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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 24.11.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 627/06
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, KSchG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
KSchG § 1 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 8 Sa 627/06

Entscheidung vom 24.11.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 11.05.2006 - 6 Ca 1167/05 - wird zurückgewiesen.

2. Die Hilfswiderklage der Beklagten wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung, die vereinbarte Dauer einer Befristung, einen Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld und um einen im Laufe des Berufungsverfahrens vom Arbeitgeber verfolgten Beendigungsanspruch.

Der Kläger wurde seit Januar 2004 zunächst mit zwei halbjährlich befristeten Arbeitsverträgen als Maschinenarbeiter von der Beklagten, die 76 Arbeitnehmer hat, beschäftigt. Der unter dem 11.01.2005 geschlossene Arbeitsvertrag sieht als Dauer der Befristung die Zeit vom 26.01.2005 bis 25.07.2006 vor.

Die Beklagte sprach dem Kläger gegenüber eine ordentliche Kündigung mit Schreiben vom 13.12.2005 zum 15.01.2005 (gemeint 2006) aus.

Mit Schreiben vom 23.12.2005 focht die Beklagte die befristete Verlängerung zum 25.07.2006 mit der Begründung an, dass dieses Datum irrtümlicherweise in die Vertragsverlängerung aufgenommen worden sei. Zutreffend wäre das Datum 25.01.2006 einzusetzen gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 11.05.2006 - 6 Ca 1167/05 - (Bl. 92 bis 94 d. A. = S. 3 bis 5 des Urteils) verwiesen. Gleiches gilt für die erstinstanzlich gestellten Anträge.

Das Arbeitsgericht hat im vorerwähnten Urteil auf Unwirksamkeit der Kündigung vom 13.12.2005, auf Fortdauer des Arbeitsverhältnisses über den 25.01.2006, auf Weiterbeschäftigung und die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von 300,-- € brutto erkannt.

Bezogen auf die Kündigung habe die Beklagte das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse nicht ausreichend dargelegt. Es fehle an einem Vortrag dazu, dass durch die Umsetzung einer Unternehmerentscheidung die Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen sei. Allein die Absicht, überwiegend nur befristete Arbeitsverträge abzuschließen, stelle keinen Kündigungsgrund dar. Auch fehle ein Vortrag zur Sozialauswahl.

Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht aufgrund einer Befristung zum 25.01.2006 beendet worden. Es existiere kein schriftlicher Arbeitsvertrag mit einer Befristung zu diesem Datum. Eine Anfechtung ändere hieran nichts. Eine erfolgreiche Anfechtung würde auch nicht dazu führen, dass eine angeblich falsche Frist durch die gewollte ersetzt würde. Der Weiterbeschäftigungsanspruch sei entsprechend begründet; ebenso der Anspruch auf 300,-- € brutto Weihnachtsgeld für 2005.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf S. 6 bis 10 des Urteils (= Bl. 95 bis 99 d. A.) verwiesen.

Gegen das der Beklagten am 10.07.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 10.08.2006 eingelegte und am 08.09.2006 begründete Berufung.

Die Beklagte bringt zweitinstanzlich vor,

das Arbeitsgericht ginge fehl, wenn es von ihr - der Beklagten - konkrete Angaben über die verbleibende Arbeitsmenge verlange. Zur Kündigung sei im Schriftsatz vom 14.03.2006 vorgetragen, dass die Tätigkeit des Klägers komplett aus dem Geschäftsbetrieb ausgelagert werden sollte. Im Rahmen des Outsourcings sei vorgesehen gewesen, ein Leiharbeiterunternehmen mit der Tätigkeit des Klägers zu beauftragen. Die Anfechtung sei - wie im Schriftsatz vom 14.03.2006 dargestellt - wegen irrtümlicher Angabe der Befristung mit dem Datum 25.07.2006 statt 25.01.2006 begründet. Da das Arbeitsverhältnis zum 25.01.2006 beendet sei, stünde dem Kläger auch kein Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld zu.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - 6 Ca 1167/05 - vom 11.05.2006 wird abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen,

hilfsweise,

es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Ablauf des 25.01.2006 beendet worden ist.

Der Kläger beantragt,

Zurückweisung der Berufung und Abweisung des Widerklageantrages

und schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts an.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 08.09.2006 (Bl. 135 bis 138 d. A.) sowie den vom 22.11.2006 (Bl. 152 d. A.), bezüglich der Berufungsbeantwortung auf den Schriftsatz des Klägers vom 19.09.2006 (Bl. 147 und 148 d. A.) und die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung des Landesarbeitsgerichts vom 24.11.2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Rechtsmittel der Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt, sowie begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.

Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht ist in dem angefochtenen Urteil vom 11.05.2006 im Ergebnis und in der Begründung zu Recht zur Auffassung gelangt, dass die von der Beklagten unter dem 13.12.2005 ausgesprochene Kündigung zum 15.01.2006 sozial ungerechtfertigt ist; des Weiteren, dass die Anfechtung einer Befristung nicht greift, ein Weiterbeschäftigungsanspruch und die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von 300,-- € brutto besteht.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Berufungskammer Bezug auf die diesbezüglichen Feststellungen des Arbeitsgerichts und sieht hier unter Übernahme der Entscheidungsgründe von einer wiederholenden Darstellung ab.

Die in der Berufungsinstanz verfolgte Hilfswiderklage ist ebenfalls nicht begründet. Lediglich wegen der Angriffe der Berufung besteht Veranlassung zu folgenden Ergebnissen und Ausführungen:

1. Wirksamkeit der Kündigung vom 13.12.2005

Soweit die Berufung auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 14.03.2006 Bezug nehmend der Auffassung ist, ihr Vortrag zu einem Outsourcing - der Übertragung der Tätigkeit u. a. auf ein Leiharbeiterunternehmen - sei prozessual ausreichend, vermag dem die Berufungskammer nicht zu folgen; denn die Gerichte für Arbeitsachen sind gehalten, die konsequente Umsetzung der Organisationsentscheidung und deren Auswirkung auf die Beschäftigungslage zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zu überprüfen (vgl. BAG Urteil vom 09.05.1996 = NZA 1996, 1145). Hier hätte die Beklagte - insoweit in Übereinstimmung mit der Auffassung des Arbeitsgerichtes - bei einer organisatorischen Rationalisierung durch Fremdvergabe von Arbeiten die Auswirkungen auf die Beschäftigungslage substantiiert im Einzelnen darlegen und ggf. beweisen müssen (vgl. hierzu APS - Kiel, Großkommentar zum Kündigungsrecht, § 1 KSchG Rz. 550). Dies hat nichts mit der eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit der unternehmerischen Entscheidung an sich zu tun, die die Berufung betont; denn die Dringlichkeit der betriebsbedingten Gründe im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG steht im Mittelpunkt der Rechtsprüfung und macht die nachvollziehbare Darstellung der Unausweichlichkeit der unternehmerischen Entscheidung nötig. Hierzu sind auch unter betriebswirtschaftlichen Aspekten keine ausreichenden Gründe erkennbar, die die Beklagten gezwungen hätten, genau zum Kündigungszeitpunkt mit den von ihr vorgesehenen Maßnahmen der Übertragung der Tätigkeit der Maschinenarbeiter auf Leihunternehmen zu reagieren.

2. Anfechtung der Dauer der Befristungsabrede

Zutreffend ist die in der mündlichen Verhandlung vom Landesarbeitsgericht vertiefte Auffassung der Beklagten, dass bei einem Verschreiben des Erklärenden grundsätzlich eine Irrtumsanfechtung - Irrtum in der Erklärungshandlung - in Betracht kommt. Entscheidend ist jedoch, dass ein nach außen erkennbarer Wille des Erklärenden bei einem Vertragsschluss hinsichtlich des Befristungsendzeitpunktes feststellbar ist. Hierzu gilt schon ohne Anfechtungserklärung, dass bei einem Streit über die Dauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses derjenige die Befristungsdauer zu beweisen hat, der sich auf die frühere Vertragsbeendigung beruft (BAG Urteil vom 12.12.1994 - 7 AZR 745/93). Dies gilt erst recht innerhalb einer erklärten Anfechtung (vgl. Palandt, BGB 59. Auflage, § 119 Rz. 8).

Im vorliegenden Fall ist die Feststellung eines entsprechenden Geschäftswillens, der Gegenstand der Erörterung der Parteien und beim Abschluss der letzten Befristung am 11.01.2005 war nicht auszumachen. Der unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 14.03.2006 dargestellte Sachverhalt stellt umfassend die Umstände dar, die zur Aufnahme des aus Sicht der Beklagten "falschen" Befristungsdatums - statt 25.01.2006 sei der 25.07.2006 gewählt worden - in den Arbeitsvertrag dar, nicht jedoch im zivilprozessual nötigen Umfang, dass das Beendigungsdatum 25.01.2006 auch Verhandlungsgegenstand zwischen den Arbeitsvertragsparteien beim Abschluss der letzten Befristung gewesen ist. Nur dann wäre, anders, als bei der auf Nichtigkeit gerichteten Rechtsfolge bei einer erfolgreichen Anfechtung (vgl. § 142 BGB) wegen möglicherweise beiderseitigen Irrtums über eine Anpassung der Geschäftsgrundlage eine Substituierung der Befristungsklausel mit dem richtigen Datum möglich. Im anderen Fall ginge eine Anfechtung ins Leere, da mit der gesetzlichen Rechtsfolge nicht zwangsläufig ein anderes Befristungsdatum eingesetzt werden kann, sondern die bloße Nichtigkeit der Befristungsabrede festzustellen wäre. In diesem Zusammenhang kann unerörtert bleiben, ob die Anfechtung einer einzelnen Arbeitsvertragsklausel mit der von der Beklagten erstrebten rechtlichen Wirkung überhaupt möglich ist.

3.

Aus den dargestellten Gründen folgt, dass die Hilfswiderklage der Beklagten kein Erfolg haben konnte.

III.

Nach alledem war die Berufung mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen und die Hilfswiderklage abzuweisen.

Für eine Zulassung der Revision bestand angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Notwendigkeit.

Ende der Entscheidung

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