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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 10.11.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 526/06
Rechtsgebiete: EFZG, ArbGG, ZPO, KSchG


Vorschriften:

EFZG § 8
EFZG § 8 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 64 Abs. 6 S. 1
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 540
KSchG § 1 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 8 Sa 526/06

Entscheidung vom 10.11.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10. Mai 2006 - 4 Ca 13/06 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um die Frage, ob die klagende Krankenversicherung aus übergegangenem Recht einen Anspruch auf Erstattung von Krankengeld gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber des bei ihr krankenversicherten Arbeitnehmers hat.

Der bei der Klägerin krankenversicherte Arbeitnehmer V. war von der Beklagten zum 05.09.2005 als Bereichsleiter Lager/ Logistik eingestellt worden. Unter Ziffer 11 des Arbeitsvertrages ist die Verpflichtung des Arbeitnehmers enthalten, im Falle einer Arbeitsverhinderung infolge Krankheit oder aus sonstigen Gründen der Firma unverzüglich, spätestens bis zum Dienstbeginn, Mitteilung zu machen. Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung hat der Angestellte der Firma spätestens am 3. Tag der Erkrankung eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen.

Am 19.09.2005 fehlte der Arbeitnehmer V. unentschuldigt. Auf Anruf eines Mitarbeiters der Beklagten erklärte der Arbeitnehmer, dass er sich nicht wohl fühle. Einen Tag später am 20.09. suchte der Arbeitnehmer einen Arzt auf und übersandte der Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis einschließlich Samstag, den 24.09.2005. Am Montag, den 26.09.2005 erschien der Arbeitnehmer weiterhin nicht zur Arbeit und nahm auch keine Unterrichtung der Beklagten vor.

Ferner meldete er sich ebenfalls nicht am 27.09.2005. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 11.10.2005.

Für die Zeit vom 12.10.2005 bis 13.11.2005 gewährte die Klägerin an den Arbeitnehmer der Beklagten Krankengeld in Höhe von insgesamt 1.518,33 EUR.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten,

die Erstattungsverpflichtung der Beklagten hinsichtlich des gewährten Krankengeldes bestünde, da Anlass der Kündigung die Arbeitsunfähigkeit des bei ihr krankenversicherten Arbeitnehmers V. gewesen sei. Die Kündigung stünde im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dessen Erkrankung.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 1.518,33 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.12.2005 sowie weitere Kosten und Auslagen in Höhe von € 10,- zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich,

Klageabweisung beantragt und erwidert,

der Arbeitnehmer V. sei wegen unentschuldigtem Fehlen gekündigt worden. Bereits nach einer Woche Arbeit habe sich die Beklagte aufgrund der schlechten Leistungen des Arbeitnehmers eine Frist von längstens bis zum Monatsende gesetzt, die dem Arbeitnehmer noch zur Bewährung zugebilligt werden sollte.

Das Arbeitgericht Koblenz hat durch Urteil vom 10.05.2006 - 4 Ca 13/06 - die Zahlungsklage auf Krankengeld aus übergegangenem Recht abgewiesen, weil es sich nicht um eine Kündigung aus Anlass einer Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters V. gehandelt habe. Zwar würde nach der älteren Rechtssprechung des BAG der Anscheinsbeweis für das Vorliegen einer Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit im Hinblick auf das Nichtabwarten der Wartefrist von drei Kalendertagen anzunehmen sein und in der Literatur teilweise vertreten, dass sich der Arbeitgeber nicht auf die Unkenntnis der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit berufen könne, wenn er nicht abwarte, ob ihm der Arbeitnehmer die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit innerhalb eines Tages, an dem er die Arbeit hätte wieder aufnehmen müssen, mitteile; denn die Beklagte habe den Anscheinsbeweis erschüttert. Für die Kündigung sei nach dem Vortrag der Beklagten die Verletzung der Anzeigepflicht maßgeblich gewesen. Es sei anerkannt, dass eine Kündigung wegen wiederholter Verletzung der Mitteilungspflichten regelmäßig nicht aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen würde. Der Arbeitnehmer V. habe sich am 19.09.2005 nicht von sich aus arbeitsunfähig gemeldet, sondern sei angerufen worden; auch nach Ablauf der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit habe er sich nicht unverzüglich gemeldet. Der Arbeitnehmer habe die Beklagte, weder am 26.09.2005, noch am Folgetag über die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit informiert. Ob die bestrittene Bewährungsfrist wegen Schlechtleistung ablaufen sei, sei unerheblich.

Zu den Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das vorbezeichnete Urteil Seite 4 bis 9 = Bl. 49 bis 59 d. A. Bezug genommen.

Gegen das der Klägerin am 07.06.2006 zugestellte Urteil, wurde am 06.07.2006 Berufung eingelegt, die am 01.08.2006 begründet wurde.

Die Klägerin bringt zweitinstanzlich weiter vor,

das Arbeitsgericht verkenne den Begriff der Kündigung "aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit" in § 8 EFZG. Der Begriff "Anlass" sei nach der Rechtssprechung des BAG weit auszulegen. Es genüge, wenn die Kündigung ihrer objektive Ursache und wesentliche Bedingung in der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers und den entscheidenden Anstoß für den Kündigungsentschluss gegeben habe. Träten andere Umstände zur bestehenden Arbeitsunfähigkeit hinzu und lösten erst diese den Kündigungsentschluss aus, sei § 8 EFZG gleichwohl anwendbar, wenn diese Umstände im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers stünden. Vom Anlass seien die Kündigungsgründe zu unterscheiden. Die Arbeitsunfähigkeit sei Anlass für die Kündigung, wenn sie die Entscheidung des Arbeitgebers beeinflusst habe. Dies sei im vorliegenden Fall anzunehmen. Aufgrund der Arbeitsunfähigkeit sei dem Arbeitgeber die anvisierte Möglichkeit genommen, dem Arbeitnehmer noch eine Bewährungsfrist bis Ende September 2005 zu geben. Die Pflichtverletzung der unterlassenen Krankmeldung, sei nicht von solchem Gewicht, da der Arbeitnehmer den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit bzw. deren Fortbestehen unstreitig innerhalb der Nachweispflicht nachgeholt habe. Die Beklagte habe noch innerhalb der Nachweisfrist am 27.09.2005 gekündigt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 10.05.2006, Az.: 4 Ca 13/06 zu verurteilen, an die Klägerin 1.518,33 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.12.2005 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

Zurückweisung der Berufung

und erwidert, für die Kündigung sei die wiederholte Verletzung der Anzeigepflicht in Verbindung mit den seit Beginn des Arbeitsverhältnisses mangelhaften Leistungen des Mitarbeiters V. maßgeblich gewesen. Die Leistungsfähigkeit und - Bereitschaft habe insgesamt nicht den Anforderungen genügt. Dem Mitarbeiter habe bis Monatsende noch eine Chance gegeben werden sollen. Während der Bewährungszeit sei es zu einer nachhaltigen Verletzung der Anzeigepflicht am 19.09., 26. und 27.09.2005 gekommen. Im Arbeitsvertrag sei eine diesbezügliche Anzeigepflicht ausdrücklich aufgenommen. Herr U. habe bereits am 19.09. anlässlich seiner Rückfrage beim Kläger auf die Notwendigkeit einer unverzüglichen Meldung hingewiesen.

Zu den Einzelheiten der Berufungsbeantwortung wird auf die Berufungsschrift der Klägerin vom 01.08.2006 Bl. 80 - 84 d. A., hinsichtlich der Berufungsbeantwortung auf den Schriftsatz der Beklagten vom 01.09.2006 Bl. 100 - 102 d. A. sowie sämtliche vorgelegten Unterlagen und die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 10.11.2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung der Klägerin ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit insgesamt zulässig.

II.

In der Sache selbst hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht ist mit zutreffender Begründung zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin kein Anspruch auf Erstattung von gezahltem Krankengeld aus übergegangenem Recht gegenüber der Beklagten zusteht.

Um Wiederholungen zu vermeiden, nimmt die Kammer gemäß §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 540 ZPO auf den diesbezüglich begründenden Teil des angefochtenen Urteils Bezug, stellt dies ausdrücklich fest und sieht unter Übernahme der Entscheidungsgründe hier von weiteren Darstellungen ab.

Die Angriffe der Berufung und die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer geben Anlass zu folgenden Ergänzungen:

1.

Soweit die Berufung der Auffassung ist, das Arbeitsgericht verkenne den Begriff der Kündigung "aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit" in § 8 EFZG und das Merkmal "Anlass" sei nach der Rechtssprechung des BAG (Urteil vom 17.04.2002 - 5 AZR 2/01) weit auszulegen, ist allein zutreffend, dass diese Auffassung zu dem einschlägigen Tatbestandsmerkmal nach der auch von der Berufungskammer für zutreffend gehaltenen Rechtssprechung des BAG vertreten wird. Dies bedeutet - entgegen der weiter geäußerten Auffassung der Klägerin - jedoch nicht zwingend, dass andere zur bestehenden Arbeitsunfähigkeit hinzutretenden und den Kündigungsentschluss auslösenden Umstände zwingend zur Anwendbarkeit des § 8 EFZG führen, wenn die Umstände im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit stehen; denn nach der von der Klägerin zutreffend zitierten Rechtssprechung des BAG kündigt der Arbeitgeber dann aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit, wenn die Arbeitsunfähigkeit wesentliche Bedingung der Kündigung ist, wobei es auf die objektive Ursache und nicht auf das Motiv der Kündigung ankommt (BAG Urteil vom 17.04.2002 - 5 AZR 2/01 m. w. auf BAG Urteil vom 26.10.1971 - 1 AZR 40/71 = BAGE 24,1, Urteil vom 20.08.1980 - 5 AZR 227/79 = BAGE 34, 128, 130 f).

Zunächst ist zu sehen, dass § 8 Abs. 1 EFZG den allgemeinen Grundsatz durchbricht, wonach der Entgeltfortzahlungsanspruch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufhört (vgl. Müller-Glöge, MüKo, BGB 4. Auflage 2005 § 8 EFZG Rz 4) und der Klägerin die entsprechende Darlegungs- und Beweislast für das Gegebensein einer Anlasskündigung zufällt (vgl. Müller-Glöge, aaO. § 8 EFZG Rz 18). Der Vortrag von Hilfstatsachen, die den Anlass begründen sollen, kann jedoch genügen.

Aufgrund der - mangels qualifiziertem Widerspruch - in der Berufungsinstanz zu berücksichtigenden Tatsachenlage ergibt sich, dass andere als krankheitsbedingte Gründe den Kündigungsentschluss der Beklagten bestimmt haben. Hier ist der Vortrag der Beklagten zu berücksichtigen, wonach es während der Bewährungszeit des Arbeitnehmers V. zu einer mehrfachen Verletzung der Anzeigepflicht bei Erkrankung am 19.09., 26.09. und 27.09. trotz entsprechender ausdrücklicher Regelung im Arbeitsvertrag gekommen ist; ferner auch, dass dem Kläger durch Herrn U. vor Augen geführt worden war, dass die Notwendigkeit der unverzüglichen Meldung besteht. Dies spricht dafür, dass die Kündigung wegen Fehlverhaltens bei Krankheit, nicht jedoch aus Anlass der Krankheit ausgesprochen wurde. Insoweit steht die weitere Ausführung der Berufung, die Beklagte habe noch innerhalb der Nachweisfrist am 29.09.2005 gekündigt, nicht entgegen; denn zwischen der Nichtanzeige einer eingetretenen Erkrankung und der verspäteten Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird in der Arbeitsrechtspraxis differenziert. Die mehrfache Verletzung der Anzeigepflicht kann eine Kündigung begründen, zumal sich der Kläger mangels Erfüllung der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG noch nicht im Schutzbereich des Kündigungsschutzgesetzes befunden hat.

III.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision bestand angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Notwendigkeit.

Die bisher entwickelten Rechtssprechungsgrundsätze reichen für die Bewertung des vorliegenden Falles aus und bedürfen insoweit keiner Fortentwicklung.

Ende der Entscheidung

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