand der SMS verdächtigt habe. Hierzu sei im Schriftsatz vom 08.03.2006 vorgetragen. Der Wortlaut einer SMS sei eine Geschmacksfrage; entsprechende Nachrichten würden allgemein knapp gehalten. Es seien nicht weniger als 30 Personen in Betracht gekommen, die vom Zeitpunkt der Telefonkonferenz Kenntnis gehabt hätten. Wenigstens die Mitarbeiter P., O., R. und Q. hätten Kontakt zu drei ehemaligen Mitarbeitern gehabt. Insofern hätte es sich der Beklagten geradezu aufdrängen müssen, die anderen Mitarbeiter zu dem Vorfall zu befragen. Daher seien die notwendigen Maßnahmen zur Aufklärung nicht erfolgt und die angebotenen Beweise nicht berücksichtigt. Die Herren V., U. und T. hätten Herrn S. mitgeteilt, dass sie den Zeitpunkt der Konferenz von keinem Mitarbeiter der Beklagten erhalten hätten. Diese entlastende Wirkung überginge das Arbeitsgericht. Im übrige habe der Zeuge S. die telefonische Befragung der drei ehemaligen Mitarbeiter gegenüber dem Betriebsrat inhaltlich falsch dargestellt. Insoweit sei der Betriebsrat unvollständig und falsch informiert worden. Verhielte es sich so, wie der Kläger zur Auskunft der drei ehemaligen Mitarbeiter vorgetragen habe, dann hätte die Beklagte wissentlich unterschlagen, diesen, den Kläger entlastenden, Vortrag dem Betriebsrat mitzuteilen.

Hinsichtlich des weiteren Berufungsvorbringens wird auf den Schriftsatz des Klägers von 17.07.2006 (Bl. 104 - 109 d. A.) und dessen späteren Ergänzungen im Schriftsatz von 28.09.2006 (Bl. 122 - 128 d. A.) nebst der vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

unter Abänderung des am 27.04.2006 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Mainz, Az.: 10 Ca 2967/05, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnis vom 18.11.2005 am 19.11.2005 beendet wurde.

Die Beklagte hat,

Zurückweisung der Berufung

beantragt und erwidert, beim Vorbringen des Klägers zu einem Abstimmen des weiteren Vorgehens mit Herrn R., stelle sich die Frage, was abzustimmen gewesen sei, wenn der Kläger mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun gehabt haben möchte. Der Vortrag des Klägers zu einem Mobbing sei haltlos und unsubstantiiert. Der Kläger selbst habe die Inhalte der Telefonkonferenz durch seine persönliche Teilnahme mitbekommen; deshalb sei sein Vortrag zum Anruf eines Kollegen mit dem Inhalt, dass Herr S. bemerkt habe, dass sich ein Fremdteilnehmer eingewählt hatte und zur Reaktion mit der SMS ein gekünzelter Erklärungsversuch. Auf die Aussagen der Zeugen V., U. und T. käme es nicht an; im übrigen habe die Beklagte alles Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhaltes unternommen und insbesondere eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung durchgeführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbeantwortung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 23.08.2006 (Bl. 117 - 119 d. A.) Bezug genommen.

Im weiteren wird auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 06.10.2006 (Bl. 129 - 131 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung des Klägers ist gem. § 64 ArbGG statthaft. Die Berufung ist nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt, sowie begründet worden. Sie ist insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das mit dem Kläger seit 01.11.1995 bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 18.11.2005 beendet wurde, weil die von der Beklagten vorgetragenen Indizien, den Schluss auf das Vorliegen einer schweren Arbeitsvertragsverletzung des Klägers und damit einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB abgeben.

Um Wiederholungen zu vermeiden, nimmt die Kammer gem. §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 540 ZPO auf diesbezüglich begründenden Teil des angefochtenen Urteils Bezug, stellt dies ausdrücklich fest und sieht hier unter Übernahme der Entscheidungsgründe von einer weiteren Darstellung ab.

Die Angriffe der Berufung geben Veranlassung zu folgenden ergänzenden Ausführungen, durch das Berufungsgericht:

1. Soweit die Berufung ausführt, dass das Wissen des Klägers um das Mithören in der Telefonkonferenz bzw. ein pflichtwidriges Verhalten Dritter nicht den Schluss zuließe, dass der Kläger an diesem beteiligt gewesen sei, wird übersehen, dass das Arbeitsgericht seine Feststellungen insbesondere aus dem Inhalt der versehentlich falsch adressierten SMS des Klägers ("S. hat das ganze gemerkt scheint ärger zu geben melde dich bitte 01234-567890 ist privat") gewonnen hat. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interpretation des Inhaltes der SMS ist absolut nachvollziehbar. Insoweit vermag auch die Behauptung des Klägers, dass er von einem anderen Mitarbeiter der Beklagten, Herrn Q. erfahren habe, dass Herr S. ihn und Herrn R. in Verdacht hätte, Informationen über den Zeitpunkt der Konferenz nach außen weiter gegeben zu haben, zu keiner anderen Beurteilung zu führen. Hier ist der Einwand der Beklagten richtig, dass die Frage offen bleibt, welches weitere Vorgehen mit Herrn R. abzustimmen gewesen wäre, wenn der Kläger mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun gehabt hat. Es kommt hinzu, dass Herr R. zu der besagten Telefonkonferenz eingeladen war und er demgemäß die Feststellungen von Herrn S. während der Konferenz zu einem Aufschalten Dritter Personen mitbekommen haben dürfte, ebenso wie der Kläger.

2. Auch das weitere Berufungsvorbringen enthält keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil des Arbeitsgerichts begründen könnten. Aus Sicht der Beklagten war es wegen der Eindeutigkeit des Inhalts der SMS nicht zwingend nötig und - unzumutbar, die Mitarbeiter P., O., R. und Q. im weiteren zu befragen. Insoweit genügt die nach der Rechtssprechung (vgl. APS-Dörner, Großkommentar zum Kündigungsrecht, § 626 BGB Rz. 348 m. w. N. auf BAG Urteil vom 13.09.1995 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 25 = NZA 1996, 81) geforderte Anhörung des Arbeitnehmers, die entsprechend erfolgte. Aus vorgenannten Gründen kommt es auf die weiter von der Berufung aufgestellten Behauptung, die Herren V., U. und T. hätten Herrn S. mitgeteilt, dass sie Zeitpunkt der Konferenz von keinem Mitarbeiter der Beklagten erhalten hätten, nicht an. Es liegt auf der Hand, dass sich unbefugt in die Telefonkonferenz eingewählte ehemalige Mitarbeiter der Beklagten der Gefahr einer Strafbarkeit nach den Bestimmungen des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (§ 17 UWG) ausgesetzt und sie bei anderen Aussagen eine Mittäterschaft des Klägers oder anderer Mitarbeiter der Beklagten begründet hätten. Der Arbeitgeber hätte bei einer Befragung nichts anderes als negative Auskünfte der drei ehemaligen Mitarbeiter erwarten können; sie war daher unzumutbar. Ein formeller Verstoß im Rahmen des Ausspruchs der Verdachtskündigung kann insgesamt nicht angenommen werden.

3. Aus vorgenannten Gründen kann die Berufung auch nicht mit einer unvollständig oder falschen Information des Betriebsrats argumentieren. Die Darstellung der Beklagten, wonach gegenüber dem Kläger der Verdacht der Ermöglichung eines rechtswidrigen Mithörens der Gesprächsinhalte der Telefonkonferenz begründet war, ist unter dem von der Rechtssprechung entwickelten Aspekt der sogenannten subjektiven Determination (APS-Koch, aaO. § 102 BetrVG Rz. 88 m. w. N.) in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht zutreffend.

4. Schließlich vermag auch der Vortrag zu einem Mobbing des Klägers durch den Vorgesetzten S. zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhaltes führen. Soweit der Vortrag zur "Rückstufung des Klägers vom nationalen zum regionalen Key-Account-Manager berücksichtigungsfähig ist und dies überhaupt als Mobbing bewertbar wäre, bleibt festzustellen, dass kein zwingender Zusammenhang mit der dem Kläger verdachtsmäßig zugerechneten Verhaltensweise besteht. Der Inhalt der fehlgeleiteten SMS des Klägers erfährt hierdurch keine andere Bewertung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

IV.

Für die Zulassung der Revision bestand angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Notwendigkeit. Die bisher entwickelten Rechtssprechungsgrundsätze reichen für die Bewertung des vorliegenden Falles vollständig aus.

Ende der Entscheidung

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